Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 14.10.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-10-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18931014023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893101402
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893101402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1893
-
Monat
1893-10
- Tag 1893-10-14
-
Monat
1893-10
-
Jahr
1893
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
be»b? «ch^d»E«or«t», «richtet»» L»«. -«destelle» ««geholt: «erletlährllch het zweimalig« täglich« 8»st«ll»»g in« HauS^lkchO. Durch di« Post bezogen für Deutfchlaib Mid Oesterreich: virrrrljäbrlich 6.— Direct« täglich« Sreuzbaudienduug t»> Aulload: mouaUtch 7chO LiePtorgea-Aulgob« «icheiut täglich V,7UH^ die «bm.d.»u»t..d« »ocheutagt » kthr. Xedartt«, »aß Lr»rßtti»»: AoHanne«,aG« 8. Di« Lrveditto» ist Wochentag« o,»»terbroch«> geöffnet früh S bi« «den»» 7 Uha. FMale,: Vita Ule«»'« Lorti». (Ellsreh dshlüd U»ioersilät«hr-h» t. L.nl« Lösche. Uatharineustr. 1«. part. uad KönlaSplatz 7. Abend-Ausgabe. myMr.TilgMM Anzeiger. Organ filr Politik, Localgeschichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. die -gespaltene Petitheile U) Pftz. Reklame» »,t« de»N»dact1ou«strich <4gto ivalteo) VO--, vor de« Familiranachrichte» <8 gespalten) 40 Gröbere Schriften laut u»s«»m Prrid» «erzeichniß. Tabellarischer und Zisternsatz nach höherem Tarif. Ortra»vkila,kN (gesalzt), »ar mit de» vtorgea.Aulaade. ohne Postbefördera», ^l oL—. mit Poftb«sörd«r»»g ^4 70.—. Iiunahmeschluß für Anzeigen: Ube»d-A»«gab«: vormittag« 10 Uhr. vior>e».Au«gab«: Nachmittag« «Uhr. Gönn- and Festtag« früh '/,S Uhr. <et de» Filiale» „d »nnahmefte.llcn je eia» halb» 8 tu ad» früh«. >»irttze» find stet« a» dt» GtzPedttt«» zu richten. vrnck «nd ««lag von «. Holz in Laipzitz. ^°528. Sonnabend dm 14. October 1893. 87. Jahrgang. Zur gefälligen Beachtung. Unsere Expedition ist morgen Sonntag, den 15. Oktober, Vormittags nnr bis Vsv Uh* geöffnet. Expedition de8 I,eipr!xer 1'axed1atte8. Politische Tagesschau. " LeiNtt«, 14. October. Morgen beginnt Wirker einmal ein soctal»e««krattscher Parteitag. Diesmal will man das rothe Banner inmitten des HauptlagcrS der ultramontanen Partei, in Köln a.RH.» entfalten. Aber nach der vom „Vorwärts" veröffentlichten Tagesordnung und den Anträgen aus der Mitte der Partei verspricht dieser Tag nur eine schwächliche Wiederholung der im vorigen Jahre in Berlin abgehaltenen Verhandlungen zu werden, die bekanntlich sehr ernüchterud gewirkt haben. Die meisten Wünsche und Anregungen sind recht unter geordneter Natur. In langer lüste treten Beschwerden und Anträge in Bezug auf die Parteipresse und Flug- schristen hervor: neben dem „Vorwärts" soll ein wöchent lich erscheinendes Ecntralblatt herauSgczcben werden, dessen Text die socialen Theorien und Partciprincipien erörtern müsse. Der „Vorwärts" möge seine alljährlich erzielten großen lieber schufsc zur Bereicherung seines Inhalts und zur Verbesserung seiner Redaction verwenden. Auch mit dem UnlerhallungSblatt „Neue Welt" sind viele Parteigenossen nicht rusrickcn. Die Breslauer Locialbrmokraten beantragen, ein Correspondrnz- und Telegraphcnbureau zu errichten. Andere wollen mehr Flugbälter zur Hand haben, ebenso soll für eine „gute" Jugendliteratur Sorge getragen werden. Eine andere Gruppe des reichhaltigen Menus bilden Anträge zur Organisation. Vielen Mit gliedern der Partei ist die jährliche Wiederkehr der all gemeinen, provinzialen und localen Congrefse zu viel; ein Jahr umS andere genügt nach ihrer Meinung vollständig. Gegen die Parteibeamten giebt sich von vcrschiedenrn Seiten ein leises Mißtraue» kund. Von Köln aus wird der Wunsch laut, Schieds gerichte zur Entscheidung persönlicher Differenzen für jeden Wahlkreis zu ernennen. Von den Freunden der Gewerk- schaflSorganisation wurden Anträge eingcbracht, die eine regere Bethciligung der „Genossen" an der gewerkschaftlichen Bewegung befürworten. Interessant ist ein in München gefaßter Beschluß, man möge gegen eine allgemeine Maifeier, gegen eine grundsätzliche Arbeitseinstellung am 1. Mai wirken. Am Pro gram,», dessen Festigkeit und Unantastbarkeit Liebknecht predigt, wird gleichwohl mehrfach hcrumgemäkelt. Die Lübecker Wollen allerdings nur cine Beseitigung der Fremdwörter, aber „Genosse" König-Berlin will den ganzen ersten priucipiellen Theil des Programms einer gründlichen Prüfung unterzogen wissen, um cine bessere Fassung herzustellen. Weitaus der wichtigste Antrag aber ist der von mehreren Seiten gestellte aus Streichung des bekannten Satzes „Religion ist Privatsache". Bekanntlich ist dieser Passus hauptsächlich auf Betreiben der „Staatsmänner" unter den Führern in daS Programm ausgenommen worden, die sich für ihre Propaganda davon gute Dienste versprachen. Man dürfe die Leute nicht kopfscheu machen. Aber die „Zielbewußtcn" und „Unentwegten" haben au dieser Halbheit stets Anstoß zenommen und fordern jetzt den bereit« im heutigen Morgen blatte mitgetheilten Ersatz. In die voraussichtlich sonst ziem lich ruhig verlaufenden Erörterungen de« Kölner Parteitage« kann dieser Antrag einiges Leben bringen. Besonders lehr reich wird die Debatte sür die ländliche Bevölkerung werdea, deren kräftige Bearbeitung durch socialdemokratische Agitatoren auch in Kola als Hauptaufgabe der Partei hingestellt und den Genoffen empfohlen werden soll. Wahlfragen, wie sie gegenwärtig in so vielen Landern im Vordergrund stehen, baden in den letzten Tagen auch die öatzertsche Abgeordnetenkammer anläßlich eine« social- demokratischen Antrags auf Einführung dcS allgemeinen, gleichen und directen Wahlrecht« für die Landtagswahlen beschäftigt. Ein dazu gestellter Antrag einer liberalen Gruppe wollte die directen Wahlen rinführen, aber doch einen Eensu» directer StaatSsteucr beibehalten. Beide Anträge wurden abgelehnt, vom Eentrum hauptsächlich mit der Begründung, daß e« Verfassungsänderungen während einer Regentschaft für unzulässig hal c. Diesem letzteren Einwand wider sprach allerdings die Regierung» erklärte aber, daß sie einen Wahlgesetzentwurs nicht einzubringen gedenkt, sondern abwarte» wolle, ob die Kammer einen solchen beschließen werde. Die Anregung ist also vorläufig ohne praktisches Ergcbniß verlaufen. AuS der Verhandlung ist von Interesse, daß das Eentrum durch den Abg. Orterer uicbt nur VersassungSbedenkcn vorbrachte, sondern auch materiell der Einführung eine- uneingeschränkten allgemeinen Wahlrechts widersprach. Als der socialcemokratische Abg. Grillenberzer daS Eentrum ans die Stellung Windtborst'« zum allgemeinen Wahlrecht verwies, erwiderte Abg. Orterer, er könns vielleicht ein anderes Mal mittheilcn, wie Winkthorst am Schluffe seiner Lebenslage über da- allgemeine Wahlrecht gedacht bade; jedenfalls habe daS bayerijche Eentrum da» allgemcinc Wahlrecht stets von wesentlich einschränkenden Bedingungen abhängig gemachi. Diese Haltung steht in ent schiedenem Gegensatz zu dem Austreten dcS preußischen Eentrum« in Wahlfragen. — Die Frage der Einführung de« directen Wahlrechts spielt bekanntlich auch in Baden bei der Wahtbewegung eine Rolle und man wird dort in der neuen LandtagSsession Anträge diese« Inhalt« erwarten dürfen. Nachdem auch die badischen Nationalliberalrn diese Forderung, deren Erfüllung die volle Annahme de« Reich«- tagSwahlrecht« bedeuten würde, in ihrProgramm aufgeuommen haben, wird der Antrag in des badischen Kammer wenig Widerstand finden. Die Regierung hat indessen bereits in einer officiösen Erklärung die Forderung entschieden zurück- gcwiesen; die mit dem Reich«tag«wahlrechl gemachten Erfah rungen ermunterten nicht zur Einführung dcS directen Land- tagSwahlrechtS. Einen praktischen Erfolg wird also auch in Baden diese Forderung nicht haben. In der französischen Hafenstadt T«ulon hat sich gestern da« lange erwartete, viele Wochen hindurch in Europa er örterte „große Ereigniß" der Ankunft einiger russischen Kriegsschiffe vollzogen. Die ersten Mittheilnngen darüber waren schon im gestrigen Abcudblatte enthalten; weitere folgten im heutigen Morgcnblatte und in den nächsten Tagen sind endlose Berichte über di« Feste in Südsrankreich und in Pari«, über die Commentare der französischen und der russischen Blätter zu gewärtigen. Lassen wir sie über un« ergehen und warten wir in Ruhe ab, ob die politische Weltlage ander« als am 13. October auSsehen wird, wenn die russischen Schiffe Sü den französischen Häfen wieder abgedampft sind. Im Großen und Ganzen bewahrt die gesammte Presse der Dreibund- st aalen dem französischen Ueberschwang gegenüber ruhige Festigkeit und spricht ihre Ueberzeugung dahin au«, daß die neuen französisch-russischen Verbrüderung-feste an der Welt lage nicht viel ändern werdea. Ganz ähnlich äußert sich die englische Presse; nur in Italien blickt man etwa« be sorgter auf das sich darbietende Schauspiel, wie folgendes römische Telegramm beweist: Der offjciösr „Mattino" charakterisirt mit derb« Ironie die enorme „Betrunkenheit", die heute dir Franzosen ergreift, aber die Franzosen hofften vergeben«, den Zaren mit ihrem Champagner zu berauschen. Der herzlich« Empfang, den Italien der eng lischen Flotte erweisen werde, sei unendlich mehr werth, als das tolle Bacchanal der Franzosen. Die Ruhe d« Italien« ent halte weit mehr Enthusiasmus als die HurrahS der Franzos«». Niemand könne sich jedoch heute mehr der Ueberzeugung verschließen, daß die Flotten-Demonstrationen im Mittelmeer die Einleitung «tue» nicht fernen Kriege« seien. Tie großen Interessen drängten mit elementarer Nothwendigkeit einer Katastrophe zu, welche über da» LooS jeder einzelnen Nation entscheiden werde. Aber Italien erwart«, wenn auch durch wirthschastlichen Kamps erschöpft, die Morgenröthe jene- unfern«» LageS, und ein Bolk, welche« da« Vaterland vom Fremdjocde befreien und eine national» Einheit zu erkämpfen wußte, sei stet« bereit, sich mit den Helden von AigurS-Mortr« zu messen. Bon den Paruelltten hat, nach den Aeußerungen, die deren Führer John Redmond in den letzten Tagen wiederholt öffentlich gethau, Gladstone in der Herbstsession de« Parla ment« kerne Unterstützung seiner Resormvorlagen zu erwarten. Die Durchsetzung solcher würde nach Rcdmond nur dazu dienen» Gladstone von der Rücksicht aus die irischen Nationalisten und von der Wiederaufnahme der Home Rule-Vorlage zu entbinden. In einer am DienStag in Dublin abgcbaltenen Versammlung de« Central-ZwrigeS der National-Liga entwickelte Rcdmond da« neue Programm, welches in Irland eingehalten werden solle. Während des Winter- solle in allen Thcilrn Irlands eine Agitation zu Gunsten von Home Rule in« Werk gesetzt werden. Er erklärte ferner, sallS in der kommenden Parlaments-Session nur England betreffende Maßregeln zur Sprache gebracht Würden, werde er sich von den ParlamentSsitzungen fernhalten und in Irland sür Home Rule thätig sein. Nach einer Meldung au« Catzftttöt hegen die Beamten der britischen Südasrikagesellschaft die Hoffnung, mit den jrht im Feld« steheuden Truppen gegen die Matabele fertig werden zu können. Im Londoner Krieg«ministerium und in der Admiralität will man zwar nicht zugeden, daß der Befehl zur Entsendung der Truppen auS England gegeben wurde, doch geht der „Allg. Corr." di« zuverlässige Nachricht zu, c« sei alle« sür den Nothfall vorbereitet, ja e« seien schon die nöthigen Befehle und Anweisungen in Bezug auf die Auswahl der Truppen, da« Kriegsmaterial und die Transportmittel fertig gestellt. Au- Fort Salisbury in Maschonaland wird mitgetheilt, die gegen die Matabele vom Süden und Osten verrückenden Eolonnen seien vortrefflich ausgerüstet; jede führe aus leichten Wagen Maximkanonen mit sich. Die Matabele kämpfen auf freiem Terrain in halbmondförmiger Formation wie die Zulu« und führen nie Proviant mit sich, fo daß der Kampf nothwendig kurz sein werde. Lobengula hat für den Fall eine« notwendig werdenden Rückzüge« auch eine au« Caooe« bestehende Flotte nach dem Zambesi gesandt, »m die Krieger über den Fluß aus dem Bereiche der eng lischen Herrschaft zu bringen. Vorgestern hat im amertkantfchen Senat zu Washington der Kamps zur Bewältigung des Widerstande« der Silber partei gegen die Vorlage der Sherman'schen Silber ank a u f« b i ll seinen Anfang genommen. E< wurden ununter brochene Sitzungen angeordoet, der Senat wurde mit Schlaf« Vorrichtungen versehen. Wenn die Silbermaaner die Ver sammlung nicht ununterbrochen beschäftigen, so siegen die Gegner; diese müssen aber, um nicht überrascht zu werden, die zur Abstimmung erforderliche Anzahl beständig im Senat baden. Die Silberleute können mit nur drei Mann Anträge stellen und Reden halten, während dir Abstimmung 43 Mann erfordert. Da die Gegner der Sherman-Bill in der Mehrheit sind, so können sie in Gruppen von je 7 Mann schlafen gehen, lieber den bis herigen Verlaus der permanenten Tagung haben wir bereit« in der heutigen Morgennummer berichtet. Nach nahezu ncununddrrißigstündiger Sitzung mußte sich gestern früh 2 Uyr der Senat wegen Beschlußunfähigkeit vertagen, keine artei aber bekundete Neigung, nachzugeben. Präsident leveland soll sich entschieden gegen jeden Compro- miß erklärt haben. Die Nachrichten von einem Comvromiß tauchen trotzdem ununterbrochen auf. Dem „Bureau Reuter" wird nach einem Berichte der „Nrw-Aorker Post" ge meldet, die Grundlage, aus der eine Mehrheit sich zusammenfinden könnte, wäre die Aushebung der AnkaufSclauseln der Sherman-Acte nach einem gewissen Datum in der Zukunft, vermuthlich in 4 Jahren, wobei zugleich auf den ScbatzamtSsecretair di« Befugnis; übertragen werden solle, Schatzscheine bi« zu einem Maximum von 2>M Millionen Dollar« au-zugeben, zu de» Zeiten und in solchen Mengen, als ihm nothwendig er scheinen würde, um die Silbercirculation mit der de« Golde« aus gleichem Fuße zu erhalten. Dagegen heißt e< in anderen Meldungen, Präsident Cleveland werde dem Vor schläge dcS Senator« Blackburn seine Zustimmung geben, wonach es unnöthig sei, Schatzscheine zu verausgaben, andererseits aber die freie Prägung amerikanischen Silber« gegen einen Schlagsatz gestattet werde, der dem Unterschied« zwischen dem Marktpreise dcS Silber« und dessen Münz- wertdc gleichkommen, allmonatlich vom Schatzamt srstgestellt, in Gold verwandelt und zur Vervollständigung de« Gold- vorratbe« des Schatzamtes verwendet werden soll. Nach einer Meldung aus Washington vom ll. October habe eine vorläufige Stimmenabnahme ergeben, daß die Widerrufs» Bill mit einer Mehrheit von ll Stimmen (48 gegen 3?) angenommen werden dürste, fall« sie zur Abstimmung ge langen sollte. Ucber den endlichen Ausgang de« Kampfe« ist keinerlei Vorhersage möglich. Privatbriese au« Ttztn« tbrilen mit, daß die nationale Bewegung im Reiche der Mitte unaufhörlich und rasch an Boden gewinnt, daß sie von oben herab geleitet und begünstigt wird und daß damit ein Znrückdrängen der Bedeutung »nd de- Einflusses der Fremden Hand in Hand geht. Dies« Tendenz kommt vornehmlich in der nationalen Webrfrage zur Erscheinung. Zunächst will man sich auf maritimem Gebiete von europäischer Bevormundung unabhängig machen und eine national-chinesische Flotte schaffen, die aus einheimischem Material von Einheimischen gebaut, nur mit einheimischem Menschcnmaterial bemannt und von einheimischen Ossicicren befehligt wird. Dann soll da« Land- Heer an die Reihe kommen. Auch auf Erringung der wirth- schast«- und handelspolitischen Unabhängigkeit ist daS Streben EhinaS gerichtet. Die Entsendung zahlreicher Chinesen zu Studienzwecken nach Europa und Amerika zielt nur darauf ab, sich möglichst rasch die nöthigen technischen Kenntnisse an zueignen, um später auch in dieser Hinsicht da« Au-land ent behren zu können. Mit der Erstarkung de« nationalen Be wußtseins bält leider in China ein Wachsen der Abneigung gegen das Ebristenthum gleichen Schritt. ^eeeelletsir. Die qnade Foelke. Roman au« der EmSgau. 12s Bon F. Kltnck-LütetSburg. Nachdruck »ertöte». (Fortsetzung.) Wilhelm stand wie von Ueberraschung oder vielmehr von Schrecken überwältigt. Er hatte die junge Frau seit ihrer Berbciratbung nicht wiederaesehen und nur im Kreise seiner Familie von ibr gehört. Daß sie eS „nicht gut getroffen", war zwar auch ihm kein Gebcimniß geblieben, doch hatte er nur wenig von näheren Umständen gehört. Er war beinahe ängstlich jedem Gespräch aus dem Wege gegangen, daS ihn an Diejenige erinnert, welche ilstn die bitterste Enttäuschung seine« Lebens bereitet. Nur ein einziges Mal sab er sie, Während der langen Zeit, in weiter Entlcrnung vorübergehen. Daß Forlke krank gewesen, hatte er erfahren, e« war sogar im Dorfe Diese« und Jenes geniuukclt worden, wa« Bernd BrunS belastete, aber niemals würde Wilhelm eine Veränderung möglich gehalten haben, wie sie ihm an der jungen Frau cutgeaentrat. Er hatte sie kommen sehen und vorüber wollen. Ter Eindruck, den ihr Anblick aus ibn gei»acht, war ein so überwältigender, daß alle Vorsätze, die er seit beinahe drei Jahren für den Fall einer Begegnung mit ihr gefaßt, davor zurückweichen mußten. Sie fand nicht gleich Worte zu einer Entgegnung, es gelang ibr auch nicht, ihren Zügen den Ausdruck von bochmüthiger Kälte aunehmeii zu lasse», den sie gern zur Schau getragen haben würde. In dem AuSruf, mit dem er sie begrüßt, lag «in solches Ucbcrmaß von Schrecken und banger Sorge, daß er nicht von einem gegen ihr Schicksal gleichgültigen herrühren konnte. Er staud noch immer wie geistesabwesend, den Blick voll unsagbaren Mitleid« auf sie gerichtet. War denn eine ver- bältnißmäßig kurze Spanne Zeit wirklich im Stande gewesen,diese Veränderung hervorzurufen? Unwillkürlich suchte er in der Vergangenheit nach dem blühenden, kräftigen Mädchen, und abcrmal« kam e« tiefbewegt und schmerzlich über seine Lippen: »Foelke, vergebt mir, daß ich so mit Such rede. Euer Anblick hat mich jäh erschreckt. Ihr seht nicht gut au« — Ihr müßt sehr krank gewesen sein." Sie hatte sich nun doch gefaßt uud schlug ruhig die Augen zu ihm aus. Längst sagte ibr eine innere Stimme, daß sie den, Jugendfreund schwere« Unrecht zugefügt, aber in diesem Augenblick war sie fest davon überzeugt. Wäre er irgend einer Schuld sich bewußt gewesen, er würde nicht in dieser Weise zu ihr gesprochen baven. „Ja, AdamS, ich war recht krank, c« ist auch noch nicht, wie eS sein sollte, aber doch schon besser. Ich sah Euch lange nickt. Wollt Ihr in die Kirche? Dann haben wir einen Weg." Sie glaubte die rechten Worte sür ein gleichgiltigc« Ge spräch gefunden zu haben. Da« Gefühl, daß sie unter jeder Bedingung vermeiden müsse, über Dinge zu sprechen, die mit ihrer Person im Zusammenhang standen, leitete sie nicht irre. Wilhelm schritt neben ihr, doch fanden weder er, noch sie Worte, ein Gespräch zu beginnen, während doch gleiche Ge danken Beider Seelen bewegten. Ein Blick in da« bleiche Ge sicht der Iugendgcnossin batte den Groll, den er gegen sie ge hegt, dahingeschmolzrn; ihr Name in seinem Munde gab ihr die volle Empfindung, daß nie die Liebe zu einer Anderen sein Herz erfüllt. Was hatte sie gethan? In der Kirche trennten sich Beide; der Eine ging recht«, der Andere link«. Da« Paar war kaum bemerkt worden, wenn es auch zusammen da« Gotteshaus betreten hatte. Nur hinter dem steinernen Sanzelpseiler hervor blickten zwei dunkle Augen, funkelnd in Wuth und Haß. VM. Der alte Meinhard, kränkelte seit einiger Zeit, und seiner zähen Natur wollte c« nicht mebr gelingen, die mancherlei iLtörungen in seinem gesundheitlichen Zustande mit den ge wohnten Hausmitteln zu bekämpfen. E« kamen Tage, an welchen er seinem Körper Ruhe gönnen uud da« Bett hüten mußte. Solch« Tage aber übten eine geradezu unheilvolle Wirkung auf die GemüthSstimmung de« alten Manne« au«. Die Ruhr, welche er stet« auch in schwierigen unv gefahrdrohenden Mo menten zur Schau getragen, war von ihm gewichen, und hatte einer Aufregung Platz gemacht, dir sich in einer Weise zu er kennen gab, tvelche fein Wesen nicht selten wie au«gewechselt erscheinen ließ. Befremden konnte dieser Srelenzustaad Niemanden, der mit den Verhältnissen bekannt war. Uffe AtjeS gab sicb keinen Illusionen mehr hin, er sah da« Schicksal seines Kinde«, de« einzigen lebenden Wesen-, dessen Glück zu begründen er sich zur Leben«ausgabc gemacht, besiegelt — c« war ein unendlich traurige« LoS, da« demselben zugefallen. Er hatte mit seinem Verstände Schiffbruch gelitten, wenn der barte Kops ein solches Geständniß auch nimmer bewußt abgelegt haben würde. Alles wa» er ausgeklügelt, um die Zukunft seiner Tochter nach seinen Grundsätzen auSzubaucn, batte sich als eine Verirrung erwiesen, die zwar auch ihn, aber schwerer noch eine Unschuldige traf. So kamen Augenblicke von Unsicherheit über ihn, die ihn hinderten, in der alten Weise seine Person geltend zu macheu. Wa« bestimmt anzucrkennen er sich sträubte, machte sich in seinen Handlungen bemerkbar: er hatte den Glauben an sich selbst verloren. Er war besser über da« Leben seine« Schwiegersöhne« unter richtet, als seine Tochter. Was drüben vorgina, ihm blieb e« nicht verborgen. Dafür sorgten schon gute Freunde, denen e« eine ganz besondere Genugthuung gewährte, ihre oft aus gesprochenen Befürchtungen, daß eS mit Meinhardi'« Erziebung»- weise keinen guten AuSaang nehmen werde, al« gerechtfertigte anerkannt zu sehen. Nicht etwa leichtsinnig, sondern nach reiflicher Uebrrlegung hatte er von Foelke gefordert, daß sie in da« Elternhau« zurückkchre, und ihre entschiedene Weigerung bracht« ihn in eine große Verlegenheit. E« war für ihre Heimkehr bereit« alle« vorbereitet gewesen. Uff« Atje» rechuete nicht mehr auf ein lange« Leben, da« Unglück seiner Tochter zehrte an seinem Mark, obgleich er e« sich nicht gestehen wollte. Sem Haar war schneeweiß geworden, und wenn da« an einem Sieoenziger an und für sich nicht befremden konnte, so mochte bei Meinhardi, dessen unverändert dunkle« Haar so lange Jahre sein Stolz gewesen, doch wohl der schnelle Farbenwechsel ausfallen. Ihm selbst war er eine Mahnung, de« Endes zu gedenken In dem eichenen Eabinetschrank lag sein Todtenhemd, von seiner ihm vorangegangenen Gattin gesponnen und genäht, wie da« so Brauch. Er würde in nicht gar zu langer Zeit kaum etwa« andere« mehr gebrauchen, aber er hatte die Pflicht, für die Tochter uad deren Kind zu sorgen Wenn man ihm erzählt, daß Bernd Brun« oft an einem Abend in der Stadt rin paar Tausend verspielt hatte, so beruhte diese Mitthrilung nicht etwa auf einer Erfindung oder Uebrrtreibuna. Bernd « Platz war längst nicht mehr schuldenfrei, sonder» seit etwa Jahres frist mit zw«, starken Hypotheken belastet worden. Wie e« ans dessen Felder, au«sah, wußte Uffe Atje« ebenso genau, al« daß er im Frühjahr das Dieb viel zu zeitig auf die Weide ge trieben »nd infolge dessen fünfzehn der besten Kübe verloren batte. In einigen Iabrc» konnte er sein reiche« Erbe voll ständig zu Grunde gerichtet haben und bann bei dem Mein- hardischcn Platz, wenn den Schwiegervater inzwischen da« Zeitliche gesegnet haben würde, ansangen, um ihn ebenso schnell zu verwirlhschasten. WaS war zu tbun? Einen Ausweg sab Uffe Atje« schon vor sich, und selbst da« Urtheil der Welt würde ibn nicht ab halten, seinen Plan zur Ausführung zu bringen. Die Freude» fein Ha»« »nd seinen Garten dem Verfall preisgegeben zu sehen, wollte er Keinem gönnen. Aber — wo gab c« eine» Menschen, der sich geneigt zeigen würde, selbstverlcugnend da« Werk in die Hand zu nehmen? Auck diesen Mann wußte der alte Bauer. Anfang« hatte er sich über sich selbst geärgert, daß er dessen nur gedenken konnte, aber — wider Willen kam er immer wieder auf Wil helm AdamS zurück. Kein Mensch aber als dieser hätte die Brwirthsckastung des Platzes so durchführen können, wie sie in Uffe AtjeS Nsichten lag. Aber an diesen einen konnte er sich nicht wenden. De* AdamS war allezeit ein hochmüthiger Patron gewesen; seitdem er eine nicht unbedeutende Erbschaft gemacht, würde er es i» noch weit höherem Grade sein. Er hätte sich nicht mit demselben inS Einvernehmen setzen mögen, um einen abschlägige» Bescheid zu erfahre». Trotzdem kam die Stunde, iu welcher Uffe Atje«, von quälender Sorge gepeinigt, alle Bedenken von sich schüttelte und Wilhelm ru sich bitten ließ. Daß derselbe der an ihn ergehenden Aufforderung nicht nachkam, befremdete ibn nicht, wenn eS ibn auch verletzte. Er batte kaum ein Entgegenkomme» erwarten dürfen, aber eS dünkte ihn seltsam, daß Wilhelm Adam« nicht um einen Mann sich bckummerle, der, wir er wußte, einst dessen Bewunderung genossen. Wilbelm'S ablehnende Art wirkte nicht erkältend aus Uffe AtjeS' Pläne. Immer eisriger gab er sich Vorstellungen bin, deren Verwirklichung begangene Fehlgriffe verbessern sollten, und klammerte sich an eine Hoffnung, die in der Tbat außer ordentlich wenig AuS> cht batte, verwirklicht zu werden. Ab gesehen davon, daß Wilhelm AdamS nicht gesonnen war, sich dem Willen eine« Anderen untcrzuortnen, hatte dieser den Ent schluß gefaßt, da» Meinhardi'sche Hau», in welchem alles ibn an einen unersetzlichen Verlust erinnerte, nicht wieder zi» betreten. Nach einer wiederholten Aufforderung de« alten Bauer»,
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite