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Ferien und ilm soviel als möglich von dieser Zeit des Ausgcspanntscins aus dem täglichen Joch zu profitieren, bedarf cs der Erfüllung geistiger und materieller Bedingungen. Der oberste Grund- satz geistiger Voraussetzungen für einen gesegneten Urlaub aber lautet: Schlieste dich selbst, deine Sinne, deine Gedanken, deine Seele von allem ab, das nicht Freude bedeutet im schönsten Sinne des Wortes. Freude zu leben! Freude an der Natur! Freude an den Menschen! Frende an all den kleinen Dingen des täglichen Gebrauchs! Freude an einer Frucht, an der Nahrung überhaupt! Wieviel besser wird sic dir bekomme», als wenn du sie srcudclos in dich hineinschaufelst. Last dich durch nichts vergrämen! Schenke auch dem mürrischsten Schalterbcamten ein freundliches Wort des Verständnisses, ein Trostwort mit Aussicht n»s eigene Ferien — oder wenigstens einen „hilf reichen" Gedanken! Wie sehr eine unerwartete kleine Freundlichkeit das ganze Gesicht der Reise verändern kann, erlebte ich im vergangenen Jahre aus der Rückreise von England. Es war Oktoberanfang, die englischen Wagen am Nachmittag waren gut geheizt, wäh rend uns der Nachtzug in Ostende nur kühle Aufnahme erwies, trotzdem wir für die Durchreise durch Belgien 2,50 Mark zu zahlen hatten. Ungefähr drei Uhr nachts passierten wir, durch froren bis ans die Knochen, die deutsche Grenze. „Ausstcigen zur Gcpäckrcvision", hicst cs. Ich knotete mir schnell ein Woll tuch um de» Kopf und eilte zur Zollabfertigung — mit recht gesunkenen Lebensgeistern, denn ich fühlte, dgst ich bereits eine Erkältung wcghatte. Ich war auch zu niedergeschlagen, um die Ellbogen zu gebrauchen, und so wurde ich von den kräftige ren Mitreisenden ziemlich an die Wand gedrückt. Da erhob ein behäbig drcinschaucndcr Beamter, der die Abfertigung über' wachte, seine Stimme und ries im schönsten Kölner Dialekt: „Rn lagt doch man erst dat olle Mutterten hier ran!" Und schob mich in den Vordergrund. Im Handumdrehen war ich in vergnügtester Stimmung, und wenn im weiteren Verlaus der Reise Migvcrgniigthcit mich überkommen wollte, dann brauchte ich nur zu denken: „Nu lagt doch man dat olle Mutterten . . ." Zur vollkommenen Erholung gehört auch ein völliger Wechsel der Betätigung. Bist du im gewöhnlichen Leben Hand nrbcitcr, so nimm dir geistige Beschäftigung vor, lies Bücher, Feiertage oder, wenn dies für den Anfang nicht gehen will, lege dich in Sand und Sonne, träume am Helle» Tag und genieste deine Freiheit und dein Freisein voist täglichen Arbeitszwang. Der Koosarbeitcr aber suche leichte physische Anstrengungen, die ihm onst im täglichen Leben versagt sind. Sport und Bewegungs picke aller Art, Garten- oder einfache landwirtschaftliche, ja läuslichc Arbeiten oder Basteleien geben hinreichend Gelegen heit zu einer Veränderung der bisheriges« Lebensweise. Man kann nicht sich selbst entrinnen, könnte man entgeg nen. Und doch mustt du deine Sorgen für die Zukunft und deine Kümmernisse um Vergangenes cinpacken und in den feuer festen Schrank des Vergessens verstauen, der ganz hinten im Winkel deines Lcbcns-Bctriebsbüros steht. Gib dich, und wenn cs nur sür einen einzigen Tag wäre, der Freude zu leben hin, und du wirst sehen, welch einen Kräftcvorrat du dir damit an legst. Den Rucksack mit dem Allernütigstcn nehmen und wandern mag sür manchen die idealste materielle Neiscform lein. Andere dagegen haben tagtäglich einen sichtbaren oder unsichtbaren Ruck sack zu schleppen, sind zu wenig kräftig im Gebrauch der Füge, haben Verpflichtungen oder Verabredungen, die den Koffer vcr. langen. Packe ihn sorgfältig. Schuhe, Bücher und sonstige schwere Gegenstände zu untcrst. Lege ein leichtes Brettchen daraus, mit weichem Leinen umwickelt. Du hast zwar dein Schuhwcrk in Beutel verpackt, aber das Brettchen stellt die ebene Fläche wieder her und hilft dir beim Aufplätten oder über Nacht Pressen eines Kleidungsstücks. Dann kommen die Woll sachen, Jumper und dcrgl. Zwischen ihnen kannst du die Flaschen deines Toilettentisches unterbringen, deren Korken du sorgsam zubindest. Hutköpsc stopfe mit weichen Stücken, wie Strümpfe oder die leichte seidene Unterkleidung aus, damit sie ihre Form nicht verlieren. Zarte, leichte Gewänder kommen zu obcrst, mit reichlich Seidcnpapier zwischen den Falten und als Bedeckung. Hast du nächtliche Bahnfahrt vor dir, so versieh dich mit einer Tube Rnsicrseife. Sic erspart das lästige Wegpacken nasser Seife und entfernt Stand und Schmutz besser als gewöhnliche Seife. Und nun reise mit Gott und kehre frohen .Herzens zurück! I^eckvig öürste. Vas nehmen wir Ein Psingstansslug erfordert immer seine Vorbereitungen. Macht auch in erster Linie die Wanderklcidung Kopfzerbrechen, so ist doch augcrdem sür das leibliche Wohl zu sorgen. Wohl dem, der sich in mehrtägiger Reise alle Beguemlich- keiten gönnen kann. Er bestellt seine Zimmer sür die ganze Familie, speist drangen im Restaurant, läuft wenig und fährt viel. Er braucht keinen Rat, nur Geld. Anders der, welcher auf Wauderung oder Wochcnendsahrt etwas haushälterischer sein must. Er macht sich am besten zur Regel, einmal am Tage eine warme Mahlzeit einzunchmcn, ganz gleich, ob er im Gasthaus Einkehr hält oder aus mitge nommener Kochgelegenheit das Essen selber bereitet. Diese »Hauptmahlzeit soll nach dem längsten Marschabschnitt liegen oder nach der grössten Anstrengung wie Baden, Schwimmen oder Turnen. Natürlich mast eine angemessene Pause vorge schaltet werden. Der kleinere Abschnitt der Tagesleistung soll erst nach erneuter Ruhe folge«. Denn die Fcrieufahrt soll uns Freude und Erholung bringen, aber keine Ueberanstrengiing. Ein einfacher Tagcsausflug. bei dem man des Abends wie der in seinen vier Pfählen ist, kann auch mal ohne warme Mahlzeit vor sich gehen. Befondcrs bei richtigem Sommer wetter ist das Bedürfnis nach warmer Speise geringer, und ein schmackhaflcs, leichtes Essen in kalter Form Int dann dieselben Dienste. Bei jeder warmen Mahlzeit aber vermeide» wir umfang reiche Fleischgerichte, überhaupt allzu ciweiszrciche Kost. Kom pott, Salat oder Früchte folgen stets zur Erfrischung hinterher Wahrend wir das ermüdende Bier mögliMt meiden, tut uns ein Schlückchen Wein mil Selter-, Soda- oder Mineralwasser oft sehr gut. Wenn die Mutter das Eisen aus freiem Felde oder nm Wcstdcsrand aus milgejührtem Spirituskocher selber sür die Ihren bereitet, ist sie in der Auswahl ziemlich beschränkt, es sei nenn, das; sic alles vorbereitet und vorgelocht hat. Biele Kon serven licscrn aber gute, schnell zu bereitende und nicht zu teure Gerichte Hier leisten ein paar erfrischende Früchte hinterher besonders gute Dienste. Schwere Gerichte, scharf Gewürztes, Raucher- und Polclwarcn rächen sich mit unangenehmem Durst. Doch mit einer warmen Mahlzeit allein ist cs ja am Tage nicht getan. Und so müssen Rucksack oder Wochencndkofjer noch ZU Mussten mit? allerlei kaltes Essen ausnchmcn. Fertige Butterbrote bereitet man höchstens sür die erste Mahlzeit oder die erste Rastpause. klebcr den ganzen Tag verteilt, wirken sie langweilig und schmecken nicht mehr. Frisch zurecht gemacht, soweit cs nötig ist. sind sic viel angenehmer. Und Metz« und Mundtuch finden schlicjzlich auch noch ihr Untertommcn. Schinken. Speck und gc räucherte Wurst find auch hier unangenehme Durstbringcr. Ein- faches abgekochtes Fleisch oder ein milder Käse find weit emp fehlenswerter. Auch eine Kräuterbutter ist mal sehr schön. Besondere Ausinerksamleit gilt dem mitgenommenen Brot. Ein kräftiges, klricrcichcs Schrot oder Schwarzbrot schmeckt auch, wenn Butter und Belag knapp sind. Lasches und weiches Brot dagegen ballt sich beim Kauen leicht zusammen und liegt dann schwer im Magen. Andererseits trocknet cs bald aus und wird daun bröckelig. Allzu viel Brol aber wird einem aus mehrlagiger oder wo möglich wochcnlanger Wanderfahrt zuwider. Eine Aluminium- jchiisicl mit einem Gricstbrri oder einer Reisspeisc und eine Flasche mit Fruchtjast, die zu Hause vorbereitet, und in den Zwisckreuguarticrcn erneuert werden, beanspruchen auch nicht mehr Platz. Schliejzlich nehmen wir uns auch etwas zu trinken mit Auch gcwohuhcitsmästigc Einkehrcr sollten immer etwas Ge tränk bei sich führen: Hihcfolgen und Unwohlsein können einen jeden mal befallen. Kalter Tee und Kaffee find hier, ein wenig gcjiijzt, altbewährte Helfer. Am besten und erfrischendsten ist aber eine Zitroncnlimanade. die man sich mühelos selbst be reiten kann. Eine Flasche mit alrgeprcstteni Zitronensaft und etwas Zucker lassen sich bcgucm mitnchmen. und Wasser gibt es überall. Kinder können auch mal ganz gul ohne Milch aus kommen: besser ein frischer Trunk Wasser oder Limonade als schlecht gewordene, den ganzen Tag durch die Hitze geschleppte Milch. Co vorgesorgt oder wenigstens vorbedacht, finden wir beim frugalsten Mahle im Freien Freude und Genug. Vergessen wir nur nicht, Reste und Papier entweder mitzunehmcn oder sorg- sältigst zu vergraben, damit wir die schöne Natur, die uns er freute, nicht andere» verderben. , t^cemznn Suxe.