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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.12.1893
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-12-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18931209025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893120902
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893120902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1893
-
Monat
1893-12
- Tag 1893-12-09
-
Monat
1893-12
-
Jahr
1893
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Größere Schriften laut unsere« Prr:S- verzeichnib- Tabellarischer und Zissrrusatz nach höherem Tarif. Srtra-Vriloarn (gefalzt), nur mU der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung „» tiO.—, mit Postbesärderung ^ 70.-. Anualimeschlnk für ^vzei-en: Abend-Au-gab«: Bormittag« 10 Uhr. Marge »-Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. kann- and Festtags früh '/,S Uhr. Sei de» Filialen and Annahmestelle» je «in« halb» Stund» früher. kalkige« sind stet« an die Ertzkvtttoa zu richte». Druck and Verlag von E. P olz t» Leipzig. F K28. Sonnabend den 9. Dcccmber 1893. 87. Jahrgang. ZA gefälligen Beachtung. Unsere Expedition ist morgen Lonntag, den 1v. Deeember, Vormittags nur bis Uhr geöffnet. Lxpeätttov äes L-elpruIxer lÄxeblattes. Politische Tagesschau. * Leipzig, S. December. Der Reichstag, der gestern eine- katholische» Feiertages balber keine Sitzung abbielt, wird sich heute mil den von ren Eonservaliven und der CcntrnmSpartci cingebracklen An trägen zur Invalidität-- und Altersversicherung beschäftigen. Der erste dieser Anträge wünscht „baldmöglichst" re» der Regierung einen Gesetzentwurf, durch welchen eine Hireinsachung der JnvaliditätS- und Altersversicherung, »»besondere durch eine Beseitigung der Mißstände, welche cme noihwendige Folge dcS Markensystems sind, ber- teigesübrl werte. Das Centrum wünscht „mit Rücksicht aus die allenthalben in den beihciliglen Kreisen bestehenden schweren Klagen über das Gesetz", die Negierung möge Erhebungen veranstalten, inwieweit eine Abänderung ins besondere^ in Bezug auf Ausdehnung und Organisation der Versicherung erforderlich erscheine, und auf Grund dieser Erhebungen „tbunlichst bald" dem Reichstage eine Vorlage zu machen. Es wirr bei Beratbung dieser Anträge an lauten Klagen über das Gesetz nicht fehlen, wir müssen aber adwartcn, ob auch brauchbare BcsserungSvvrschläge ge macht werben.— Am Montag kommt die Interpellation wegen einer auSnabmsweisen Verlängerung der Ge- ,'chästsstund en an den diesmal auf einen Sonntag fallenden Vorabenden vor Weihnachten und Neujahr auf die Tages ordnung. Für taktlose Gewerbetreibende ist eine Er leichterung ihres Betriebes an diesen besonder« wichtigen Tagen in hohem Grade wünschenSwcrih. Die Interpellation ist denn auch von Mitgliedern verschiedener Parteien unterzeichnet. Voran stehen die Antisemiten, dazu kommt eber eine Anzahl von Conservativen, Nationallibcralcn Md Mitgliedern der Freisinnigen Vereinigung Die An rizunz ist eben ohne jede politische Tendenz lediglich ans praktischer Fürsorge für viele ohnehin schwer kämpsendc Er wcrbSzwcige hcroorgcgangen. Gleichwohl erbebt sich von conservatwcr, klerikaler und namentlich socialdemokralischer Leite ein geradezu leidenschaftlicher Widerspruch, von erstcrer Leite aus religiösen Gründen einer üoerlriebenen SonntagS- beiligung, von letzterer aus dem GcsicbtSpunct einer falsch verstandenen Fürsorge für die in den Geschäften Angestellten. Wir hoffen gleichwohl, daß die Behörden den wohlthätigcn Zweck dieser Anregung anerkennen werden. Eine SessionScröffnung am 16. Januar Vormittag- ent spricht gerade noch dem Wortlaut der VersassnngS- beslimmung, in der es heißt: „Die beiten Häuser des Land tages werden durch den König regelmäßig in dem Zeitraum von dem Anfang des MvnalS November jeden JabreS b,S zur Mitte des folgenden Januar einberusen." Durch das soeben erschienene vorläufige V er; eich »iß der Mitglieder, nach Fractionen geordnet, werden mancherlei Unrichtigkeiten und Unsicherheiten richtig gestellt, die in den privaten Verzeichnissen nach den Wahlen vorgekommen sind. Danach zählen in dem neuenAbgeorknetenhausedieConserrativen t 1l, dasEentrnm95. die Na tiona llibera len 90, die Freiconservativen Ol, dir Polen 17. die Freisinnige BolkSpartei >3, die Freisinnige Bereini gung 6 Mitglieder. FraclionStoS sind 9 Mitglieder (v. Bukden- drock, v. Eckarkstein, Johannsen, Krany. Kröncr, Lassen, v. LiereS, l)r. Lotz, Mcntz), erledigt ist l Mandat (2. Posen), welches voraussichtlich wieder der Freisinnigen BolkSpartei zufällt. Hospitanten sind nur 3 Mitglieder, Abg. vr. Brüel heim Centrum, l)r. Halm und llr. LotichiuS bei de» Nationaltiberalen. Den letzteren gekört auch Abg. Mohr- Allona an, dessen Parteislellunz bisher etwas unsicher war. Der preusztschc Landtag wird, wie verlautet, voraussicht lich Dienstag, den l6. Januar, eröffnet werken und zwar turch den Kaiser und König in Person. Die besondere ,Zierlichkeit, welche dadurch der SessionScröffnung beigelegt wird, weist nicht etwa aus ungewöhnlich wichtige Auf gaben bin, sondern ist wohl dem ersten Zusammen- trelea einer ncugewähllcu Volksvertretung zuzuschrciben. In Rudalstaüt ist schon dieser Tage der Landtag er öffnet worden, dessen Hanprausgabe die Etatsseststettung ist. Die Regierung legte, wie schon kurz gemeldet worden, dar. daß der neue Etal trotz aller Einschränkungen mit einem Fehlbeträge von 188 000 -X abschließt, was allein von der Verschiebung des finanziellen Verhältnisses der Einzelstaaicn zum Reich kerrühre. Im laufenden Eiat ergaben die Uebcr- wcisungen vom Reich noch einen Uederschuß von t lö OOO.-e, im Etat von l891 95 bleiben dieselben UNI 93 200 ^ hinter den Matricuiarbeiirägen zurück, so daß also das Vcrbältniß zum Reich sich um 208 200 >-? schlechter stellt, als gegenwärtig. Die Regierung erklärte, daß durch das vorjährige Steuer gesetz bereits 50 000 ^ mehr ausgebracht werken, daß aber hierdurch die Steuerleistung der StaarSbürZer so an gespannt sei, daß unmöglich durch weitere cireclc «teucrn der Änthcil an den Reichsbedürsnissen aufgebracht werden könne. Da könne nur das Reich beffen. — Es ist kein Zweifel, daß es in sämmtlichen deutsche» Kleinstaaten und auch in den größeren ebenso auSsieht. A.iS jedem Landtag kann man jetzt ähnliche Darstellungen vernahmen. Da ist mit der leicht fertigen Abschiebung der Lasten auf die Marricularbtirräge oder mit lustige», aussichtslosen und undurchführbaren Prv- jectcn nichts niehr gclhau. Die Gerüchte über eine bevorstehende Verlobung der Prtnzrsfiu Hrlrnc von LrlcanS mit dcni russischen Thron saiger erscheinen der „Krcuzztg." beute nicht mehr so un glaublich, wie vor einigen Tagen. DaS Blatt tbeilt nämlich eine römische Meldung des „Pester Lloyd" mit, daß in hochstehenden katholischen Kreisen versichert werde, die Prinzessin selbst wolle den Papst um seinen Segen zu dem Ehebündniffe mit dem Zarewitsch bitten; auch glaube man in den der Hcirath qünitigen Kreisen der Curie bereits einen Ausweg aus den Schwierigkeiten wegen der Religion gesunden zu haben, indem man den Uebertritt der Prinzessin zur unirten statt zur orthodoxen betreiben wolle. Dazu bemerkt die „Kreuzzcitung": „Diese in Widerspruch zu unseren ans guter Quelle stammenden Bemerkungen über eine geplante Verlobung deS Grohsürstcii-Tdron. solgers lmt der Prinzessin Alice von Hessen stehende Nach, richt ist deshalb von besonderem Interesse, weit sie zeiqt, daß d e Partei an der Curie, welche Papst Leo Xlll. durch die Hosfnung ans eine Bereinigung der griechsichen Kirche mit der römijch-tatholischen für ihre Zwecke ausjubenten bestrebt ist, »Inen großen Vorstoß zmn Siege macht. E>ne Katholikin, die inu Genehmigung des Papstes zur unirle» Kirche überleit und dann den russischen Thronerben hriratkrt, der also sein Leben lang unter Einflüssen siebt, welche den Wünschen d«S Papstes zugänglich sind, da« scheint allerdings einen großen Ersoig zu bebculen. Nur scheint uns sehr fraglich, ob man sich in Rußt and zu dieser Politik vergeben wird. Sie widerspricht der Praxis und den Inte essen der aricchisch-russischen Kirche und würde voraussichiltch im russischen Bolle als der Anfang zum Abfall vom rechten Glauben betrachtet werden. Zunächst erscheint uns die Comdinalion wenig glaubwürdig. Für unmöglich aber möchten wir sie nicht erklären." Die „Kreuzztg." scheint dabei zu vergessen, daß der Plan auch in boben russischen Kreisen deshalb Anhänger Kat, weil seine Realisirung Aussichten auf die Wiederherstellung der Monarchie in Frankreich und aus ein festes französisch- russisches Büntniß eröffnet. Gerade dadurch wird die Combinarion noch glaudwürtiger, als sie der „Krcuzztg." erscheint. Nachdem in Italien Zanardelli mit seinen Versuchen, ein neues Ministerium zu bilden, gescheitert ist, mußeCriSpi als derjenige Staatsmann erscheinen, der mit dieser Ausgabe betraut werden könnte. Er ist auch bereits vom König empfangen worden. In Denrschland würde ein Ministerium CriSpi mit Freuden begrüßt werken, denn CriSxi bat in allen seinen authentischen Kundgebungen sein Festhalten am Dreibünde betont. Die Kammer, der Crispi nach seiner entgilligen Ernennung zum Conseilpräsidenten gegen übertreten würde, ist nicht dieselbe, deren Mehrheit ihn am 3l. Januar i89l gestürzt bat. Damals kielt CriSpi bei der Bcrathung eines Gesetzentwurfes über die Anwendung der provisorischen Erhöhung der EingangSzölle eine Rede, in der er die bereits erzielten Ersparnisse auszählte und versicherte, die Regierung werte sich weiter bemühen, um andere mögliche Ersparnisse zu machen. Den Abgeordneten Bonghi verwies er damals auf die Finanzen unter dem Regime der Rechten, die nicht bester gewesen seien. AIS Crispi hierbei betonte, daß er aus „Achtung vor den Gräbern keine Demon strationen Hervorrufen" wollte, und erklärte, die bis zum Jabre 1576 befolgte Politik sei sehr verschieden von der gegen wärtigen. sic sei dem Ausland gegenüber „scrvit" gewesen, brach ein Tumult loS. Die Kammer stimmte darauf über dir von der Regierung angenommen, einfache Tages ordnung ab, die mit l86 gegen 123 Stimmen abgclcbnl wurde. Rudini und die „junge Rechte", die ebenso wie die Linke als Anhänger Crispi'S gewählt worden, waren ad- gesaUen und hatten mit der Opposition gestimmt. Nukiin wurde dann auch mit der Neubildung de« CabinctS beauf tragt. Nach dem Sturze Rndini's trat Giolitti an die Spitze der Regierung, der zugleich die Befugnisse zur Kammcr- anflösung erhielt; aus dieser ging die jetzige Kammer bervor. Es wird sich nun eventuell zu zeigen haben, ob EriSpri in ihr über eine geschloffene Regierungsmehrheit verfügt. Hier bei wird das Verhalten Giolitti'S und der von ihm geleiteten piemontesischen Gruppe sowie die Stellungnahme Zauardelll's und seiner Anhänger wesentlich in Betracht kommen. Die Lage der Spanier in Meli Na bat sich, vom militairisckcn Standpunkte aus belrachict, seit dem Eintreffen deS MarschallS Marlinez CampcS und Uebernabmc des Ober- beseblS durch denselben nicht unwesentlich gebessert. Ter Bau des Fcrtö Eidi Guariach nimmt seitdem einen von den Kabyleu nicht gestörten Fortgang. Mil Fertigstellung und Armirung desselben würde der erste Theil der dem Marschall Marlinez EampoS gestellten Aufgabe erfüllt sein. AlSdann würden die Maßregeln zu erwägen und zu treffen sein, welche einer Wiederholung von störenden Zwischenfällen auf marokkanischem Boden wirksam Vorbeugen und endlich blieb noch die Frage der an Spanien zu leistenden Genuglkuung und Entschädigung übrig. Letzteres fällt mcbr in das diplomatische als in das militairische Ressort, immerhin unterliegt eS keinen: Zweifel, daß Spanien« diplomatische Action in Marokko um so freieres und leichteres Spiel rinden wird, je imponirendrr ein militairischer Aufmarsch auf die unbotmäßigen und der Autorität deö Sultans trotzenden Riffkadylenslännne wirkt. AnS diesem Grunde bleibt da» Hauptinteresse der öffent lichen Meinung in Spanien und außerhalb deS letzteren, wo man den maroklaiiischen Vorgängen Aufmerksamkeit schenkt, bis aus weiteres der Entwickelung der Dinge um Melitta zugcwcndet, und Marschall Martine; Campos hat es in der Hand, durch Betbäiigung der ibm nachgerübmten persönlichen Vorzüge die Hoffnungen zu rechtfertigen, welche daheim ans ihn gesetzt werden, wie auch die Besürchtungen zu ciilkräslen, daß er durch unüberlegtes DraufloSgeheu neue "ckwicrigkeitcn schaffen könnte. /errilletsn. Leben um Leben. Aj Roman in zwei Bänden von M. Gerhardt. Nochern«! verboten. (Fortsetzung.) ,Hat denn der Strolch das Laufen ganz verlernt oder ist » nur saut geworden?" fragte Götz, woraus er die Vcrsickc- :ung crbielt Aldo könne lausen, auch sprechen, wenn er bei gnädiger Laune sei, geruhe aber nicht immer, sich zu xrcduciren, ta er cs ja nicht nötbig habe." „Knaure nicht. Junge, brülle einmal a»S Leibeskräften, llenn cS Dir bei mir nicht gefällt", redete Waldemar seinen Lprößling an, worauf Hildegard ibm denselben abnabm und klllänc, Aldo sei an rücksichtsvollere Behandlung gewöhnt. Lie schmeichelte dem Kinde einige articulirte Laute, einige Ileme Kunststückchen ab, die indessen schon vor Monaten bester »klungen waren. Und Waldemar freute sich und war voll Laakbarkcit sür die Liebe und Pflege, die seinem Kinde zu Lbeil wart. Aber auf dem Heimwege si4> eS ibm schwer aus kie Seele. Er batte ein ander Bild von seinem Kinde gehabt. Li mußte doch wobt früher weil lebhafter und theilnehmcndcr zewesen sein Daß er selber noch der alte Götz sei. sollte man in G-ave- lMen bald genug erfahren. Am Tage nach seiner Heimlcbr üm Heinz dort an, aus einem Klappe,wägtein, mit seinen leiden Koffern, in lichterloh brennender Empörung. Der Herr rtwager batte die BeiwaltungSmatzregel seine« Stellver- rner- in so gröblich beleidigender Weise vor versammeltem tofpersonal derart berunlergeriffen, daß nur die Rücksicht aus oeriba Heinz batte verhindern können, als Mann und Ossicier k-migt Genugthuung zu fordern. Bleiben konnte er nach einer i»lten Scene selbstverständlich nicht «ine Stunde länger in leiinenberg. Sobald Götz sich wieder in Gravelikchken blicken ließ, hielt >i« Herr Markwald unwillig und kläglich seine Härte gegen k» armen Jungen vor. ^Du Käst wobl niemals eine Dummheit begangen, Dalde- »«? Anderthalb Jahr bist Du mit dem Heinz zufrieden Moese» und jetzt so Knall und Fall —" > „Ja Vater, bi« jetzt habe ich gewirtbschaftet, und Heinz ItU «eine Pferde geritten, meine Cigarren geraucht, meine Gäste unterhalten, und allen hübschen Mädels eine Meile in der Runde den Hof gemacht. DaS tbat's und bätte immer so sortgeben können, bätte ich nicht jetzt zufällig einen Winh- schafler gebraucht. Da mußte eS zum Krach kommen. Thur mir leid, aber ich kann'S nicht ändern." „Aber waS soll mit dem Jungen werden? Wenn Grave- lischsen verkauft wird —" „Bebält ibn Tein Nachfolger schwerlich. Aber sei ganz ruhig, Vater, cS findet sich schon etwas sür ibn —" Ja gewiß, cS würde fick schon etwas finden. Etwas Dor- theilbasteS hoffentlich, anständiges Gebalt, anständige Stellung. Augenblicklich hatte Heinz die Dienstbarkeit satt, ja bis zum Ekel, und keine Eile, sich aufs Neue zu verkaufen. Die Gravc- lischker Zustände waren freilich der Superlativ der Jämmer lichkeit. Aber: In der Noth frißt der Teufel Fliegen. Hcmz schlief in den Tag hinein, räkelte sich auf den SopbaS, schimpfte aus seinen Herrn Schwager, schmökerte in Leibbibliothekromane», plagte Alma in der Küche und Speisekammer, trieb Posten mit Nelly, ließ sich von Hildegard ausschelten und raffte sich böchstcnS soweit aus, Nachmittags mit der Flinte durch die Felder zu streifen. SiewerlS ließen nichts von sich hören. Gegen Ende de« September kam eine AbschiedSkarte von Antonie, die nach Königsberg rurückkebrte. um sich dort mil ihrem Manne z» vereinigen. Sie wäre leidend gewesen und hätte sich daher einen zweiten Besuch in Gravelischken vcr sagen müssen, schrieb sie. Hildegard batte nur aus eine Ans sorderung gewartet,' binübcrzusadren, aber eS schien, daß man ihren Besuch nicht wünschte. Man zürnte ihr, sie mußte das «ragen, so weh es ihr tbat, und so sehr ihr die alle» treuen Freunde gerate jetzt fehlten. Aber sie hatte keine Zeit, „icker- drückende» Vorstellungen nachzubängen. WaS ihren M»lb und ihre Kräfte auf fast allzu barte Probe stellte, dielt sic auch aufrecht. Mit der Schwere und Berantworliichleit der Ausgaben, die sich ans ibr junges Haupt bäuslro. kam ibr eine Sicherheit »nd Klarbeit des Urtbeil- und rin ruhige» Bewußtsein ihre- eigenen Werth-, da« sie von fremdem Ralb und Beifall allmälig unabhängig machte und medr und mehr aus sich selbst stellte. Mit dem Verkauf von Gravelischken wollte e- nicht glücken. Ein paar Kauflustige batten sich noch eingestellt, machten aber nicht Ernst, da ibnen die geforderte Kaussumme und besonder- die Anzahlung zu hoch erschien. Aber Herr Markwald be durft« dieser Anzadiung, um nach Tilgung seiner Schulden nicht ganz mittellos dazustchen. Dean waS ihm von reget- mäßigen Einkünften bestenfalls bleiben mochte, reichte nicht einmal zu der allcrhescheidcnsten Existenz in einem kleinen Städtchen bin Tcnnoch mußic verkauft werte», da das M>ß» vcrbältniß zwischen Ausgaben und Einnahmen immer drückender wurde. Hildegard saß Nächte hindurch auf, um Bücher und Rcchnuugen durcbzusekcn, in jahrelange Verschleppungen Ordnung zn bringen und sich Klarheit darüber zu verschaffen, bis zu welcher Mindestforderung man beim Verkauf hinunter- geken könne. Herr Markwalb zerfloß zuweilen in Thränen, wenn seine Tochter ihn zwang, seine Lage mit ihr durch zusprechen, die zu übersehen und zu beberrfchen er schon lange vor seiner Erkrankung aufgehört kalte. Der Kops wollte ibm zerspringen, wenn er jetzt den Versuch dazu machte. Diese furchtbaren Zahlenreihen waren seine persönlichen Feinde, sie brachten ihn um de» Schlaf, um Arpclit und GemütbSruke. Er wußte ja nur zu gut, daß er schlecht gewirikschasiet batte, daß er seinen Kindern nichts binterlaffcn würde. Ja, sie würden gezwungen sein, sich selbst ibr Brod zu verdienen, vielleicht schon in allernächster Zeit. Denn er das in der kläglichsten Weise eingestank, Wohl gar mit einer Bitte »m Vergebung schloß, dann küßte ibm Hildegard die Hände und bat ibn, sich z» berubigen. Es werde schon Alles in Ordnung kommen. Uud dann zwang sie sich, z» lächeln und rn scherzen und brachte da« Gespräch aus erfreulichere Dinge. Und, Dank dem Himmel, es gab deren. Zuerst ein kurzer Besuch Oskar'S, der in diese Zeit fiel Er war jetzt Referendar und kam von Berlin, wobiu er die Garrx'schcn Damen begleitet, nachdem der Tribunalraib zum Kammrrgerichl versetzt worden war. Er balle sich de» Dame» bei der ttebersietelung und Niederlassung nützlich gcmack» unk ließ eS sich großmülhig gefallen, wenn die jüngeren Schwestern ihn mil Frcsiilein Else Garve neckten. Sei» tüchtige- Strebe», gute- VorwäriSkommen und gesunde« Selbstgefübl verbreitete» einen bellen Schein von Hoffnung und Ermulbigung über den trüben Gravelischker Horizont. Leiter konnte er nicht in Berlin bleiben, da dir Großmutter, bei der er noch inimer lebte und die ausschließlich sür ibn sorgte, weder zur Trennung von ibm noch von ibrer Königsberger Häuslichkeit zu bewege» sein würde. Mit der Gesundheit der alten Dame stand e- nicht schlecht, ihre Wunderlichkeit war die alte, eber im Zu- nebmen, wie Oskar, der mit Zurückhaltung und betonter Ehr erbietung von ihr sprach, zngab. Die paar Tage, die Oskar sich sür die Siiaige» abgemvßigt, benutzte er, um »ach Döhlau zu fahren und seinen allen Der portugiesische Ministerpräsident Ribeiro hat feinen Willen durchgesetzt; ein königlicher Erlaß verfügt, wie bereits telegraphisch gemeldet, die Auslösung der portu giesische» CorleS und ordnet die Neuwabien sür den I t. Januar an. Schon seil Wochen war Hinye Ribeiro bemüh», den König für die Auslösung der Kammer zu ge winnen, die, noch unter DiaS Ferreira gewählt, ihm keine zuverlässige Mehrheit bot. Tie Erneuerung der Volks vertretung soll dem Ministerpräsidenten auch die Mög - lichlcit bieten, sich zweier unbequemer CabinetS genossen zu entledigen, dcS FinanzministcrS FuSchini und dcS durch Unrerschleife einiger Beamten bloßgestelltcn Ministers der öffentlichen Arbeiten. Der König zögerte lange mit seiner Eiiiwilligling, hauptsächlich wohl, weit cö ibm nickt raiksam erschien, das Land in einem Augen blicke in die Wirren eines neuen WablkampseS zu stürzen, wo der portugiesische Credit im Ausland« varnicderlicgt und die schlechte Ernte eine bedenkliche wirthschastliche Krise herausbcsckworcn bat. Hn der Reibe von Autoritäten, die die Bedürfnisse der englischen Marine erörtern, gesellt sich jetzt Sir Edward Reck, seiner Zeit der berühmtest« Schiffsbaucr Englands. Sir Edward hat 20 volle Jabre im Parlament gesessen. Ilm so bedcuiungsvollcr ist cS deshalb, wenn feiner Ansicht nach bas en-zliichc Parlamcnt eine völlig ungceigncie Körperschaft zur Erörterung von Marine-Angelegenheiten ist. Ec sagt: „Ich habe gesehen, wie da« gesammie Armeebudgrt ln weniger als einer halben Lluiide bewilligt wurde »nd auch das Marinc- bubgel in unglaublich kurzer Zeit seine Erledigung fand. Ob die Borichläge der Regierung genügen, um Englands Macht znr See auirecht zu erhallen, darnach «ragt Niemand Der erste Lord dcü Sckapes und der Schatzkanzler sind die aus- jchlaggebenden Per>ünl1ckke>lcn, loenn es sich darum handelt, was iar die Flotte getchehen soll. Diese haben nichts at« das nächste Budget vor Äuge». Die englischen Minisier baden eine angeborene Scheu, über die Rüstungen des Auslandes im Parlament za sprechen. Daher kommt ee. dafz alle unsere letzten Ersten Lord» der Admiralität, besonders Lord Nonhbrook und Lord George Hamilton, zuerst sagten, daß unicre Marine sür alle Zwecke genüge, and darauf einige Tage später den Bau neuer Schsße beaniragrn mußten. Was Frankreich zur Stärkung seiner Marine gethan Hai, um un« ebendürlig zu sein, ist bekam». Was Rußland aber betrifft, möchte ick nur einen Punct bcrvoryebcn. Bon Kronstadt bis zur Küste des Stillen Lceans hat Rußland keinen Hasen, der das ganze Jahr offen ist. Ruftland strebt danach, diese Kette» zu brechen. Im Parias ment lassen sich solche Dinge nicht besprechen, aber diejenigen, weiche Freund Richard Lassen zu besuchen, der sich seit jenem August- abend nicht mcbr in Gravelischken batte blicken lassen. „Ich verdcnke Dir das durchaus nicht", versicherte Oskar» cS ist jetzt nichts weniger als vergnüglich bei uns, die Schwestern, die armen Dinger, verkommen in WirtbschastSarbeit und bänSlichen Sorgen und der ber»»il»ngcrnve Herr Bruder ge reicht dein Hause auch nicht zur besonderen Zierde." „Denn Du glaubst, daß mein Fernbleiben durch dergleichen Gründe veranlaßt wird — so könnte mich daß im Gsgentbeil bestimmen, es schleunigst auszugeben", erwiderte Lassen m>t flüchtigem Errökhcn. Oskar nahm ihn beim Wort, und Richard erklärte sich mir zu gern bereit, ibm seinen Besuch in Gravelischken zu erwidern — da er wobl jetzt nick« mehr zu befürchten habe, dem Pro fessor Roloff dort zu begegnen. Oskar tbat einige Fragen und war scharfsinnig genug, sich aus den zurückhaltenden Ant : orten des Freundes die Wahrheit ziisamnlcnzureimcn. Er schüttelte den Kops über seine „ver rückte" Schwester, der er mcbr gesunden Menschenverstand zu- getrant Kälte. Lassen dagegen ließ eine tiefe Erbitterung gegen Roloss turchblicken. Oskar batte die bis jetzt erschienenen fünf Hefte dcS Ro- lofs'schen Buches mitgcbracht, fand aber den Freund bereit- bekannt damit. „Er wird nicht viel Freute an dem Erfolg haben", meinte Oskar. „Die alten Herren lodern vor sittlicher Entrüstung, die jüngeren, mit denen ich darüber zu reden Gelegenheit batte, wissen auch nickt recht, wa» sie daraus »lachen sollen. Roloff gebt riesig radical vor, wirft zum dürren Holz. waS noch in niibesiritiener Geltung stobt, mit einer Dialektik, st arf »nd glänzend wie eine geschliffene Klinge. Einige seiner Sätze scheinen mir allerdings ansecktbar. Aber im Ganzen — eS ist eine Pracht, wie eS losgcbt. Gewisse Theorien» mit wolckkn bis jetzt viel Staat gemacht wurde, sind todt — manse- todt." „Warten wir da» ab!" erwiderte Richard. „Wenn ick auch seiner Fachwissenschaft fern stehe, so viel kann ich wohl beurtbeilen, daß Rvloff'S Principien unhaltbar, sophistisch und im letzten Grunde unmoralisch sind. Du siebst, daß diese Er- ktnntniß sich bereit« überall Babn bricht. Sein neue« Buch wird hoffentlich taS Blendwerk de« Genie-, da- sich Uber Re ligion und Sittlichkeit geringschätzig hinwegsetzen darf, enk- giltig zerstören. Es ist ein Unglück, daß ein silchcr Man» Lehrer der Jugend sein darf."
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