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©1^ TlXTDIL“IIIhfl©IBIMillIL!ll^ = ^■■7371 \ / fii M • « ' * N ‘V*// Stuttgarter Textiltagung. Von Prof. Dr.-Ing. E. Meister. Zu einer T e x t i 11 a g u n g hatte der Wissenschafti. Beirat des VD1 führende Persönlichkeiten aus der Textilindustrie sowie Ver treter der Textiltechnik von Hochschulen und höheren techn. Lehr anstalten nach Stuttgart eingeladen, und um es gleich vorweg zunehmen, dieser erste Versuch bedeutete einen vollen Erfolg. Der Wunsch, daß große Gebiet der Textiltechnik, das inner halb des Vereines deutscher Ingenieure und seiner Zeitschriften bisher nur gelegentlich einmal behandelt worden ist, in die Reihe der planmäßig wissenschaftlich zu erforschenden Wissenszweige aufzunehmen, hat beim VDI schon seit längerer Zeit bestanden. Denn obwohl an zahlreichen anderen Sellen, — den Textil-For- schungsinstituten und Hochschulinstituten ebenso wie in manchen industriellen Unternehmungen schon seit Jahrzehnten wertvolle Forschungs- und Experimentalarbeit geleistet worden ist, vermißt man bis zum heutigen Tage eine einheitliche Zusammenfassung die ser wissenschaftlichen Untersuchungen, die teils in verschiedenen Fachzeitschriften und Institutsmitteilungen verstreut, teils über haupt nicht veröffentlicht worden sind. Die wissenschaft liche Gemeinschaftsarbeit auch in der Textiltechnik ebenso zu fördern wie auf anderen Gebieten der Technik erkannte der VDI deshalb als eine Notwendigkeit an. Dazu kamen noch Anregungen aus Industrie- und Hochschulkreisen, eine engere Zu sammenarbeit von Wissenschaftlern und Praktikern durch ge meinsame Aussprache über strittige Fragen, z. B. der Material prüfung oder der günstigsten Verarbeitung in Spinnerei und We berei usw.. sowie durch eine kritische Berichterstattung über Fort schritte auf den verschiedenen Gebieten des Textilwesens im In- und Ausland anzustreben. Die Textiltagung in Stuttgart sollte dazu den Anstoß geben: die Zahl der Teilnehmer sollte bei diesem ersten Versuch möglichst klein gehalten werden, damit anschlie ßend an die Vorträge eine sachlich ungehinderte, aber zeitlich be grenzte Aussprache in Fluß käme. Die Auswahl der Persönlich keiten war wegen dieser Beschränkung auf anfänglich etwa 30 Teilnehmer nicht leicht; es lag nahe, sie nur aus einem Industrie zweig herauszugreifen, um dadurch auch die Tagesordnung fach lich einseitig zu begrenzen. Aber gerade eine solche Beschränkung war nicht erwünscht, sondern vielmehr eine engere Fühlungnahme zwischen den verschiedenen Fachrichtungen durchaus erstrebens wert, damit sich auf dieser Tagung auch einmal die Baumwoll-, Kammgarn- und Jutespinner, die Seidenweber und Tuchfabrikan ten usw. untereinander aussprechen könnten, die sich sonst nur selten beruflich treffen, weil jeder seinen eigenen Verband hat, der vielfach sogar nur provinziellen Charakter trägt, indem Süddeutsche, Sachsen, Westfalen oder Schlesier getrennt für sieh tagen. Solche Spaltung mag wirtschaftlich ihre Berechtigung haben, im Interesse des technischen Fortschrittes und der wissen schaftlichen Durchdringung der Betriebe sollte jedoch eine Zusam menfassung der verschiedenen Bestrebungen das Ziel der deut schen Textilindustrie sein! In dieser Beziehung geben uns die Engländer ein nachahmens wertes Beispiel: das Textile Institut in Manchester ist gegründet zur Förderung und Forschung auf allen Gebieten des Textilwesens und gibt eine wissenschaftliche Zeitschrift (Journal of the Textile Institute) heraus, in der regelmäßig über die Untersuchungen in vier Forschungsinstituten (für Baumwolle, Streichwolle und Kamm wolle. Flachs und Jute, Seide und Kunstseide) neben anderen selb ständigen Arbeiten berichtet wird. Von diesem Institut, dessen Be strebungen durch reiche Mittel aus der englischen Textilindustrie gefördert werden, werden in Manchester und den umliegenden Textilzentren regelmäßige Tagungen mit Vorträgen veranstaltet, in denen textiltechnische und auch wirtschaftliche Fragen zur Ver- j handlung kommen. In den Vereinigten Staaten von Nordamerika ist nach dem englischen Vorbilde kürzlich ein ähnliches Textil institut gegründet worden, das ebenso der Förderung der Zusam menarbeit und der wissenschaflichen Durchdringung der Textil industrie dienen soll. Die Veranstaltung der Tagung in Stuttgart bedeutete einen ersten Schritt in dieser Richtung, der nicht etwa zu einem neuen Verein oder zur Gründung einer neuen Fachzeitschrift, sondern in zwangloser Form zu wissenschaftlicher Gemeinschaftsarbeit führen soll, die sich auf regelmäßig wiederkehrenden Tagungen in Vor trägen und Aussprachen auswirken kann. Hat nun die Zusam menkunft in Stuttgart die Erwartungen der Teilnehmer tatsächlich erfüllt? Die Tagesordnung brachte insgesamt 12 Vorträge teils allgemeineren Inhalts, teils Einzelfragen behandelnd, das war für D/a Tag entschieden zuviel! Die Vortragszeit mußte bei allen Gegenständen auf 25 Min. beschränkt werden, sodaß einige der ein größeres Gebiet umfassenden Vorträge stark zusammenge drängt werden mußten und für eine eingehendere Aussprache nicht immer die nötige Zeit blieb. Besonders lebhaft gestalteten sich die Erörterungen nach den allgemeinere Probleme behandelnden Vor trägen, wie „Textile Rationalisierungsfragen“ (Johannsen), „Ta gesfragen im Bau von Webstühlen . . .“ (Birkhofer), „Bedeutung der Luftbefeuchtung . . .“ (Meister) und „Geräuschverhütung in Webereien“ (Denker); aber auch die spezieller gerichteten Vor träge: „Aufbereitungsmaschinen für Bastfasern“ (Gminder), „Neu ere Webverfahren“ (Mauz), „Walzenstreckwerksfrage . . (Toen- niessen) und „Geschwindigkeitsreglung von Ringspinnmaschinen“ (Oertel) hatten eine angeregte Aussprache zur Folge, weil sie be sonders umstrittene Fragen des betr. Gebietes zum Gegenstand hatten. Die vier übrigen Vorträge: „Staubbeseitigung...“ (Mol dau), ..Ausrüstungsmaschinenbau“ (Schmidt), „Kammgarnkrem peln . . .“ (Hempel) und „Ausrüstungsmaschinen für Kunstseide“ (Anke) führten zu keiner längeren Aussprache; die Ursache hierfür war wohl hauptsächlich darin zu suchen, daß unter den aus allen Zweigen des Textilwesens stammenden Teil nehmern sich nur wenige Fachleute dieser Sondergebiete befanden. Andererseits zeigte es sich, daß manche Themen, wie z. B. die Rationalisierungsfrage, die Anlernling und Auswahl von Facharbei tern, der Einzelantrieb von Spinn- und Webmaschinen im Rahmen einer solchen Tagung durchaus nicht erschöpfend behandelt wer den, sondern nur Anregungen geben konnten, die zu weiterer Ver tiefung und Klärung der Probleme führen müssen. Die Notwendig keit erneuter kritischer Erörterung trat besonders bei denjenigen Vorträgen zutage, wo der betr. Berichterstatter infolge seiner per sönlichen Einstellung zu einer bestimmten Entwicklungsrichtung den Standpunkt strenger Objektivität unbewußt verließ, nach dem Grundsatz ..audiatur et altera pars“ aber nicht verfahren wer den konnte, weil die Zeit oder genügende Vorbereitung zu einer klärenden Aussprache fehlten. Bei einigen Verhandlungsgegenständen hätte ferner auch die wirtschaftliche Seite ausführlich erörtert werden müssen — z. B. Mohrbleiche, Einzelantrieb, Luftbefeuchtung, Webstuhlbauarten —. um den Wert der zur Diskussion stehenden Verfahren oder Ein richtungen für die Textilindustrie klar erkennen zu können. Der Wunsch nach einer regelmäßigen und baldigen Wieder holung der T e x t i 11 a g u n g wurde bereits in Stuttgart von vielen Teilnehmern geäußert und seitdem durch zahlreiche Zu schriften an den VDI bestätigt. Aus den bei diesem ersten Ver such gesammelten Erfahrungen und von einigen Teilnehmern ge gebenen Anregungen können für die Zukunft nutzbringende Folge rungen gezogen werden: