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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.06.1896
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-06-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960604025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896060402
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896060402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-06
- Tag 1896-06-04
-
Monat
1896-06
-
Jahr
1896
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Herbste de« Ausdrucke« »unwürdig*. Da« hat nicht viel zu bedeuten. Wenn aber die „Deutsche Tageszeitung" sagt, eS breche sich auch in den Kreisen, die biSber eine mög lichst schleunige Berathung des Bürgerlichen Gesetzbuchs be- fürworteten, die Ueberzeugung Bahn, daß die Erledigung in diesem Sommer unmöglich und nickt wünsckenSwerth sei, so muß dies bezweifelt werden. Die Nationalliberalen und das Centrum — das gerade setzt Aussicht auf Erfüllung seiner Wünsche zu haben glaubt — beharren bei ihrem Borsatz» das Werk unverzüglich zu Ende zu führen, und das leitende conservative Organ, die „Kreuzzeitung", hat erst ganz kürzlich die gleiche Absicht bekundet. Daß auf die letztgenannte Partei von Seiten deö Herrn v. Ploctz eine terroristische Ein wirkung im Sinne einer Aenderung des Entschlusses versucht wird, gebt aus der Presse dieses Politikers deutlich genug hervor, wir glauben aber ebensowenig, daß er reussiren wird, als wir zur Zeit die Befürchtung theilen zu müssen glauben, die conservative Partei werde nickt davor zurück schrecken, das ganze Gesetz durch einen sorcirten Kamps gegen die obligatorische Eivilehe zu gefährden. Das widerspräche durchaus einer in erster Lesung gegebenen Zusage und wäre eine merkwürdige Nutzanwendung der Lehre, die der Erfolg des „Reichsboten"-Feltzuges gegen die obligatorische Eivil ehe gegeben hat. U Berlin, 3. Juni. Der „deutsche Haftpflicht- Schutzverband" hat nack den Mittheilungen, die in der Borstandssitzung vom 28. Mai cr. zu Düsseldorf gemacht wurden, wiederum einen erfreulichen Zuwachs an Mitgliedern zu verzeichne», ein Beweis, daß die gemeinnützigen Be strebungen des Berbandcs in immer weiteren Kreisen ge würdigt werden. Auch der landwirthschaftliche Berein für Rheinpreußen hat sich dem Verbände angeschlossen, um dadurch die Ziele des Verbandes zu fördern. Der Verband hat in der erwähnten Sitzung u. A. den wichtigen Beschluß gefaßt, nicht nur eine Ueberarbeitung der von ihm festgestellten „Normativ bedingungen" für die Haftpflicht aus Personal- beschäbigungen vorzunehmen, sondern auch an die Aus arbeitung von Normativbedingungen für die Haftpflicht aus Sachbeschädigung en hcranzutreten. Mit den erforderlichen Vorarbeiten sind Prof. vr. van der Borght-Aachen und Rechtsanwalt Krafft-Köln betraut worden. Die von dem Vorsitzenden, dem Eommerzienrath Möller-Brackwede, an geregte Hastpflichtstatistik hat in weiten Kreisen Unter stützung gesunden. Von den etwa 14—15 000 Firmen, an welche Fragebogen durch Vermittlung der Berufsgenossen- sckasten versandt waren, haben schon über 9000 geantwortet, ein sehr günstiges Verbältniß, welches beweist, wie großer Werth allenthalben dieser für Wissenschaft und Praxis gleich wichtigen statistischen Aufnahme beigelegt wird. Die Verarbeitung des umfangreichen Materials wird in den nächsten Monaten unter Leitung von Professor van der Borght-Aachen stattfindcn. Auch in diesem Jahr hat der Verband Erhebungen über die Gewinnantheile bei Haft pflichtversicherungen seiner unmittelbaren Mitglieder angeftellt; die Erhebungen zeigen von Neuem, daß die Prämienlast durch Vermittelung des Verbandes beträchtlich vermindert worden ist. — Auf seiner Neise nach Wiesbaden wird dem „Rhein. Kur." zufolge der König von Dänemark demnächst die Berliner Gewerbe-AuSstellung besuchen. Er ist der erste fremde Herrscher, der nach deren Eröffnung seinen Besuch dort angemeldet hat. — Die vereinigten Ausschüsse deS BundeSrathS für Zoll- und Steuerwesen und für Justizwesen, dir vereinigten Ausschüsse für Zoll- und Steuerwesen und für Handel und Verkehr, sowie die vereinigten Ausschüsse für Handel und Verkehr, für das Seewesen und für Justizwesen hielten heute Sitzungen. — Dem „Berl. Loc.-Anz." wird geschrieben: „In Reichs- tagökreisen bestand die Absicht, gelegentlich der Berathung deS Nachtragsetats an die verbündeten Regierungen die An frage zu richten, aus welchen Mitteln die Kosten für die Festlichkeiten aus Anlaß des Berliner Besuchs der eng lischen Schiffs bauer bestritten werden sollen. Den eifrigen Bemühungen von hochstehenden Seiten ist eS ge lungen, diese Anfrage zu unterdrücken." Der „Nordd. Allgem. Ztg." zufolge sind zu dem Feste, das am 16. Juni von der „ Re i ch S r eg i e ru n g " den Gästen im neuen königlichen Hoftheater gegeben wird, geladen: der Reichskanzler, die Spitzen der Reicks- und Staatsbehörden, der BundeSrath, oer Vorstand des Reichstages, die Herren de« Berliner und deS Hamburger Empfangscomitss, die Besitzer deutscher Werften, Vertreter deS Berliner Handels und der Berliner Industrie, technischer und kommerzieller Vereine, die englische Botschaft, die Presse des In- und Aus landes, so daß voraussichtlich die Festgesellfchast über 800 Per sonen zählen wird. Auf Befehl des Kaisers ist das ganze Etablissement für das Fest, bei dem die Musik deS 2. Garde- regimentS z. F. concertiren wird, zur Verfügung gestellt. — Der reichsgesetzlichen Krankenversicherung unterlagen im Jahre 1894 laut der Nachweisungen deS kaiserl. statistischen Amts durchschnittlich 7 282 609 Personen in 21 552 überhaupt tbätig gewesenen Cassen. Die Zahl der Versicherten hat sich gegen daS Vorjahr um 175 803 vermehrt, und zwar ins besondere bei den Ortskrankenkassen um 85 962, den BetriebS- krankencassen um 64158 und der Gemeindeversicherung um 17 322 Personen. Die Zahl der Erkrankungen 2 492 309 hat ick gegen das Vorjahr (2 794 027) erheblich verminvert, ebenso die der KrankbeitStage 43 686 440 (im Vorjahre 46 199 436). Demgemäß sind auch die Krankheitskosten von 101 971 698 auf 99 588 457 -« zurückgegaugen, auf daS Mitglied von 14,35 .« auf 13,67 Diese günstigen GesuntbeitSverbältniffe gaben Anlaß zu einem beträchtlichen Zuwachs des Vermögens. Dasselbe stieg von 83 811 959 ^! in 1893 auf 94 305 642 -«, woran die Betriebskrankencassen mit der Hälfte Theil haben. Der den Hauptbestandlheil des Vermögens bildende Reserve fonds bat sich gehoben von 75983032 in 1893 auf 83792433 von letzterem Betrage entfallen auf die Betriebskrankencassen 42 245 608 auf die OrtSkrankencassen 29 051 384 und die Eingeschriebenen Hilsscassen 8 878 609 — Wie die „Magdeb. Ztg." hört, wird im CultuS- ministerium ein Gesetzentwurf, betreffend die Heilighaltung des CharfreitageS, vorbereitet. Bekanntlich gilt in Theilen der Rheinprovinz und Westfalens der Char- freitag nicht als staatlich gebotener Feiertag. Um den Uebel- ständen und Aergernissen, die hieraus für den evangelischen Tbeil der Bevölkerung fortwährend entstehen, vorzubeugen, wird beabsichtigt, dem Charfreitag auch in den genannten Gegenden den Charakter deS staatlich gebotenen Feiertages zu geben. — Der am hiesigen Hofe beglaubigte württembergische Gesandte Freiherr v. Varnbüler ist vom Urlaub nach Berlin zurückgekehrt. — Der am hiesigen Hose beglaubigte portugiesische Gesandte Vicomte de Pindeila hat Berlin mit Urlaub verlassen. Während der Dauer seiner Abwesenheit fungirt der Erste Legations-Sccretair bei der hiesigen portugiesischen Gesandjchast Baron von Sendai als Geschäftsträger. — Der Präsident des RcichSversicherungsamtS Ur. Bödiker ist aus Ostpreußen hier wieder eingetroffen. — Der Pfarrer E. Fritsch, geschäftsführender Sekretair des Central-Ausschusfes für innere Mission, der in Stuttgart an Stelle Stöcker's in den Ausschuß des evangelisch-socialen Congresses ge- wählt worden, veröffentlicht eine Erklärung, worin er sagt, daß er sich überhaupt nicht einmal als Mitglied des Congresses betrachte. — Der hiesigen japanischen Gesandtschaft ist in der Person des FregattencapitainS Uychara ein Marineattachö beigeordnet worden. Der Zeitpunct der Ankunft des Capitains ist noch nicht bestimmt. — Der Premier-Lieutenant v. Elpons, Compagnieführer der Schutztruppe für Deutsch-Ostasrika, ist durch CabinetS-Ordre vom 28. v. M. auf sein Gesuch mit Pension ans der Schutztruppe entlassen worden, der er von ihrer Errichtung, am 1. April 1891, ab angehört hat. Vorher war er seit Herbst 1885 Lieutenant beim 6. Grenadier-Regiment in Pofen. In der Schutztruppe hat er mehrfach Gelegenheit gehabt, sich auszuzeichnen; er hat sich auch den Kronenorden mit Schwertern erworben. Er war bereits seit Anfang d. I. nach Europa beurlaubt. — Arbeiterbewegung. Die Beamten der Berliner Privatpost sind in eine Lohnbewegung eingetreten, wie eS heißt, aus Betreiben der durch die Lohnbewegung der Berliner Packetsahrt- gefellschaft bekannt gewordenen Personen. — Die noch ausständigen Instrumentenmacher haben, nachdem der größte Theil ihrer Ardeitsgenosfen die Arbeit wieder ausgenommen hat, das Berliner Gewerbege richt angcrusen. Sie befürchten, daß der langdauernde Ausstand zu ihren Ungunsten verläuft, und sind jetzt zum Frieden geneigt. Die Fabrikanten sind in der Mehrzahl für Unterhandlungen ohne fremde Hilfe, also auch ohne Gewerbegericht. * Neu-Ruppin, 3. Juni. (Reichstags st ichwahl.) Bis Abends waren gezählt für Lessing 9262, für v. Arnim 8344 Stimmen. * Hannover, 3. Juni. Bekanntlich plant der Vorstand der nationalliberalen Partei der Provinz Hannover schon seit längerer Zeit eine Huldigungsfahrt der Hannoveraner zum Fürsten Bismarck nach Friedrichsruh, an welcher selbstverständlich alle Verehrer des Fürsten Bismarck, welcher Partei sie auch angehören mögen, theil- zunehmen berechtigt sind. Der Fürst hat sich gern bereit erklärt, die Freunde aus Hannover zu empfangen. In der Zwischenzeit haben wiederholt Verhandlungen in dieser An gelegenheit stattgefunden. Entsprechend den in Friedrichsruh geäußerten Wünschen ist, dem „Hannov. Cour." zufolge, die Fahrt auf Anfang Juli verschoben und für dieselbe Sonntag der 5. Juli in Vorschlag gebracht worden. * Sangerhausen, 2. Juni. Wie die „Sangerh. Nachr." melden, ist daS Urtheil in der Pastor Kötzschke'schen DiSciplinarverhandlung ihm zugestellt worden. Es enthält die Beschuldigung der Aufreizung zur Unzufriedenheit und zur Begehrlichkeit durch Publicationen, wobei betont wird, eS sei unangenehm empfunden worden, daß der An geschuldigte sich auch durch die DiSciplinaruntersuchung von der eingeschlagenen Bahn nicht habe abdrängen lassen. Die Versetzung sei auch deshalb zweckdienlich, weil in der Gemeinde der Proceß mit dem Frhrn. v. Stumm verhandelt worden sei, der einen unglücklichen AuSgang für den Angeklagten gehabt habe. * Köln, 3. Juni. In der gestern abgehaltenen Vorstands sitzung des nationalliberalen Vereins in Köln wurde nach sehr eingehender Darlegung der Bedeutung des be kannten ß 8 des Richtergesetzes durch Geh.-Rath Knebel einstimmig folgende Resolution gefaßt und an die national liberale Fraktion des Abgeordnetenhauses gerichtet: „Der Vorstand deS nationalliberalen Vereins in Köln, sich einig wissend mit der Kundgebung de« natiouaNiberalen Central«« comitSS der Rbeinprovinz vom 12. April d. I., giebt ein stimmig seiner Befriedigung Ausdruck über die feste und ein heitliche Haltung der nationalliberalen Fraclion des Abge- ordnetenhaase« gegenüber dem von der Staatsregierung vorgeschlagenen 8 des Gesetzentwurfes, betreffend die Nichterbesoldungen u. s. w., hält die gegen diesen Gesetzes vorschlag erhobenen Bedenken zum großen Theil für zutreffend auch auf den vom Herrenhause am 20. v. M. neu beschlossenen L 8 und spricht die Hoffnung aus, daß die nationalliberale Fraktion des Abgeordnetenhauses einmüthig auch den letzteren Vorschlag ablehnen werde". In derselben Sitzung wurde auch ein Schreiben des Oberreichsanwalts Hamm auS Leipzig verlesen, in welchem derselbe seinen Dank für die von dem nationalliberalen Verein überreichte Adresse aus spricht und den nationalliberalen Ideen in Köln den besten Erfolg und endlichen Sieg wünscht. * Darmstadt, 3. Juni. Die Zweite Kammer, welche am 20. Februar mit 23 gegen 20 Stimmen den Antrag Wasserburg auf Einführung directer Landtags wahlen angenommen hatte, schloß sich heute mit 20 gegen 12 Stimmen dem ablehnenden Beschlüsse der Ersten Kammer in Betreff dieses Antrages an. Der Antrag Wasser burg ist somit von beiden Kammern abgelehnt. Dagegen hielt die Zweite Kammer mit 13 gegen 13 Stimmen ihre frühere Ablehnung des Antrags auf Aufhebung der Weinsteuer aufrecht. Ferner wurde beschlossen, den Zins fuß der Darlehen ans der Rentencreditcasse auf 3^2 Proc., die Amortisation auf Proc. und die Beleihungsgrenze aus 50 Proc. des Schätzungswertbes festzusetzen. * München, 3. Juni. Heute Vormittag hielt der Prinz regent die große FrübjahrSparade über die hiesige Garnison auf dem Obwiesenfelde unter Tbeilnahme der zur Zeit hier anwesenden Prinzen und Prinzessinnen deS könig lichen Hauses ab. Die Parade wurde vom Commandenr der 1. Division Generallieutenant v. Tylander befehligt. Es er folgte ein zweimaliger Vorbeimarsch der Truppen. Das Wetter war regnerisch. — Wie die „Münchener Allgem. Zeitung" nieldet, wird am 13. d. M., als am zehnten Jahres tage des Todes deS Königs Ludwig II., im Schloß Berg am Starnberger See eine Gedächtnißfeier stattfinden, verbunden mit der Grundsteinlegung der vom Prinzregenten gestifteten Votivkirche. Oesterreich-Ungarn. * Wien, 3. Juni. Das „Fremdenblatt" erfährt, Kaiser Franz Josef habe von Pest auS die Depesche des Königs von ätalien beantwortet, in welcher dieser seinen Dank ausspricht für die die italienische Armee betreffende Stelle der letzten Thronrede. — Außerdem erfährt das „Fremden blatt", auch der italienische Botschafter Graf Nigra sei beauftragt worden, den Dank deS Königs auszusprechen. — Hier wird die schärfste Kritik daran geübt, daß, wie sich herausstellt, die Cholera in Egypten schon dreiviertel Jahre herrscht und die dortige Regierung dies bis vor Kurzem verheimlichte. Man verlangt diesem Vertuschungssystem gegenüber scharfe Maßregeln. * Wien, 3. Juni. Der Ministerpräsident beant wortete die Anfrage der deutschen Linken, betreffend die Boycottirung der jüdischen Gemeinderätbe bei der Wiener Stadtrathswahl, mit der Erklärung, daß die Re gierung es selbstverständlich als ihre Pflicht betrachte, die Staatsgrundgesetze nach allen Richtungen zu wahren, daß eS sich im vorliegenden Falle jedoch um die Ausübung des Wahlrechts einer autonomen Körperschaft handle und daß der Regierung, wenn das Vorkommniß auch bedauerlich sei, kein Einfluß darauf zustehe. (Mgdb. Ztg.) * Wien, 3. Juni. Das Abgeordnetenhaus nahm das ganze Patentgesetz mit einigen unwesentlichen Abänderungen in zweiter Lesung an. Ministerpräsident Graf Badeni beantwortete sodann eine Interpellation der Abgeordneten Exner und Genossen wegen der Wahlen im Wiener Gemeinderath und hob hervor, die Regierung wahre die Staatsgrundsätze und sei entschlossen, deren Beachtung und Einhaltung zu überwachen. Was jedoch den in der Interpellation berührten Fall betreffe, so liege für die Regierung, so sehr auch der Vorgang zu bedauern sei, kein Anlaß zu einer Jngerenz vor, da es sich um eine freie Ausübung Les Stimmrechts innerhalb einer autonomen Körperschaft handele. Der Ministerpräsident beantwortete ferner eine Interpellation, be- treffend die Jnvaliditäts- und Altersversorgung der Privat- beamten, sowie ihrer Wittwen und Waisen. Die Regierung, sagte der Ministerpräsident, widme dieser Frage ihre Aufmerksamkeit und sei zu der Ueberzeugung gelangt, daß eine Zwangs versicherung unter Beitragsleistung des Dienstgebers und der Bediensteten, jedoch mit Ausschluß eines staatlichen Zuschusses oder einer Garantieleistung von weitestgehendem socialpolitischen Nutzen wäre. An die gesetzgeberischen Arbeiten könnte jedoch erst geschritten werden, wenn die einschlägigen Verhältnisse klargelegt und die zweck- dienlichen Daten herbeigejchafft seien. Die Regierung beschloß, über diese Verhältnisse eine Specialerhebung rinzuleiten und die Angelegen heit ernsthaft zu verfolgen. * Wien, 3. Juni. (Abgeordnetenhaus.) Der Finanz. Minister übermittelte dem Hause einen Gesetzentwurf, betreffend zeit- weise Aenderung einiger Bestimmungen des ZuckersteuergesetzeS. — Der Landwirthschaftsausschuß nahm eine Resolution an, in welcher die Regierung ausgefordert wird, behufs Unterstützung und Erhaltung der Concurrenzsähigkeit der heimischen Zucker- industrie gegenüber dem Auslande provisorische Ver fügungen auf die Dauer eines JahreS zu treffen. Frankreich. * Paris, 3. Juni. Drumont schreibt heute in der „Libre Parole", die Moskauer Katastrophe breite einen Trauerschleier über die Krönungsfeste. Auch die socialistischen Blätter knüpfen daran für Rußland wenig erbauliche Be merkungen. Sonst ist die diesige Presse größtcntheilS bestrebt, die Bedeutung des Unglücks zu verbergen. Die Blätter ver öffentlichen blos ganz kurze Berichte, zumeist nur officiöse Darstellungen; kein französischer Specialcorrespondent sandte einen Detailbericht. Gewisse große Blätter versuchten anfangs sogar, die Katastrophe ganz todtzuschweigen, andere benutzen die Gelegenheit, um die Allianz zu betonen; so schreibt daS „Journal", das Bündniß der beiden Völker werde durch die gemeinsame Trauer neu befestigt. Noch andere Blätter finden selbst hier Mittel, um dem Zaren zu schmeicheln; so meldet der Correspondent des „Eclair", der die Moskauer Hospitäler besichtigte, er habe einen Muschik gesehen, der dem Zaren bei dessen gestrigem Besuche gesagt habe, er sei zufrieden mit seiner Verwundung, da ihm daS die Gelegenheit gegeben habe, den Zaren zu erblicken. * Paris, 4. Juni. (Telegramm.) Die socialistische Gruppe der Deputirtenkammer bat eine Tagesordnung an genommen, welche ausspricht, daß die Gruppe gewillt ist, den Kampf gegen alle reactionairen Regierungen fortzusetzen, jedoch die Unterstützung sofort durchzuführender Reformen vorschlägt, die auch unter dem capitalistischen Regime die Lage der Arbeiter verbessern könnten. Sodann wird offen als daS Ziel der Gruppe die Beseitigung des capita listischen Regimes, um der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen ein Ende zu machen, die Eroberung der politischen Gewalt durch das Proletariat, die Ersetzung des capitalistischen Eigenthums durch daS Ge- ssellschaftS «Eigenthum und daS internationale Zu sammengehen der Arbeiter erklärt. Ferner nahm die Gruppe eme Tagesordnung an, in welcher auSgeführt wird, daß diejenigen ihrer Mitglieder, die sich der Abstimmung über die aufgeworfenen Principienfragen enthielten, darum der nothwenvigen Einigung aller in der parlamentarischen und politischen Action keinerlei Abbruch thun wollten. Spanien. * Madrid, 4. Juni. (Telegramm^) Infolge eines persönlichen ZwisteS hatten sich Marschall Martinez Campos und General Borrero gegenseitig ihre Zeugen geschickt. Der Zweikampf sollte eben im Hause eines hiesigen Rentners beginnen, als der Generalcapitain von Madrid eintrat und den Kampf verhinderte. Die Zeugen haben den Wortwechsel der Gegner ausgezeichnet. Das Gerücht, nach welchem die Generale verhaftet worden seien, ist unrichtig. Ruhland. * Moskau, 2. Juni. DaS Urtheil der politischen Kreise über die Katastrophe ist dies, daß das Unglück weder poli tische Ursachen bat, noch politische Folgen haben werde. Wir stehen, so sagt man, einfach vor einem Schicksals schlage von seltener Größe und tragischem Eindrücke. Gewiß ist, daß nur der garstigste unterste Pöbel, der im Schlupfwinkel aller lichtscheuen Elemente, dem „Cbitrov Rynok", baust, verstärkt von Taschendieben und Vaga bunden, den ersten Lärm begonnen hat, und dieser führte dann zu dem Gedränge, das beispiellose Opfer forderte. Leider kommt Aehnliches, womit am Sonnabend daS Unglück begann, öfter in Rußland vor. Hier ist eS Sitte, Geld beim Begräbniß zu vertheilen. Als vor einiger Zeit ein reicher Mann NamenS Gupkin starb, entstand ein solches Gedränge bei der Vertheilung, daß sofort 100 Menschen todtgevrllckt wurden. Der damalige Gouverneur Dolgoruki ließ recht zeitig Militair ausrücken und die Menge auseinandertreiben. Man hat also Präcedenzsälle ou miumture und damit einen gewissen Trost; das bindert aber nicht, daß, wenn auch die Beruhigung anzuhalten scheint, der schmerz liche Eindruck fortlebt in allen Kreisen bis zur böchsten Spitze. — Sonntag wird eine Speisung der Truppen auf Kosten der Stadt abgehalten. Für jeden Mann werden 40 Kopeken auSgesetzt. Außerdem erhält jeder einen Majolika becher, einen Teller, eine Schüssel und einen Löffel mit dem Moskauer Stadtwappen. Das Mahl besteht auS Kohl suppe, Grütze, einem halben Pfund Schinken per Mann, Reispirogen, drei Viertel Pfund Fleisch, Nüssen, Pfefferkuchen, Consect, einem Glase Branntwein und einer Flasche Bier oder Meth. Orient. * Sofia, 3. Juni. Das Central-Comits der Mace- donier hat einen Plan zur Einführung von Reformen in der Türkei veröffentlicht. Der Hauptzweck der Publikation scheint zu sein, die Bewegung wieder anzufachen. Von gut unterrichteter Seite verlautet, daß das neuerliche Hervor treten deS ComitöS mit dem Eintreffen der erwarteten Sub- sidien auS England Zusammenhänge. Trotzdem bestehen keine Besorgnisse, da einerseits hier die Stimmung entschieden gegen eine Action und andererseits die Regierung gegenüber der Türkei und den Mächten engagirt ist. (Frkf. Ztg.) Victor noch eine Zeit lang, nachdem er den Brief zu Ende gelesen hatte, auf denselben hin. Hier hielt er den Beweis von Beatrix' vollständiger Unschuld in Händen, welcher gleichzeitig die Schuld Seuda- more'S in sich schloß. Soweit sein eigenes Glück dabei in Betracht kam, traf dieser Beweis leider zu spät ein. Wo er — Victor Greville — zurückgewiesen worden war, hatte der Graf v. Sanfoine gesiegt, und die Hindernisse, die Beatrix in seinem Fall als unüberwindlich angesehen hatte, schienen in Bezug auf den Grafen von Sanfoine offenbar von gar keiner Bedeutung gewesen zu sein! Sollte sich Beatrix wirklich von dem Titel „Gräfin" haben blenden lassen? War das denkbar? Der Gedanke mußte ein sehr bitterer für Victor sein, doch nichtsdestoweniger blieb er sich seiner Pflicht wohl bewußt, der Weg, den er zu gehen hatte, lag klar vor ihm. Beatrix mußte so bald wie möglich, Alles erfahren waS er entdeckt hatte, der Brief, der sie so vollkommen von dem schmählichen Verdacht, der bisher auf ihr geruht, befreite, mußte ihren Händen übergeben werden. Tief aufseufzrnd und mit schwerem Herzen erhob Victor sich endlich und schritt auf MrS. Seudamore zu: „Ich bin Ihnen für DaS, was Sie gethan haben, zu tiefem Dank ver pflichtet, MrS. Seudamore", sagte er, indem er ihre Hand ergriff, „dieser Brief wird dazu dienen, ein großes Unrecht, das gescheben ist, wieder gut zu machen, ein folgenschweres Mißverständniß klarzustellen." „Meinem Gatten werden daraus doch keine Mißbellig- keiten erwachsen, Sir Victor?" sagte Jane besorgt, „das haben Sie mir versprochen!" fügte sie hinzu. „Und ich werde mein Versprechen auch halten, seien Sie darum unbesorgt. Weder ich noch meine Schwester können den Wunsch hegen, Ihren Gatten öffentlich zur Verantwortung gezogen zu sehen. Dieser Brief soll vor allen Dingen Mm Hopley gezeigt werden, die am meisten von dem Inhalt desselben betroffen wird, und ich gebe Ihnen mein Wort darauf, daß derselbe sofort, nachdem sie ihn gelesen hat, ver nichtet werden wird. Und nun, Mr«. Seudamore, gestatten Sir mir, Ihnen noch einen Rath zu geben: Veranlassen Sie Ihren Gatten, Monte Carlo sobald wie möglich zu verlassen. Wie Sie mir gesagt haben, ist er wieder in den Besitz einigen vermögen« gelangt, sorgen Sie dafür, daß er diesen Ort der Verführung verläßt, ehe er wieder Alle« verloren hat und da« Verderben ganz über ihn hereinbricht." „O, wenn ich daö könnte, wenn mir daS nur möglich wäre!" murmelte Jane. „Aber ich habe ja keine Macht über ihn, er läßt sich in keiner Weise von mir beeinflussen!" Und verzweiflungsvoll rang sie die Hände. Victor empfand ein inniges Mitleid für sie. Er sah wohl ein, daß für sie, die an einen Menschen wie Seudamore gekettet war, nur wenig Hoffnung blieb, ihr LooS zu mildern, daß man daS schwere Schicksal, dem sie voraussichtlich ent gegenging, nicht von ihr abwenden konnte. — Es war jetzt Zeit für Victor, aufzubrechen, wenn er noch zur rechten Zeit seinen Zug erreichen wollte. So ängstlich er gestern besorgt war, die Frau zu meiden, die er so innig liebte, und die er für sich verloren glaubte, so eifrig war er jetzt bemüht, nach Mentone zurückzukehren, um mit ihr zu sammenzutreffen. Jane begleitete ibn noch eine Strecke Weges und dann sagten sie einander Lebewohl. „Vielleicht werde ick ^ie niemals Wiedersehen", sagte Jane traurig, als sie Victor die Hand zum Abschied reichte, „aber seien Sie versichert, daß ich stets daran denken werde, wie gut und freundlich Sie gegen mich gewesen sind." „Auch ich werde Ihrer gedenken, Mrs. Seudamore, und niemals vergessen, welchen großen Dienst Sie mir und den Meinigen geleistet haben", erwiderte Victor ernst. „Ich bitte Sie, wenn jemals der Fall eintreten sollte, daß sie der Hilfe und des RatheS eines Freundes bedürfen, sich meiner zu er innern, ich werde jederzeit zu Ihrer Verfügung stehen." Victor sollte in Zukunft reichlich Gelegenheit finden, dieses Versprechen zu betbätigen. — Als er Mentone und daS Hotel Beau Rivage erreichte, neigte sich der Tag bereit« zu Ende, die Sonne ging unter, ibrr goldenen Strahlen noch einmal auf das Meer und die Gipfel der fernen Berge werfend. Reich gekleidete Frauen durchstreiften fröhlich plaudernd die Straßen, malerisch angezogene Bauern standen müßig vor den Läden und betrachteten die dort ausgestellten Herrlich keiten, und umherziehende Musikanten spielten vor den Thüren der eleganten Villen ihre träumerischen Serenaden. Die ganze Welt schien tiefsten Frieden zu athmen, nur der arme Victor Greville, der mit webem Herzen durch die Straßen eilte, um sein Hotel zu erreichen, schien von diesem Frieden nickt« zu empfinden. Al« er sich dem Hause näherte, bemerkte Victor auf der Steinterraffe vor demselben die bekannte Gestalt des Grafen v. Sanfoine. Derselbe war jedoch in rin so eifriges Gespräch mit einem kleinen lebhaften vor ihm stehenden Herrn vertieft, daß er Victor'- Naberkommen gar nicht gewahr wurde. Er hatte Beatrix' Arzt getroffen und war gerade im Begriff, von dem kleinen Doctor Bruce genaue Erkundigungen über den Gesundheitszustand seiner Verlobten einzuziehen. Victor bemerkte, daß man nicht aus ihn achtele und er eilte an den Beiden vorüber ins HauS. In dem Corridor de« ersten Stockwerks traf er auf eine behäbige ältere Dame, deren Kleidung mit ihrem Alter durchaus nicht harmonirte, denn sie trug ein Seidenkleid von lebhafter Farbe, welches reich mit Spitzen und Bändern garnirt war und eher für ein junges Mädchen als für eine Frau in ihren Jahren geignet gewesen wäre. Diese Dame hielt in offenbar sehr erregtem und ärgerlichem Tone dem Wirth des Hotels einen Vortrag, denn der Wirth stand in gebeugter Haltung vor der stattlichen Matrone und versuchte vergeblich, sie zu besänftigen. Doch der Redefluß der Dame war nicht zu hemmen. „Unter keinen Umständen", hörte Victor sie mit erhobener Stimme sagen, „kann ich auf das Zimmer, dessen ich so nöthig bedarf, verzichten. Es grenzt direct an daS Schlaf zimmer meiner Tochter und ich brauche eS für ihr Mädchen. Eine volle Woche vor unserer Ankunft haben wir bereits wegen der Zimmer an Sie geschrieben, und der Graf v. San foine ist vorangereist und hat Alles selbst mit Ihnen be sprochen. Hat er Ihnen denn nicht gesagt, daß meine Tochter jeidend, und eS durchaus notbwendig ist, daß ihre Begleitung in ihrer nächsten Nähe untergebracht werden kann? O, eS ist empörend, ich bin auf daS Höchste entrüstet!" Sie schwieg einen Augenblick, und diese Pause nahm Monsieur Georget wahr, um seinerseits ein paar Worte zu äußern. „Gnädige Frau, verzeihen Sie, der Herr, der daS kleine Zimmer augenblicklich bewohnt, hat schon einmal um Ihret willen seine Wohnung gewechselt. Ich kann ihm unmöglich noch einmal eine solche Zumuthung machen. Am näcksten Montag werde ick in der Lage sein, ihm ein anderes, größeres Zimmer zur Verfügung stellen zu können, und dann mögen gnädige Frau über daS freigewordcne verfügen. Es thut mir unendlich leid, ich bin jedoch außer Stande, Ihren Wunsch zu erfüllen. Doch hier kommt der Herr selbst! Sir Greville, würden Sie wohl die Güte haben, selbst mit der gnädigen Frau zu sprechen!" rief Monsieur Georget erleichtert auS, als er Victor erblickte. Victor, der sich auf diese Weise in daS Gespräch gezogen sah, verbeugte sich vor der erregten Dame und fragte sie höflich, in welcher Weife er ihr zu Diensten sein könne. Doch ehe sie seine Frage beantworten konnte, sah Victor einen älteren Herrn die Treppe herabkommen, in welchem er augen blicklich Mr. Hopley, den er in Highmoor kennen gelernt hatte^ erkannte. Derselbe legte vertraulich seine Hand auf die Schulter der empörten Dame und fragte gelassen nach dem Grunde ihrer Erregung. DaS Erkennen war ein gegenseitiges, und bald befand Victor sich im Gespräch mit den Eltern Beatrix'. Er war auf das Höchste überrafcht von der außerordentlichen That- sache, daß er die ganze Familie Hopley hier vereinigt fand. Eine junge Frau, welche ihre Hochzeitsreise in Gesellschaft ihrer Eltern macht, eS erschien ihm fast unglaublich. Nachdem Mr. Hopley ihn seiner Gattin vorgestellt und erzählt hatte, daß er erst vor einigen Stunden in Mentone angelangt sei, war Victor genölhigt, den lebhaften Ausein andersetzungen MrS. Hopley's zu laufchen, so wenig ihn die selben auch interessirten. Sie klagte ihm ihr Leid über all' die Unannehmlichkeiten, welchen sie aus der Reise ausgesetzt gewesen seien, über die Unpünktlichkeit der Züge, über die Unhöflichkeit der Eisen- babnbeamten. Sie erzählte ihm, welche Plage sie mit ihrem Gepäck gehabt hätten, wie schwer eS gewesen wäre, sich mit den Ausländern zu verständigen, wie froh sie sei, daß sie endlich daS Ziel ihrer Reise erreicht hätten. Vergeblich machte Victor einige Male den Versuch, zu Worte zu kommen, die lebhafte Dame schien kein Ende finden zu wollen. Nachdem daS Thema über all' die Unzuträglichkeiten einer so großen Reise erschöpft war, gelang e« Victor, endlich die wenigen Worte auszusprechen, d,e ihm auf der Seele brannten. „Und der Gras von Sanfoine?" stammelte er. „O, sie sind bereit- vor unS angekommen!" antwortete MrS. Hopley, unbewußt Victor von Neuem den Dolch in« Herz stoßend, denn wer konnte ander« mit dem „sie sind" gemeint sein, al« der Graf und feine Gemahlin. „Sie sind von Pari« au« direct nach Mentone gefahren und gestern Morgen bereits hier eingetroffen. Wir konnten natürlich nicht so schnell reisen, denn wir waren genöthigt, wie Sie ja einseheii werden, längere Ruhepausen unterwegs zu machen." lFortsitzung folgt.)
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