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Der Arbeitsmarkt in der deutschen Textilindustrie in den Monaten Juli und August 1907. Juli. £ R Die Baumwollspinnereien und -webereie 11 waren im Juli d. J. gut beschäftigt, nur vereinzelt wird ein geringes Abflauen der Nachfrage gemeldet- Von Einfluß auf die Produktion war häufig der von überall her gemeldete Arbeitermangel. Die Vigogne- und Kammgarnspinnerei hatte im allgemeinen gut zu tun, weniger gut war die Lage in der Buckskin- und Kammgarn weberei des Rheinlandes. Keine Änderung trat in der guten Lage der schlesischen Woll- und Tuchindustrie ein, in der Tuchindustrie des Aachener Bezirks war der Geschäftsgang nach wie vor ungünstig, sodaß in vielen Fabriken der Betrieb dauernd eingeschränkt ist. Aus der schlesischen Leinenindustrie wird eine kleine Abschwächung gegen den Juni berichtet. In Landeshut wurde die Gesamtaussperrung der in den Leinenwebereien beschäftigten Arbeiter am 1. August beendet. Die Krefelder Samt- und Samtbandweberei war gut, die Seidenstoff Weberei dagegen nicht genügend beschäftigt. In der Berliner Wäschefabrikation trat teilweise eine Verschlechterung gegen den Vormonat ein, doch war die Nachfrage immer noch genügend. Die Herrenkonfektion war sowohl in Berlin als auch in Leipzig zufriedenstellend mit Aufträgen versehen. Infolge des ungünstigen Wetters ließ der anfangs günstige Geschäftsgang in der Berliner Knabenkonfektion später sehr zu wünschen übrig. Da Waschsachen nicht* *verkauft wurden, war das Geschäft weit schlechter als im Vorjahr. Die Damen- und Damenmäntelkonfektion zeigte in Berlin und Leipzig vielfach eine Verschlechte rung gegen den Vormonat. An Arbeitskräften war kein Mangel. In der Berliner Weißwarenkon fektion waren bereits Orders für den Winter zu erledigen; die Lage war daher günstig. Die süddeutsche Hutindustrie war, was Haar filzhüte betrifft, zufriedenstellend beschäftigt. An gelernten Arbeiterinnen war Mangel. In der Berliner Korsettfabrik flaute die Lage gegenüber dem Juni ab und war schlechter als in der gleichen Zeit des Vorjahrs. Hingegen trat in der Berliner Putzfeder industrie eine Verbesserung gegen den Vormonat und das Vorjahr ein, der Geschäftsgang war daher recht lebhaft. Arbeitskräfte fehlten. * * ♦ Im einzelnen berichtet das vom Kaiserlichen Statistischen Amt herausgegebene Reichsarbeitsblatt über den Monat Juli 1907 wie folgt: Der gute Geschäftsgang in der elsässischen Baumwollspinnerei hielt auch im Berichtsmonat an. Die württembergischen und bayerischen Baumwollspinnereien und -Webereien hatten bei fort gesetzt günstigem Geschäft sehr unter dem Arbeiter mangel zu leiden. Die hannoversche Baumwoll industrie war gleichfalls gut beschäftigt. Infolge der Unsicherheit über die zukünftigen Preise der Baumwolle neuer Ernte war das Garngeschäft sehr mäßig. Die gute Lage der sächsischen Baum wollspinnereien erlitt gegen den Vormonat keine Veränderung. Ein Betrieb berichtet, daß Offerten ostindischer Baumwollgarne zu außergewöhnlich niedrigen Preisen gemacht wurden. Die rheinisch - westf ä 1 ischen Baumwoll spinnereien und -Webereien hatten im allgemeinen gut zu tun. Doch war stellenweise ein Abflauen der Nachfrage bemerkbar. Abeitermangel machte sich besonders in der ersten Hälfte des Monats recht fühlbar. Die schlesische Baumwollspinnerei war gut beschäftigt, in der Baumwollbuntweberei war der Geschäftsgang etwas stiller als im Vor monat. Der Arbeitermangel hielt an. Die sächsische Vigognespinnerei war gut mit Aufträgen versehen. Infolge des Arbeiter mangels wurden vielfach Lohnerhöhungen durch geführt. In den Kammgarnspinnereien war die Lage andauernd günstig. Aus Schlesien werden stellen weise Lohnsteigerungen gemeldet. Der befriedigende Beschäftigungsgrad in den mechanischen Hanfspinnereien und Bindfaden fabriken hat sich nicht geändert. Der Arbeiter mangel hat teilweise, so im Rheinland, etwas nach gelassen. Die Kunstzwirnerei hat dem Bericht aus Berlin zufolge nicht genügend Arbeit. Gegenüber dem Vormonat war die Lage schlechter. Die Buckskin- und Kammgarnweberei war nach dem Bericht aus dem Rheinländ wenig gut I beschäftigt, sodaß stellenweise Einschränkungen der Arbeitszeit vorgenommen werden mußten. Die Fabrikation von Strickwaren hatte einen guten Geschäftsgang zu verzeichnen. Die schlesische Wollwarenfabrikation hatte andauernd viel Arbeit. Besonders weibliche Arbeits kräfte fehlten. Die schlesische Tuchindustrie hatte, wie im Vormonat, gut zu tun. Der Arbeitermangel dauert an. Im Aachener Bezirk blieb die Lage gleich un- | günstig wie im Vormonat. In vielen Fabriken war der Betrieb dauernd eingeschränkt. Dementsprechend herrschte ein Überangebot an Arbeitskräften. In der schlesischen Leinenindustrie war der Geschäftsgang vielfach etwas stiller als im Vor monat, aber immer noch gut. Stellenweise fehlten Arbeitskräfte. In Landeshut war vom 1. bis 13. Juli ein partieller Streik und vom 13. Juli bis zum 1. August eine Gesamtaussperrung der in den Leinenwebereien beschäftigten Arbeiter. Die Differenzen sind vor läufig beigelegt. Die Krefelder Samt- und Samtbandwebe- reien hatten recht gut zu tun, litten aber unter I empfindlichem Arbeitermangel. In der Seidenstoff weberei hingegen trat eine Verschlechterung des Geschäftsganges ein, hier herrschte infolgedessen auch kein Arbeitermangel. Die Bleicherei-, Färberei-und Appretur anstalten waren im wesentlichen noch gut be schäftigt, wenn auch der Geschäftsgang stellenweise, wie alljährlich, etwas stiller wurde. Der schwache Geschäftsgang in den elsässischen Stoffdrucke- reien hat gegenüber dem Vormonat keine Änderung erfahren. August. Die Baumw'ollspinnereien und -Webereien waren wie in den Vormonaten auch im August im allgemeinen gut beschäftigt. Aus Spinnereien des hannoverschen und westfälischen Bezirks wird aller dings berichtet, daß sich die Garnverkäufe infolge der hohen Baumwollpreise nur in mäßigen Grenzen bewegten. Außerordentlich fühlbar machte sich der Arbeitermangel in allen Bezirken; in Westfalen mußten viele Spindeln still stehen, sodaß Schwierig keiten entstanden, die Lieferungstermine einzuhalten. Die sächsische Vigognespinnerei war mit Aufträgen reichlich versehen; dasselbe gilt für die mechanischen Hanfspinnereien und Bindfaden fabriken. Die schlesische Woll- und Tuchindustrie hatte andauernd gut zu tun; die Lage der Tuch industrie im Aachener Bezirk blieb hingegen un günstig. Ausnahmsweise macht sich in diesem Be zirk auch ein Überangebot an Arbeitskräften be merkbar. Wie im Vormonat war die Krefelder Seiden stoffweberei ungenügend beschäftigt, hingegen war die Lage in den Samt- und Samtbandwebereien zufriedenstellend. Die Lage in der Berliner Wäschefabrikation | war im allgemeinen nicht zufriedenstellend, gegen über dem Vormonat war häufig eine weitere Ver schlechterung zu bemerken, sodaß durchgehends die Arbeitszeiten herabgesetzt wurden. Im Zusammen hang damit war das Überangebot an Arbeitskräften stärker als sonst. Die Berliner Herrenkonfektion hatte viel Arbeit. Stellenweise wurden Lohnerhöhungen vor vorgenommen. In der Berliner Knabenkonfektion trat gegenüber dem Vormonat eine bedeutende Ver besserung ein. Das Angebot an Arbeitskräften deckte die Nachfrage. Die Damenmäntelkon fektion war im allgemeinen zufriedenstellend be- sbhäftigt. Arbeitermangel war nicht zu verzeichnen. Der Beschäftigungsgrad in der Berliner Weiß warenkonfektion war nicht zufriedenstellend, gegen das Vorjahr fand eine kleine Verschlechte rung statt. Die süddeutsche Hutindustrie für Haar hüte war dem Bericht aus Ulm zufolge mit Auf trägen ausreichend versehen. An gelernten Arbeite rinnen herrschte Mangel. In der Berliner Korsettfabrikation flaute die Lage gegenüber dem Vormonat abermals ab und war schlechter als im August des Vorjahrs. Arbeitskräfte waren in einzelnen Zweigen der In dustrie gesucht. * . * * Im einzelnen berichtet das vom Kaiserlichen Statistischen Amt herausgegebene Reichsarbeitsblatt über den Monat August 1907 wie folgt: Die gute Lage in der elsässischen Baum wollspinnerei zeigte im Vergleich zum Vormonat keine Änderung. Die badische Baumwollspinnerei und -weberei war sehr gut beschäftigt, besser als im Vorjahr zur gleichen Zeit. An Arbeitskräften herrschte großer Mangel. Das gleiche gilt für die württembergischen und bayerischen Baum wollspinnereien und -Webereien. Stellenweise wurden kleine Lohnerhöhungen durchgeführt. In der han noverschen Baumwollspinnerei war der Geschäfts gang andauernd gut, die Garnverkäufe waren aller dings sehr geringen Ümfangs, da die Baumwollpreise andauernd hoch bleiben. Aus der westfälischen Baumwollspinnerei wird gleichfalls berichtet, daß der Verkauf an Garnen fast gariz stockte, da die Baumwollpreise im Berichtsmonat weiter stiegen. In vielen Betrieben entstanden Schwierigkeiten, die vereinbarten Lieferungstermine einzuhalten, da bei dem außerordentlich großen Arbeitermangel viele Spindeln stillstehen mußten. In den schlesischen Spinnereien trat in der guten Lage im Vergleich zum Vormonat keine Änderung ein. Arbeitskräfte fehlten. Die sächsische Vigognespinnerei hatte an dauernd viel Arbeit; sie litt aber, wie in den Vor monaten, unter großem Mangel an Arbeitskräften. Auch im Berichtsmonat wurden wieder Lohner höhungen durchgeführt. Die mechanischen Hanfspinnereien und Bindfade nfabriken waren reichlich mit Aufträgen versehen. Der Arbeitermangel ließ teilweise nach. In der Kun st Zwirnerei war der Geschäftsgang nach dem Bericht aus Berlin, wie im Vormonat, schleppend. Die Roßhaarspinn er ei en waren im allge meinen zufriedenstellend beschäftigt. Das Angebot an Arbeitern war knapp. Die sächsische Stickerei- und Spitzen industrie hatte keine Veränderung in dem günstigen Beschäftigungsgrad zu verzeichnen. Die schlesische Woll Warenfabrikation hatte, wie im Vormonat, viel Arbeit. Dasselbe gilt für die schlesische Tuchindustrie. Die Lage der Tuchindustrie im Aachener Bezirk war nach wie vor ungünstig. In vielen Fabriken | und fast allen Lohnwebereien stehen Stühle still. Es herrschte daher ein Überangebot an Arbeitskräften. In der schlesischen Leinenindustrie trat gegen Ende des Monats eine Abschwächung des Angebots an Aufträgen ein. Geklagt wird über empfindlichen Arbeitermangel. Die Krefelder Seidenstoffweberei hatte, wie in dem Vormonat, nicht genügend Arbeit, es trat eine weitere Verschlechterung ein. Hingegen waren die Samt- und Samtbandwebereien andauernd gut beschäftigt. In den Bleichereien, Färbereien und Ap preturanstalten schwächte sich nach dem Bericht aus Charlottenberg das Geschäft gegen Juli weiter ab. In Schlesien war die Lage noch gut, wenngleich auch hier ein Rückgang neuer Aufträge zu be merken war. . Mr ^^Ausländische Wirtschaftsgebiete^ Die Agitation der belgischen Baiiniwollfabri- kanten für die Aufhebung des Zolles auf Baum wollgarne macht weitere Fortschritte. Da an dieser Frage die deutsche Baumwollspinnerei neben der englischen in erster Reihe interessiert ist, wird man der Angelegenheit Beachtung schenken müssen. Nachdem bereits im Juni dieses Jahres eine Ver sammlung der belgischen Baumwollindustriellen stattgefunden hatte, um die oben erwähnte Frage zu diskutieren, ist unlängst wiederum eine Beratung abgehalten worden, bei welcher, trotz des heftigen Widerstandes der Baumwollspinner, den Baumwoll webern gewisse Zugeständnisse in der Sache gemacht wurden. Man einigte sich dahin, in den beteiligten Kreisen Gutachten einzuholen, die einer im Oktober einzuberufenden Konferenz die Grundlage zu weiteren Beratungen bieten soll. • * * Aufschwung der hol ländischen Textilindustrie. Die holländische Textilindustrie, namentlich die Woll- und Baumwollwebereien, dann die Teppich fabrikation sind zurzeit, wie der Augustbericht des österr.-ungar. Konsulats in Amsterdam ausführt, speziell für den Export, und zwar teilweise für die eigenen Kolonien, aber auch für andere Absatz gebiete, so für den Orient (Kleinasien und Ägypten), [ sehr stark beschäftigt. Bestellungen können die Fabriken nur auf weitsichtige Termine entgegen nehmen. Die Ergebnisse der letztverflossenen Mo nate haben zur allgemeinen Befriedigung Anlaß ge geben, wenn auch mitunter die Rohmaterialien und I Halbfabrikate nur sehr schwer und manchmal zu I belangreichen Preiserhöhungen erhältlich waren, um die Betriebe unter vollster Ausnützung der Kräfte I im Gange zu erhalten. Viele Fabrikanten wurden