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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 16.09.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-09-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980916015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898091601
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898091601
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-09
- Tag 1898-09-16
-
Monat
1898-09
-
Jahr
1898
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Erüherr Schriften laut »userem Preis- veTzeichniß. Labellarischer und Zifferosatz »ach höherem Tarif. Extra«Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderuaa 60.—, mit Postbeförderung ^4 70.—. Annahmeschluß fnr Anzeige«: Abend-AuSgabe: vormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. vei den Filialen und Annahmestellen je «in» halb« Stund« früher. Anreigen sind stet« an tz> Expedition zu richten. Druck und Verlag von E. Pol» kn Leipzig, Freitag den 16. September 1898. Die L-ee des ewigen Weltfriedens. Völkerrechtliche Studie von Richard Thorow. NaLdruck »rrboteii. Die Abrüstungsfragr, die durch daS Rundschreiben de» Zaren in so ungewöhnlicher und Aufsehen erregender Form auf« Tapet gebracht worden ist, wird noch auf lange Zeit hinaus die Gemüther beschäftigen. Die vom Zaren vorgeschlagene Kon- ferenz, an deren Berathungen und Beschlüssen die gesammte Culturwelt interessirt ist, wird sich unter Ausschließung aller auf Revision bestehender Verträge hinzielenden Diskussionen einer Aufgabe widmen, die schon zu ungezählten Malen Gegenstand lebhaftester Erörterung auf Kongressen von Friedensgesell schaften und in der publiciftischen Literatur gewesen ist. Aber diese Conferenz wird ein ganz anderes Gepräge tragen, als alle vorhergehenden: diesmal sind es nicht Privatpersonen, nicht ge lehrte Gesellschaften oder Friedensverein«, welche die Frage des Weltfriedens ventiliren sollen, sondern die Vertreter souveräner Staaten, die gewohnt sind, ihre Streitigkeiten mit bewaffneter Hand vor dem Forum der Geschichte auszutragen, auf dem Wege der ihnen vom Völkerrecht gewährleisteten kriegerischen Selbst hilfe. Begriff und Wesen des Krieges ergeben, daß er stets von den schwersten Leiden, Gefahren und materiellen Opfern be gleitet ist. Diese Beobachtung macht« schon früh in den Völkern den Wunsch rege, internationale Streitigkeiten auf friedlichem Wege zu lösen, und dies umsomehr, weil das Furchtbare und Lebenzerstörende die augenfälligste Seite des Krieges ist. Dazu kommt, daß «ine weitere Beobachtung diesem Wunsche den Schein der Realisirbarkeit verlieh: im heroischen Zeitalter war der Kampf um des Kampfes willen da und wurde in diesem Sinne verherrlicht; die fortschreitende Kultur brachte eine Um wandlung deS Völkercharaktrrs mit sich, der kriegerische, auf Zerstörung gerichtete Geist wurde gekündigt, die Kriege wurden seltener, selbst das so fest eingewurzelte Faust- und Fehderecht verschwand allmählich. Diese Beobachtung schien zu der Hoff nung zu berechtigen, daß weit«re Culturfortschritte den Krieg überhaupt beseitigen und, indem sie friedliche Vermittelung an seine Stelle setzten, einen ewigen Frieden für die Menschheit heraufführen würden. Schon der Prophet Jesaias verkündet eine Zeit, da die Völker ihre Schwerter zu Pflugscharen und. ihre Spieße zu Sicheln machen werden. Der stoische Philosoph Zeno redet von einem kommenden Weltalter, in welchem all« Völker wie eine Heerde auf einer gemeinsamen Weide unter gemein samen Gesetzen wandeln. Kani fordert in seiner Schrift „Zum ewigen Frieden", die Politik solle zur Moral werden: aus der Ethik muß der ewige Friede kommen, und das Recht wird, wenn es selbst ethisch ist, dazu helfen, ihn zu verwirklichen und zu er halten. Drei Wege giebt eS nun, um Staatsstreitigkeiten ohne Krieg zu entscheiden: «ntweder unterhandeln die Parteien selbst, oder eS wirken dritte Staaten mit, oder sie unterwerfen sich einem Schiedsspruch«. Jedem Kriege pflegen diplomatische Verhand lung«» voraufzugehen. Nicht selten sucht ein dritter Staat durch sogenannte txms ottiees, „gute Dienste", die Parteien zu einer gütlichen Beilegung ihrer Streitsache zu veranlassen, und zwar so, daß di« streitenden Staaten unter einander Ver handlungen anknüpfen, bezw. abgebrochene wieder aufnehmen. Kommt auch auf diese Weis« kein gütlicher Ausgleich zu Stande, so liegt für dritte Staaten Anlaß zur Vermittelung vor, die im Gegensatz zu den sogenannten guten Diensten an eine be stimmte Art deS Verfahrens gebunden ist. Doch alle diese Mitt«! können keine rechtliche Entscheidung der Staatsstreitig keiten herbeifiihren: das kann nur der völker rechtliche Schiedsspruch. Vor Abgabe eine« solchen schließen die Parteien einen Compromiß ab, durch welchen sie sich verpflichten, dem Urtheil zu gehorchen. Der Schiedsspruch unterscheidet sich von der Ver mittelung wesentlich dadurch, daß gegen ihn keine Berufung stattfindet. Schiedsrichter sind meist Staatshäupter; so ist schon mehrfach der König der Belgier Schiedsrichter gewesen. Oesters werden auch zur Entscheidung einer Streitsache mehrere Souveräne oder Staaten gewählt: in der bekannten Alabama- Angelegenheit zwischen der Union und England fungirte «in tribunei ok arbitratiov, daS vom Präsidenten der Vereinigten Staaten, der Königin von England, dem König von Italien, dem Präsidenten der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Kaiser von Brasilien gebildet wurde. Handelt es sich um Fälle, welche die Staaten als solche be treffen, so pflegen sie durch derartige Schiedsgerichte entschieden zu werden, in anderen, die nur Ansprüche von Staats angehörigen zum Gegenstände haben, durch schieds richterliche Commissionen. Die große Zahl der abgegebenen Schiedssprüche läßt bereits eine Kategorisirung zu: sie wurden gefällt über Staats grenzen, Staatseigenthum, Verletzung der Pflichten der Neutralität, Interpretation eines internationalen Vertrages, u. s. w., lauter Fälle, die ohne Schiedsspruch zweifellos zu einem oasu8 belli geworden wären. Die so erzielten Erfolge machten den Wunsch nach einer sich immer mehr steigernden Anwendung der Schiedssprüche reg« und riefen eine lebhafte Agitation zu ihren Gunsten hervor, die mit der in die Zeit von -1816—41 fallenden Entstehung großer Friedensgesellschasten in London, Genf, Paris und anderwärts anhedt. Von 1842 ab beginnt di« Zeit der internationalen Friedenskongresse, die immer wieder die Forderung geltend machen, daß ein Völkrcongr«ß das Princip d«S Schiedsspruches proclamiren solle. Wichtiger als diese Kundgebungen don Friedensvereinen sind die im Interesse des Schiedsspruches abgegebenen Beschlüsse gesetzgebender Körperschaften. Während der amerikanische Senat 1861 eine Resolution annahm, der Präsident sei aufzufordern, in einen von den Vereinigten Staaten abzuschließenden Vertrag einen Artikel aufzunehmen, der die contrahirenden Staaten für entstehende Differenzen zum Schiedssprüche verpflichte, scheiterte im englischen Unterhausc 1849 Cobdens Wunsch, ein darauf zielendes Gesuch an die Königin zu richten. Mehr Glück hatte 1873 ein ähnlicher, von Henry Richard gestellter Antrag, ebenso der auf Entscheidung von Staatsstreitigkeiten durch Schieds sprüche gehende Vorschlag Manzini's, der von der italienischen Kammer einstimmig acceptirt wurde. Auch Staatshäupter sprachen sich über Schiedssprüche in günstigem Sinne aus: Alexander I. von Rußland glaubte an die Möglichkeit einer Vereinbarung aller Souveräne, künftighin sämmtliche kontroversen anstatt durch Krieg durch Schieds sprüche zu entscheiden. Der Präsident der Union äußerte'1882: er glaube, die Zeit sei nicht mehr fern, wo alle Konflikte zwischen den Nationen ohne Hilfe der Waffen entschieden werden könnten. Völlig mißglückte dagegen 1863 Napoleon'» Versuch, einen Staatencongreß zu diesem Zwecke zusammenzurufen; unter Anderen lehnten England und Preußen ein« Betheiligung rund weg ab. Auch in der völkerrechtlichen Literatur hat es nicht an Vorschlägen gefehlt. Schon Hugo Grotius, der Vater des modernen Völkerrechts, hält es für nothwendig, „daß die christ lichen Staaten Kongresse abhieltrn, auf denen kontroversen von Staaten durch andere, am Streit nicht betheiligt« erledigt wür den", und zählt eine Reihe von Beispielen aus dem Alterthum auf, welche die Zweckmäßigkeit des Schiedsspruches beweisen sollen. Der gelehrte französische Adbö de Saint Pierre behandelt die Frage des ewigen Friedens („krojet 6s la paix perpötuelle") in eingehender und erschöpfender Weise, ohne freilich überzeugend zu wirken. Lorimer schlug einen Kongreß vor „bnsö sur Is principe 6s kacto", Bluntschli einen europäischen Staatenverein, Graf Kamarowski «.in internationales Gericht, dessen genaue Organisation er in seiner '1888 erschienenen Schrift angiebt. Die Idee, Staatsstreitigkeiten durch Schiedsgerichte zu ent scheiden, erscheint auf den ersten Blick so einleuchtend, daß sie kaum einer eingehenden Begründung zu bedürfen scheint; haben wir doch auf dem großen Gebiete deS Rechtslebens überall Ver gleiche, Sühnetermine und Schiedssprüche, warum nicht auch im Völkerrecht? Die Idee ist schon so oft mit Glück realisirt worden, daß man den Schluß gezogen hat: Schiedssprüche sind nicht nur ein Mittel, um einzelne Kriege zu verhüten, sondern das alleinige, Kriege überhaupt für immer zu be seitigen. Dieser Schluß ist aber durchaus unrichtig; denn Indem man Institutionen des Civilproreffes auf das Völkerrecht überträgt. 92. Jahrgang. übersieht man zweierlei: Parteien sind hier nicht einzelne Per sonen, sondern souveräne Staaten. Der Begriff der Sou veränität schließt aber die völlige Unabhängigkeit nach innen gegen seine Glieder, nach außen gegen ander« Staaten in sich. Kein souveräner Staat erkennt «ine Macht über sich an, und des halb ist zur Durchfechtung von Ansprüchen Selbsthilfe hier Rechtens. Zweitens fehlt in den weitaus meisten Fällen die Möglichkeit, eine Forderung an den anderen Staat nach Art eines civilprocessualischen Anspruches zu formuliren, so daß für einen vor einem internationalen Schiedsgerichte ausgetragenen Rechtsstreit eine sichere materielle Basis vorhanden wäre. Die einen Krieg hervorrufenden Ursachen sind nun entweder rechtlicher oder politischer Natur. So können internationale Streitfragen, die auf einer Rechtsverletzung beruhen, namentlich Entschädigungsansprüche, Wohl im Wege des Schiedsspruches entschieden werden, nimmer aber solche politischer Art. Es giebt eben noch andere Kriegsursachen, als Rechtsverletzungen: solche, die durch die hohe Politik, die nationale Ehre, durch Staats- Umbildungen u. s. w. bedingt sind. Es ist ein Jrrthum, wenn Laveleye sagt, die Kriege von 1866 und 1870 hätten durch ein Schiedsgericht vermieden werden können. Wenn die elementare Gewalt nationaler Leidenschaften entfesselt ist, wenn die Völker den Kampf wollen, so kann kein Schiedsgericht den Krieg verhindern. Aber angenommen, es gelänge auch bei solchen Kriegs ursachen, di« Parteien zu einem Kompromiß zu bewegen, der sie dem Schiedsgericht unterwirft! Wie, wenn sich ein Staat den noch nicht dem ergangenen Spruche beugt? Dann, sagt man, werden ihn alle Anderen dazu zwingen! Womit aber? Doch wohl mit Gewalt, durch Krieg! Der sollte ja aber gerade durch das Schiedsgericht verhindert werden! Darum kommt, wie man sieht, Alles auf die Bereitwilligkit der Staaten an, sich dem Schiedssprüche zu unterwerfen; thun sie es trotz ver tragsmäßiger Zusage nicht, so wird kein Schiedsspruch der Welt einen kriegerischen Zusammenprall der Völker verhindern Linnen. Ein völliger Ersah der Kriege durch die Schiedsderichte ist deshalb unmöglich. „Die Staaten", sagt Trendelenburg, „be gegnen einander mit der unvermeidlichen und unverhohlenen Moral des natürlichen Menschen, dessen erstes und letztes Gesetz die Selbsterhaltung und dessen Affekte Neid und Eifersucht, Argwohn und List, Zorn und Rache, höchstens erst nach dem Siege Mitleid mit dem Schwachen und Großmuth gegen den Elenden sind!" Vorbedingung für den «wigen Frieden auf Erden wär« also, daß diese Moral des natürlichen Menschen sich wandelte, daß eine Entsündigung einträte, daß daS Sinnlich-Egoistische, die „Bestie" im Menschen, vernichtet und die Motive deS persönlichen Nutzens und Wohlbehagens wie vom Gesetz, so auch von d:r Moral des Einzelnen dem Wohle der Gesammtheit unter- Die Letzten von -er großen Armee. Ein vedenkblalt zur Erinnerung an »en Abzug »er letzten »rutschen Soldaten aus Frankreich, IS. September 187S. Von Werner Theta. Nachdruck rxrdotrn. Nach Hause! Nie hat wohl ein Armeebefehl größere Freude erregt, als die Mittheilung, daß die letzten Reste der deutschen Okkupations armee nunmehr Frankreich verlassen würden, bei den braven deutschen Kriegern. Nach Hause, inS Vaterland, zu Vater und Mutter, zu Weib und Kind, denen Viele von den Wackeren nun drei Jahre und länger hatten fernbleiben müssen! Und war ihnen auch seit dem Friedensschlüsse die Gefahr des Lebens er spart, so empfanden si« doch Alle gerade -diese Jahre der fried lichen Okkupation doppelt peinlich und ungeduldig. In Feindes land weilen zu müssen, während alle anderen Kameraden längst daheim am trauten Herde saßen, unter einem haßerfüllten Volke, von dessen Temperament« stet» ein gefährlicher AuSbruch zu befürchten war, stets en vecketts zu stehen, Re Waffe immer im Anschlag zu halten und sich dabei besonders vorsichtig, ruhig und taktvoll zu betragen — Manchem von den Tapferen dünkte diese Aufgabe härter und unangenehmer, als ihm der Kugel regen bei Gravelotte und die Entbehrungen vor Paris vor gekommen waren. Sie Alle waren darum der Finanzkraft Frankreich» herzlich dankbar, die die Zahlung der Krieg»- contribution so überraschend schnell zu leisten vermocht hatte, und dankbar dem klugen kleinen Monsieur Thier», der sich vom ersten Tage seiner Präsidentschaft ab die möglichst beschleunigte idsrntion 6u territoirs vorgenommen hatte, am dankbarsten aber dem Oberbefehlshaber der Okkupationsarmee, dem General von Manteuffel, dessen persönliche» Verdienst unleugbar die an- standSlose und schnelle Liquidation dieser Erbschaft de» großen Kriege» war. Der General Edwin von Manteuffel hat in manchen Perioden seine» Leben» Gegner gefunden; der Tart, die Großmuth und die Klugheit aber, mit der er stch in den Jahren 1871—1873 in Frankreich betragen hat, haben ihm von allen Seiten und dauernd Bewunderung und Gympathie eingetragen. Er verstand «», dir Empfindlichkeit der Franzosen zu schonen und unsere ungeduldigen Truppen in tadelloser DiSciplin zu erhalten. Er beseitigte durch persönliche» Einvernehmen mit Thier» geschickt und unauffällig all' die «ahllosen Ursachen zu Reibungen, die in der schwierigen Situation lagen. Er setzte Alle» daran, seinen Leuten da» Leben im Hauptquartier Naney zu einem behaglichen zu gestalte«, erlaubte dm Frauen und Töchter der Officirre und Unteroffirierr, stch hier einiufinden und ihren Männern und Vätern im fremden Lande ein Heim zu bereiten; er und seine Gemahlin betheiligtrn stch selbst bei allen Veranstaltungen, di« in da» Leien der Krieger Glanz und Weih« tragen sollte». Bald gab e» ein fröhlich-sinnige» vstereierfest für die Kinder der Garnison, bald versammelte er die Landsleute in seiner Residenz, dem alten Palaste de» Polen- könig» StaniSlau», zu einem heimathlichen Feste, bald vereinigten sie sich Alle zur Einweihung eine» Friedhöfe» für die gefallenen Krieger. Selbst di« Franzosen empfanden Manteuffel'» Mild« und Nachsicht, empfanden die musterhafte DiSciplin unserer Truppen mit Dankbarkeit, und schließlich hatte sich zwischen ihnen und den Barbaren ein ganz leidliche» Verhältniß herausgebildet. Doch von Tag zu Tage schwoll die Sehnsucht nach dem lieben Vaterland«. Und als nun endlich der goldene Herbst des Jahres 1873 gekommen war und «S hieß: „Nach Hause!" — da be mächtigte sich Aller eine tiefe, freudige Erregung und die Tage wurden ungeduldig gezählt und die Herzen pochten in sehn süchtiger Erwartung. Ein frischer Herb'stmorgen ging am Sonnabend, dem 13. September 1873, über der alten MaaSstadt Verdun auf. Noch war es ganz früh, aber auf der Esplanade de la Roche herrschte bereits reges Leben. Da tönten Commandorufe, blitzten Flintenläufe, erklang dröhnender Marschtritt. Di« deutschen Truppen formirten hier ihre Parade-Aufstellung, die letzte auf Feindesboden. Jetzt kam d«r Höchstcommandirende, der General von Manteuffel, angeritten, der Brigadegeneral empfing ihn und dann ritt der General die Front der Treuen entlang, aus deren Augen heute Freude und Lebenslust blitzte. Jetzt hält General von Manteuffel in der Mitte seines Corps, den Degen hebt er und drei brausend« Hgrrahs für den deutschen Kaiser klingen hinauf zu der festen, von den deutschen Waffen nur mühsam bezwungenen Litadelle. Und nun erschallen laute CommandoS — und Rechten, Linken, Rechten, Linken geht der Marsch der Deutschen von dannen, ostwärts, der Grenze, der Heimath zu. Der General läßt die Truppen alle an sich vorbei- defiliren, dann setzt auch er sein Pferd iil Bewegung und reitet al» Letzter zum Thore hinaus Nur ein paar Arbeiter, die zeitig schon ihre Werkstätten aufsuchen müssen, begegnen dm Deutschen. Die Stadt schläft — sie scheint wenigstens zu schlafen. Hinter den verschlossenen Fenstern aber stehen sie wohl und blicken den Feinden nach, die da so stolz dm Heimweg antreten. Al», der General sein Pferd wendet, um den Tylppen zu folgen, da sieht er an einem der Fenster eia kleine» Mädchen in Elsässer Tracht, da» in jeder Hand «ine Trikolore schwenkt. Ruhig blickt er auf die unschuldige kleine Demonstrantin, macht seine Suite auf da» liebliche Kind aufmerksam und grüßt e» mit ernster Freund lichkeit, ohne Geziertheit und ohne Ironie, — Gentleman bis zum letzten Augenblicke. Aber hinter den Deutschen erwacht da» Leben. Auf einmal, al» der Feind au» den Thorm ist, belebt sich die Stadt, die Fenster, die Magazine öffnen sich, die Menschen strömen auf di« Straßen, Fahnen, die Frankreich, die Republik, den Befreier Thier» verherrlichen, erscheinen, in froher Erregung umarmen sich die „Befreiten". Den Mobilgardrn, die die von dm Deutschen verlassenen Posten beziehen, werden Ovationen dar- gebracht, und Alle» drängt sich zum Bahnhöfe, um die neue Garnison, die S4er, zu bewillkommnen. Gegen Mittag fahren sie rin und unendlicher Jubel empfängt sie. Sträuße bekränzen die Fahne, Strauße di« Offieiere und Soldaten, dichte Menschen massen in tiefer Erregung begleiten die rinziehmdm Bataillone. Dm ganzm Tag füllt Freud« und rauschende Musik die Stadt und Abmd» strahlt sie im Glanze von Tausenden von Lichtern. So feiert Alt-Verdun seine Befteimeg. » * * Drei Tage darauf, am 16. September, entwickelt stch in den frühen Vormittagsstunden unweit de» stillen Dörfchen» Amanweilrr (Amanviller), wo eia gelber Stein, ans dessm einer Seite «in k' (France), auf dessen anderer ein O (Deutschland) steht, die Grenze bezeichnet und andere am Waldessäume sich hinziehende gelbe Steine ihren Verlauf an zeigen, ein ungewohntes Leben. Von der deutschen Seite rücken Truppen an, um ihre endlich heimkehrenden Kameraden zu be willkommnen. Eine denkwürdige Stätte ist es, di« die Rück kehrenden zuerst im Vaterlande empfangen soll: daS Schlacht feld von Vionville; hier, wo «inst in schwerem Ringen die ersten entscheidenden Siege erfochten wurden, hier soll auch der letzte, allerletzte Act deS großen Krieges sich vollziehen. Und da — kurz nach 8 Uhr — tauchen drüben von der französischen Seite deutsche Uniformen auf, und sie rücken an, die Letzten von der großen Armee, Infanterie, Kavallerie, Artillerie, Train. Mit drei stürmischen Hurrahs begrüßen sie die Grenze, die Heimath, die Kameraden; dann stimmen sie ein Daterlandslied an, das weithin über das Schlachtfeld, weithin in das welsche und daS deutsche Land tönt, und unter seinen Klängen schreiten die Braven über die Grenze. Noch einmal, beim Zollhause, er neuern sie ihre Hurrahs. So pafsirt Detachement auf Detache ment den gelben Stein. Manche übersehen ihn wohl ganz. Andere wieder wissen sich bei seinem Anblicke vor Freuden gar nicht zu lassen, und zumal der Train trieb'S toll. Die „Trainier" feuerten Pistolenschüsse ab und zogen auS ihren Taschen volle Flaschen, die sie im Nu leerten; sie schienen, sagt ein Augenzeuge, dies patriotisch« Manöver schon vor der Grenze auSgeführt zu haben. So war mehr als eine Stunde vergangen. Da sprengt von Metz her eine glänzende Kavalkade heran: die Generale der Metzer Garnison, die dem Schlußakte beiwohnen und den General Manteuffel begrüßen wollen. 9ß Uhr ist's, als daS letzte Detachement erscheint, etwa ein Bataillon, an dessen Spitze General Lissingen, der Kommandant von Verdun, reitet. Und da ist auch Manteuffel selbst, begrüßt die Metzer Kameraden und stellt sich dann mit seinem Gefolge auf der französischen Seite auf. Der letzte Vorbeimarsch beginnt. Wohl mögen den General tiefernste Gedanken erfüllt haben, wie er da sein« Braven noch einmal strammen Schritte- an sich vorbeiziehen sah, — Gedanken an die Mühen seine» nun glücklich vollbrachten Werke», Gedanken an die unvergleichlich große Ver gangenheit, die hier am einsamen Grenzstein ihren Abschluß fand, Gedanken auch an die Zukunft der beiden Völker, die dunkel im Schooße der Zeit lag. Doch unbekümmert, frohsinnig und helläugig marschirt die Wacht am Rhein an ihm vorbei, unaufhörlich rauscht die Musik, brausen di« Hurrahs. Endlich haben auch die Letzten, hat auch die Bagage pafsirt, der Stab reitet davon und als Letzter wendet nun auch langsam und sinnend der General sein Pferd. E» ist klar, er will der Letzte sein, der Frankreichs Boden verläßt. Doch ander» hat r» die Geschichte, di« ewig unberechenbare, schalkhafte, beschlossen. Schon hat der General die Grenze über schritten, al» don der französischen Seite her schnelle Hufschläge ertönen. Wer konnte da» wohl sein? Erstaunt drehen sich die Letzten um, und „Korl vruer!" ertönt e». Ja, r» ist Karl Brauer, rin biederer uckermärkischer Trainsoldat, nicht eben schön und stattlich, aber brav, und der treue Pferdebursche de» Rrgi- mrnt»-Adjutanten, und er hat eine Pferdehalfter im letzten Quartiere vergessen, und nun rast er, die Halfter krampfhaft fefihaltend, heran, und — überschreitet al» der letzte Deutsch« dir französische Grenze. General Manteuffel war »inen Augen blick ernsthaft ärgerlich, aber die ununterdrückbare Heiterkeit, die sich bei den Leuten bald in schallendem Gelächter Luft machte, steckt schließlich auch ihn an, und lächelnd befiehlt er, Korl Bruer „als den letzten deutschen Soldaten auf französischem Boden" zu photographiren. So endet das große welthistorische Drama mit einem komischen Nachspiele. Drüben war Alles still geblieben. Ein paar Fran zosen hatten stumm dem Vorgänge zugeschaut. Kaum aber waren die Deutschen jenseits der Grenz«, da eilt ein Mann herbei, entrollt «ine dreifarbige Fahne und ruft laut: „Vivs lu b'runce!« Seine Landsleute stimmen in den Ruf ein. Ein Arbeiter aus Verdun war's, der zu Fuße zur Grenze sich begeben hatte, um auf dem befreiten Boden die nationale Trikolore aufzupflanzen. Bald sprengen auch französische Gendarmen her bei, salutiren die Fahne, und eilen dann nach Constans, um die Meldung von der endgiltigen Räumung Frankreichs nach Paris zu melden. In Amanweiler aber spielt der deutsche Telegraph, der dem Kaiser in Berlin die Heimkehr der Letzten von der großen Armee berichtet. Mit Ruhe nahm die Welt die Nachricht von der iibörntion 6u territoirs auf. In Deutschland entrang sich Tausenden ein Seufzer der Erleichterung, und nicht zuletzt empfand des deutschen Reiches Kanzler eine ehrliche Befriedigung darüber, daß die gefahrvolle Zeit der Okkupation nun ehrenvoll und fried lich überwunden war. Dem General von Manteuffel bezeugte die Ernennung zum General-Feldmarschall und die Tauf« eines Metzer Forts auf seinen Namen die Zufriedenheit seines kaiser lichen Herrn. Auch jenseits der Vogesen waltete die Stimmung der Erlösung und Befriedigung vor, und mannigfache Huldi gungen wurden ThierS, dem „Befreier", dargebracht. In Paris feierten in der Rue Beaubourg (Quartier Saint-Martin) einige Heißsporne die Nachricht durch Beflaggung ihrer Häuser, doch die Polizei entfernte die Fahnen bald. Die Blätter äußerten sich ernst, aber ruhig, nur den Vorbehalt machten sie, daß Frank reich noch nicht „befreit" sei, solange ihre unglücklichen Lands leute in Elsaß-Lothringen unter dem deutschen Joche schmach teten. Wohl wurde auch bei dieser Gelegenheit manche Stimme de» Hasses laut, doch darf sie den Besiegten wohl nachgesehen werden, und Manches wiegt die sympathische Anerkennung auf, die die in Nancy erscheinende „JndSpendance de l'Est' dem General von Manteuffel, den sie in der Nähe hatte beobachten können, zollte. „ES wird (schrieb sie) vielleicht unklug sein, zu sagen, daß er sehr lebhafte Sympathien für Frankreich habe, zum Wenigsten aber ist er nicht von dem wilden Hasse gegen Frank reich erfüllt, wie die deutsch« Partei (?). Er begreift die Ge fühle eines stolzen edelmiithigen Lande», das durch die letzten kriegerischen Ereignisse so grausam heimgesucht wurde." Und ThierS, der besser al» Einer die volle Gefahr, die während der zwei Jahre der Occupatio» geglommen hatte, und die ganzen Schwierigkeiten, die der deutsch« Obercommandant zu über winden hatte, kannte, widmete Manteuffel beim Abzüge der letzten Deutschen au» Frankreich eine» seiner Werke al» .Souve nir 6« »on kumninv et g»n4roaso »äwiniatrntlon äe» pro- vinee» occupös« knwpü««."
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