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352 v. Das Zeitalter Ludwigs XIV. Aera in der französischen Rcgierungsgcschichte: die ministerielle Allgewalt ver einigte sich mit der Majestät des Königthnms; was die beiden Cardinäle ge gründet, trat jetzt Ludwig XIV. als Erbschaft der Krone an; Richelieu hatte mit eisernem Willen den Absolutismus aufgcrichtet, Mazarin denselben mit Klugheit, Consequenz und Glück bewahrt und gefestigt; nun gab ihm der König die praktische Anwendung und den majestätischen Ausdruck. Als der Erzbischof von Rouen nach Mazarins Tod die Frage an Ludwig stellte, an wen er sich jetzt in Sachen der Kirche zu wenden habe, erhielt er zur Antwort: An mich! Bald hatte der junge Monarch die Gcnugthuung, die Menge der Bittenden und Ehr geizigen, die bisher die Vorzimmer des Cardinais gefüllt hatten, nach seiner eigenen Hofhaltung Hinüberströmen zu sehen. Indem er aber auf solche Weise die unumschränkte Staatsgewalt seiner Person beilegte, war er auch zugleich ent schlossen, sie als Selbstherrscher auszuüben; bis an sein Ende hat er den Staats- geschüften eine anhaltende unmittelbare Thätigkeit gewidmet. Wirkungen. In Ludwig XIV. erreichte die königliche Allgewalt den höchsten Gipfel, so daß alle Selbstherrscher der folgenden Zeit ihn zum Vorbild nahmen. Das ganze öffent liche Leben drehte sich um den Hof und die Person des Monarchen; in ihm war die Macht, Hoheit und Majestät der Ration concentrirt. Die an Anbetung grenzende Verehrung, die ihm gezollt ward, erfüllte ihn mit einem Selbstgefühl, das nicht den leisesten Schatten auf der spiegelhellen Flüche seines Glanzes dulden wollte; von seinen Unterthanen erhielt nur der Bedeutung, auf dem die Gnade des Gebieters ruhte. Unbedingter Gehorsam war in seinen Augen das höchste Verdienst; jedes Widerstreben ein strafwürdiges Verbrechen. Aber er besaß auch die Gabe, sich Gehor sam zu verschaffen; er hatte eine Art von Schwung in seinem persönlichen Stolz; doch war er der Schmeichelei mehr zugänglich, als sich mit der wahren Größe vertrug. Ludwig XIV. hatte nur immer vor Augen, was die Geschichte von ihm sagen würde, heißt es bei einem neueren französischen Historiker, und niemals hat ein Fürst seinen Zweck besser erreicht. Sein Ansehen von Größe hat nicht nur die Zeitgenossen, sondern auch die Nachwelt bezaubert. Dies hatte für den König die Folge, daß Befriedigung seiner Eigenliebe, seines Herrscherstolzes und seiner Dcspotenlaunc der Hauptzweck seines Strebens wurde, für die Untergebenen, daß sie durch Schmeichelei, Servilismus und Kriecherei die Hofgunst zu erlangen suchten, die allein zu Glück und Ehre und zu allen Erdengütern zu führen ver sprach. Das Gefühl des eigenen Werthes trat zurück, die Geltung und Selbst schätzung richtete sich nach dem Verhältniß, in dem jeder Einzelne zu dem König stand; es war als ob die Nation es aufgäbe etwas für sich selbst zu sein, als ob sie nur der Abglanz des Monarchen sein wollte; jedes Zeichen der Gnade machte glücklich, die mindeste Ungunst elend. Daher lagerten sich allmählich alle bösen Geister eines entarteten Hofes, Charakterlosigkeit, Verleumdung, Ränkesucht und Neid um den Thron und verschlossen der Tugend, Rechtschaffenheit und Tüchtig keit den Weg. Vieles traf zusammen, um diese königliche Allgewalt und die