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BezugsPreiS b, b«r Hauptexpedition oder den im Stadt- bezirk and den Vororten errichteten Nur. gobestellen abgrholt: vterleliibrl ich ^14.50, «t jweimaltger täglicher Zustellung in» Haut bchO. Durch dt« Post bezogen sür Deutschland und Oesterreich: viertel,äbrlich «t 6.—. Direct» täglich« ttreuzbandienduag int Ausland: monatlich 7.50 Die Morgen^lntgab« erscheint täglich'/,? Uhr, dtr Abend-Lutgabe Wochentags 5 Uhr. Ledartion und Lrve-ition: A»dannet,afse 8. Die Expedition ist Wochentagt nnuaterbroche» gedssuet von früh S bis Abend« 7 Uhr. Filiale«: vtt» Al««»'« r-rtt». («lfretz -a-nlb Uaiversitättstrab» 1, L«nt« Lösche, Katharinenstr. 1t, part. und KSuigtvlatz 7. Morgen-Ausgabe. Anzeiger. Lrgan för Politik, Localgeschichte, Handels- nnd Geschäftsverkehr. Anzeigen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 20 Pfg. Neclamra unter dem Redactionsstrich (4 ge« spalten) 50/^, vor den Familtennachrichtea (6 gespalten) 40 Gröbere Schriften laut unserem Preis- verjeichniß. Tabellarischer und Ztfsernjatz »ach höherem Tarif. Vrtra-Beilagen lgesaljt), nur mit de, Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung SV.—, mit Postbesörderung 70.—. Junahmeschluk für Anzeige«: Abend-Autgabe: Vormittags 10 Uhr. Marge »-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Sonn- und Festtag« früh '/,S Uhr. Lei den Filialen und Annahmestellen je «in» halb« Stund« früher. Naieigea sind stet» an dt« Expeditis» »o richte». Druck und Verlag von E. Pol» t» Leipzig. Montag dm 7. August 1893. 87. Jahrgang. Bestellungen auf Ncisellboimements nimmt entgegen und führt für jede beliebige Zeitdauer aus älv Lxptzllltlon Iveipxixer laxedlatte», Johannisgasse 8. Amtliche Bekanntmachungen. Bekanntmachung. Zum Behuf der gegen Ende jedes akademischen Halbjahres zu haltenden Revision der Universitäts-Bibliothek werde» die Herren Studirenden, welche Bücher aus derselben entliehen haben, aus gefordert, diese am 3t. Juli, t.—5. August gegen Rückgabe der Empfangsbescheinigungen abzuliefern. Die Abtteserung wird in der Weise zu geschehen haben, daß die jenigen, deren Nomen mit einem der Buchstaben ^—ll ansangen, am 31. Juli und 1. August, die, deren Namen mit einem der Buch staben l—k beginnen, am 2. und 3. August, und die Uebrigen am 4. und 5. August (früh zwischen 10—1 Uhr) abliesern. Alle übrigen Entleiher werden aufgefordert, die an sie verliehenen Bücher am 7.—11. August (während der gewöhnlichen Oeffnuiiasslunden) zurückzugeben. Während der Revisionszeit (31. Juli bis 14. August incl.) können Bücher nicht ausgeliehen werden. Leipzig, den 25. Juli 1893. Tie Direktion der Universitäts-Bibliothek. Erlaß einer Erklärung gegen die sogenannte Berliner Messe. Die Handelskammer bringt gegenwärtig an rund 2300 als Metz, besucher bekannte Firmen ein Rundschreiben zur Versendung, das diese zur Unterzeichnung einer im Entwurf beigesügten Erklärung aufsordert, durch die sie sich verpflichten, in keiner Weise an der in Berlin für Ende d. M. von einzelnen Firmen der Keramischen Branche geplanten sogenannten Vormesse theilzunebmen. Diese Er klärung soll dann mit den erhaltenen Unterschriften in einer Reihe von Tageszeitungen und Fachblätlern veröffentlicht, sowie allen Interessenten auf Wunsch in beliebiger Anzahl zur Versendung an die Kundschaft übermittelt werden. Auch von den htesigcn hieran intcressirenden Firmen wird die Handelskammer gern Unterschriften iür diese Erklärung entgegen- nehmen nnd stellt daher denselben Abdrücke des oben erwähnten Rundschreiben« sowie des Entwurfs der Erklärung zur Verfügung. Sie können in den Stunden Vorm. 8 bis 12 und Nachm. 2 bis 7 Uhr auf der Kanzlei der Handelskammer, Neue Börse, Tr. I. abgeholt werden und müsse», wenn anders die beir. Ünierschrisicn mit veröffentlicht werden sollen, bis spätestens den 10. d. M. unter- schrieben an dieselbe Stelle zurückbesördert werden. Leipzig, den 4. August 1893. Tic Handelskammer. A. Thieine, Vorsitzender. vr. Pohle. Politische Tagesschau. * Leipzig, 6. August. Die im Reiche geplante Finanzreform hat, wie als fest stehend betrachtet werden kann, den doppelten Zweck der Beschaffung von Deckungsmitteln für die neue Militairvorlage und der anderweiten Regelung des finanziellen Verhältnisses zwischen Reich und Einzelstaaten. Für den erstcren Zweck würde ja die Erschließung neuer Einnahmequellen bis zum Ertrag von etwa 60 Millionen genügen. Man hat allerdings noch auf die sicher vorauSzusehcndcn AuSgabcstcigerungen bei verschiedenen Reicbsverwallungen hingewiesen (RcichSzuschuß zur Invalidität«- und Altersversicherung, Pensionöetat, Marine rc.), aber die NeichsfinanzvcrwaltunH selbst hat bei der Berathung der Militairvorlage ziffernmäßig dargelegt, daß diese gesteigerten Ausgabcbedürfnisse durch die mit dem Wachsen der Bevölkerung auch in natürlicher Entwicklung ergiebigeren Zölle und Verbrauchssteuern gedeckt wer den würden. Jene Darlegung konnte von keiner Seite angefochten werden, wenngleich Herr Eugen Richter einen gewissen Optimismus der amtlichen Stelle be anstandete. Im Wesentlichen war die Darstellung damals richtig, und ist sie eS auch heute noch; wir sind auch nirgends einer officiösen Auslassung begegnet, die etwas davon hätte zurücknehmen wollen. Also wenn cs sich um das Reich allein handelte, wäre mit 60 Millionen der neue DeckungS- bedarf jedenfalls ausgeglichen, und cS ist wohl ange bracht, dies wiederholt zu betonen. Die Gegner der im Wahlkampf um die Militairvorlage siegreichen Mcbrkcits- parteien sind ja schon wieder eifrig am Werke, das Ver- hältniß zu verdunkeln. Immer wieder begegnen wir von jener Seite dem Vorhalt, die Wähler seien getauscht worden: nicht um 55—60, sondern um 150—200 Millionen habe eS sich bei der Entscheidung am Wahltage gehandelt. Das ist eine gröbliche Unwahrheit. Wer am >5. Juni für die Militairvorlage eingetrclen ist, bat für sich selbst und für den unterstützten Candidaten »ur die Verpflichtung schaffen wollen, auch die Kosten der Militairvorlage in Höhe von 55—60 Millionen mit zu bewilligen, nichts weiter. Etwas anz Anderes ist eS nun, und die Entscheidung darüber eht Jedem völlig frei, ob die Beschaffung dieser Deckungs mittel zur Militairvorlage mit einem neuen Fiuanz- reformplan verbunden werdx» soll, den die deutsche»Finanz- minister in diesen Tagen erst entwerfen, der also bei den Wahlen noch gar nicht in Frage gestellt werden konnte und auf den selbstverständlich auch heute noch nicht ein einziger Abgeordneter verpflichtet ist. Hier handelt es sich um etwa- durchaus Neues, um einen Vorschlag der Regierungen, wie eben im Laufe einer Legislatur periode auch hundert andere Vorschläge an den Reichs tag gelangen, zu denen die Parteien und das Parlament selbst Stellung nehmen, wenn die Vorschläge sormulirt und officiell vorgrlegt sind. Ober hat die Opposition irgendwo in der Wahlbewegung vernommen, daß den Wählern gesagt worden wäre, eS würde außer der Militairvorlage von dem neuen Reichstag überhaupt nichts zu behandeln sein? Uns ist nur bekannt, daß überall den Wählern ans Herz geletzt wurde, ruhige, erfahrene Männer zu wählen, weil doch in fünf Jahren noch vielerlei ernste Arbeit zu bewältigen sein werde, wozu man positiv gerichtete Abgeordnete brauche rc. Jetzt ist eben ein solches Stück ernster Arbeit bereits in Sicht, vielleicht das Wichtigste, was der neue Reichstag sofort vorfindet, weiin er im Herbst seine erste ordentliche Tagfahrl beginnt. Von der am 15. Juni übernommenen speciellen Verpflichtung, die Militairvorlage mit 55—60 Millionen Mark Kosten aufwand zu bewilligen, will die allgemeine Verpflichtung jedes Volksvertreters, Reformvorschläge der Regierung mit sachlichem Ernste zu behandeln, wohl unterschieden sein. Letztere Verpflichtung ist bereits an der Schwelle deS con- stikutionellen Staates aufgerichtet worden; ibr sich entziehen, heißt die Voraussetzung eines ersprießlichen verfassungsmäßigen Lebens in Frage stellen. Was nun die Sache selbst betrifft, so zeigt allerdings ein Blick auf die Finanzlage des größten deutschen Bundesstaates, daß eS unvermeidlich ist, zur Wiederherstellung der finanziellen Ordnung durch greifende Maßregeln zu treffen. Ueber diese selbst mag man streiten; das letzte Wort darüber soll ja auch in diesem Augenblick nicht schon gesprochen sein, wo doch die Finanzministcr erst unter sich eine Verständigung zu finden baben. Aber die Bedürsnißfrage an und für sich läßt sich unmöglich ver neinen, sie crgiebl sich sofort aus einer Gegenüberstellung weniger Zahlen. Im Jahre 1888/89 hat Preußen vom Reiche als seine» Antkeil an den Zöllen, der Tabak steuer, der Branntweinvcrbrauchsabaabe und den Ncichs- slempelsteuern 168,4 Millionen erhalten und bat als Malricularbeitrag an daS Reich 127,2 Millionen be zahlt. Preußen behielt also 41,2 Millionen für eigene Zwecke übrig. Im folgenden Jahre betrug dieser Uebcrschuß sogar 80,3, dann 47,0 und 41,6 Millionen. Für 1892/93 dürste er immer noch auf 30 Millionen sich beziffern. Das sind im fünfjährigen Durchschnitt 48 Millionen, die zu StaatS- ausgabcn verfügbar waren. Für das laufende Jahr 1893/94 bleibt aber nicht nur nichlS übrig, sondern nach Verrechnung der Kosten derMilitairvorlage für das Wiiiterbalbjabrvom I.Ok tober 1893 bis3 l.Märzl894 wir bPreußen etwa ltjMitlioneu an das Reich zu zahlen haben. Hier hat sich also in folge der stetig gewachsenen Matricularbeiträtzc das Berhältniß sür die preußische Staatskasse um 64 Millionen ver schlechtert, und wenn das preußische Deficit auch am Schlüße deS Jahres 1893/94 nur 58 Millionen beträgt, so ist dies im Wesentlichen der reichen Ertragöfähigkeit der Etaatöforstcn und jener Beschränkung in alle» Ausgaben zu danken, die man nicht mit Unrecht eine „beschämende" genannt bat. Aber vorhanden ist dieses Deficit, und verursacht ist es dadurch, daß, abgesehen von der Eisenbahnverwaltiing in Preußen, ganz besonders auch das Reich selbst die Einzel- staalen gewöhnt hat, auf die nach der Franckeustein'ichcn Klausel fälligen Ueberweisungcn dauernde Ausgaben zu be gründen. Wie immer man die eingerissenen Uebelstände be seitigen will, daß sie nur durch eine Resormpolitik im größeren Stile beseitigt werden können, ist unmöglich zu be streiten und rechtfertigt den entschlossenen Schritt der verant wortlichen deutschen Finanzmänner, in Frankfurt eine ein heitliche Grundlage für die Reform zu vereinbaren. Im Großherzogtbum Bade» stehen die Wahlen für den Landtag bevor. Jni letzten Landtage hatten die ge mäßigten Liberalen 32, daS Eentrum 21, die Demokraten und Freisinnigen 6, die Eonservativen 2 und die Socialisten eben falls 2 Sitze iniie. Es standen mithin den 32 gemäßigten Liberalen 31 Abgeordnete gegenüber, die in weitaus den meisten Fällen zusammen gegen die gemäßigten Liberalen stimmten. Nur wenn »as Eentrum gar zu begehrlich auslrat, hatte es auch die Eonservativen und die Demokratisch-Freisinnigen gegen sich. Gerade deshalb macht nun das Eentrum die größten Anstrengungen, daS bisherige Parteiverhällniß zu seinen Gunsten in der Weise zu verändern, daß durch die Neuwahlen zum ersten Male seit 30 Jahren die gemäßigt liberale Mehrheit gebrochen werde, und zwar in erster Linie durch eine Verstärkung des Centrums, in zweiter auch durch Mitglieder irgend einer anderen Gegenpartei. So bald der Liberalismus in die Minderheit gedrängt ist, soll die Action gegen die Negierung, insbesondere gegen das Ministerium Eisenlohr, beginnen. In der Feind schaft gegen daS Ministerium und gegen den Liberalismus sind die Gegner einig, sonst aber leiden sie, wie ja ihre Gruppirung klar zeigt, an un ösbaren inneren Widersprüchen. Dadurch wird natürlich auch ihre gemeinsame Agitation er schwert; da sie sich aber sorgfältig hüten, ihre Ziele klar darzulegen, und sich lediglich darauf beschränken, die im ganzen Reiche herrschende Unzufriedenheit zu nähren, so ist die Besorgniß nicht abzuweisen, daß ihr Plan ge lingen werde. WaS eine so bunt zusammengesetzte Majorität stürzen und vernichten kann, läßt sich leicht ermessen, aber WaS sie aufzubauen vermag, ist schlechterdings nicht zu begreifen. Um so weniger ist es zu versieben, daß die Eonservativen an den, Ansturm gegen die jetzige gemäßigt-liberale Mehrheit sich betheiligcn. Daß sie allein mit dem Eentrum die Majorität erringen würden, in der sic übrigens nur Handlangerdienste zu leisten hätten, ist ausgeschlossen; sie können also in dem für sie günstigsten Falle einen wenig einflußreichen Theil einer zu allem positiven Schaffen unfähigen Mischinaschmajoriläl bilden. Und das ist doch wahrlich kein Ziel, daS conservative Männer mit Ehren sich stellen durften. Die ultra montane Presse Oesterreich» befehdet »n- ablässig den ReichSfinanzministcr v. Kallay, den Verwalter V»S»ir»S und der Her»r««»ina, weil dieser die Bekehrung von Mohammedanern zum Christentbum nicht zuläßt und weil ei» Geistlicher in Mostar, der eine Türkin taufen wollte, mit tOO fl. Geldstrafe belegt wurde. Der „Calviner" Kallay arbeite natürlich der Ausbreitung deS katholischen Bekenntnisses entgegen, ist daS zur A.lwciidung kommende Scblagworl. Nun ist der Minister an dem ganzen Falle unstuldig. Als Oesterreich in Bosnien einrückte, mußte eS daS Bestreben der Regierung sein, die Ruhe so schnell wie möglich herzustellen und die vorhandenen religiösen Gegensätze zu versöhnen. D>" einheimischen Christen halten das Gerücht in Umlauf gesetzt, jetzt werde den Mohammedanern ihr Besitz genommen und an die Christen verthcstt werden, und die Franziskaner, denen die katholische Seelsorge in Bosnien unter türkischer Zeit oblag, bereiteten sich zu einer großen katholischen HekehrungSarbeit vor. In den ver schiedensten Theilen des Landes fanden aus einmal Ueber- trilte von minderjährigen Mohammedanern zum Katholi- ciSmuS statt, gegen welche die Eltern protestirten, und die Stimmung der türkischen Kreise wurde eine sehr gereizte. Da erließ der damalige Gouverneur Herzog Wilhelm von Württemberg eine Verordnung, die jedes Proselytenmachen aufs Schärfste verbot. Melde sich eine Person zum Uebertritt in eine andere Glaubcnsgenossciischaft, so sei der politischen Behörde Miltheitung zu machen, diese habe jeden einzelnen Fall genau zu prüfen, die Eltern und Verwandten zu ver nehmen und deren Einwilligung zu verlangen, und erst wenn festgestellt worden, daß keinerlei Zwang auSgeübt wurde, könne der Uebertritt erfolgen. Jetzt hörten auf einmal die Bekehrungen auf, und bei der vollkommenen Gleichstellung aller Bekenntnisse im amt lichen, wie bürgerlichen Leben herrschte in Bosnien und der Herzegowina bald ein bencidenswerlhcr Zustand in religiöser Beziehung. Bor drei Jahren versuchten die Franziskaner eine» neuen Eingriff Sie hatten die türkische Magd cincS Scrajcmoer Grundbesitzers an sich gelockt und in ein Kloster gebracht. Die Mohammedaner schlugen Lärm, und die Landesregierung befahl die Herausgabe deS Mädchens. Dieses war nirgends zu finden und die Mönche weigerten sich, den Aufenthaltsort zu nennen. Erzbischof Or Stadler von Scrajewo» ein Erzjesuit, behauptete, gar nichts zu wissen. Die Wiener Negierung sandte einen be sonderen Commissar nach Scrajewo, und es wurde dem Erzbischof mit Sperrung seines Gehaltes und Durch suchung seiner Residenz gedroht, wenn daS Mädchen nicht zum Vorschein komme. Jetzt wurde cS sofort ge sunden und den Mohammedanern zurückgcaeben. Damals wurden die Verordnungen gegen Bekehrungs versuche erneuert und verschärst. Erst vor Kurzem glaubte ein Mostarer katholischer Geistlicher, sich über diese wieder hinwcgsetzen zu können, und so kam eS zu dem gegen- wärligcn Falle und der verhängten Geldstrafe. Selbst verständlich geht cs den Ullramciitaiien wider den Strich, sich in Bosnien Enthaltsamkeit auferlcgcn zu müssen, wo ein so großes Feld für MijsioiiSarbcil wäre. Die bosnische Landesregierung aber will Frieden, nicht nur auf politischem, sonder» auch auf religiösem Gebiete, und die fast die Hälfte der Bevölkerung auömachendcn Mohammedaner haben sich bisher stets als das anständigste und auch ver läßlichste Element erwiesen. Diesen Monat noch sollen in Frankreich die Neuwahlen zur Deputirtenkammer vor sich gehen; wie sie auSfallen werden, kann natürlich Niemand bestimmt Voraussagen. Die Monarchisten veröffentlichen Aufruf um Aufruf an ihre Getreuen, zu den Kosten der Wahlpropaganda beizusteuern, und man darf, obwohl den Orleans der rechte Mann, der die ganze französische Nation mit sich fortrisse, noch fehlt, nicht glauben, daß die Mahnung überhört werden wird. Das Opfer einer Banknote ist sür viele große Häupter der Partei daS bequemste Mittel, dem Könige ihre Anhänglichkeit zu be zeugen, während die aclive Thcilnohme an der Propaganda eine gar undankbare Arbeit ist, bei der nachgerade mehr Lächerlichkeit als Ekre einzuheimscn ist. Die Royalisten werden daher mehr Geld als entschlossene Candidaten haben, wie sie denn auch trotz ibrcr geringen Zahl über eine zahl reiche Presse verfügen. In Paris haben sie den „Ganlois", den „Soleil",die „Gazette de France", die „Alerte", in der Provinz fast in jevcm Departement ein wichtiges Localorgan, öfters mehrere, die natürlich ohne Subventionen daS Leben nicht fristen könnten. Aber auf diesen materiellen Aufwand beschränkt sich leider die orlcanistische Streitmacht. Den vielen Osficieren der Partei fehlt es an Truppen. Umsonst bat Herr d'Haussonville die royalistische Jugend angefeuert, sich in die Menge, unter das Volk z» dränge» und entschlossen das Evangelium der Monarchie zu predigen. Dazu sind Frankreichs junge Royalisten zu skeptisch. In die Sache des Kronprätendenten haben sie längst alles Vertrauen verloren, wenn sie einmal solches besessen haben, waS nicht ausgemacht ist. Herr d'Haussonville weiß selber am Besten, wie lau der politische Eifer in der royalistischen Jugend ist. Trotzdem daher die Monarchisten relativ die bestausgerüstete Wahlcajsehaben, sind sienichtzu fürchten. DieRalliirlen vagegen leiden unter ihrer Arniuth. Herr Pion ist theilweise selber au diesem ihm sehr fühlbarem Geldmangel schuld, indem er in srühercn Reden der liberalen Katholikenpartci antisemitische Tendenzen unterschob, die in der Geschäfts- und Bankwelt, wo die Politik der Nalliirtcn die eifrigsten Förderer gefunden hätte, übel vermerkt worden ist. Ta aber die Candidaten der Ralliirten größtcntheilS vermögliche Leute sind und ihnen in den meisten Bezirken die wenig kostspielige klerikale Propaganda zur Verfügung steht, bedeutet die Abwesen heit einer aut gefüllten AzitationScasse nicht durchaus eine Aussichtslosigkeit im bevorlteheiidcn Wahlkampf. Auf repu blikanischer Leite sind die Socialisten am wenigsten mit dem nervas rsrum versorgt; aber der Klerus und alle reactio- liaireu Parteien unterstützen sie heimlich. Glücklicherweise aber ist die Geldpropaganka i» Frankreich noch ei» secun- därer Punct, und so wird denn der Monarchisten Geld die Monarchie nicht restanriren, aber auch nicht die „große sociale Revolution" beschleunige» und, wenn die Republikaner hübsch u laviren verstehen, im Großen und Ganzen — auf wie äuge, bleibe dahingestellt, Alles hübsch beim Alten bleiben. Nachdem die Franzosen in Asien glücklich ihren Colo nialbesitz vergrößert haben und dort aus AnstandSrücksichlcu zunächst weiter nichts zu holen ist — de» Siamesen wenig stens muß doch etwa- Zeit gelassen werden, lim sich von dem Schreck über die jetzige Einschränkung ihrer Grenzen zu er holen —, richten unsere ländergierigcn, unruhigen Nachbarn im Westen ihr Auge schon wieder verlangend nach Afrika. Tort wollen sie jetzt nicht nur in Dahomey weitere Er oberungen vornehme», sondern vom Congo aus nach dem Nil und dem Sudan Vordringen; denn wie die Engländer, so wiegen sich auch die Franzosen in dem Wahn, daß eigent lich die ganze Welt von RechlS wegen französisch sein müsse. Man wird sich erinnern, daß, als die Kunde von dem sieg reichen Vordringen der congostaatlichen Nilexpedition nach Europa kam, als man hörte, daß von ihr schon Wadelai besetzt worden, Lord Salisbury noch kurz vor seinem Fall in Brüssel Protest erhob und die französische Regierung bei der C o n g o r e g i e r u n g gleichfalls Vorbehalte geltend machte, damit „die Frage des egyptischen Sudans nicht obne oder gegen Frankreich ent schieden werde". In Brüssel kümmerte man sich nicht weiter um diese Einsprüche; die Nilexpedition setzte ihren Marsch fort, und der Congostaat organisirte diese weiten ihm zugesallenen Gebiete, die ihm sein Ziel — die Zugänge und Absatzgebiete des NilS und Sudans — erschlossen. Nun liegen aber schon seit geraumer Zeit Frankreich und der Congostaat in Fehde. Frankreich fordert ohne jeden RechlSgrund vom Conzostaate die Abtretung dcö Ubangi- UellebcckenS vom 17. bis über den 23. Breitengrad hinaus und die sofortige Räumung dieser Gebiete. Der Congostaat lehnte Beides ab, zumal da die Nilexpedition dieses Becken erobert batte und cS die Verbindungsstraße mit dem Nil und dem Sudan bildet, und forderte auf Grund der Berliner Congoacte eine schiedsrichterliche Entscheidung über die französischeii Ansprüche. Natürlich will Frankreich davon nichts hören, sondern zieht cS vor, den bekannte» Asrikarcisende», den Major Monteil, mit einer starken Expedition nach dem Ubangibecken zu senden, um den Belgiern die Straße nach dem Nil zu versperren und ein neues großes, von England und dem Congostaate in gleicher Weise erstrebtes Gebiet mit seinen Absatzwegen für Frankreich zu erobern. Man ist aber in Brüssel früher aufaestandeii als in Paris; im Hinblick auf diese Expedition Monteil wurde rechtzeitig Borna befestigt und das Ubangi - Uellebecken gesichert. Belgische Officiere mit gut geschulten schwarzen Truppen, mit Kanonen, Gewehren und Munition sind längst nach diesem Becken und bis zum Nil hinaus abgegange», und andere Truppen sind dorthin unterwegs. Im Uebrigen hat England daS volle Interesse, daß Frankreich vom Congo aus nicht in daS Nil thai und in den Sudan cüitringt, und so wird Frankreichs Vorgehen zweifellos das Signal zu einer congostaatlich- englischeu Einigung in der Nilsrage sein. Dem parlamentarischen Untersuchungsausschilß der serbischen Tkupschtina ist, wie wir bereits telegraphisch gemeldet, behufs Berichterstattung in der Anklage wider das gestürzte liberale Ministerium Awakumo- witsch eine Fristverlängerung bis zum 11. August be willigt worden. Neuesten Nachrichten zufolge wird ver be treffende Ausschuß inkeß auch diesen Termin nicht inne- halten können nnd eine abermalige Fristerstreckung zur Fertigstellung seines Berichtes von der Skupschtina verlangen müssen. Nach dem bisherigen Stande der Ausschußarbeitcn wird die Ministeranktage frühestens Mitte dieses MonatS, vielleicht erst gegen den 20. August, im Plenum der Volksvertretung zur Verhandlung gelangen könne». In der Wiener „Politischen Correspondenz" findet sich eine Belgrader Nachricht, die einen Aufsitluß über die Ursachen dieser Verzögerung giebt. Eö heißt daselbst, daß der Aus schuß zahlreiche Zeugen aus den verschiedensten Theilen Serbiens zur Einvernahme vorgeladcn bat. I» Ergänzung dazu verlautet weiter, daß nicht alle aus gestellten Anklagepuncte genügend begründet werden können und daß voraussichtlich einige derselben fallen gelassen werden dürften. Deutsches Reich. 1t Berlin, 6. August. Durch das Gesetz, betreffend die Abänderung einzelner Bestimmungen des Gesetzes über den Unterstützungswohnsitz, vom 11. Juli 189l ist be kanntlich seit dem 1. April d. I. die frühere Befugniß der preußischen Landarmenverbände, für Bewachung, Cur und Pflege der hilfsbedürftigen Geisteskranken, Idioten, Epileptischen, Taubstummen und Blinden, soweit dieselben einer Anstaltöpslege bedürfen, in ge eigneten Anstalten Fürsorge zu treffen, in eine Ver pflichtung umgcwaiidclt worden. Die Landarmcn- vcrbäiide haben cö sich denn auch, um dieser Ver pflichtung Nachkommen zu könne», angelegen sein lasse», Häuser und Anstalten zu errieten oder zu kanse»,' die zur Aufnatimc solcherKranke» geeignet sind. Es hat sich diese Anschaffung vielfach nur durcb Aufwendung großer Geldmittel ermöglichen lassen. In einigen Fällen stellt sich nun aber heraus, daß die Anstalten nicht in dem Maße benutzt werden, wie man eS hätte er warten sollen und wie darauf bei der ganzen Anlage der Anstalten gerechnet wurde. Es liegt dicS nicht etwa daran, daß man sich in der Anzahl der vorhandenen oben bezeich nten Kranken im Bezirk der betreffenden Laudarmen- verbände verrechnet und den Umfang der Anstalten zu groß bemessen bat, sondern daran, daß die betreffenden Kranken bczw. deren Angehörige vielfach Anträge auf Aufnahme nicht gestellt haben. ES geschieht kies in den weitaus meisten Fällen sicher auS Uiikciintiiiß der neuen gesetzlichen Bestimmungen. ES wäre deshalb wohl zweckmäßig, daß die geeigneten Provinzialbehörden der kleineren Bezirke cS sich angelegen sein ließen, die Absenkung der Aufnahmegesuchc zu fördern, damit jene beklagenswerthen Kranken der Wohl- thatcn, welche ihnen daS Gesetz vom N. Juli 1891 hat zu- kvmmcn lassen wollen, auch im weitesten Umfange theilhaltig werden. * Berlin, 6. August. Ter Strafsenat des Kammer gerichts sätlte am 3. August eine Entscheidung, die viel Aussehen erregen dürste. Ter Inspektor So» detbach war bei dem Rittergutsbesitzer von Kähne in Stellung. Ende Oktober v. I. fand v. Kähne Abends aus dem Hofe einen Wagen voll Kartoffeln, die seinem Gebot zuwider noch nicht abgeladen waren. Er suchte nach dem verantwortlichen Inspektor und fand ihn zuletzt in einer benachbarten Schenke. Sendelbach erklärte, deshalb die Kartoffeln auf dem Wagen gelassen zu haben, weil v. Kähne verboten habe, mit Licht in den Stall zu gehen; ohne Licht sei eS