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Sächsische Erscheint bis auf weiteres am 25. eines jeden Monats. Alle Einsendungen Inserate betr. sind nur zu richten an: Robert Weniger, Leipzig, Hohestr. 48. —Nachdruck von Original-Artikeln, soweit nicht ausdrücklich verboten, nur mit genauer Quellenangabe .Sächsische Rad- u. Motorfahrer- Zeitung* gestattet. — O Rad- u. Motorfahrer-Zeitung Organ für Radfahrer, Motorfahrer, Automobilisten Zeitung des Sächsischen Radfahrer-Bundes, e.V. Anzeigen-Preis: die viergespaltene Petitzeile 30 Pfg., bei größeren Auf trägen und Wiederholungen entsprechenden Rabatt. — Schluß der Schriftleitung: 8 Tage vor Erscheinungstag. Schluß der Anzeigen-Annahme: Dienstag vor Erscheinungstag. Nr. 2. Leipzig, den 24. November 1916. XXVI. Jahrgang. j 23. Kriegsnummer. Ein Sportfest an der Ostfront. Goldiger Herbstsonnenschein lag über dem Land. Reges Leben und Treiben auf der das flache Land weithin beherrschenden Höhe. Schmeichelnde Walzertöne, schneidige Marschmusik trägt de: - laue Wind von ihr herunter. Offiziere, Mannschaften, alt und jung, stehen in angeregter Unterhaltung über den gebotenen Sport in zwanglosen Gruppen untereinander. Andere wieder stehen am Schankzelt und ziehen sich ein „Helles“ oder sonstige Getränke zu Gemüte, während sich am Fuße der Höhe der Reihe nach sich die sportlichen Vor führungen abwickeln. Sackhüpfen für Ledige und Ehemänner, Stafetten lauf, Hindernislaufen für Infanterie und Maschinen gewehre, Wettschanzen zweier Abteilungen mit Hand granatenwerfen, Galopp- und Trabreiten von benach barten Höhen, Wettlegen von Telephonleitungen nach einem 1500 m entfernten Gehöft, für Sanitätsmann schaften ein Bewerb im Verbinden von Verwundeten und Herbeischaffen derselben aus einem Dorfe. Das Interessanteste waren wohl der Gepäckmarsch für In fanterie und das Querfeldeinrennen einer Mannschaft einer Radfahrer-Kompanie über 6 km. Beide, die In fanterie und die Radfahrer, hatten dieselbe Strecke zurückzulegen. Durch Sumpf und Wasser, über Feld und abgeholzten Wald. Ein Querfeldeinrennen im wahrsten Sinne des Wortes. Alles in allem war es ein Tag, der einen in einstige schönere Zeiten zurückversetzt, glauben machen konnte, wenn nicht das ausschließliche Feldgraue und der dumpfrollende Geschützdonner die Wirklichkeit da zwischengetragen hätten. Der Start für den Gepäckmarsch und das Rennen für Radfahrer erfolgte in dem Dorfe B.-G. Die „alten Herren“ der Infanterie bekamen 400 m Vorgabe. Sofort nach dem Startzeichen, Massenstart, stürzte die In fanterie los, die Radfahrer saßen auf, um schon nach 50 m wieder abzusteigen. Hier begann schon Sumpf. Nr. 12 stürzt am Start und verliert viel Boden, während Nr. 7 schon nachläßt. Eine schwierige Aufgabe für die Radfahrer, feldmarschmäßig gepackt, 150 Patronen, kleinen Tornister, Karabiner, Helm, Gasmaske. Mantel und Kochgeschirr am Rad, durch das sumpfige Gelände, durch Wasser vorwärts zu kommen. An einem schmalen, aber tiefen Bach drängt sich Radfahrer und Infanterie zusammen, denn es führt nur ein Pfosten darüber. Hier läuft Nr. 12 zu 7 auf. 10 und 10 haben die noch 000 m entfernte Chaussee schon erreicht und treten mächtig in die Pedale. 12 hat 7 hinter sich gelassen und erreicht nach 1 km Fahrt auf Chaussee Nr. 18. Bereits nach 1200 m haben die meisten Radfahrer, trotzdem sie schieben mußten, die Infanterie hinter sicli gelassen. Die Strecke biegt bei 2 km wieder ab auf Feld wege. Im Vordertreffen hat sich inzwischen das Bild ge ändert. Nr. 10 an der Spitze liegend, stürzt. Ebenso 11, 5, 19. Eine Folge des schlechten Weges. Indessen hat sich Nr. 8 an die Spitze vorgearbeitet. Der Weg ist unglaublich, Baumstümpfe, Äste u. dgl. Nr. 12 rückt weiter auf und hält 13 und 11. Letzterer hat einen Ast zwischen den Speichen und verliert viel Zeit da durch. Ein elender Knüppeldamm, Wasser bis an die Knie, zäher Schlamm. Fahren ist nur ab und zu möglich. Nr. 10 liegt jetzt an zweiter Stelle. Nr. 1 und 20 sehen sich jetzt auch von 12 überholt, der immer weiter vor rückt. Letzterer geht noch an 3 Mann vorbei, bleibt aber in einem Schlammloch stecken und muß die 3 Mann wiederan sich vorüberziehen lassen, die er auf dem kurzen und schlechten Weg nicht wieder holen kann. Nun noch durch Wachholdergestrüpp und die Höhe, auf der das Ziel sich befindet, ist sichtbar. Noch 120 m, da, ein kräftiger Tusch von der Landwehr-Kapelle und der Sieger Nr. 8 geht über das Zielband, ihm folgen in kurzen Abständen 10, 3, 2, 19, 6, 17, 5, 14, 15. An 12. Stelle folgt die am Start gestürzte 12. Dann noch 1, 11, 20, 13, 18, 4, 7. Mit dem letzten Radfahrer trifft auch der erste Infanterist ein. Der Sieger benötigte 23 Minuten, während der erste Gepäckmärschier 38 Mi nuten gebrauchte. In Anbetracht des miserablen Weges und der schweren Bepackung ist die Zeit der Radfahrer und der Infanterie eine gute zu nennen. Jedenfalls hatten die Radfahrer, wie schon im ganzen Feldzug, ihre Überlegenheit der Infanterie gegenüber trotz unglaublichster Wege aufs neue bewiesen. Die ganze Veranstaltung wickelte sich dank der sach lichen Leitung flott und zu aller Zufriedenheit ab. Mag auch in der Heimat der Sport, insbesondere der Radsport, jetzt etwas darniederliegen, nach dem Kriege wird er wieder auferstehen und eine Höhe erreichen wie nie zuvor. Der Krieg hat es zuwege gebracht, daß maßgebende Kreise dem Sport mehr Aufmerksamkeit zeigen als ehedem. Und dies ist ein gutes Zeichen. Eeodor Türcke.