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bestimmt waren, dem spanischen Adel Aemter und Einkünfte zu liefern und die leeren Kassen in Madrid zu füllen? Wenn sich dennoch in Mailand, in Neapel, auf Sicilien und Sardinien das ganze Jahrhundert hindurch die spanische Herr schaft erhielt, ja noch immer eine dominirende Stellung in dem Apenniiienlande behauptete, so lag die Ursache davon weniger in der eigenen Kraft als in der staatlichen Zerrissenheit und den verlotterten Zuständen des öffentlichen Lebens in Italien. Wir haben im vorigen Bande an verschiedenen Orten die politische und sociale Lage der Halbinsel im Anfang des siebcnzchnten Jahrhunderts kennen gelernt, des Kirchenstaats (S. 79—83), des Königreichs Neapel und Sicilien und des Herzogthums Mailand (S. 97—104). sowie der übrigen Staaten und Dynastien in den oberen und mittleren Landschaften (S. 305—331). Diese Zerbröckelung des öffentlichen Lebens, die vielgelheilten Interessen, die durch Traditionen, durch persönliche und verwandtschaftliche Bande genährten Sym pathien und Antipathien der fürstlichen Familien gaben dem spanisch-österreichi schen Hause die Möglichkeit an die Hand, in allen Landestheilen einflußreiche Ver bindungen zu knüpfen und zu erhalten, bei allen politischen Verwickelungen Coali- tionen zu seinen Gunsten zu Stande zu bringen. Die Beziehungen zum Kirchen staat Rom waren freilich nicht immer gleich freundschaftlich und gleich günstig für das Habsburger Herrscherhaus, da bei dem häufigen Wechsel des Pontificats und dem damit verbundenen Emporkommen neuer Ncpotenfainilien auch die politischen Systeme im Vatican durch persönliche Neigungen und Einflüsse bald nach dieser bald nach jener Seite gelenkt wurden. Wir wissen, wie schroff der urLai^vnl willenskräftige Papst Urban VIII. Partei nahm gegen die österreichisch-spanische ' Politik in dem Augenblick, da Kaiser Ferdinand II. Alles einsehte, dem Katho- licismus die Alleinherrschaft in Europa zu verschaffen, und das Madrider Cabinet dem Verwandten in Wien eifrig zur Seite stand (XI, 81 f.); wie dagegen der 2n's°»n^x. päpstliche Stuhl unter ihm und seinen drei nächsten Nachfolgern sJnnocenz Xi Alexander VII. (Chigi), Clemens IX. (Rospigliofi)) bei der Losreißung Por- —>«,i7) «le-tugals von der spanischen Monarchie sich für das legitime Recht Philipps IV tM7-ives.'aussprach (S. 301). Seit der Errichtung eines Staatsraths (Congregatione di Stato), worin die Häupter und Glieder der fürstlichen Nepotenfamilien die entscheidende Stimme führten, wurden die politischen Angelegenheiten aus einen' von den kirchlichen Interessen mehr unabhängigen Gesichtspunkte behandelt. Cbc» so werden wir im folgenden Abschnitt erfahren, wie wenig das Pontificat sich durch seine Sympathien für Frankreich abhalten lieh, gegen die Uebergriffc L»d- Clemens X. XIV. energische Einsprache zu erheben, daß sowohl Clemens X. als dek 3nn»en^x,'. strenge Jnnocenz XI. gegen den Gewaltherrscher und den gcsammtcn französisch^' ^ Klerus einen Kampf eingingen, der die gallicanischc Kirche an den Rand eine» Schisma führte und zwar zu einer Zeit, da dieser Monarch wegen Widerrufung r.^des Edikts von Nantes von der ganzen katholischen Welt als Bezwinger der n?s^si' gefeiert ward. Erst dem Venetianer Ottoboni, der als Alexander VlU'