Volltext Seite (XML)
Ausnahme; daß aber ein Spinner oder Weber gleichzeitig einen Färbereikursus nimmt, das kommt wohl kaum vor. Das Färben von Kammzug ist teuer, ließe sich aber wohl ver billigen, wenn ein besseres Einverständnis zwischen den Färbern und Spinnern vor handen wäre. Der Färber hat vor allem auf folgende Punkte Rücksicht zu nehmen: 1. die Größe der Partien, 2. das Färben nach Muster, 3. das Vermeiden von Anständen und 4. die Klassifizierung und Anzahl der .Stapelnuancen. 1. Größe der Partien. Das Färben in größeren Partien stellt sich stets wesentlich billiger als das von kleinen. Die Quanten an Farbstoff, Arbeit und Dampf nehmen ab mit der Größe der Partie. Ein Spinner kann Hunderte von Modefarben aus wenigen Typen farben herstellen. Schwarz mit Weiß gibt mit Leichtigkeit eine Reihe von 6 Graus, mit Hellblau eine Reihe von 6 anderen Graus. Wenige Braun-, Grün- oder Marineblautöne geben zu zweien untereinander gemischt Dutzende votl deutlich verschiedenen Nuancen, mischt man aber drei zusammen, so kann man Hunderte erhalten. Manche Spinner stellen wohl diese Mischungen her, und wenn der Färber ihm weniger geeignete Nuancen liefert, so kann er mit einiger Übung leicht eine große Anzahl von verschiedenen Garnen herstellen. Ein Spinner, der dies bedenkt, kann infolgedessen auch leicht größere Partien zu entsprechendem Preis färben. Im Gegen satz hierzu gibt es eine ganze Reihe von Firmen, die von ihrem Färber verlangen, daß er ihnen Muster von wenigen Grammen färbt. Dann schickt er 5 Pfd.-Partien, dann wieder solche von 60—120 Pfd. Das ist natürlich eine lächerliche und kostspielige Methode, die noch dadurch verschlimmert wird, daß in jeder Saison eine Anzahl „absolut neuer“ Nuancen auftritt. Neun Zehntel der Arbeit, die hier dem Färber zugemutet wird, sind überflüssig und ließen sich leicht vermeiden. Der Färber könnte das seinige hierzu bei tragen, wenn er für Partien unter 100 Pfd. einen entsprechend höheren Preis verlangte, und es wäre gar nicht notwendig, daß da durch der Preis des fertigen Artikels höher würde. Daß die Spinner bisher so wenig Rücksicht darauf nehmen, ist nur ihrer Un kenntnis der Färberei zuzuschreiben; sie nehmen eben an, daß der Färber für kleine Partien von einigen g oder 5 Pfd. auch nur ; 5 Minuten zur Fertigstellung braucht. 2. Das Färben nach Muster. Handelt es sich um große Partien, so bietet die Her stellung einer bestimmten Nuance keine großen Schwierigkeiten, da kleine Nuancen differenzen durch Zufügung von anders ge färbtem Material ausgeglichen werden können. Erfordert eine Partie von 100 Pfd. 1 kg und 85 g Farbstoff, so fängt man z. B. mit 1 kg Farbstoff an und verwendet den Rest zum Nuancieren. Die für das Färben von Kammzug meist gebrauchten Alizarinfarben sind jedoch so echt, daß sie in den seltensten Fällen abgezogen werden können, ohne daß das Material leidet. Muß also häufig nuan ciert werden, so verliert der Kammzug schon durch das lange Kochen an Qualität, je kleiner aber die Partie ist, um so schwieriger ist das Treffen einer bestimmten Nuance. Wenige g Farbstoff auf eine kleine Partie geben denselben Effekt wie ein Pfd. auf eine große. Selbstverständlich ist es aber viel leichter, größere Farbstoffmengen genau ab zuwiegen, als so kleine. Statt der oben an gegebenen Farbstoffmenge wird man für I kleine Partien oft 3—4 Pfd. der Menge ent sprechend brauchen, was sich natürlich auch im Preis ausdrückt. Der Kammzugfärber ist auch nicht in der Lage, die leichtest egali sierenden Farbstoffe auszuwählen, er muß auf möglichste Walk- und Lichtechtheit Rück sicht nehmen; trotzdem müssen die Partien aber möglichst egal ausfallen. So werden von verschiedenen Partien, wenn die Farbe nicht ganz egal ausgefallen ist, kleine Proben heruntergenommen und 5—6 mal durch einen Gillbox geschickt, bis eine echte und gleich mäßige Färbung erzielt wird. Wird aber nachher die ganze Partie durch den Gillbox geschickt, so ergibt sich durch den Ausfall verworrenen Materials, das Trocknen usw., zum Schluß doch wieder eine von dem ur sprünglichen Muster abweichende Nuance. In der Regel ist die ganze große Partie zu hell, weil das Muster von den dunkleren außen liegenden Stellen abgenommen ist. Dem Färber bleibt dann nichts anders übrig, als die ganze Partie umzufärben, oder eine kleinere dunklere Partie zum Nuancieren unterzumischen. Sind z. B. 300 Pfd. nach einer Nuance zu färben, so behält sich der Färber 100 Pfd. zurück zum Nuancieren. Soll ein Ton blumiger gemacht werden, so werden diese 100 Pfd. lebhafter als die Vor lage gefärbt. Diese 100 Pfd. werden dann dem Spinner übergeben, damit er sie selbst untermischt. Dieser Prozeß ist jedenfalls vorteilhafter und billiger, als wenn die ganze Partie genau nach Muster gefärbt werden soll. Die meisten Spinner gehen auf diesen vorteilhaften Prozeß ein, es gibt aber eine ganze Anzahl, denen diese Methode zu schwierig ist. Diese bekommen z. B. seit Jahren sogenannte Spinnmuster. Der Färber sucht wohl diese nach Möglichkeit zu er reichen, aber der Spinner verlangt für seine wenigen g Wollen ein genau typkonformes Muster. Er könnte dieses durch x / 2 Tag Arbeit sich selbst herstellen, mutet aber dem Färber 1—2 Tage Arbeit zu, bis er auch für dieses kleine Muster genau die gleiche Nuance bekommt. Das liegt daran, daß der Weber von dem Spinner wieder genaue typkonforme Qualität verlangt. 3. Anstände. Das ist wie üblich auch in der Färberei ein böser Punkt, bei dem persönliche Verhältnisse ausschlaggebend sind; manche Firmen gehen direkt darauf aus, aus dem Färber möglichst viel „herauszuschinden“, und wenn eine Firma die Reklamationsmanie bekommt, so gibt es in der Regel nur zwei Wahrscheinlichkeiten; entweder steht die Firma faul und sucht sich auf Kosten des Färbers über Wasser zu halten, oder es sind Individuen bei ihr beschäftigt, die „geschmiert“ werden wollen. Tatsache ist, daß die Kunst des Färbens bei allen Instanzen des Handels eine terra incognita ist und daß darum alles, was vorkommt, dem Färber in die Schuhe geschoben wird. In der Regel fällt es ihm auch außerordentlich schwer, seine Unschuld zu beweisen. 4. Klassifizierung und Anzahl der Stapelnuancen'. Dieser letzte Punkt hängt mit dem vorhergenannten zusammen. Werden die Standardnuancen vermehrt, so kann man von jeder einzelnen Nuance viel weniger Vorrat halten, und die Herstellung der ein zelnen Muster bringt viel mehr Schwierig keiten mit sich. Wir haben bereits erwähnt, daß der Spinner Hunderte von Modenuancen aus wenigen Standardnuancen herstellen kann und daß der Färber diese Möglichkeiten wieder vervielfältigen kann. Einzelne Spinner aber verbeißen sich auf die kleinsten Unter schiede. In der einen Saison gehen viel blumigere Nuancen. In Marineblau z. B. genügen die reinen Alizarinfarben nicht und lebhaftere Farben müssen zugesetzt werden. Da bringt die nächste Saison einen totalen Umschlag: die Farbtöne werden stumpf und dunkel verlangt; und so bringt jede neue Saison „neue Farben“ auf. Brächte ein Färber ein Grün mit Rosaschein, dann könnte er von Glück sagen, und ein Braun, das Blau in der Aufsicht und Gelb in der Über sicht wäre, würde seinen Namen unsterb lich machen. Der Färber tut sein bestes, aber unmögliches kann auch er nicht leisten. Diese Schwierigkeiten sind weit größer als alle anderen. Der Spinner will sich auf das Risiko von Farbmelangen nicht immer ein lassen. Nimmt er eine lebhafte Farbe zum Schönen, so kann es ihm passieren, daß die Farbe zu unecht ist und daß er deshalb seinen ganzen Vorrat auf Lager behält. Eine Mischung aus 10 Teilen Braun und einem Teil eines klaren Blau kann das Resultat ergeben, daß nach kurzer Belichtung wohl das Braun standhält, das Hellblau aber ver schossen ist und so der 'Ware ein vollständig anderes Aussehen gibt. Dann ist natürlich wieder der Färber schuld und kann dem Spinner lange wissenschaftliche Vorträge halten über das, was möglich ist, und das, was unmöglich ist. Wie lassen sich nun alle diese Übelstände vermeiden? Im allgemeinen ist es nicht der Konsument, der die Reklamationen verur sacht. Dies geschieht meistens von seifen der Verkäufer, die keine Ahnung von den technischen Vorgängen haben. Der Ver käufer ist es, der dem Färber meistens ganz unnötige Schwierigkeiten bereitet. Der Ver käufer wendet sich dann an den Spinner und dieser greift auf den Färber zurück. Hier also wäre einzusetzen. Ein Zusammenarbeiten mit den Verkäufern könnte Wunder tun. Ein wenig Studium von seifen der Verkäufer, eine freundliche Besprechung des Färbers mit ihnen und ein wenig mehr Hand-in-Hand- arbeiten würde über alle Schwierigkeiten hinweghelfen. Hier aber wäre es vor allem Sache der technischen Schulen, einzugreifen. Die Abendklassen für Spinnerei und Weberei, die sich über 3—4 Jahre erstrecken, müßten über die obengenannten Schwierigkeiten Auf klärung geben. Die Spinnereischüler müßten in die Grundzüge der Färberei, die Weberei schüler in das Dessinieren eingeführt werden, und diese geringe Mehrarbeit würde von bestem Einfluß auf das ganze Geschäft sein. Jeder Schüler eines der drei Fächer Spinnerei, Weberei und Färberei sollte von den anderen beiden wenigstens eine oberflächliche Ahnung bekommen. Das ist aber leider nicht der Fall. Die Schulen verfügen auch meistens nicht über die nötigen Autoritäten, die dies einsehen, da die einzelnen Studienzweige nicht einander untergeordnet sind, sondern nebeneinander her gehen. Würden die in den vorstehenden Aus führungen erwähnten Übelstände beseitigt, so würde es keine Schwierigkeiten machen, den Preis des englischen Kammgarnes um */ g bis 1 Schilling pro Pfund zu verbilligen und es würden viel Ärger und viele Unan nehmlichkeiten aus dem Geschäftsverkehr verschwinden. hi Deutschland besitzen wir ja glück licherweise nur in wenigen Fällen eine so