Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 05.08.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-08-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930805028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893080502
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893080502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1893
-
Monat
1893-08
- Tag 1893-08-05
-
Monat
1893-08
-
Jahr
1893
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Vez»s-^pretr » »«-«ptqMdttio» »d« d» tm Stad». »«« «d d« Vorort» «richtet» «»«- -abestellen a b, e h o l t: vierteljährlich „4 Bei HMetmaliaer täglich« Zustellung tut Hont Lchü. Durch dt» Post bezogen für Denlschland und Oesterreich: vterteliährlich <4l 6.—. Direkte täglich« Kreuzbar,dieaduug in» Lutlaad: moaallich 7ckO. Di« Morgen-Nutgab« erscheint täglich'/,? UhL di« Lbeud-Autgod« Wochentags v Uhr. Le-«ttoa uuk Lrpe-itto«: Aotzonnetgass« 8. «nu»t«brvch» 8 btt'«bend« 7 Uhr. Filialen: vttO Me»«'» Gor«». (Alfred Hatznlv Uuiversitättstrab« 1« L-nt» LLsche. Katharioenstr. 1t, part. »ud KSniatdln» 7. Abend-Ausgabe. riMgr r, Cagtblatt Anzeiger. Lrgan für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. ««zeigen-Pret- die -gespaltene Petitzeile 10 Pfg. Neclame» unter dem Redactiontstrtch (4ae- spalten) Ü0^, vor den gomilienuachrichk, (Sgejpalt») tO^g. Größere Schriften laut uns««» Preis- verzcichniß. Tabellarischer und Ziffrrnsotz uach höherem Toris. Extr«»Beilagen (gefalzt), nur mit d« vrorgea-Ausgabe, ohne Postb«fSrd«»»g >4 SO.—, wtt Postbeförderuog 7V. Tiauahmeschlaß fSr Iiryei-e«: Abend-Ausgabe: vormittags 10 Uhr. Marge a-Aosgab«: Nachmittags «Uhr. Sonu- und Festtags früh '/,S Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je rin» halbe Stund« früh«. Anzeige» sind stet» an di» Grtzrvittsn zu richte». Druck uud Verlag von C. Polz in Leipzig. ^3S7. Sonnabend dm 5. August 1893. 87. Jahrgang. Zur gefälligen Leachtung. Unsere Expedition ist morgen Sonntag, den 6 Angust, Vormittags nur bis /-N Uhr gcvstnet. Expedition (Le- I-eip/dxer ^riLeiriatten. Amtliche Bekmmtmachungen. Unanbringliche Postsendungen. Bei der Ober-Postdirection hi« lagern die nachbezeichneteu UN- andrtngliche» Postsendungen: Dlunvlrrelkbrleke. AuS LetSnig: an Ant. C. Sussig in Linz (Donau), Landstr. Nr. 240 v. 17./1. 93: aus Leipzig: an Alois M. Slocklassa, Buchbindermeister, Karlshos, Zimmer 9, in Prag v. 8. 4.93, an Paul Neumeister in Rio de Janeiro v. 14./11 92, an Frl. Selma Schilling, Adr. Buchbindereibesitzcr Geb. Schilling in Wurzen v. 25/2. 93, an Lippmann, zur Messe Leipzig, An der Pleiße 3 v, 11./4. 93. Srt«1« mit HV«r«I»1iiI»»It. Ans Zwickau (Sachsen): an Frl. Emilie Heinsch bet Last in Friedlond bei Waldenburg v. 26./3. 93, an R S. 365 postlagernd Magdeburg, eingeliesert bei der Bahnpost Cheinnitz-Roßwein am 17./S. 93. ^«ntLnvelnungvi,. Aus Schmölln (S.-A.): an W. Hayne, Briesmarkenhandluug in Naumburg (Saale) v. 29.12. 92 über 2 .4 20 aus Chemnitz: an Horace Schott in Gibraltar v. 2./6. 92 über 3 .4 16 an das deutsche Consulat in Pitts- burgh v. I4./1. 92 über 16 Doll. 50 Cts.; aus Leipzig: an Carl Klausner, Sattler in Leipzig, Wtndmühlenstraße 8, IV. v. 13./2. 93 über 5 ^i, an Frau W. Burklies, postlagernd Hauptpost Leipzig v. 30./3. 93 über 10 .4; aus Aochlitz (Sachsen): an Köhler in Leipzig v. 4./12. 92 über 25 -4 5 aus Ledcran: an Rredling- berg in Hamburg v. 7./12. 92 über 4 .4 25 aus Zwickau (Sachsen): an M. Schulz in Hannover v. 36/4. 93 über 9 .4 50 Aus Annaberg (Crzged.): an Anton Morawetz in Görlitz, postlagernd v. 13./2. 93: aus Chemnitz: an Friedrich Gottlob Herbig in Kattowitz (Oberschl.), postlagernd v. 2I./2. 93: aus Adorf (Vogtl.): an C. Ziese, Schauspieler in Chemnitz, post lagernd v. 23. 3. 93. Die unbekannten Absender der vorbezetchneten Sendungen werden hiermit aufgesordert, ihre Ansprüche binnen 4 Wochen, vom Tage des Erscheinens dieser Bekanntmachung an gerechnet, bei einer Post- anstalt des Ober-Postdirections-Bezirks Leipzig geltend zu machen. Wenn sich innerhalb dieser Frist zur Empfangnahme Berechtigte nicht gemeldet haben, werden die Geld- und Postanweisungsbeträge der Postunterslützungscasse überwiesen und die in den Sendungen befindlichen zum Verkauf geeigneten Gegenstände zum Besten dieser Casse öffentlich versteigert werden. Leipzig. 3. August 1893. Ter Kaiserliche Lber-Poftdtreetor. I»'Vertretung: ' Lattme. politische Tagesscha». * Leipzig, S. August. Die Wahl deS Antisemiten Bindcwald bei der Nach wahl im Kreise Alsfcld-Lantcrbach-Schotten ist, wie der „Nat.-Lib.Corr." gemeldet wird, mit 5600 gegen 5260 Stimmen erfolgt. DaS Ergebnis der Hauptwahl bleibt also auch hier aufrecht erhalten, und die einzige noch auSstekende Ersatz wahl in Hamburg für Bebel wird ohne Zweifel wiederum mit dem Siege des socialdemokratischen Eandidaten Molken- buhr enden. Die fünf Nachwahlen werden dann lediglich den Besitzstand der Parteien, wie er sich bei den Hauptwahlen ergab, bestätigt haben, nur daß die für Ahlwardt in Ncustettin und für Werner in Rinteln gewählten Antisemiten eine etwas andere Schattirung verstellen, als die zuerst Gewählten. Ahlwardt ist der „Deutschen Reform-Partei", zu der sich die Gruppe Böckel und die Gruppe Zimmermann im Reichstag vereinigt haben, ferngeblieben, vr. Förster, der Ersatzmann für Neustettin, hat sein Ehrenwort gegeben, dieser „Deutschen Reform-Partei" beizutreten. Werner gehört der Partei an, sein Ersatzmann vr. König aus Witten dürfte verziehen, mit Liebermann von Sonnenberg bei den FractionSlosen auSzu- harren. ES kann ihnen dies um so weniger schwer fallen, als ihnen wie dem in Eschwcae gewählten Antisemiten Leuß von dem rechten Flügel der Deutsch-Conscrvaliven ein sehr freundnachbarlickes Berhältniß zugestanden sein soll. In einem offenen Briefe an die Zeitungen des Wahlkreises Eschwege - Witzenhausen - Schmalkalden macht Leuß unterm 29. Juli darüber folgende Mitthcilungen: „Eine Reihe von deutsch-socialen antisemitischen Abgeordneten hat ihre Plätze in der rechten oberen Ecke des Rcichstagssaalcs ge nommen. Bor ihnen sitzen etwa >2 conservative Abgeord nete, die antisemitischen Anträgen rc. ihre Unterstützung leiben werden. Wir sind also völlig in der Lage, unsere Bestrebungen wirksam zu vertreten. Ich habe die Zusicherung, daß ich im Winter einen Sitz im Ausschuß für die Deckungs- Vorlagen erhalten würde." Das scheint also aus eine Art Hospitantenverbältniß hinauszukommcn, nur daß einstweilen noch nicht die Fractum der Deutsch-Eonservativen als solche darein willigt, sondern daß es der rechte Flügel (Hammer stein, Jakobskötter u. Gen.) auf eigene Rechnung und Gefahr cinzesädelt hat. Wie eS sich weiter entwickelt, muß die nächste Wintersession zeigen. WaS die Wabl in Alsfeld anlangt, so hat auch die rege Thätigkeit, die in den letzten Wochen von beiden Seiten in jenem Kreise entwickelt worden, eine namhaft höhere Wahlbeteiligung nicht mehr zur Folge gehabt. Am 15. Juni batten von 17 285 Wahlberechtigten 10 346, bei der Stichwahl am 24. Juni 12 166, bei der Nach wahl am 24. Juli 16 456, bei der Stichwahl am 2. August 10 800 von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht. Nahezu 40 Proc. der Wählerschaft, denen daö Wahlen nun einmal verleidet war, sind auch bei der Stichwahl zu Hause ge blieben. Daß die Antisemiten unter diesen Umständen den Kreis behaupteten, ist begreiflich. Die 6400 Wähler in der Reserve hätten eingrcifen müssen, um das erste Wahlergcbniß umzustoßcn. Wie die Dinge nun verlaufen sind, haben dir Nationalliberalen keine Ursache, den Muth sinken zu lasten, und die Antisemiten noch weniger Ursache, ihres Erfolges sich zu freuen. Im Jahre 1890 hatten sie im ersten Wahlgang 5000 Stimmen, am 15. Juni d. IS. mit den für Stöcker abgesplitterten Stimmen 4350, am 24. Juli trotz des Zuzugs von 300 socialdemokratischen und einigen Hundert Stimmen der freisinnigen BolkSpartei nur 4750. Bei der Stichwahl im Jahre 1890 siegten sie mit 8906, am 24. Juni 1893 mit 6352, ani 2. August mit 5600 Stimmen. Das spricht deutlich genug für einen Rückgang derBewegung in demWahl- krcise, der in Zukunft noch rascher sich vollziehen wird, wenn die liberalen Elemente den KampfuntereinandcrwcnigstenSmitsoviel Zurückhaltung und immer unter dem Gesichtspunkt führen, daß ein vereintes Schlagen im gegebenen Falle sich ermöglicht. Dazu bedarf cS vor Allem einer Leitung für die freisinnige VoliSpartei im Kreise, die sich darein zu finden weiß, daß die freisinnige Volkspartei sich bei wiederholten Kraftproben als die weitaus schwächere liberale Richtung erwiesen und auf eine Bevorzugung nicht den mindesten Anspruch mehr hat. Die Freisinnigen im Schützer Land, in Lauterbach und Schotten haben dies begriffen und darnach gehandelt; für die Alsfeldcr scheint der politische Gesichtskreis durch einen anscheinend von Berlin bezogenen Bretterzaun stark beengt zu sein. Zu dem internationalen soctalifttschen Cangreh in Zürich werden immer neue deutsche Dclegirte angcmcldct; Herr Bebel wird beinahe über eine Compagnie „Genoffen" zu commandiren haben. Ob die Anarchisten Werner und Landauer zugelafsen werden, steht noch dahin; die Holländer und Belgier, die warm dafür eintretcn werden, sind nur in geringer Zahl da. Bcmerkenswerth ist, daß England stark vertreten sein wird und daß auch die TradcS Unions sich einfinden werden. Etliche Führer hatten zwar den Versuch gemacht, die Gewcrkvcrcine von Zürich fernzuhalten, und cs sollte zu diesem Zwecke ein besonderer GewerkvcrcinScongreß nach London einbcrufen werden; aber eS scheint nichts daraus geworden zu sein. Kurzum, die TradeS Unions, die seiner Zeit sich sehr ablehnend gegen die Beschickung des Pariser Congrcsses verhielten, erscheinen in Zürich. Viel Positives wird auf diesem Congrefse schwerlich geschaffen werden; die Anträge bezüglich des Verhaltens der Genoffen beim Ausbruche von Kriegen werden jedenfalls abzelehnt, auch dürfte wenig Neigung vorhanden sein, die Frauensrage gründlich zu erörtern; die Engländer wollen davon nichts wissen und auf sie ist ja besondere Rücksicht zu nehmen. Heiß wird cs hergehen bei dem Antrag, sich aller parlamentarischen Arbeiten zu enthalten und die Wahlen nur als AgitationSmittel zu benutzen; aber voraussichtlich werden die deutschen socialistischcn Abgeordneten auch diesen Antrag zu Fall bringen. Der einzige aussichtsvolle Antrag wird der auf Errichtung von Arbeitsbörsen und die Vereinigung derselben zu einem Bunde sein. Arbeitsbörsen im Sinne der augenblicklich geschlossenen Pariser existiren zwar in Deutschland nicht, aber die Ansätze davon sind in den Gewcrkschasts-Cartellen in den größten Städten vorhanden. Der Ausbau der elfteren zu richtigen Arbeitsbörsen ist ja nicht zu schwer. Und diese Arbeitsbörsen werden dann bei Streiks und Lohnbewegungen der Stützpunkt sein; durch ihre Vermittelung wird aus ländische Hilfe viel schneller und umfangreicher herangeschafft, jede Concurrenz vom Halse gehalten werden können. Der Antrag auf Errichtung von Arbeitsbörsen und Zusammen fassung derselben zu einem Bunde ist deshalb der bedeutungs vollste, weil er im Gegensatz zu allen anderen Beschlüssen zur Ausführung gelangen und weitere Folge nach sich ziehen dürste. Unter den Deutschen der böhmische» Landeshauptstadt Prag herrscht gegenwärtig eine ebenso große wie berechtigte Aufregung wegen der Tafeln, welche die Namen der ein zelnen Straßen und Plätze tragen, bisher zweisprachig waren, nunmehr aber lediglich czechische Namen tragen sollen, wie cs der Wille der jetzt im deutschen Prag dominirenden Ezcchen ist. Prag soll und darf eben nicht fürderhi» eine Stadt mit gemischter Bevölkerung sein. So wollen cS die Czechen und darin sind die „Alten" mit den „Jungen" vollständig derselben Meinung. Nun hatten schon vor fast zwei Jahren Bestrebungen stattgefunbcn, die zum Zweck hatten, die Tafeln an den Straßenecken, die jetzt böhmische und deutsche Bezeichnungen tragen, zu entfernen und durch nur böhmische zu ersetzen. Aus eine Eingabe an den Statthalter in dieser An- aelcgenhrit erfolgte die Antwort, eS sei von der städtischen Behörde nie ein derartiger Beschluß gefaßt worden und deshalb ein Einschreiten der obersten politischen Behörde unnöthig. Als dann bald darauf dieser Beschluß wirklich gefaßt ward, erneuerten die Deutschen ihre Beschwerde; sie wiesen daraus hin, daß ein gleicher Beschluß, vom slowenischen Gemeinderalh in Laibach gefaßt, „als entgegen dem neunzebnten Artikel der Verfassung, die Gleichberech tigung der Votksstämme betreffend", aufgehoben worden sei, und es wurde gebeten, auch hier in diesem Sinne vorzu- gchen. Auf diese Eingabe ist, — so unglaublich es auch klingt — nie eine Antwort seiten« de« Statt halters erfolgt! Eine solche hätte doch auch erfolgen müssen, selbst wenn Graf Thun auch jetzt nicht einschreiten wollte; cS mußte doch den Deutschen erklärt werden, daß ihre Auffassung vom 19. VerfassungSartikcl eine unrichtige sei. Freilich wäre das wohl schwer, ja unmöglich gewesen, und so zog man vor, sich in Schweigen zu hüllen. Nun benutzen die Czechen mit größtem Vergnügen diese Lauheit jener, die berufen sind, beide Bokksstämme de« Landes zu schützen; sie bringen täglich neue Tafeln mit allein czechischer Bezeichnung an, und Graf Thun kann jetzt nicht mehr zweifeln, ob eS damals „gerathen gewesen wäre, einzu- schreiten". Wieder einmal ist der richtige Zeitpunkt versäumt worden, wie so oft in Oesterreich! Ob die Sache rückgängig gemacht werden kann, steht sehr dahin; ja auch nur ein Verbot, die Arbeit fortzusctzen, dir bis jetzt nur in einem Theile der Stadt durchgeführt worden ist, würde schwer durchzusetzen sein, und eben der lieben Bequemlichkeit wegen wird man nicht* thun! Dadurch aber wird der Landeshauptstadt Böhmens das gewünschte und heiß erstrebte rein czechische Gepräge aufgcdrückt, was den Deutschen un möglich glcichgiltiz sein kann. Es ist bei Allen eine Erbitte- rung eingetreten, die einen so hohen Grad erreicht hat, wie vielleicht noch nie. Hätte die deutsche Bevölkerung nicht Feuilletsn. In -es Reiches Ostmark. 71 Roman von B. W. Zell. Nachdruck »erboten. (Fortsetzung.) AebnlicheS mochte Polza denken, doch verrieth sie eS mit keiner Miene; Aniela aber begrüßte Juza wie eine Schwester und machte sich dann sofort angelegentlich mit den Kindern zu schaffen, die auch bei Tisch an ihrer Seite sitzen mußten. So fügte eS sich wie von selbst, daß George sich neben Juza niederließ, was der Beflissenheit nach zu urtheilen, mit der er diesen Platz einnahm, durchaus nach seinem Sinne war. Der Graf führte Tante Jadwiga und stimmte diese dadurch sofort versöhnlicher gegen die neu aufgetauchte Schönheit. „Ucbrigcns hat sie große Füße, wie ich eben bemerkte", flüsterte die kleine Dame geschickt ihrer jüngsten Nichte zu, während sie ihr eine Fruchtschale reichte. Polza verzog den Mund spöttisch, da sie dieselbe Aeußerung der Tante bei jeder neuen Damenbekanntschast ohne Ausnahme vernommen. Dann schaute sie etwas mürrisch drein, der Bicar war ihr Tisch nachbar, und daS versprach nicht sebr lustig zu werden. Graf ikaver oder selbst der Mann mit der unbegreiflichen Vorliebe für „todteS Gestein" wäre ihr lieber gewesen. DaS Mahl verlief trotzdem sehr fröhlich, und eine große Waldpromenade schloß sich ihm an. Auf dieser traf man Herrn v. Lcczynski, der zu Pferde ankam, dasselbe sofort an einen Baum band und sich der Gesellschaft anschloß. Der Graf erstaunte, welch eine günstige Veränderung in den letzten Wochen mit dem alten Freunde vorgcgangen war. Sein Anzug war einfach, aber tadellos sauber, das wirre Haar trug er kurz verschnitten, und die frühere blaurothe Färbung des Gesicht« erschien bedeutend verblaßt; ob nur der WalveSschatten sie milderte? Aber auch deS Mannes ganzes Wesen zeigte eine Festigkeit und Ruhe, wie sie Graf kaver beim ersten Be gegnen in keiner Weise entgegengetreten, und die ihn mit auf richtiger Freude erfüllte. „Vielleicht doch noch zu retten!" sagte er sich, froh deS gethanen Werke«. LeczynSki aber umgab die Damen, besonders Frl. v. Wolcawek, mit so ausgesuchter Höflichkeit, daß Tante Jadwiga im Verlauf einer halben Ltunde entzückt erklärte, nur bei gereiften Männern sei noch echtes Polenblul zu finden, nur sie wüßten das edle Erbtheil ihrer Vorfahren, die altbewährte ritterliche Liebenswürdigkeit der Polen, würdig zu erhalten. DaS Fräulein Jadwiga hatte Recht. WaS war daS für eine entartete Jugend, die „die kleinsten Füße der Welt" nicht der geringsten Beachtung würdigte? Der Bicar schweifte mit Anna und den Kindern im Unterholz umher, um Glockenblumen zu suchen, und George war mit Juza weit voraus, wie es schien, in angelegentllichrm Gespräch begriffen. „Jateressirt sich das Fräulein für Steine?" fragte Polza spöttisch den Grafen, auf das voranschreitcnde Paar deutend. Dieser zuckte lächelnd die Achseln. „Die Beiden sind alte Bekannte, Nachbarskinder von den nebeneinander gelegenen Gütern der Eltern her. Da mögen sie sich Manches zu sagen haben, besonders am Vorabend einer längeren Trennung." Polza machte ein vielsagendes Gesicht, welches andeuten sollte, daß sie ihre eigenen Gedanken über diese alte Bekannt schaft habe. Dann aber vertiefte sie sich angelegentlich in ein Gespräch über das Leben in Paris, das ihr der Inbegriff aller Dascinsfreuden schien. George und Juza sprachen inzwischen über ernste Dinge. Das sonst so gleichmäßig ruhige Gesicht deS jungen ManneS erschien lebhaft bewegt, in den Augen glühte ein leidenschaft licher Strahl. „Wie glücklich bin ich, theure Juza, Sie jetzt in so wesentlich günstigeren Verhältnissen zu wissen, die wenigstens die drückenden materiellen Sorgen von Ihnen nehmen und Ihre Jugend nicht mehr trostlos gestalten werden. Könnt ich's dem Grafen nur irgendwie danken, was er für die Ihren gethan — wahrlich, kein Opfer erschiene mir zu groß. Aber der edle Mann ver langt nichts —" „Nein, er verlangt nichts", fiel das junge Mädchen mit tiefer, vibrirender Stimme ein. „Und doch hat er uns Allen das Leben wiedergegeben. Nicht allein, daß unsere zerrütteten Verhältnisse jetzt geordnet sind, auch der Batcr scheint seitdem ein Anderer geworden, und die Mutter erträgt ihr schweres Siechthum mit einer Freudigkeit, die an Martyrium grenzt. Sie haben Recht, George — auck mich beseelt der glühende Wunsch, dem Grafen seinen Edelmuth irgendwie vergelten zu können, aber wie, wodurch?" Ueber des jungen ManneS Gesicht flog ein Schatten. „Wie begeistert Sie sind, Juza — und daß nicht ich es sein durfte, der Ihnen helfen konnte! Aber wenn ich zurück- kebre, wenn ich durch rastlosen Fleiß und eiserne Energie er reiche, WaS jetzt noch meinem Geist als schöner Traum vor schwebt und was ich dennoch zu verwirklicken hoffe — Sie kennen meine Pläne, Theure — werden Sie mir dann ein Recht geben, Ihnen mehr zu sein, als ein theilnehmender Freund?" Voll banger Frage schaute er in ihr schönes, ernstes Gesicht, und sie blieb plötzlich stehen und gab ihm den Blick voll und offen zurück. „Mehr als ein Freund — ich weiß George, was Sie damit sagen wollen, denn oft haben Sie mir von Ihren Gefühlen, Ihren Wünschen für die Zukunst gesprochen. Darf ich denn aber über mich frei verfugen wie andere junge Mädchen? Sic wissen selbst, lieber Freund, daß ich meine Geschwister zu erziehen, ihnen die Mutter zu ersetzen habe —" „Aber die Kindee werden heranwachsen und Sie dieser Pflicht enthoben sein", unterbrach er sie siebend. „Schon gut, aber Mama? Nie wird sie mich entbehren können." „Frau v. Leczynska denkt viel zu edel, als daß sie das Opfer Ihres ganzen Leben« annehmen würde. Wenn die jüngeren Schwestern erwachsen, werden sic mit gleicher Auf opferung wie Sie die kranke Mutter pflegen." -„Und wenn auch sie das Elternhaus verlassen?" Eine heiße Nöthe stieg in seine Stirn, und seine Lippen bebten vor Ungeduld und Schmerz. „Wenn, wenn, Jura — machen Sie mich nicht wahnsinnig mit Ihren Wenns! ES wird Rath für Alles werden, sobald die Zeit da ist, aber das größte Hinderniß dürfte sein, daß Sie mich nicht lieben, nicht die Meine werden wollen." „George!" Es war ein so weicher, flehender Laut, der da von Juza'S Lippen bebte, daß der junge Mann der Geliebten hätte zu Füßen stürzen und ihre Knie umfassen mögen. Aber hinter ihnen tönten lachende Stimmen, die Gesellschaft mußte ganz nahe sein, und das junge Paar war gezwungen, ruhig weiter zu schreiten, falls cS sich nicht verrathen wollte. „Lieber George", sagte Juza noch einmal, „Sie wissen Wohl, daß Sie mir Unrecht thun mit Ihrem Vorwürfe, Sie nicht zu lieben. Wem sollte mein Herz gehören, wenn nicht Ihnen, der mir Freund und Stütze war, so lange ich denken kann, der meine dürftige Bildung ergänzte und mir GeisteS- nabrung bot, wenn Sorgen und Niühen des Alltagslebens mich schier erdrückten?" „Das alles erzeugte Freundschaft in Ihnen, Juza, nicht Liebe?" entgegncte er finster. „Nun denn, so weiß ich nicht, WaS Liebe ist." „Und wenn Sie sie kennen lernen und nicht ich eS bin, dem sie sich zuwcndet?" Wieder blieb sie stehen und hielt ihm lachend beide Hände hin. „Schlagen Sie ein, Sie thörichter Mann, und lassen jSie alle Grillen fahren! Sie kennen unsere jungen Herren — scheinen sie Ihnen so gefährlich, daß ich einem von ihnen mein Herz zuwcndcn könnte? Diese lebenslustigen, jungen Herrchen, die da trinken, tanzen und reiten und dazwischen in vollklingenden Phrasen von der Rettung des Vaterlandes sprechen, während sie die eigene, von den Vätern ererbte Scholle nickt einmal erhalten können und ein Gut nach dem anderen unter den Hammer kommen lasten. Und dann ist ein Lamentiren von schlechten Zeiten und dem Druck der Fremdherrschaft, während ick meine, die Polen haben nie unter so geordneter Regierung, in so gesicherten staatlichen Zuständen gelebt wie jetzt. Ich will das nicht weiter aussühren, Sie kennen meine Ansichten darüber. Aber daß ich einen dieser unklaren Köpfe lieben könnte — mehr als Sie, George — das glauben Sie doch selber nicht!" Er preßte ihre Hände an seine Lippen, an sein Herz. „Ich vertraue Ihnen, Juza", seufzte er, nicht ganz be friedigt von dem, was sie ihm gesagt. „WaS wäre auch mein Streben, meine ZukunstShofsnungen obne den Glauben an Sie! Gedenken Sie dieser Abschiedsstunde, Theure — uud nun eine andere Miene, — man kommt." Wirklich trat die Gesellschaft in diesem Augenblick aus der Schonung hervor und schalt, schon von weitem lachend, auf die Voranstürmenden, deren man nicht habhaft werde» könne. George antwortete mit einem Scherz, und vereint ward dann der Rückweg zum kleinen Fcstplatze angetrete», wo schäumender Champagner der Gesellschaft harrte. Die gute Laune Aller ward durch den edlen Trank noch bedeutend erhöbt, und unter ernsten und heiteren Gesprächen tafelte man im Walde, bis der Mond groß und voll am Himmel Herauf stieg. Die Kinder batten aus ihren Glockenblumen Kränze ewunden und ihre blonden Häupter damit geschmückt, auch lniela einen um die Stirn gewunden, der sie wunderbar kleidete. Auf eine daraus bezügliche Bemerkung de- Grasen aber nahm sie ihn sofort ab. „DaS erste Heiligenbild am Wege soll damit geschmückt werden", sagte sie demüthig. Bald darauf brach man auf. George und Juza schiede» mit innigem Blick und festem Händedruck. V. Es war beute Wochenmarkttag in I. Auf dem ziemlich geräumigen Marktplatz de« Städtchens entwickelte sich ein reges Leben und Treiben um jenes alte Gemäuer, daS, halb Thurm, halb Stall, zu unbestimmbaren Zwecken mitten auf dem Markt stand und zur Verschönerung desselben jedenfalls nicht beitrug. ES mochte in den kriegerischen Zeiten polnischer Herrschaft als Wartthurm gedient haben, jetzt wohnt« der Nachtwächter im ersten Stockwerk, während die unteren Räume als Lagerkcller an Kausleutc vermiethet wurden. Die Stadtverwaltung von I. war eben sehr sparsam. Oben auf dem seltsamen Bau war eine Art Glockenhaus, in dem sich die „Sturmglocke" deS Städtchens befand. Seit dem letzte» Polenausstanv war sie nicht mebr geläutet worden, den» bei Feuersgesahr genügten das Horn deS Nachtwächter- und die Lärmsignalc der im Städtchen cinquartirtcn Ulanen. Der Marktplatz bot trotz seines kleinstädtischen Charakter« ein malerisches Bild. Gras PodbiclSki war heute zum ersten Male zur Stadt gekommen und suchte nun fast ängstlich und dennoch vergeblich nach Veränderungen und Verschönerungen, welche sich doch innerhalb der zwanzig Jahre seiner Abwesen heit hier vollzogen haben mußten. ES war eben alle« beim Alten geblieben — die Stadt war ja auch so arm und der Bahnverkchr erst zu kurze Zeit eröffnet, als daß er schon zur Hebung de- Gemeinwesens hätte beitragen können. Während der Graf unter diesen Gedanken weiterschritt, tönte ihm der eintönige, oft wicderbolte Ruf eines Verkäufer« entgegen, der mit einem riesigen Wafserkllbel durch die Straßen fuhr und vor jedem dritten Hause etwa Halt machte. Auf den Ruf eilten von allen Seiten Mägde und Fraoeo mit Eimern herbei, um ihren Wasserbedarf für den Tag gegen klingende Münze zu decken, denn in der Stadt gab e« be kanntlich kein genigbarc« Wasser. Dasselbe wurde auS einem eine halbe Meile entfernten See täglich herbeigeschafft, und wehe den armen Städtern, wenn dieser See eiumal aus trocknete! DaS Wasser, welche- durch die Brunnen der Stadt zutage gefördert wurde, konnte nicht einmal zur Wäsche ver-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite