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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 23.09.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-09-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110923020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911092302
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911092302
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-09
- Tag 1911-09-23
-
Monat
1911-09
-
Jahr
1911
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«issen vorzubeugen, die zu kriegerischen Abenteuern führen können. * Die Lag« in Marotta wird nicht gerade al, ruhig geschildert: Melilla, 23. September. (Eig Drahtmeld.) Eine feindlich« Harkabeunruhigte während d«, ganzen Nacht vom 20. zum 21. September eine vor. geschobene Stellung der Spanier am rechten Ufer des Kertflusse«. Unter dem Schutze des herrschenden Nebel, setzte der Feind über den Fluh und eröffnete ein Feuer auf die unke Flanke der spanischen Truppen. Naw heftigem Kampfe zersprengten die Spanier den Feind, der zahlreiche Tote und Verwundete zurücklieb. Auf feiten der Spanier wurden 8 Sol daten, darunter 2 Eingeborene, getötet und 1 Major, 6 andere Offiziere und 38 Soldaten, darunter 8 Ein geborene, verwundet. Pari», 23. September. (Eig. Drahtmeld.) Di« „Agence Havas" meldet aus Tetuan vom 22. Cep. tember: Wie verlautet, bereitet der Militärgouver neur von Ceuta General Alsan die Besetzung T« tuan, vor. Truppen mit 300 Maultieren wer den morgen au» Tarifs in Ceuta erwartet. — Unter den Eingeborenen verlautet, ein« spanischeTrans- portkolonne sei bei Tebudja am Ued Kert überfallen worden. Von der Bedeckungsmann schaft seien 170 Mann gefallen und fünfzehn gefangen genommen worden. Die Risleute, die 00 Maultiere weggetrieben, hätten hundert Mann verloren. Stolypins Verletzung ist am Freitag in Kiew ohne jede Störung in würdiger Weise erfolgt. Zu gleicher Zeit fand die Kriegsgerichtsverhandlung gegen Bagrow statt, die, wie bereits gemeldet, mit dessen Verurteilung zum Tode durch den Strang endete. Den Vorsitz in der Verhandlung führte General Reinhardt, unter den Zeugen befand sich auch Oberst Kuljabko. Der Iustizminister war anwesend. Die Verhandlung hat offenbar Belastungsmomente für die politische Polizei in Kiew ergeben, denn die offiziöse „Rossija" kündigt in deutlichen Worten eine energische Kur an. Drahtlich liegen folgende Nach richten vor: Kiew. 23. September. (Eig. Drabtmeld.) An läßlich der Trauerfeier für Stolypin hatten die Konsulatsgebäüde auf Halbmast geflaggt. Eine große Menschenmenge füllte schnell den Platz vor der Klosterkirche, in der die sterbliche Hülle Stolypins aufgebahrt war. Die Beamten des Ntinisteriums des Innen: mit dem Unterstaatssekretär Lyko- schin an der Spitze hielten die ganze Nacht die Totenwache. Alsbald erschienen Vertretungen der öffentlichen Aemter, Vertreter der Stadt Petersburg und anderer russischer Städte, Abgesandte mon archistischer Gesellschaften, viele hohe Würdenträger, der Generalprokurator des Heiligen Synods, der Iustizminister. der HanLelsminister, der Präsident der Duma, Mitglieder der Duma und des Staats rates. Die Sammelliste für ein Denkmal Stolypins füllte sich sehr schnell mit Unterschriften. Teilweise wurden hohe Summen gezeichnet. Ein ununter brochener Zug von Deputationen legte eine große Zahl Kränze nieder. Auch im Namen der Kaiserin witwe sowie im Namen Les Prinzen und der Prin zessin von Oldenburg p>uxdcn Kränze am Sarg«; niedergelegt. Gegen 10 Uhr war die Kirchs über füllt. Viele Personen, die keinen Platz finden kann- ten-, mußten außerhalb der Kirche stehen. Der Sarg war ganz mit Kränzen bedeckt. Um 10 Uhr begann der Trauergottesdienst, den der Metropolit Flavian abhielt.Nach dem Gottesdienst folgten drei Reden, worauf gegen 2 Uhr nachmittags die Trauer feier ihr Ende erreichte. Darauf wurde der Sarg unter Trauergeläut und Chorgesang von den Groß würdenträgern zu Grabe getragen. Die Geistlichkeit mit den Kirchenfahnen und die Vertretungen der monarchistischen Körperschaften mit ihren Bannern, sowie Vertreter der Stadt und zahlreiche Schulkinder hatten Aufstellung genommen. Entlang der Kloster mauer standen Gendarmen, die der sterblichen hülle de, Ministerpräsidenten die militärischen Ehren er wiesen. Unter Vorantritt von 0 Diakonen und 54 Priestern, Archimandrttcn und Metropoliten näherte sich der Zug der Krypta. Langsam wurde der Sarg tn die Gruft gesenkt, die von den Mön chen über und über mit Blumen bedeckt worden war. Nachdem drei Gewehrsalven abgegeben waren, wurde die Gruft geschlossen. Die Anwesenden blieben noch lange an der Stätte und flehten zu Gott, daß das Andenken an den Verstorbenen, der ein so treuer Diener des Kaisers und des Vater landes gewesen, nie erlöschen möge. — Das Denk mal Stolypins wird folgende Worte tragen, die der Verstorben« in der Duma gesprochen hatte: Ihr braucht große Erschütterungen, wir brauchen ein großes Rußland. Petersburg, 23. September. (Eig. Drahtmeld.) Anläßlich der anbefohlcnen Untersuchung der TätigkeitderpolitischenPolizeiin Kiew erklärt die offiziöse „Rossija": Es gibt Wunden, die eine energische Kur fordern. Wenn die Revi sion fesistellt, daß eine solche üble Wund« vorliegt, so kann die Gesellschaft versichert sein, daß die Regierung ohne Schwanken mit härtester Energie diese schwere Frage vollständig erschöpfen wird. politische Nachrichten. Nachklänge zum Essener Meineidsprozeh. Essen, 23. September. lPriv.-Tel.) Al, Ent schädigung im Essener Meineidsvrozeß wurden dem früheren Zeitungsverleger Meyer 7000 und dem Bergmann Beckmann 4000 zugebilligt. Die Hochzeit im Habsburgischen Kaiserhaus. Wien, 23. September. lE. D.) Wie nunmehr feststeht, findet die Trauung des Erzherzogs Karl Franz Joseph mit der Prinzessin Zita von Parma, die für den 4. Oktober bestimmt gewesen war, nunmehr am 22. Oktober statt. Die Ver schiebung ist darauf zurückzusühren, daß der Kaiser, der den Anfang des Monats Oktober in der Nähe von Pest weilen wird und erst Ende Oktober nach Wien zurückkehrt, an den Hochzeitsfeierlichkeiten teil nehmen will. verbot von Protest-Versammlungen in Oesterreich. Wien, 23. Sept. (E. D.) Die Erfahrungen, die man am vergangenen Sonntag in Wien gelegentlich der Wiener Protestversammlungen gegen die Lebens- Mittelteuerung machen mußte, haben die Behörden der Provinzstädte sehr vorschtig gemacht. So sollten am kommenden Sonntag in einer ganzen Reihe von Provinzstädten Versammlungen wegen der herrschenden Lebensmittelteuerung und wegen des allgemeinen Notstandes stattfinden. Die Be hörden haben indessen sämtlich die Erlaubnis zu diesen Versammlungen verweigert. Be- gründet wurde das Verbot dadurch, daß durch der artige Versammlungen die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet werden könnten. Boykott gegen das Pilsner Bier. p. 6. Prag, 23. Sevt. (T. D.) In zahlreichen Provinzstädten Böhmens sowie inPrag selbst wird wegen der erfolxften Erhöhung der Brerpreise durch die Pilsener Brauereien eine lebhafte -Boykottbewegung gegen die Produkte derPitsener Brauereien eingeleitet. Ganze Gesellschaften haben sich gebildet, die sich verpflichteten, so lange kein Pilsner Bier zu trinken, bis die Bierpreise wieder herabgesetzt würden. Stapellauf de, „Jean Bart". 0. Paris, den 23. Sept. lE. D.) Marineminister Dclcasjd traf gestern vormittag um 7 Uhr 45 Min. in Brest ein, um dem Stapellauf des neuen Linienschiffes „Jean Bart" beizuwohnen. Da die syndikalistische Arbeitervereinigung anläßlich der Festlichkeiten Kundgebungen geplant hatte, waren seilens der Polizei strenge Maßregeln getroffen worden, um eine Verhinderung derselben durchzu zuführen. Wider Erwarten unterblieb jede Ruhe störung, und um 1 Uhr konnte der Dreadnought, dessen Einweihung der Marinemtnister selbst vor nahm, glatt von Stapel laufen. Delcassö kehrte in später Abendstunde nach Paris zurück. Disziplinlosigkeit im französischen Heere. Pari», 23. September. (E. D.) Vor dem Kriegsgericht in Ioigny hatte sich ein Reiter des 1. Dragonerregimentes zu verantworten. Er hatte sich geweigert, die Fahne eines aus dem Manöver kommenden Infanterieregimentes zu grüßen. Da» Kriegsgericht unter den: Vorsitz des Oberst von Bouillon verurteilte den Dragoner zu 30 Tagen Gefängnis und zur Ausstoßung aus dem Heere. Die schwere Strafe wurde mit der Be gründung verhängt, ein Exempel zu statuieren. Sus Leipzig unü Nmgegenü. Leipzig, 23. September. Wetterbericht der Kgl. Sachs. Landeswetterwarte zu Dresden. Voraussage für den 24. September 1911. Nordostwinde, bedeckt, kühl, zeitweise Regen. Pöhlberg: Starker ununterbrochener Nebel. Fichtelberg: Schwacher, ununterbrochener Nebel. * Kirchennachrichten. Wegen des Witterungs umschlags fällt die Morgen an dacht am Sonntag im Scheibenholz aus. * Zur Bewegung der Lithographen und Stein drucker. Die Lithographen und Steindrucker Leipzigs hatten, wie bekannt, den Arbeitgebern Forderungen zur Aufbesserung ihrer Lohn- und Arbeitsverhältnisse unterbreitet. Diese sind jedoch nur von einigen Prin zipalen, die zusammen etwa 50 Gehilfen beschäftigen, bewilligt worden. Trotzdem sich di« anderen Arbeit, geber zur Aufnahme von Verhandlungen bereit erklärten, reichten die Gehilfen di« Kündigungen für den 22. bezw. 23. d. M. ein. Da die während der KUndigungsperiode gepflogenen Verhandlungen zwi schen den Vertretern des Arbeitgeber, und des Arbeit nehmer-Verbandes zu einer Einigung nicht geführt haben, sind nunmehr die Gehilfen am Freitag und Sonnabend in den Aus stand getreten. Wie hoch die Zahl der Ausständigen ist, kann zurzeit noch nicht gesagt werden. Es können etwa 2000 bis 2500 Gehilfen in Frage kommen. Nach Lage der Ver hältnisse dürfte die Bewegung einen größeren Um fang annehmen, La einige Leipziger Firmen in meh. reren Orten Filialen haben und auch in anderen Städten, namentlich in Süddeutschland, Forderungen eingereicht worden sind. * Tarifrevision der im Buchhandel beschäftigten Markthelfer, Lagerarbeiter und Burschen. Der zwi schen dem Buchhündler-HilfsverbanLe zu Leipzig einerseits und Len Markthelfern, Lagerarbeitern und Burschen anderseits am 1. November 1907 auf fünf Jahre vereinbarte Lohntarif hat noch Gültig keit bis 31. Oktober 1912. Dieser Tarif läßt jedoch nach vierjährigem Bestehen eine Revision hinsichtlich der Wochenlöhne zu, und zwar dann, wenn durch das Gewerbegericht, nach vorher einzuholender Auskunft bei der Markthalleninspektion und bei dem Statt, (tischen Amte, eine durchschnittliche anhaltende Stei gerung der Lebenshaltung einer Arbeiterfamilie innerhalb der vierjährigen Tarifperiode um 10 Proz. nachgewiesen wird. Hierzu nahmen die im Buch handel beschäftigten Arbeiter in einer im „Schloß keller" abgehaltcnen Versammlung Stellung. Nach einem Referat über die Lohnverhältniffe und di« an haltende Teuerung gelangt« folgende Resolution zur Annahme: „Die am 22. September im Etablissement „Schloßkeller", L.-Reudnitz, tagende Versammlung d«r im Buchhandel beschäftigten Arbeiter weist dar- auf hin, daß alle Lebensmittel in den letzten Jahren eine ununterbrochene Preissteigerung erfahren und beute zum Teil eine Höhe erreicht haben, daß die Ar- oeiterschaft sie nicht mehr bezahlen kann. Dazu kommt, daß von einer Verminderung der Wohnungs mieten, sowie der Steuern für Staat und Kommune absolut nicht» zu verspüren ist. Aus diesem Grunde hält die Arbeiterschaft im Buchhandel sich für ver pflichtet, dafür einzutreten, daß ein Ausgleich durch entsprechende Lohnaufbesserung geschaffen wird. Zu diesem Zweck beauftragen die Versammelten die Or ganisationsleitung des Deutschen Transportarbeiter. Verbandes, unter Hinzuziehung von drei Personen aus den Reihen der Kollegen die einleitenden Schritte zu unternehmen, damit recht bald eine Revision de» Tarifs hinsichtlich der Wochewlöhn« platzgreift. Wei- ter nimmt die Versammlung Kenntnis von dem Re sultat der statistischen Umfrage in den einzelnen Be- trivbcn betreffs der Löhne und spricht ihre Entrüstung darüber aus, daß ein Teil der Unternehmer die Ar beiter noch unter Tarif entlohnt. Um diesen Zustand zu beseitigen, versprechen die Versammelten, den Ausbau der Gewerkschaft mit aller Macht zu fördern und dafür M sorgen, daß unorganisierte Berufs kollegen im Buchhandel nicht mehr zu finden sind." * Deutsches Buchgewerbehauo. Anläßlich der Hauptversammlung des Sächsischen Lchrervereins, die vom 1. bis 3. Oktober in Leipzig stattsindet, wird vom Deutschen Buchgewerbe-Museum in den unteren Räu men des Buchqewerbehauscs eine Ausstellung „Schule und Buchgewerbe" veranstaltet, die die Beziehungen von Schule und Graphik nach der ästhetischen und gewerblichen Seite hin veranschau lichen soll. Auch die Bestrebungen zur Verbesserung der Schrift sollen berücksichtigt werden. Neben der modernen wird eine umfassende historische Ab teilung vorbereitet, die eme Entwicklung des Schul- und Schreibbuches vom 15. bis 19. Jahrhundert gibt. — In den oberen Räumen findet eine Ausstellung von Arbeiten der Klaffe Salzmann an der Staatlichen Kunstgewerbeschule zu Hamburg statt. — Beide Ausstellungen sind bis Mitte November wochentags von 9 Uhr bis zum Anbruch der Dunkel- heit, Sonntags von 11 bis 2 Uhr bei freiem Eintritt geöffnet. * Die vereinigten Gnttemplerloaen Lei pigs ver- anstalteten Freitag abend im „Elysium" einen Licht bildervortrag, der sich eines außerordentlich starken Besuches zu erfreuen hatte. Der Abend sollte dazu dienen, den Mitgliedern Aufklärung über die in letzter Zeit sich im Kinowesen breitmachcnde Schund literatur zu bringen, und in diesem Sinne leitete auch Lehrer W. Schubert die Vorführungen durch einen Vortrag ein. der die so im Schwünge befind- licheck schechten Bilder kennzeichnete. Er führte den Zuhörern vor Augen, welchen Schädigungen gerade Kinder ausgesetzt sind, die die jetzigen Kinos be suchen und forderte die Eltern auf, in dieser Be- Ziehung mehr als bisher aufzupaffen. Dabei haben die Kinos die Aufgabe, bildend zu wirken, und können diese auch bei einigem guten Willen lösen. Natürlich nur dann, wenn das Publikum sich daran gewöhnt, nicht immer auf die Billigkeit zu sehen, sondern es sollte sich lieber daran gewöhnen, etwas mehr auszugeben, um dafür Besseres zu sehen. Dann folgten die Vorführungen, und zwar wurden zuerst die schlechten Bilder gezeigt und dann eine Reihe besserer und zum Teil sehr guter Bilder, die vielen Beifall fanden. * Die HerbstprüfunI der Exerzierschule Leipzig- West (gegründet von Hauschild 1893s, wird Sonntag nachmittag 4 Uhr in der Halle des Plagwitzer Turn vereins (Eingang Schmiedestraße» nach folgendem Programm abgehalten: 1. Einzug der Fahnen kompagnie und Abklingen der Fahne. 2. Ehren erweisungen, 3. Exerzierschritt in drei Abteilungen, 4. Gelenk- und Muskelübungen, 5. Armeemärsche, 0. Gewehrstoßen und -drehen mit Gehen am Ort, 7. Exerziermarsch mit Gewehr, 8. Ausmarsch der Serdstlich launige Tsge. Altenbrack im Harz, Ende September. Auch wenn einem, wie mir gerade jetzt, der strö mende Regen draußen zum offenen Balkon hinein auf die paar abgerissenen Notizbuchblätter tropft, ist es doch noch ein beseligcirder Gedanke, um die köstlich« Zeit der Laubfärbung im herbstlichen Harz wald, fern von allen Premieren der beginnenden Saison zu sitzen und letzte Erholung für die endlosen, arbeitsreichen Wintertage zu finden. Selbst ein Regentag hat hier noch etwas Beseligenderes als in der Stadt, niemand von den wenigen unentwegten „Sommer"-Fremden schimpft auf den Himmel, all« hoffen auf heiteren Himmel und Sonnenschein. Und in der Tat. während ich dies schreibe, zerreißt dort über den Bergen der entmutigende Wolkenschleier und läßt ein karges Sonnenlächeln Lurchblicken. Evoc, die Heimat! — „der T. ist mit seinem neuen Stück in Berlin Lurchgefallen". — „Schon'?" „Tja." „Und die P.? Hat sie ein Engagement?" — „tstewiß, in München. Man wartet mir Spannung auf das neue Buch des Z." — Das waren die letzten Lebenszeichen der gewohnten Welt, die ich, in Wege leben den D-Zug Halle—Hock van Holland ver lassend. mit auf die Reise nahm. Kaum winkte der schlanke, blanke Ditfurter Dorfkirchturm, da wa ren sie schon vergessen, und di« Heimat, die Heimat hatte mich wieder. Verdorrt ist der Blumengatten rechts und links von der Eisenbahn, des alten Quitilingaburgis erste Grüße, das weither mit seinen stolzen Türmen winkt. Schulbuben steigen zu uns ins Abteil und schwatzen von Kartoffelfeuern und jungen Katzen, nicht, von Literatur. Seite an Seite mit dcm großen Brüder Staatsbahn läuft das neu«, flinke Blanken- buvger Bähnlein, und Tücher winken her und hin. Heimat, Heimat, überall. Dorr die alte, bröcklige Tenfelsmauer, wo uns in Quartanertagcn bei den ersten heimlichen Zigarren einmal ganz kannibalisch unwohl wurde. Und in Neinstedt drüben wohnt der alte Onkel, der seit Menschcngedcnkcn weit und breit die schönsten Reiweklaudcn zog. Dorf und Jugend fliegt vorüber. Thale emp fängt uns wanderfroh. Grau liegt der Dunst der Hütte zwischen den Bergen und wie ein versiegendes Rinnsal nur schleicht die alte Bode um die ausge-. waschnen Steine. Harzreifen im Herbste stimmt me lancholisch, dürr«, Laub rasck^elt um den Fuß und von den Bäumen in der Runde sinkt Las Laubge- riesel lei» und langsam wie der erste Schnee, wie Sonnenregen am Sommerlag. Der Dahnhofspark starrt kahl. Das neue steile Denkmal verschönt ihn nicht. Menschenleer ist di« Pillenstraße. aber von den PerkaufSständcn und Hoteltüren her überbieten sich Hau^nechte. Kellner und Verkäufer in Anpreisuistzen, au, denen der vereinsamte Herdstwanderer nur eine» heraushört: di« Saison ist tot. Es lebe di« Nach saison. Wie so oft in langen Jähren umfängt uns das Stcinbachslal. Auf der Höhe winken die verlassenen Sitze des ersten aller deutschen Bergtheater. Ein Alter am Weg« erzählt von Len letzten Triumphen, von Lienhards Odyß, der hier herrliche Heimkehr hielt, >den Freiern um Penelopeia zum Verderben. Die alte Griechensage mitten im lachenden deutschen Land! Hans Hoffmann, der Dichter Les Harzes, Julius Wolff, Ler Qucdlinburger Barde und von fernher der alte Homer, von Süd zu Nord, von Berg zu Meer, sie reichen sich die Hände. Dcm freundlichen Phäakcn dankt ein Silberstück, und wir steigen tal wärts durch den echoreichen Hirschgrund. Drüben am Roßtrappsolsen lärmt immer noch die alte Pi stole fünffachen Widerhall. Einsam und herbstes- schön ist der Bodewcg flußauf. Tief im Felsenkeffel brodeln die grünlichen Fluten und von den rost- braunen Eichen am Berg sinkt Blatt um Blatt in Len brausenden Grund. Helle Birken winken am Weg, leise rauschen die breiten Buchen im Herbst- lickxn Wind, und schneller strömt uns in hundert Windungen die weiße Bode entgegen. Mir sinkender Sonne erreichen wir Las fremdrnleere Treseburg im grünen Tal, rasten und streben weiter flußauf, vor Abend ein sicheres Dach zu finden. Wie von der Welt draußen vergessen liegt zwischen den Bergen tief im braunschweigischen Harz das alte Hüttennest Altenbrack mit seinen stillen Schächten. Vom Berge winkt ein seltenes Kirchsein, eigentlich ein zweistöckig Haus mit einfachem Uhr turm darauf. Die Klocke bimmelt Len Feierabend inrd aus dem Tale läutet der Widerhall mit Len klingenden, klirrenden, dröhnenden Schellen der rveidesatt heimtrottenden Kühe. Draußen weit draußen hinter den Bergen rings lärmt die Stadt, hastet die Welt. Hier im Waldtal ist der Friede. Am Morgen suchen wir die Herden im weiten Tal, liegen länge Stunden im Grase, sehen die Oechs len, mutwillig spielen und springen, schauen dem Hirten auf die gewandten Finger, wi« er Körbe flicht und sein Lied dazu pfeift. Wir schauen verlorenen Blickes in Lrn klacblauen Himmel und freuen uns der wärmenden Sonne. Der vielfache Kuhglocken klang deucht uns Li« schönste Opernmujik. Aus den Schellen dringt leise, verhallend nur, ein wundersam w.icher Mollton herüber, wie eine große Domglockc, die in den Mittag verklingt. Herrlich, ganz un nachahmlich. Das ist ein Läuten, ein Singen, in diesem einen Klang, daß selbst Richard Strauß ihn nicht instrumentieren kann, denn Wald und Wiese, Weide und Sonne klingen iy eins mit dem Hirten lied auf unseren Lippen. Einen Traum halt' ich an diesem Morgen auf der Weide. Das Zeppelinlustschiff „Schwaben" sah ich berzufliegen und im weiten Harztale landen. Dem Ausstieg fehlte es an Ballast. Zwei von den fettesten Kiiixn wählte man aus und sperrte sie in die Gon del. Mitten in der Fahrt über den Harzbergen riß sich «ine Kuh los und sprang über Bord. Tausend Menschen zeigten nach der fliegenden Kuh und wähnten den T-eufel in ihr. Auf dem Weg« zum nächsten Telegraphenamt bin ich erwacht. Daß man Loch einmal fünf Minuten nicht Journalist sein könnte! Wenigstens sollte man doch einmal den Literaten ganz unb gar zu Hause lassen und das Theater ver gessen können! Heute in den stalaktttenreichen Höhlen des „schmiedcdunklen" Rübeland, wie Hein rich Heine es treffend gekennzeichnet hat, fiel mir Max Reinhardt ein. Die „Nibelungen" Wagners in der geheimnisvollen, pittoresken Hermannshöhle! So etwas war denn doch iroch nicht da. — Ich glaube, die Rübeländer würden mich allein für diese Idee zum Ehrenbürger machen und in Stein ausgehauen neben ihren berühmten Höhlenbären stellen, persiuüus. Don allen geftlndsinnigen Kunstfreunden freilich Hütte ich weniger Angenehmes zu erwarten. Ich bin ihnen hier mehr holdgesinnt, denn je; im ganzen gesegneten Altenbrak ist kein Grammophon zu finden, und das Klavier hat unser feinsinniger Hotelwirt verschlossen. Seit der Schlüssel in meinen Tagen hier schwerer zu finden als die „Mona Lisa", von der unser Hausknecht hier glaubt, es sei eine Kuh. Der glückliche Mensch sagt, er habe erst im Winter Zeit zum Zeitunglesen. Diese große Gleichgültigkeit gegen die Welt draußen hält mich an Len einsamen Ort gefesselt. Ich finde sie nachahmenswert. Vom Aushauen und Ausgehauenwerden sprach ich schon. Letzten Abend hatten wir eine tüchtige Probe davon. Jetzt treten in den kühlen Nächten die brünstigen Hirsche aus dem Wald, äugen scharf aus und schreien von Berg zu Berg, daß es im Tale dröhnt. Wie zu einem Schauspiel waren StäLter in Wagen und Automobilen gefahren gekommen, lagen im Abenddunkel am Waldrand und lauschten auf die gigantischen Naturlaute. Wir streiften halb- dritt mit dem Förster durchs Revier. Infolge des langen und heißen Sommers seien die Hirsche noch nicht so weit, bohauptete er und wollte nicht an das Brüllen glaulren. Da wieder der Laut. Geschickt gab der Krünrock Antwort und pirschte sich herzu. Noch einmal. Dann geschah es: Ein grimmiger Ruf. Zwei schallende Schläge, unverkennbare Ohrfeigen. Und ein mörderliches Iungengeschrei. Die auf- blitzcnds Taschenlampe beleuchtete uns bas hochrote Gesicht unseres Kellnerlehrlings vom Hotel. Auf Geheiß von ungenannter Obrigkeit hatte er sich be flissen, das Hirschbrü'llen nachzuahmen, indem er in eine umgestülpte Gießkanne brummte. Darüber waren die nichtsahnenden Hörer nun entzückt ge wesen. Entrüstet fuhren sie heim. Nachher taten dem Förster die handgerechten Ohrfeigen leid. „Der Bengel hat Geschäftsgeist. Nächstes Mal mag er Karten verschicken, daß Las Hirschbrüllen b«i un günstiger Witterung im Saale stattsindet." Es war eine sternenhell« Nacht im Walde. Zwei Kometen auf einmal scben wir am Himmel und starben einen Augenblick vom blauen Licht umfloffen. Aufgescheucht bosselten die frechen Waldsäue wieder ins Dickicht. Gegen Morgen setzte ein Regen ein. Aber der Himmel entwölkt sich schon über diesen Zeilen. Mich ruft der Wald vom Schreibwerk weg zu neuen Freuden. Mit Goethe halt' ich es auch in diesen harzhevbstlichen Wochen: „Herbstlich sonnige Tage, Mir beschießen zur Lust! Euch mit leiserem Schlage Grüßet die atmende Brust." Daul Lobaurukurs- Auf ürm rümillhen TrSüelmsrkt. Von Dr. Rudolf Krauß (Stuttgart). Es ist unter den Besuchern und zumal unter den Besucherinnen der ewigen StcÜrt eine althergebrachte Sitte, daß sie einmal Lum mindesten ihrem Eifer in der Besichtigung von Museen, Galerien und Krrchen Zügel anlegen, um sich an dem buntbewegten Volks treiben des Trödelmarkts zu belustigen. Wen frei lich der Teufel der Kauflust erfaßt hat, der läßt es bei dem einen Male nicht bewenden und kehrt wieder und wieder zurück zu der Stätte des Feilschens, um mit mehr oder weniger Geschick und Geschmack teuere oder billige, wertvolle oder nichtige Andenken an den römischen Aufenthalt zu erwerben. Jeden Mittwoch von 9 Uhr bis etwa zur dritten Nachmittagsstunde wird der Markt abgehalten. Die Trambahnwagen der Linie 1, die den Hauptbahnhof mit dem St. Petersplatz verbindet, pflegen sich an diesem Tage schon beim ehrwürdigen Palazzo della Cancelleria zu entleeren. Gleich auf dem dahinter liegenden langgezogenen Tancelleria-Platz siebt man lange Budenrerhen aufaeschlagen, die sich bis zum Campo di Fiore, der Richtstätte Giordano Bruno», ausdehnen und in den daneben und dazwischen liegenden Gaffen und Plätzen fortsetzen. Zwischen den Duden bewegen sich die fliegenden Verkäufer mit ihren um den Leiv gehängten Riesentragbahren, ihren Plunder unermüdlich den Fremden anpreisend, deren Sinn doch auf ganz andere Dinge gerichtet ist. Auch die Besitzer der ständigen Läden in dieser Stadt gegend haben davor auf Schautischen ihre Ware« äusgebreitet, und so wird die Kauflust von allen Seiten herausgefordert und aufgemuntert. Da» Fordern und Bieten und Handeln, das tausendfältig« Stimmengewirr, das Lärmen, Toben und Johlen m der auf- und abwcgenden Menge nimmt von Stund, zu Stunde einen unheimlicheren Umfang an, und da- zwischen vernimmt man das Gewimmer von Bam« nnis, die von Müttern auf den Armen herumge« chleppt werden oder unter den Bretterbuden in (roßen Strohkörben deponiert sind. Wie betäubt Pichtet man schließlich in den Frieden des doch gewiß auch nicht stillen Corso Vittorio Emanuels. Auf dem Campo di Fiore bieten von altersher die Blumenhändler ihre Topfpflanzen und Schnitt waren feil, und hier kann man sich um ein paar Saldi e'ncn kleinen römischen Frühling erstehen. In diesem Bereich sind auch Lebensmittel aller Art zur Schau gestellt: Orangen, Zitronen und was an Früchten die Jahreszeit bietet, Gemüse, darunter dl, köstlichen Artischocken, und Salate in vielerlei Sorte«, neben lebenden Singvögeln Geflügel, Fische, Schlacht vieh aller Art, Würste. Käse und.Backwaren. Merk-
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