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. • '■ N 34 Dreizehente Tafel. 13er Durst ist gestillt. Haben Sie etwa auch Hunger? Sie Können ihn so gleich befriedigen, wenn Sie anders I.uft dazu haben, denn da heute gerade Fasttag ist, so müssen Sie — zwar nicht hungern, denn so ernstlich ist es mit dem Fasten nicht gemeint, aber doch — mit Fastenspeise voxlieb nehmen, wobei ich aber nicht gemeint bin, Ihnen Gesellschaft zu leisten, obschon die Fastenspeise, welche wir hier sehen, zu den sehr beliebten des russischen Volks .gehört. Es ist der Kiseel, eine Art Erbsenbrei, welcher in Form Kleiner run der Kuchen, aber blofs an Fasttagen, verkauft wird. Der VerKäufer dieser Speise, Kiselhik genannt, trägt seine Waare nebst dem Geschirr auf dem Kopfe, das Gestell zu seinem Tische aber in der Hand. Sein Geschirr besteht in einer Flasche mit Leinöhl gefüllt, einigen hölzernen Tellern, und hölzer nen Gabeln. Alles dieses, zusamt dem Kiseel steht auf einem Brete (Latok), welches zugleich die Stelle des Tischblattes vertritt, Hat nun jemand Appetit von seiner Speise zu essen, so schlägt er sogleich seinen Tisch auf der Strafse aiif, legt seinem Gaste so viele Kuchen, als er verlangt, auf einen Teller, schneidet den Kiseel über das Kreuz in kleine Würfel, giefst Oehl darüber, l§gt-eine Gabel hin, und die Mahlzeit ist bereitet. Patriarchalisch genug! Brod ifst .man nicht dazu. Also Sie wollen lieber im vollen Ernste Fasten, als auf diese Weise mir so vel quafi? Nun, so werden Sie sich wohl die phylikotheologische Bemerkung recht tief einprägen, wie gut es sei, dafs nicht alle Geschöpfe gleiche Geschmackswärzchen haben, sintemal wir uns um die Eine Speise garstig mitspielen würden, wobei es dann um den ewigen Frieden noch mifslicher aussehen müfste, als es ohnedem schon aussieht, denn bekennen wir nur; wir ätherischen Menschen sind doch recht bissige Thiere, wenn es auf den Hunger nn kommt, bei welchen unsere Philosophie Mäuschen stille schweigt. — Wohl uns-demnach, dafs wir dem Manne, welcher hier den Kiseel verzehrt, nicht erst guten Appetit zu wünschen brauchen, da er denselben ohnedem hat. Der Speisende ist ein herrschaftlicher Kutscher in seiner Staatslivre'e, mit vergoldeten Stolpen an den Handschuhen. Ich denke der Kutfcher wird Ihnen nicht ganz übel gefallen, und da ich Keine Bemerkung hier weiter über ihn zu machen habe, .so bitte ich Sie nur, dafs Sie selbst von ihm einen Schlufs auf den Geschmack und Luxus seiner Herrschaft machen mögen. Der Schlufs von den Bedienten auf die Herrschaft, deren ökonomische, ästhetische und moralische Eigenschaften pflegt selten zu täuschen, und liier in Petersburg weniger als anderswo.