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Gewaschene Wollen in CI. 1 sind einem zwei mal so hohen Zolle als ungewaschene Wollen unterworfen, während auf scoured Wollen der dreifache Betrag des Zolles für ungewaschene Wollen erhoben wird — ein Umstand, welcher zum Import von Wollen der Classe 1 in greasy Sorten zwingt und somit Transportspesen für 2’4—3 Pfd. Fett und Schmutz in der für 1 Pfd. Tuch erforderlichen Wolle verursacht. Die Wirkung des durch die Verhältnisse be dingten Zwanges, greasy Wollen zu kaufen und einen hohen speciellen Zoll für deren Unreinig keiten zu bezahlen, macht, dass der amerikanische Fabrikant genöthigt ist, der leichteren Be schaffenheit vor der Feinheit und anderen schätzenswerthen Eigenschaften der Wollen, welche auf fremden Märkten angeboten werden, einen ungebührlichen Vorzug zu geben. Es muss zugleich bemerkt werden, dass der hohe specielle Zoll auf Tuchwollen thatsächlich die | billigen und reichlich vorhandenen Tuchwollen [ Südamerikas ausschliesst, und indem wir uns ' demnach des Ankaufs derselben enthalten, ' machen wir sie dadurch zugleich den Fabrikan- I ten in Frankreich, Belgien und Deutschland billiger. Man wird uns vielleicht ein wenden, dass eine Abhülfe dieser Schwierigkeiten in dem ausschliesslichen Gebrauch heimischer Wollen, j die bei angemessenem Schutz in reichlicher Menge producirt werden würden, zu finden sei. Wir erwidern darauf, dass weder unser eigenes Land, noch irgend ein anderes in der Welt Wüllen aller Qualitäten und Sorten mit Vortheil producirt oder produciren kann. Die in unserem Lande während länger denn 30 Jahren bei hohen Wollzöllen gemachten Erfahrun gen haben ergeben, dass unsere Woll züchter es vortheilhaft finden, nur Stapelwollen zu produciren, welche für gewöhnliche Wollfabrikate erforderlich ! sind, und da diese Fabrikate stets im ■ Begehr sein werden, so ziehen sie ihre , Herden — eine Sache der Zeit — zur | Produktion von nur solchen Vliessen auf, welche voraussichtlich für eine ; längere Reihe von Jahren Gewinn ver- ' sprechen. Dieses System (obgleich es uns mit vor züglichem Rohmaterial für gewöhnliche Waaren versorgt) ist unverträglich mit der Ver schiedenartigkeit, welche eine so viel seitige und hoch entwickelte Fabrika tion, wie sie unser Ziel sein müsste, erfordert. Der amerikanische Wollwaaren- fabrikant muss, um mit den Erzeugnissen an derer Nationen hinsichtlich der endlosen, von unserer Zeit beanspruchten Verschiedenartigkeit concurriren zu können, in der Lage sein, einen Theil seines Rohmateriales aus den Bezugs quellen der ganzen Welt auswählen zu können.“ Hiermit schliesst der oben erwähnte Pro test der „National Association of Wool Manufacturers.“ Da nun die Frage des Wollzolles in Deutschland keineswegs beseitigt ist 1 ), so glauben wir im Interesse der deutschen 1) In der Sitzung des preussischen Abgeordneten hauses vom 26. Januar c. äusserte sicli der hauptsäch lichste Verfechter der agrarischen Forderungen, Herr v. Below-Saleske, unter lebhaftem Beifall seiner Freunde, wie folgt: „Was einen unserer Vorschläge, „den Wollzoll, betrifft, so mache ich darauf aufmerk sam, dass diese Frage noch absolut nicht zum „Abschluss gelangt ist. Mari hat gesagt, derWoll- „zoll könnte deshalb nicht eingefnhrt werden, weil es „unmöglich sei, die Exportbonification für das Gewebe „nach dessen Gemisch zu bestimmen. Eine unserer „grössten wissenschaftlichen Autoritäten hat es für mög lich erklärt, dieses Gewebegemisch näher zu bestimmen, „und wir werden, sobald diese Frage gelöst „ist, mit der Forderung eines Wollzolles von „Neuem auftreten.“ Her Verf. Textil-Industrie zu handeln, wenn wir die von so competenter Stelle wie der „National Asso ciation of Wool Manufacturers“ kommenden Ausführungen über die nachtheilige Wirkung des Wollzolles in Amerika durch Wiedergabe in der Monatschrift weiteren Kreisen zugäng lich machen. Die Herren von der Pommersehen OekonomischenGesellschaft aber mögen es sich gesagt sein lassen, dass der Wollzoll in den Vereinigten Staaten die dortige Wollenindustrie thatsäch lich in der Entwickelung hemmt, wäh rend er andererseits die dortige Woll zucht durchaus nicht wie erwartet ge hoben hat! Zur Lage der deutschen Kammgarnspinnerei. Von geschätzter Seite empfangen wir die folgenden Mittheilungen: Das Jahr 1885 wird für die gesammte Wollindustrie im Allgemeinen und für die Wollkämmerei und Kammgarnspinnerei ganz besonders, auf lange Zeiten hinaus in trauriger Erinnerung bleiben, da während des selben ein Rückschlag in den Preisen für Rohmaterial und Fabrikat und zwar fast rapid eingetreten ist, wie dies nie zuvor auch nur in annähernder Weise erlebt wurde, und da fast Niemand den Rückschlag in einer so ent schiedenen Weise vermuthete, so trafen die Folgen davon nahezu Jedermann in der Branche, und ist der ConjuncturVerlust, welcher im vorigen Jahre allgemein entstanden ist, auf viele Millionen zu schätzen. Die Ursachen dazu setzten sich aus verschiedenen ungünstig wirkenden Gründen zusammen. Der Anfang des vergangenen Jahres brachte ein noch leidlich zufriedenstellendes Geschäft für die Branche der Webwaarengarne, die Spinnereien waren beschäftigt und hatten auf einige Monate hinaus noch Absatz für ihr Ge- spinnst, namentlich für diejenigen Sorten, welche nicht gerade direct von der Mode ab hängen, während die für die eigentlichen Mode- waaren der Kammgarnbranche bestimmten Garne schon damals weniger gefragt waren. Die Moderichtung gravitirte noch immer nach den Stoffen aus harten ordinären ganz billigen Garnsorten, namentlich die sogenannten Borden-, Schleifen-, Noppen-Garne und besonders harte englische und französische Garne dienten noch vielfach zur Anfertigung von als modern ver langten Stoffen und legten schon damals das Geschäft in feinem weichem Kammgarnzwirn fast brach; Hauptsorten dieser Zwirne, welche bis dahin jahraus jahrein als courante leicht verkäufliche Sorten angefertigt werden konnten, waren mit einem Male unverkäuflich und fingen an, die Läger zu füllen; durch das drängende Ausbieten derselben wurden die Preise dafür mehr und mehr geworfen und die Preise der übrigen Sorten dadurch in Mitleidenschaft ge zogen. Dazu kam noch das Fertig werden einer grossen Anzahl neuer Spindeln, deren ver mehrte Produktion einen viel bedeutenderen Druck auf die allgemeine Lage ausübte, als dies zu jeder andern Zeit möglich gewesen wäre, und endlich kam noch dazu, hervor gerufen durch erheblich vermehrte Schafzucht in den überseeischen Ländern, voran Australien und Südamerika, ein abnorm grosses Angebot von Wolle, welches durch die schwach be schäftigten Fabriken und die vorhandene all gemeine Muthlosigkeit nicht aufgenommen werden konnte und deshalb im Preise bedeu tend zurückging. Der Rückgang im Preise für rohe Wolle, Zug und Garne beträgt von An- I fang des letzten Jahres bis zum Schluss des- I selben reichlich 20 Procent, am stärksten drückte er sich im fertigen Garn aus, bei dem ' er bis über 25 Procent zu verzeichnen ist. Ende des Jahres und zwar erst im Monat December war ein Halt in dieser Deroute zu constatiren, es trat wieder etwas mehr Nach frage nach Gespinnsten ein und Preise erzielten dadurch, wenn auch keine Erhöhung, so doch i einen festen Stand auf den etablirten billigen Preisen, so dass wieder etwas mehr Vertrauen sich geltend machte. Der niedrigste Stand der Wollpreise war während der Londoner September/Oetxjber-Auction und zwar war der selbe zu diesem Moment niedriger, als dies je seit 1848 der Fall war, während der November - Auction trat dann wieder eine : Besserung von einigen Procenten ein. Die Aussichten für den Artikel Kammgarn können nur günstig bleiben, wenn der jetzt erreichte niedrige Preis stand der Wolle verbleibt, oder doch nur wenig überschritten wird, nur da durch wird ein belangreicher Ver brauch an Wollenwaaren möglich sein. Die Verwendung für die feinen Webkamm garne ist im Allgemeinen im vergangenen Jahre die gleiche geblieben; reichlich war der Con- sum für Garne zu Tricotwaaren und Tuch stoffen, weniger günstig' für die Mode- waaren, wie solche Glauchau, Meerane etc. fertigt und sehr gedrückt in den Artikeln von Greiz und Gera, welche eine bedeutend ge ringere Jahresproduktion als normal hatten. Der Bedarf an Kammgarn für die Elber felder halbwollenen Artikel, war ebenfalls ein schwächerer als sonst, während für Export wohl gleicher Bedarf wie in früheren Jahren zu decken war. Die Branche der Zephyr Spinner ei ist [ von der allgemeinen traurigen Conjunctur weniger in Mitleidenschaft gezogen worden, weil dieselbe das ganze Jahr hindurch, bis etwa auf die letzten drei Monate, übernormal be schäftigt war und aus der Deroute der Web garnbranche rechtzeitiger die Consequenzen für sich zu ziehen vermochte. Im Königreich Sachsen werden Ende des Jahres 1885 nahezu 400,000 Spindeln Kammgarn in Betrieb gewesen sein, welche eine Produktionsfähigkeit von etwa 40,000 Kilo Kammgarn pro Tag besitzen und zu dieser Produktion ein Jahresquantuni von 500,000 Gentner roher Wolle in Rücken wäsche bedürfen, das ist mehr, als die gesammte deutsche Schafzucht heute überhaupt zu produciren im Stande ist. —t. Neue Aussichten der deutschen Textilindustrie in Rumänien. Von Paul Dehn. Wer öfter und aufmerksam durch die Haupt strassen von Bukarest oder Galatz oder Turn- Severin oder sonst einer rumänischen Provinz stadt geschlendert ist, wird überrascht gewesen sein einerseits angenehm von der weiten Ver- ' breitung der deutschen Sprache, welche fast ! jeder gebildete Mensch und jeder Kaufmann ■ versteht, andererseits unangenehm von dem grossen Mangel, ja fast dem gänzlichen Fehlen an deutschen Verkaufs- und Geschäftshäusern, Agenturen etc. In den letzten Jahren hat | Deutschlands Ausfuhr nach Rumänien über raschend zugenommen; sie belief sich im Jahre 1875 auf ü 1 l 2 Mill. Mk., war im Jahre 1884 auf 33 Mill. Mk. gestiegen und dürfte im Jahre 1885 noch eine erheblich höhere Summe dar stellen, nachdem in Folge des Zollkrieges zwi schen Rumänien und Frankreich die französische