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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.04.1893
- Erscheinungsdatum
- 1893-04-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189304091
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18930409
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18930409
- Sammlungen
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1893
-
Monat
1893-04
- Tag 1893-04-09
-
Monat
1893-04
-
Jahr
1893
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.04.1893
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1. MM W LchM TmeM Mil MM K. N 8. AB IW. gsortsetz»»» «»» drm HaLptblatt.) * Girlitz, 7. April. Nach dem .Reuen Görlitzrr La inzer" dmieb» sich der Kaiser, der am »8. Mai hier zur Dnikmal-Enthüllunz rin »risst, au demseldea Tage »ach No «kau zur Jagd beim Grafe» Arnim. * Mir», S. Avril. Der Eultusmiuifter hat die Errichtung riaer Niederlassung der Genossenschaft der Schwestern vom h. Franziska« au» dem Mutterhaus» vt. Mauritz in unserer Stadt zur Ausübung der Kraukea- kflege genehmigt. * Affe«, 7. April. Die Strafkammer verurtheilte den Ledacteur der Bergarbeiterzeitung Kuth wegen Beleidigung der Gelsenkirchener Behörden und Aufreizung zum Classen- daß während de« letzten AuSstande» zu acht Monaten Ge- si-aniß. * Au» der Nbelnpfalz. k. April. Me bereit« kurz erwähnt, tette »in engere« LomilS deS Wahlkreises Landstuhl-Kusel, den seit iiinimetzr 23 Jahren Herr vr. Buhl vertritt, dielen gebeten, seinen SLHlern öffentlich über lein und der Partei Verhalten gegenüber der Rilitatrvorlage Rechenschaft abzulegen, und vr. Buhl war diesem Wunsch in einer gestern hier slattgehabten, zahlreich besuchten Lasammluug nachgekommen. Der Vorsitzende, vr. Bron, führte i» seiner Eröffnungsansprache auS, er könne sich das ablehnende Serhaltea gegen die Milttairvorloge wohl erklären bet dem Cen- lmv, den Freisinnigen und der Socialdemokralie, nicht aber bei dnseaigen Partei, welche liberal und vor Allem national sein solle. M einem Lomvrviniß sei hier nichts gethaa; Herr v. Bennigsen würde bester gehandelt haben, wenn er ebenso muthig für die >,»»-« Vorlage eingetretea wäre, wie andere Leute gegen dieselbe. Deshalb ersuche man auch um glatte und klar« Aufklärung. In längerer Rede antwortete darauf vr. Buhl, aus dessen Aus- iübrungen wir nach dem Berichte der „Pfälzischen Presse" Folgender herauSgreifen: Er frage: wie steht es denn eigentlich «i» die Stimmung zur Militairvorlage? Der bayerische liberale Führer vr. v. Schaub habe sich bei Bekanntwerden der Vorlage clSdald entschteoe» gegen die volle Bewilligung derselben ausge- Krochen. In Speier habe er erklärt, daß er die Durchbringung der ganzen Vorlage nicht für möglich halte, und die sehr zahlreich an- wesend gewesenen Zuhörer hätten ihm, mit einer einzigen Ausnahme, deigestimmt. Später aus der Bertrauensmännerverjammlung in Aenstndt habe auch nur «in Herr die ungeschmälerte Annahme der Vorlage empfohlen. Er glaube nicht, daß jetzt dieselbe begeisterte rtiainiilng im Volke vorhanden sei, wie im Jahre 1887. Einige Lrjeewahlea hätten dies auch in eindringlicher Weise gezeigt, so »ii wähl Fusangel's und die Ablehnung einer Cadidatur durch Fniherrn von Schorlemer»Alst. Wenn Letzterer geglaubt dä», dasj sein Einstich bei den Fractionsgenosten für ei» weiter- -stnde- Entgegenkommen etwas erreichen könne, so würde er >« Mandat sicher angenommen haben. Der Redner wies nun än> Vorwurf zurück, das, die Nationalliberalen irgenwelche Schuld mffe, wenn die Vorlage nicht zu Stande komme. Sie seien doch gar licht ausschlaggebcod. Da« Centrum falle aber diesmal nicht um; t< könne Lies nicht wegen seiner Wähler. Ein Handelsgeschäft iwische» ihm und der Regierung sei gleichfalls ausgeschlossen. Er wolle aber mit diese» Ausführungen nicht Stimmung gegen die Vorlage machen. Er sei selbst überzeugt, daß ein« erhebliche Ver- lärkung unserer Wehrkraft unbedingt nöthig sei; er halte es für cmen großen Mißstand. wenn Frankreich bei seinen 42 Millionen Anwohnern eine größere Armee besitze als wir Deutsche mit unseren öOMillionen. Er halte auch Cavrivi für eine» bedeutende» Fachmann, der aber große politisch-taktische Fehler begangen habe. Gegen Frank- reich iwd Rußland zusammen würden wir jedenfalls sehr böse daran sei». Allein bei einem Weltbrande würden wir auch Waffengefährten daben. Das Hauptbedenken gegen die Regierungsvorlage bestehe für ihn »nd seine politischen Freunde darin, daß das Manquement an Lssicieren und Unlerosficiere» nicht gedeckt werden könne. Es würden Alt Eintritt der Neuorganisation insgesamt»! fehlen etwa 2600 Lfsiciere und 9400 Ilnlerofsiciere. Er glaubte nicht, daß diese Zahl beschafft werten könne, jedenfalls nicht an Untcrofficieren. Gerade letzteren ober sei eine sehr wichtige Ausgabe zugedacht. Der Soldat müsse bei iiir,erer Dienstzeit intensiver und rascher ausgebisdet werden: dazu bedürfe es unbedingt der nöthigen JnstructionSmonnschast Es empfehle sich hier, etwas vorsichtiger und langsamer vorzugehen, als die Regierung dies beabsichtige. Er wolle auch noch bemerken, daß von Bennigsen mit seinem Cochmpronitß» ««schlag nicht aus vollständig eigener Initiative herrorgetreten sei. Er könne sich hierüberouS Gründen der Discretion nicht weiter aussprechen. Zum Schluß betonte vr. Buhl, er habe sich nur bemühen wollen, seine lieber, jeognng hier zn vertreten, und an dieser halte er unter allen Um. >:i»de» fest. Es würde einen Schatten aus seine politische Per. xoroenheit wersen, wenn er jetzt in Disharmonie von seiner Wähler. Ihm scheiden müsse. Er könne übrigen- versichern, daß er mit dem etwaigen Verlust seines bisherigen Wahlkreise- auch seine «olitische Thätigkeit in Berlin einstellen würde. Der Vorsitzende, vr. Bron, schloß die Versammlung mit dem Hinweise, mau Hab« »ech den Worten de» Abgeordneten vr. Buhl daS Vertrauen, daß er «ich in Zukunft da- Wohl deS Kreise« nad des gesummte» Vaterlandes nach besten Krästeu vertreten werde. " KarlSrnhc, 7. April. Eine von 500 Personen besuchte Trheiterversammlung beschloß die Aasrechterhaltung de- Voicottr» der Moninger'schea Brauerei gegenüber, sowie die Boycottverhäuanng über dt» FelS'sch« Brauerei tu Karlsruhe und di» Vrauerei Egla» in Durlach, weil dieselben die ia der Streik, beweguug steheudeo Lrauergehilfea «»Nass», habe». * 7. April. Oberbürgermeister Hegelmairr vou Heilbroa» soll, hiesigen Blättern zufolge, auf Grund gerichtlicher Entscheidung aus sechs Wochen zur Beobachtung eine» Geiste»zustaude« ,n dre Irrenanstalt Jllenau ge- »rächt werden. — Der bisherige württembergische Geschäfts träger am russischen Hofe, Wirk!. LegationSrath Freiherr v. Barnbüler, hat, nachdem die hiesigen Kammern der Aushebung de» russischen GesandtschastSpostenS zugestimmt haben, bereits ein AbberusungSschreibeu übergeben und Peters burg verlassen. Er ist augenblicklich zur Disposition gestellt, dürste aber voraussichtlich bald der Nachfolger deS Freiberrn von Maucler al» württembrrgischer Gesandter ia Wieu werden. * Au» Elsatz-Vsttrla»«», S. April. ES ist bekannt, daß der reich-ländische Klein» eine ganz besondere Borliebe für da- Französische besitzt und deSbalb auch in solchen Ge meindeo, in denen so gut wie Niemand deS Französischen mächtig ist. an deu französischen Predigten festhält. Auf diese Vorliebe ist e» auch zurückzuführen, daß dieser Tage in Colmar die Confirmation mit einer Anzahl Kinder französisch vorgenommen wurde. Letztere sollen des Deutschen nur unvoll kommen mächtig gewesen sein. Wenn die- zutreffend gewesen wäre, so würde darin ein schwerer Vorwurf für die deutsche Schulverwaltung liegen; in Wirklichkeit liegt die Sache jedoch so, daß in dem urdeulschen Colmar alle Kinder, ohne jede Aus nahme, sowohl in den höheren öffentlichen wie in den Privatschulen nur einige französische Stunden und sonst nur deutschen Unterricht erhalten. Die französische Confirma» tionSseierlichkeit kann daher nicht durch ein vorhandene« Be- dürfniß gerechtfertigt werden; die Geistlichkeit ist also selbst schuld daran, wenn man in ihrem Verhallen eine Demon stration erblickt. — Die „Straßburger Bürgerzeitung" hatte kürzlich dazu ausgcsordert, am Ostermontag Masienkund- ebungen gegen die Ausnahmegesetze zu veranstalten. Die Zevölkerung hat jedoch von diesem Ausruf nicht die geringste Notiz genommen. Arsmkreich. * Pari», 8. April. (Telegramm.) Im heutigen Ministerratbe theilte der Finanzminister mit, daß er einen höheren Beamten seines Ministerium« beauftragt habe, sich unverzüglich nach Berlin und Frankfurt a. M. zu begeben, um an diesen Plätzen die Thätigkeit der Couliffe zn stndirrn. * Die „Republique frantzaise" bringt einen nicht gezeichneten Leitartikel, au« dem sich die Gründe berauSlesen laste», welche den Senator Spul l er bewogen, dem Ca bin et Dupuy seine Mitwirkung zu versagen. Der Verfasser d«S Artikels führt auS, daö Cabinct Dupuy werde keine eigene Politik befolgen, sondern nur die des CabinetS Ribot sortsctzen, welche nicht- Anderes war, als die Politik deS CabinetS Loubet, die sich ihrerseits mit derjenigen deS CabinetS Freycinet innig verschmolz. WaS läßt sich da Gute- erwarten? Deu beutigcn RegierungSmännern scheint c« immer nur darum zu thun zu sein.lhrDastin zu fristen undKrisen zu vermeiden, indem sie so wenig handeln, als nur immer möglich, und die Maxime jene- schnurrigen MilitairinstructorS befolgen, der seinen Soldaten einschärfte: „Die Unbeweglichkeit ist die schönste der Bewegungen." „Das aber ist ein schwerer Jrrthum. Die Politik einer großen Nation dars sich nicht auf die mehr oder minder geschickte An- Wendung Nein» Mittel beschränken. Man muß sich in gewissen Augenblicken zu höheren Anschauungen und ernsten Entschlüssen auf- schwingen können. Die Krise, welche dem Ministerium Ribot den Lebensfaden abschnitt, konnte und mußte vorauSgeseden werden. Sie ist etwa« früher ansgebrochea, als man dachte. Diejenigen, welche gewünscht hätten, daß st« «erst nach der parlamentarischen Liqui dation des Panamahandels käme, d. i. nach der Beratdung de« Berichts, den die samose Untersuchungscommission endlich wird «in- briagen muffen, hatten vielleicht Recht; aber in der Politik lassen sich die Ereignisse nicht so bestellen. Die Krise ist «ingctrcten, und nun mußte sie entwirrt werden. Wird das Cabinet Dupuy im Stande sein, dies zu thun? Jedermann wirst diese Frage aus, und Jedermann erkennt, daß man Nicht» gethan hat, um die Lage zu ändern, ja daß man Alles grtdan hat, um sie sestzuhalten. So bleiben die geheimen und tiefen Ursachen der Krise beharrlich fort- bcstehen, und sie wird auSbrechen, wenn da« Eabinet Dupuy nicht eine neue Bahn betritt. Wo sind aber di« Anzeichen und die Bürg schäften einer solchen neuen Politik?" Belgte«. * Brüssel, 8. April. (Telegramm.) Am Sonntag wurde der Posten am Pulverthurm der Citadelle in Lüttich von einem Soldaten angegriffen. Letzterer ist imomehr verhaftet worden, doch hat er über die Gründe seine» Angriffe« bisher noch nicht» ausgesagt. Sämmtlicdr nach Lüttich gekommenen Soldaten, darunter auch ein Mann, welcher wegen seiner anarchistischen Gesinnung bekannt ist, wurden über deu Zweck ihrer Anwesenheit in Lüttich verhört. Dem Vorfall vom Sountag wird hier große Bedeutung bei- gelegt. JtsMe». * >««, 8. April. (Telegramm.) Der Vatikan soll mit dem Ministerpräsidenten Stambulow in Unterbandlung getreten sein wegen Errichtung zweier BiSthümcr in Bulgarien. — Die hiesigen Arbeiter haben beschlossen, am l. Mai ein Manifest zu erlassen, m welchem sie ihre Forderungen formulirea. * In der französischen Presse herrscht au« Anlaß der bevorstehenden Feierlichkeiten zur silbernen Hochzeit de« König« von Italien und der Königin Margherita arge Verstimmung. Hatten diese Organe bereit- von einer gewissen Spannung zwischen Deutschland und Italien berichtet, die durch die Entsendung eine- preußischen General- zum fünfzigjährigen Bischossjubiläum deS Papstes bcrvoraerufen sein sollte, so wurde dieser Legende durch die Nachricht von der Tbcilnabme deS deutschen Kaiser« und der Kaiserin an den bevorstehenden estlicbkeiten ein jäbcS Ende bereitet. Als dann die „Agenzia plesani" meldete, daß der russische Großfürst Wladimir und dessen Gemahlin im Austrage de- Zaren sich ebenfalls nach Rom begeben würden, war die« eine weitere Ersabrung, dir im Hinblick aus da« französisch-russische ZukunftSbündniß in Paris besonder« schwer empfunden wurde. So erörterten denn dieselben Organe in ibrem Sinne die vermeintliche Thatsachc, daß Oesterreich-Ungarn, die dritte Macht de« Dreibundes neben Deutschland und Italien, nicht durch einen Prinzen de« österreichischen Herrscherhauses vertreten sein würde. Aber auch bicr sahen sie sich in ihren Erwartungen getauscht, da die ossicielle Nachricht kam, daß der Kaiser von Oesterreich sich durch Erzherzog Rainer vertreten lassen würde. Einen geradezu komischen Beigeschmack erhält jenes Treiben da durch, daß der „Figaro" sich nunmehrauS Rom telegrapbiren läßt, man sei im Ouirinal (!) enttäuscht, weil man dem Besuche des Kaisers von Oesterreich selbst oder doch des TdronsolgerS enlgcgengesehen habe „Man begreift unter diesen Umständen", fügt das Blatt hinzu, „die Enttäuschung, die man in den osficiösen Kreisen empfindet." In Wirklichkeit ist die Ent täuschung nur auf französischer Seite, da in Rom Niemand auch nur einen Augenblick angenommen bat» daß der Kaiser Franz Joseph jetzt dorthin kommen würde. Tie Franzosen werden sich also bescheiden muffen, wenn bei den bevorstehen den Feierlichkeiten in der Hauptstadt Italien- nicht bloS der Dreibund eine neue Bestätigung findet, sondern auch der Zar zu erkennen giebl, daß er gute Beziehungen mit dem italie nischen Königshause bewahrt, obgleich diese- treu am Drei bünde fcsthält. Grohbrtta««1e». London, 6. April. Heule war der wichtigste Tag iu dem Oster - Feldzuge gegen die Homerule - Vorlage. Balfour setzt seine Fahrten in Irland fort, der Herzog von Devonshire wird in einer großen Versammlung in Bristol gegen die Bill sprechen, Göschen wird seine Stimme in Newcastle dagegen erheben, Lord Randolpb Cburchill wird einen ungemein großen ZubörerkrciS in Liverpool haben, und Sir Henry James wird io Bury sprechen. Joseph Chamberlain wird beute Abend in Birmingham gegen die Schank-Bill (Local-Veto-Bill) donnern und zweifelsohne auch seine Ansichten über die irische Frage laut werden lasten Außerdem sind noch für heute an ungefähr 26 anderen Orten in England Bersammlungen zu demselben Zweck anbcraumt. Während der letzten acht Jahre, sagt der Wiener Correspondent deS „Standard", stand Gladstone mit einem Wiener Juristen in brieflicher Verbindung über die ver schiedenen Homerule-Systeme, die in dem österreichischen Kaiser staate vorherrschend sind. Der englische Premier ließ sich Ucbersetzungcn — mit Commentaren — macken nickt nur von den Documenten, welche den AuStrag zwiscken Oester reich und Ungarn enthalten, und die Stellung, welche Kroatien im Reiche einnimmr, festsetzen, sondern auch von allen Regeln, die in den verschiedenen Landtagen geltend sind. Er ließ sich auch alle sich darauf beziehenden statistischen und andere Einzelheiten melden. Eine generöse Bezahlung wurde dem Wiener Juristen für seine Mühewallung zu Theil. Rußland. k. 6. Nach einer Meldung aus St. Petersburg hat die Regierung neue Maßregeln zur Unterdrückung des StundiSmuS auSgearbeitet. Darnach sollen die Stundistrn gezwungen werden, ihre Kinder orthodox taufen zu lassen und sie unter die Oberaufsicht eigen« dazu ernannter orthodoxer Comics zu stellen. Ferner soll ihnen rrrdoten werden, die Märkte während der orthodoxen Feiertage zu besuchen, Schulen zu gründen, orthodoxe Diener zu halten und ihre Tobten aus ven Friedhöfen der Orthodoxen ru begraben. Schließlich werden alle Versucke einer stundistiscken Propaganda mit den härtesten Strafen belegt. (Die Stundisten sind eine Sekte, die in Südrußtanv weite Verbreitung gesunken bat; sie verwerfen jede Prieslerherrschast, dir Sacramente und äußeren gottes dienstlichen Gebräuche und begegnen sich, indem sie das Haupt gewicht aus die religiöse Erweckung legen, mannigfach mit dem protestantischen Pietismus. Die Red.) * Wilna. 8.April. (Telegramm.) Der neue General- Gouverneur von Wilna OrzewSki empfing bei der Bor- tellung die Deputation de- römisch-katboliscken Klerus unter Führung der Bischöfe Zdanowicz und Andzicwicz höchst un gnädig und verbot ihnen geradezu, irgendwie an der Politik theilzuncbmen. Der Gouverneur bemerkte, „die katholische Kirche sei in Rußland nur geduldet, und er werde Geistliche, welche dies vergesse» sollten, sehr streng bestrafen". Kurze Zeit nach Empfang der Deputation wurden Pater Zyworonek aus fünf Jahre nach Astrachan und Pater Eudryk aus sechs Jahre nach Sibirien verbannt. Ortest. * velgra», 8. April. Die Radikalen erließen ein Manifest an ihre Wähler, in dem sie ihren Austritt au- der Skupschtina damit begründen, daß die Bestellung deS Alterspräsidenten und der Schriftführer, sowie die AuSloosung der Sektionen nicht gesetzmäßig vollzogen worden sei. Durch ihren Austritt sei der weiteren Thätigkeit der Skupschtina die verfassungsmäßige Giltigkeit entzogen und hätten die Beschlüsse keinen gesetzlichen Werth. Ibre weitere Haltung würden die Radikalen nach den Ereignissen einrichten. Für jetzt seien sie entschlossen, ihre Mandate zu behalten. k. 6 Die Regierung hat beschlossen, die Vornahme der Neuwahlen, welche durch deu Austritt der Rabicalen auS der Skupschtina notbwendig geworden sind, für die dritte Woche deS lausenden Monat- anzuordnen. Die Skupschtina dürste, wie man hofft, in der Lage sein, Ende April in die Verhandlungen cinzutreten. — Des Weiteren wird gemeldet, daß die vom „Wivelo" gebrachte Nachricht, der russische Ge sandte in Belgrad, Persiani, habe dem serbischen Minister des Aeußern einen, aus dir Annäherung zwischen Liberalen und Radikalen abzielenden formellen Antrag unterbreitet, völlig grundlos sei. Persiani habe von seiner Regierung kcinkn daraus bezüglichen Auftrag erhalten und konnte daher einen solchen Schritt bei der serbischen Regierung nicht thun. k. 0. Konftanttnoprl, 4 April. Ueber das entsetzliche Unglück, welche» sich Ostersonntag Abend- im hiesigen Hafen zugetragen hat, liegt bisher bloS ein erster (im Auszug bereit- bekannter) Bericht de- Polizeiministers Nazim Bey vor, der über da- traurige Ereigniß folgende Angaben macht: Eine Stunde nach Sonnenuntergang kehrte das Dampsboot „Gai ret" mit dem Personale der kaiserlichen Küche und mit Dienerschaft vom alten Serail, wo der Sultan, wie all jährlich am 15. Ramadan, anläßlich der Ceremonic des „Hirkai-Scherif" (Verehrung des Mantels deS Propheten) den Tag verbrachte, nach Aildiz KivSk zurück. DaS Boot war erst kurze Zeit aesahren, al« e« mit dem KriegS- dampfer „Teschevikyü", der sich in da« Arsenal im Goldenen Horn begeben wollte, zusammenstieß. In Folge einer starken Strömung war der Stoß so heftig' daß da« Boot sofort sank. Sowohl die „Teschevikyü", als auch die in der Nähe aukrrnden Schiffe „Dolma- Bagtsche" und „Abaua" machten sich sofort an das RettnngSwerk. Es gelang ihnen, l7 Personen dem Tode zu entreiße». Wie groß die Zahl der Ertrunkenen ist, kann noch nicht angegeben werden. Mau hat bisher nur fünf Leichname aufgesunden, worunter sich auch der Capitain de« Boote-, Kbalid, befindet. ES wird jedoch ange nommen, daß sich im Ganzen 40 Menschen auf dem untergcgangenen Boote befanden, so daß 23 Menschen leben zu Grunde gegangen wären. Als der Sultan von der Katastrophe erfuhr, war er tief ergriffen und ordnete sofort an, daß den Familien der Verunglückten Pensionen auS seiner Privatschatulle auSzurahlen seien. Die auf- gesundenen Tobten wurden aus Kosten deS Sultans in dem Friedbose von Eyub beerdigt. Die Untersuchung über die Ursachen de» Unglück« wird eifrig fortgesetzt. * Athen, 8. April. (Telegramm.) Die Prinzessin ivon Wale« ist bei ihrer Ankunft in Corfu vom König Feuilleton. Von Algier nach Liskra. Von M. R. Scheuch. üa-drua vertere». (Fortsetzung.) Vielt Hundert Menschen erwarten den Zug — den ersten, der Festtheilnehmer bringen wird, denn seit 2 Tagen war auch die Linie Batna - Constantine unterbrochen, und nur mit vieler Mühe gewinnen wir den Ausweg aus der drängenden Menge. Die Stadt ist illuminirt; in den Pro menaden de» großen Platze-, der das Fort St. Gcrmaio von der Stadt trennt, sind die Haupt-Wege mit Pforten von bunten Lampen und Fahnen geschmückt. Sogar von den Bäumen hernieder hängen Flaggen und bunte Papier laternen. Schon gestern, aber mehr noch beute sind die schaulustigen Eingeborenen zusammengeströmt auS den nahen und fernsten Oasen. Oft mehr als 200 km haben sie auf ihren Kamrrlcn zurückgelegt, um dem Schauspiele beizuwobncn. Am frühen Morgen sind die vier schnellsten Kameele au« Quargla — die südlichste der Oasen und der Eingang zur Wüste für die Kaufleutr, die ihre Waareu nach dem Sudan bringen —, 368 km von hier, in weniger als 22 Stunden tingetroffen und haben die Preise gewonnen, die von der Stadt BiSkra und dem Mitbegründer dieser Rennen, Car tioal Lavigerie, auSgesetzt sind. Wir machen nach dem Abendessen noch einen Gang durch tie Stadt, dort, wo sich daS arabische Leben unversälscht ab imelt. Alle Cafö« sind dicht besetzt und überall wird ge lärmt und Tänzerinnen führen ihre „Kunst" auS. Besonder» m den Straßen, wo die rotben Laternen auf den BalconS der Häuser Unterhaltung durch Damen versprechen, ist ein Drängen und Stoßen, daß man nicht hindurch kann. Auf den Plätzen, unter den Arkaden, in Winkeln und Ecken kauert nnd liegt eS durcheinander, rauchend, plaudernd — schlafend! Denn die Karawansereien haben ja die Menschen nicht alle ausnebmen können, und so campirt die Mehrzahl im Freien. Die Schlafgelegenheiten auf Waarenballen, Säcken und Listen, aus den Bänken der Halle, wo am Tage die Fleischer, Bäcker und Gemüsehändler ihre Waareu auSlegen, sind längst alle beseht, und die Löcher, wo die Handwerker ibrer Arbeit obliegen, dir Niederlagen, ja sogar die Ställe wimmeln von den weißen Gestalten. Dort bocken welche, die mit Behagen die großen fetten Pfannkuchen verzehren, au« denen der Hammeltalg nur immer so bernntertropst. Andere rauchen au« kleinen Pfeifen oder als Cigaretten ge wickelt den Samen einer Pflanze, der gleich dem Opium be rauschend wirkt und ähnlich riecht wie da« Räucherwrrk in katholischen Kirchen. Und wie die Tische umdrangt werden, an denen euro-1 päische Juden im Würfelspiel den Kindern der Wüste da« I Geld abnehmen! Leider herrscht zwischen all dem Gewühl eine unbeschreib liche Luft. Elly Edison, die gestern noch behauptete, daß die Araber sich meist mit Rosenöl und köstlichen Essenzen parsümirtcn, ist beute ganz anderer Meinung geworden und schreibt ins Tagebuch: Am Muselmann lob ich da« Schwelgen, Doch «iu Geruch der ist ihm eigen. BiSkra, den 24. Januar 1893. Wie froh sind wir, dem Feste nickt auSgewicken zu sein, wie eS eigentlich unsere Absicht war? Wie reich sind wir für alle Entbehrungen an Bequemlichkeit belohnt! Durch ein Schauspiel ohne Gleichen in seiner Ursprünglichkeit. Schon der weite Rennplatz, umgrenzt nach West und Nord von den weißgrauen steinigen Hügeln, bot ein malerisches Bild mit seinen drei Tribünen für ersten und zweiten Platz und für die Mitglieder deS RennvcreinS. Hunderte der dreifarbigen quergestreiften Fähnchen flatterten luftig im frischen Winde und stimmten prächtig zu den Chasseurs d'Afriaue, den Zuaven und SpahiS, denen die Absperrung de« Platzes und die Aufrechlerhaltung der Ordnung über tragen war. Längst hatten sich die Anhöhen mit Menschengruppen belebt, dir an die Bergpredigt und andere biblische BolkS- scenen erinnerten. Welch eigener Anblick inmitten diese- Meere- grauweißen Gestein- die gleichfarbigen Gestalten, von denen sich nur da» Schwarz deS Gesichte» iu den weißen Umbüllu»igen sonderbar abbob. Allmälig füllten sich auch die Tribünen, und nun kamen auS der Richtung deS alten BiSkra her in langem Zuge meist auf herrlich geschirrten Pferden die 3 Volksstämme (TribuS), denen erlaubt ist, Waffen (Jagdflinten, Pistolen und Säbel) zu tragen, geführt von ihren reich gekleideten, stolz drein- ichauenden ScheikbS oder KaidS. Die Fadncn mit den Halb monden weben voran. Flöten und große Trommeln vereinen sich zu einer lärmenden, fast melancholischen Weise, die sich noch lange wiederholt, nachdem die Reiter schon in weitem Halbrund Aufstellung inmitten de» Platze« genommen haben, und die erst schweigt, wenn die Rennen beginnen. Den linken Flügel bildet der Tribu der BiSkriS mit car moisinrotber seidener Fahne: ein aoldncr Halbmond daraus, da« Sinnbild de« Wechselnden, aber Ewigen, daneben der Komet — daS Bild de« Vergänglichen. Dann folgen die Stämme der weiteren Oasen mit langgestreiflen gclbgrün- rothen Fahnen, deren eine glatte Farben zeigt, während die andere mit vielen Halbmonden Lbersäet ist. Stolz und ruhig sehen sie zu. Die Rennen nebmen ibren l Verlauf wie anderswo, nur nicht mit der Kunst und drm I Raffinement, da- der Jockey von Fach anwendet. Diese SpccieS ist nur in einem Exemplar vertreten und gewinnt auch (einem Herrn HarraS St. Georges auf der Farm in der nächsten Station Dujour verschiedene Preise. Nun aber kommt daS Flachrennen für Eingeborene und Europäer. DaS Programm nennt 5 Araber und 4 Europäer. Die Araber baden die Führung genommen und halten sich tapfer; da, an der letzten Biegung versucht der Jockey wieder seinen Tric und eilt vor. Aber der vorderste Araber hat eS gemerkt, mächtig spornt er sein Roß, daß c» um viele Längen vorschießt. DaS war so ein echtes Reiter- Stückchen. Mit Bangen batten seine StammeSgenvssen das Manöver beobachtet. Jetzt war kein Halten mcbr. Vor wärt- sprengten alle bis dicht an die Bahn heran mit wildem Zurufe, durch Abfcuerung ibrer Gewehre das Pferd de« ge- schickten Siegers zu noch wilderem Lause anreizcnd, indcß die im Umkreis stehende Menge jenes Geschrei anstimmt, das wie Sturm klingt: bald gedehnt und wie klagend, bald schwellend und brausend. ES folgt daS Rennen der Kameele, welches die größere Schnelligkeit des Pferdes so recht erkennen läßt, »nd darnach da« Hürden-Rennen für Officierc der französischen Armee. Nur 2 Pferde sind genannt, ein dritte« wird noch nachträg lich am Pfosten angeschlagen und da« Ganze verläuft ziemlich stimmungslos. Man hat das Gefühl, daß die Nummer eine Formsache ist, daß man die Armee nur tcr Ebre halber be- Iheiligl an dem Feste, da» reckt eigentlich nur für die Ein geborenen und eine Brücke sein soll zur Herstellung guter Beziehungen zwischen Kreuz und Halbmond. Mit welchem Erfolge sie geschlagen ist? — wer kann eS wissen! Bon der Gclegenbeit, sich zu zeigen, macken die Araber an diesen Tagen jedenfalls den ausgiebigsten Ge brauch, und in den Phantasien, die die Renne» beenden, ent wickeln sie Bilder von Kühnbeit und wilder Reitkunst, daß man athemloS zuschaut und kaum den schnellen Bewegungen zu folgen vermag. WaS die Pferde laufen können, jagen sie vorüber, fort während schießend, seitwärts, vorwärts, rückwärts, dann wieder ladend, den Säbel schwingend, sich drehend im Sattel, dann wieder fast liegend über der Thiere lang gestreckten Hals. So zeigen sich alle drei Stämme nacheinander, um zu letzt in langem geordneten Zuge, wie sie gekommen, abznrückcn. Elly Edison batte — mebr erwartet. Wie immer. Die Araber findet sie unpassend gekleidet für diese Gelegenheit. Die weite Kleidung stört beim Schreiten Und andern Dingen — wie beim Reiten. und tadelt vor Allem da« Aussehen der arabischen Pferde, von denen allerdings einige die Schwan; Räude hatten, was aber in den besten — Ställen Vorkommen kann. Ausdauer hat das Wüslen-Pferd, Doch «st der Schwanz ost gar nichts Werth. Obrigkeit und Untertbanen, Behörden und Bürger wett eifern in Liebenswürdigkeit, und Alle« ist bestrebt, den hier weilenden Fremden den Aufentbalt festlich zu machen. Sogar der Herr Postmeister bat sich für die wichtigen Tage die Unbequemlichkeit deS Taillenrockes aufcrlegt, und der schöne schottische Schlasrock, den er sonst im Bureau zu tragen pflegt und in dem er so behäbig und freundlich auSsicbt, hat den Abschied bis aus übermorgen. Jeder ist in gehobener Stim mung. Aufmerksam und zuvorkommend wird man überall berichtet, man bat den Eindruck, gern gesehen zu sein. Im Ovrcle milittrirv, der natürlich sein eigene« Heim mit schönem Garten besitzt, ist ein GescllschaslSabend für Montag arrangirt. DaS ganze Gebäude ist umgewandelt: der Eingang geschloffen und für da« Orchester eingerichtet; seitwärts die Mauer durchbrochen und ein Entröe geschaffen, bezeichnet mit 2 Geschützen, die mit bunten Lampions bebängt und neben denen Unterossicierr die Karlen der Eintrctendcn prüfe». Im Garten, verbunden mit dem Hause, e», mächtigc« Zelt, in welchem auf einer Bübne durch die Eingeborenen Tänze ausgesührt und von einigen Ossicicrcn scbr flott Theater gespielt wird. Ein Ball in den geschmückten Räumen beendet den Abend. Auch wir sind mit einer Karte bedacht worden, und dank baren Herzens und voll aufrichtiger Anerkennung der liebens würdigen Zuvorkommenbeil der Herren vom Ossicicr-Corps genießen wir die gebotenen sehr hübschen Darbietungen. 30. Januar 1893. Im Hotel OasiS wobnen wir und zwar in Nr. ll. Eigentlich ist eS Nr. 13. Aber diese Zahl ist aus den fran zösischen Gastböscn verbannt, man findet nie Nr. 13; nur einmal in Algier gab eS ein Zimmer zwischen >2 und 14, ka« batte gar keine Nummer und wurde »nS unter 12 bis vermielbet und sämmllichcS Dienstpersonal war auf „12 bi?," dressirt. Einmal nur entfubr einem Kellner die ominöse Zahl, wodurch er sich einen vernichtenden Blick der Herrin zuzog, der ibi» zu Geinütbc gesübrt babe» wird, wie mit der bösen „l3" ebenso wenig zu spaßen ist wie mit eiiier „bösen Sieben!" Hotel Lasis ist ein« tcr drei Hotels von BiSkra, die mcbr oder weniger, jedes in seiner Art, ihr Privileg der Börse»-Erleichterung auSübcn, ohne sich in ibren Gegen leistungen besonders anSzuzeichne». Als wir »litten im Fcst- g-wvge ankamen, mußten wir glücklich sein, daß uns die Frau Wirtbin ihr eigenes Zimmer, mit einem Belt nur, einräumtc, wo wir 3 Tage zubringen dursten »nd Gelegenheit genug batten, über die Beschränkung des Raume« und über bie Jäger'sckc Tbeoric vom verwanrten und unverwandten Gerüche der Individuen eingekende Betrachtungen anzustellcn. Nun haben wir endlich »ach Kamps »nd Warten unser Nr. l t mit viel Sonnenschein »nv prächtiger Aussicht in die endlose Wüste in der Richtung nach der Oase Sidi-Okba. Obwohl auch nur ein „Koffer" und nur so groß, daß wir u»S gerate auszichen und uns ins Belt legen können,
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