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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.05.1877
- Erscheinungsdatum
- 1877-05-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187705231
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18770523
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18770523
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1877
-
Monat
1877-05
- Tag 1877-05-23
-
Monat
1877-05
-
Jahr
1877
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 23.05.1877
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»rl neigte» ü »t.) La dar» IMo-Vov Sw, — — 2, — — r, «5 — :>»« Kisten », xroana, -- s, . Euba, k. Palmyra, ?! Kisten Serrl«, 3l PL Bk« Körbe Barinet lth« erster H«, . Jara, — tz, !r. Lärme»,» Ser. Damüiz, co, IiSSLitt« Java and E» Pack Manila 321 PaL « !. meplauisLq - PL «, Zamaica, N» inaeoa. Erscheint täglich früh e^/, Uhr. Redaktion a»d LkPtdUt»» JohanniSgast« 38. Lprrchst»»rr» der Nedarttia: BormittagS 10—12 Uhr. Nachmittags 4—S Uhr. gnuabme der für die niichst- »vlamde Nummer bestimmten Inserate an Wochmtagm bis jlllhr Nachmittags, an Sonn- mb Kefttagen früh bis '/.S Uhr. Z, de« Filiilr» för Z»s. Aaoahwr: Ltto Klemm, Universitätsstr. 22, LsuiS Lüfche.Katbarinenstr. 18,p. nur bis ',.3 Uhr. Nipttgcr.Nagklilalt Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- «d GefchLMnkebr. 1S.1»0. Xdoane»r, loprrt, oterttlj. 4ML, inel. Bringerloh n b PL. durch die Post bezogen « Mk. Jede einzelne Nummer 3» Pf. Belegexemplar 10 Pf. 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Der Sinn der Worte teS berühmten Strategen hat eine sehr ver schiedene Deutung erfahren. 3m A»SIande wurden dieselben alS eine Drohung ausgesaßt; im Inlande sah man in denselben den Nachweis der beun- r»higenden Thatsache, daß zwischen der Wehr macht De»tschlandS und Frankreichs kein richtige- Gleichgewicht bestehe, und daß eine Reihe von ÄuSaleichSmaßregeln die erste, möglichst schnell zu erfüllende Pflicht der deutschen Heeretleitung fei. Wenn sich inzwischen die Ansichten geklärt haben und die öffentliche Meinung ein richtigere- Urtheil über den Zweck und den Inhalt der Molikeschen Rede gewonnen hat, so ist unwillkürlich durch diese DcScussion d»S Interesse an dem jetzigen Stadium der militairischen Machtentwickelung Frankreich- wieder angeregt und der Blick angesichts der in nächster Zeit bevorstehenden Au-glelch-maßreHeln deutscherseits von Neuem auf unfern westilchen Nachbar, besten Vertheidi- gungS- und Angriff-maßregeln gelenkt worden. Die AugSburger „Allg Ztg." theilte darüber Folgendes mit: Da- Gebiet der Republik ist seit dem Jahre 1873 in 18 große Miiitairbezirke getheilt, von denen jeder em zu festem taktischem Verbände zusammengesügteS ArmeecorpS, und außerdem, nach Maßgabe besonderer politischer oder administrativer Verhältnisse, noch au- anderen Bezirken detachirte Truppenkörper alS Besatzung aufnimmt. Die deutsche Grenze berühren zwei solche CorpSbezirke, mit dem 6. ArmeecorpS (Hauptquartier im Lc*ger von CHLlonS) und dem 7. ArmeecorpS (Hauptquartier Besauyon) Der Ueberschuß an den nicht zu der gewöhnlichen Stärke emeS ArmeecorpS gehörenden Truppen in den östlichen beiden Bezirken besteht namentlich in Cavallerie. ES befinden sich dort innerhalb dcS ersteren, de- e. Armeecorp-bezirkS, abgesehen von der jedem ArmeecorpS zugetheilten Cavallerie- Brigade zu L Regimentern, noch 8 Regimenter oder 32 EScadronS, von denen je 4 zu zwei Cavallerie-Divisionen geboren, die in Luneville, respectlve Nancy ihren Mittelpunkt haben. Im siebenten Bezirk sind außer der realementSmäßig zugehörigen Cavallerie-Brigade ebenfalls noch zwei «ne Brigade bildende Regimenter (einS in Epiral, nnS in Belsort) flationirt, so daß beide an der Srenze diSlocirte Armeetheile «in Mehr von lü Cavallerie-Rezimentern »der 4V EScadronS »uswe'scn. Bon Interesse ist bei Gelegenheit der mili tairischen Betrachtung deS ostfranzösifchen Grenz- lande- ein Blick auf die dort in den letzten Jahren entstandenen Anlagen zur LandeSver- theidigung. Durch die im Jahre 187 t erfolgte Abtretung von Elsaß und Deutsch-Lothringen an Deutschland verlor Frankreich nebst den natür lichen BertheidigungSlniien deS RheinS, der mitt leren Mosel und eine- TheilS der Vogesen die befestigten Plätze Diedenhosen, Bitsch, Hagenau Pfalzburg, Schlettstadt. Neu-Vreisach, Marsal und die beiden Hauptftützpuncte seiner nordöst lichen VertheidigungSfront Straßburg und Metz. Indem Deutschland auf diesen Festungen feine Fahnen aufpflanzte, entriß eS Frankreich nicht nur die Herrschaft über den Rhein, sondern eS schuf sich auch hart an den französischen Grenzen eine Position, welche ibm gestattet, im Fall einer Erneuerung deS Kampfe- jene energische Offensive, die in dem letzten Kampfe ru so großen Erfolgen führte, mit noch größeren AuSsichlen wieder auf zunehmen. Der bekannte dreifache Festungsgürtel längS der Nordostgrenze Frankreichs liegt noch beute gesprengt danieder und die Trümmer diese- historischen Bollwerk-vermögen kaum den Rahmen für ein neue- BesestigungSsystem zu bilden, zumal die neue LandeSgrenze gegen Deutschland auch solcher Vertbeidigung-limen und Positionen fast gänzlich entbehrt, welche die Anlage von Metz und Straßburg so sehr begünstigten. Ueberblickt «an die jetzt neu entstehende, zum großen Theil schon vollendete, bez. vervollständigte Linie der Befestigungen, die zum Schutze der französischen Ostgrenze errichtet worden sind, so tritt al- der leitende Gedanke, welcher bei Anle gung derselben festgehalten worben, die Herstellung einer bei Longwy, nächst der belgischen Grenze, beginnenden, über Verdun. Toul bi» Belsort sich erstreckenden, etwa 300 Kilometer langen Haupt front hervor, die alS BasiS sowohl für den strate gischen Aufmarsch rächst der Grenze und einen darauf folgenden Einbruch der Armee in Deutsch land, wie auch al» erste Schutzwehr für eine directe Bertheidigung de- hetmathlichen Boden» dienen soll. Diese Linie, welche durch die ge nannten festen Plätze im Verein mit der Be festigung der Vogesen und der künstlich verstärkten Meurthe-Linie eine im Ganzen widerstandsfähige Front bildet, lehnt sich mit den Flügeln an zwei neutrale Staaten, ein Umstand der, eben so wie die große Nähe der deutschen Grenze, eine Um gehung derselben, und ganz besonders ihre- rechten Flügel» (Belsort), ziemlich schwierig machen würde. Die Hauptstützpuncte der der französischen Front gegenüberliegenden deutschen BerlheldigungSlmie bilden die beiden neu erworbenen westlichen Boll werke Straßburg und Metz. Zu dem ersteren gehört, als ein Außenwerk. Neu-Breisach, zu dem letzteren Diedenhosen. Straßburg bildet den Schwerpunkt der militairischen Sicherung und Vertheibigung deS Elsasses, und ist zugleich seiner Lage nach wesentlich geeignet, zur Neutralisirung eine- Vorstoßes Frankreichs von Belfor.t gegen Sübdeutschland beizutragen. Belsort wurde früher oft die AuSsallpsorte Frankreich- genannt. Im jüngsten französischen BefestigungSeniwurf ist dieser Rolle in hervorragender Weise Rechnung getragen worden. Da nun die deutsche HauptoperationS- linie auch künftig über Metz führen, also ziemlich hoch im Nordwesien deS GrenzlandeS liegen wird, so ist eS unerläßlich, da- Gebiet SüvdcutschlandS gegen alle feindlichen Unternehmungen von Belsort auS zu schützen. Die Festung Rastatt kann diesen Zweck nicht hinreichend und rasch genug erfüllen, da sie zu weit nördlich liegt. Ulm befindet sich zu wett östlich, und kann nur Schutz gegen eine französische Invasion durch die Schweiz bieten. Slraßburg dagegen, noch am linken Rheinuser hinter den sehr wichtigen Vogesenübergängen gelegen, ein Knotenpunct zahlreicher Verkehr-wege aller Gattung und gleichzeitig einer der wiwtigstcn Rhcm- übergänge, flankirt im Verein mit Breisach alle au» Belsort gegen Süddeutschland gerichteten Stöße. Der Kranz der die Centralwerke Straßburg- umgebenden Befesiigungen besteht au» neun vor geschobenen FortS auf dem linken, und drei auf dem rechte» Rhein-Ufer. Die ersteren beherrschen da» Rhein-Thal und die nach Westen führenden Straßen, durch die letzteren wird der Besatz»ng ein Manövriren auf dem rechten Rhein-Ufer ge stattet. In seiner jetzigen sortificatorischen Gestalt bildet Straßburg den Mittelpunct eine» durch zwölf kleine Festungen bezeichneten Kreise», dessen Radius fast eine deutsche Meile beträgt; außer dieser Stadt und Kehl zählt man aus Vieser Kreis fläche über 20 größere Ortschaften mit einer Be völkerung von 30,000 Menschen. Sämmtliche Fort- am linken Rhein-Ufer sind durch eine Gürtelbahn mit einander und mit den au» Straß- burg kommenden Bahnen in Verbindung gesetzt. Metz ist von 1t »etachirten Werken umschlossen, deren Entfernung von der Stadt zwischen 3000 und 4900 Meter beträgt, sodaß eine Beschießung derselben, auch mit den schwersten Kalibern, un möglich erscheint. Die ausgedehnten Magazine fasten Proviant für eine Besatzung von 30,000 Mann auf 3—4 Jahre. Der Umfang der ge- sammten Befestigungsanlagen beträgt 24, der Durchmesser 14—18 Kilometer. Sämmtliche FortS sind dabei durch doppelte Schienenwege und Tele- grapbenleitungen sowohl unter einander alS mit der Stadt verbunden. Al- dritter Hauptwafsenplatz an der deutschen Westgrenze wird, zum Schutze deS NieoerrheinS und mit der Ricktung gegen einen etwa durch Belgien geführten feindlichen Angriff, zu den beiden genannten Festungen noch Köln hinzutreten, für welche» der Erweiterungsbau seiner Werke eifrig dem letzten Abschluß zugesührt wird. In Verbindung mit Soblenz, Mainz, Rastatt und Germer-Heim, sowie den Außen- und Zwischen- posten von Wesel, Diedenhosen, SaarlouiS, Alt- und Neu-Breisach, werden Köln, Metz, Straßburg einen Festung-gürtel bilden, wie er stärker nicht wohl gedacht werden kann. Den durch diese Be festigungen geschaffenen Positionen schließt sich ein die Bertheidigung derselben vervollständigende» Schienennetz an, welche» so angelegt ist, daß eS gestattet, nach jedem Punkte der deutschen West« grenze binnen TageSfrist eine Division und in 3—4 Tagen ein Armee-CorpS zu tranSportiren. Tagesgeschichtliche Ileberjicht. Leipzig, 22. Mai. Die Bcrliner „National-Zeitung" stellt folgende Pfingstfest-Betrachtung an: DieSmal feiert Europa ein seltsame» Pfingstfest. Nicht der tröstende, vereinende heilige Geist, der in der christlichen Legende die Apostel in Zungen barm herziger Liebe und feuriger Andacht reden ließ, sondern der Enge', der zu Babel, bei dem Bau de» RiesenthurmS, die Völker verwirrte und m feindliche Gr»ppen schied, scheint wieder herabge stiegen zu fein. Der Osten de» WelttbeilS erwartet von Waffen starrend von Tag zu Tag die erste blutige Schlacht. Wie die immer grSßer und dunkler werdenden Wolken eine- herauf- nehenden Unwetter» verbreiten sich die allgemeinen Verwirrungen und die schneidigen Gegensätze, welche die Stämme der Balkanhalbinsel gegen einander treiben, weit und weiter. Aengstliche Temüther Hallen den Zusammenstoß Rußland» und England» nur noch für eine Frage der Zeit; in Ungarn sind die BolkSleidenschasten der Magyaren hier, der Kroaten dort, auf da» Heftigste gereizt, in CiS- wie in TranSleilhanien müssen sich die Regierungen ihr Dasein gleichsam jeden Tag von Neuem erobern. Und al» ob eS an diesen Widersprüchen, an dieser Unruhe nicht genug fei, kommt jetzt noch der unerwartete Sturz deS französischen Ministeriums, der Sieg der Ultramontanen bei dem Marschall Mac Mahon, der Bruch deS sieben-, jetzt nur noch vierthalb jährigen Lenkers de- französischen Staate» mit der Volkskammer alS ein neueS gefähr liche- Element der Zerstörung hinzu! Dasselbe Verhängniß, da», in einer Frau verkörpert, den dritten Napoleon nach Sedan führte, scheint auch über seinen ehemaligen Marschall und jetzigen Nachfolger mächtig geworden zu sein. Selbst die Erfahrung von Wörth verliert dem römischen Zauber gegenüber ihre Kraft. In den Tagen solch' allgemeiner Zerklüftung, in dem Sturm und Drang der Politik zeigt sich dem Nachdenk lichen immer mehr die entscheidende Bedeutung der Ausrichtung de» deutschen Reiche» Ja, der erste September 1870 und der achtzehnte Januar 1871 führten eine neue Aera herauf. Während Alles um un» her in Unruhe und Schwanken gerathen ist, bewahren wir die Ruhe und Gelassenheit. Nicht nur der Krieg ist von unseren Grenzen weit fern gehalten worden, wir sind auch stark, genug, den Frieden unter unseren nächsten Nachbarn aufrecht zu erdalten. Wenn man unbefangen die Debatten unsere- Reich-tagS mit den Redestürmen in London, Versailles und Pest vergleicht, erkennt man in seinem ganzen Werth den geraden, schlichten und verständigen Sinn unsere» Volke». Nach der Heftigkeit der Wahlbrwegung hatten sich »nsere Gegner — »nd wie viele haben wir nicht — triumpbirend zugerufen, daß die Einheit der Deutschen sich zu lösen beginne und daß der Reichstag Nicht» al» da» Schauspiel wildester Parteikämpfe darbieten würde. In Wirklichkeit aber ist die Session beinahe ereignißlo« verlaufen, in jedem ihrer Zweige hat die ausübende Reich-- gewalt ein Vertrauen-Votum von der Mehrheit der Volksvertretung erhalten, da» anscheinend riesige Deficit, welche» nur durch eine so ge waltige Erhöhung der Matricularbeiträge, daß die kleinen Staaten daran zu Grunde gehen müßten, nach der Ansicht der Gegner sollte beseitigt werden können, »st auf eine geringfügige Suvlme zurückgeschraubt worden; Diejenigen, die angeblich al» unversöhnliche Feinde zu- sammenkamen, sind al» gute Genoffen an einander gegangen. Denn welche tief gehende Verschiedenheiten der Meinung unS auch trennen mögen: eS sind keine eingeborenen, nationalen Antipathien, wie sie die Volksstämme Oesterreich- Ungarn» entzweien; eS sind keine tödlichen Feind schaften. wie sie in Frankreich Bonapartisten »nd Republikaner nur auf daS gegenseitige Verderben sinnen lasten. Im Sturm der Zeit steht da» deutsche Reich unerschüttert da, seine- Haupte» und aller seiner Glieder sicher So lange wir eine gewaltige Maste ohne den einigenden Gedanken und die zusammenfastende Kraft waren, erregte die orientalische Frage gerade in unserer Mitte die stärksten Befürchtungen. Noch bei dem Beginn de» KrimkriegeS hat man in den Deutschen nur da» Bildungselement für da» russische Weltreich sehen wollen, wie vor Zeiten die Hellenen mit ihrer Sprache »nd Kunst die Lehrer und Bildner der römischen Welt gewkfen waren. So wenig wie die OSmanen schienen wir, in 38 Staaten getheilt, trotz unserer Anzahl »nd Stärke im Stande zu sein, dem Vordringen der Slawen einen ernsthaften Damm entgegen zu fetzen. Zehn Jahre, seit de« Tage von Königgrätz, haben da» Gesicht und die Gestalt der Welt geändert. Germanien, daS Herz Europa», ist zu neuem Leben erwacht. DaS Unerhörte, Wunderbare ist geschehen. Deutsche Panzerschiffe haben in der Bucht von Saloniki geankert; Slawen, Griechen und Türken, so viel ihrer jene alte Stadt be wohnen, haben der deutschen Flagge ihre Reverenz bezeugen müssen; in unserer Hanptstadt wird da» Lao» von Byzanz gewogen. WaS früher den weitsichtigen »nd hochherzigen Patrioten ein Gram »nd ein Stachel war, daß Deutschland bei der Lösung der orientalischen Frage keine Stimme hatte, daß eS der endlichen Entscheidung, die, wie man annahm, einzig zum Bortheile der Rüsten auSsallen müsse, durch »eine inneren.Zustände ge zwungen, thatloS Zusehen würde, ist j tzt in da» Gegentheil verwandelt worden. Nicht ohne un» werden die Würfel über die Stadt de» Konstantin und die Vorherrschaft auf der Balkan-Halbinsel geworfen werden. In der Wiener „Presse" wird in Bezug auf die frommen Pilger, die sich zur Reise nach Rom rüsten, Folgende» gesagt: Die Kisten, in denen die massenhaften und kostbaren Geschenke für den mit der Tiara geschmückten IubelareiS ausgespeichert ließen und welche die vielverschrieene italienische Regierung mit anerkennen-werther Coulancc von der zollamtlichen Revision in der Einbruchsstation Udine befreit hat, sind den Pilgern schon in diesen Tagen vorau-gegangen. Fast unsere gesammte Aristokratie hat sich an der Ovation für den Gefangenen im Batican betheiligt. Erzherzog Albrecht sendet fünf reich« dotirte Koffer für Mlsfionaire, die Herzogin von Modena Paramente, ein Comitö von Frauen der österreichischen und ungarischen Ar stokratie gestickte Meßgewänder, zu denen auch Spitzen au» dem Erzgebirge verwendet wurden, und kost bare Kirchengeräthe AuS Froschdorf geht eine eigene Mission mit Geschenken nach der Sieben bügelstadt, und sogar der Kirchensürst in Olmütz hat tief in den Säckel gegriffen, um seiner treuen Anhänglichkeit an den päpstlichen Stuhl glän zenden AuSdruck zu verleihen. Die „Neue Freie Presse" in Wien schreibt: „Einer unserer verläßlichsten Correspondenten be richtet, daß ein Lheil der für die russischen Truppe» in Rumänien bestimmten Munition von Radzi- wilow über Brody und Czernowitz, da» heißt als» über österreichische- Gebiet und aus österreichi schen Eisenbahnen, nach Jassy befördert wird, und da, so viel Streit auch sonst über den Begriff der Kriegscontrebande herrschen mag, Munition jedenfalls »nd unbestritten al» solche anzusehen »st, so wurde — die Richtigkeit unserer Depesche auS PovwoloczySka, für welche leider alle Umstände sprechen, vorausgesetzt — die österreichische Neu tralität schon acht Tage nach ihrer Kundmachung zu Gunsten Rußlands verletzt, — dieselbe Neutra lität, welche während dcS bosnischen AufstandeS den Hafen von Klek den türkischen Transport schiffen genau in dem Augenblicke sperrte, da Mukhtar Pascha derselben am Dringendsten bedurfte, die aber nicht zu verhindern wußte, daß die dalmatinischen Zuzügler in Hellen Hrufen die Grenze überschritten und zu den Aufständischen in der Herzegowina stießen; dieselbe Neutralität, welche gestattete, daß Montenogriner »n» BoSuier am lichten Tage bewaffuet i» de» Gasseu von Ragusa stolzirteu und eine österreichische Stadt zum Pivot deS AufstandeS machten; dieselbe Neutralität, welche der ungarischen Polizei in den Arm fiel, al» diese naiv genug war, die russischen Schaaren, die mit Säbel und Pistolen durch ungarische» Gebiet zu den Fahnen Tschernajeff'S zogen, nicht für harmlose Jünger AeSculap'S zu halten; dieselbe Neutralität endlich, die ihr Wohl gefallen daran hat. daß da» eigenste osficiöse Organ der österreichischen Regierung seit Jahr »nd Tag den Dienst de» russischen Preßburea« besorgt — eben diese Neutralität ist eS auch, die wir in dem au» PodwoloczySka gemeldeten Factum, in dem Transporte russischer MunitionSwagen auf österreichischem Gebiete wiedererkennen." Ein Artikelchen de- „Offervatore Romauo", welcher zu beweisen scheint, daß in den Kreisen der Curie eigenthümlich« Hoffnungen an den orientalischen Krieg geknüpft werden, ist sebr be merkt worden. E» heißt in dem hoc.'officiösen päpstlichen Blatte: „Wir glauben mit einiger Begründung zu wissen, daß die ernsten Ver wickelungen, mit welchen der im Orient begonnene Krieg dem Frieden Europa» droht, sich mit großen Schritten und mit einer größeren Raschbeit als jener nähern, welche die VorauSsichtcn der Politik vernünfttyerweisc vermuthen ließen. Wir müssen diScret sein, glauben aber nicht zu viel zu sagen, wenn wir beifügen, daß die Gott feiudlichen Secten die Klauen deS preußischen Adler» schärfen, um ihn unvermuthet wie ein Blitz auf Frankreich loSzulasten, welche» in den Augen Jener die große Scduld hat, in seinem Sckoße eine so große An zahl großherziger, der Kirche Jesu Christi er- gebener Männer zu zählen. E» ist Satan, welcher neuerlich gegen Gott die freche Stirn emporhebt; aber die katholische Kcrche betet und hofft, daß auf dm Kopf de» Verworfenen bald Jene ihren jungfräulichen Fuß setzen wird, welche da nicht umsonst „die Hülfe der Christ«»" genannt wird und deren Macht «nd Triumph wer in dem laufenven Monate feiern." Der Fall von Ar da Han hat in russischen Kreisen eine nm so größere Befrtedignng hervor« gerufm, al» da» für die Türkei günstige Ereianiß von Snchnm-Kaleh auf die muselmännische Well einm Eindruck gemacht hatte, der gerade im Be ginn de» Krieges nicht ganz unterschätzt »erden konnte. ES ist der erste bedeutende Erfolg der russischen Truppen, und e- ist vorherzusehm, daß er auch für den weiteren Vorstoß gegen Karü «nd Erzerum von Bedeutung fein wird Rußlands
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