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Anzeiger. Amis»«» dis «mal. Vczirlsgmchts und des Ralhs dir Stadl LchM ^ 268. Mittwoch dm 25. September. 1861. Frische Lust. Unter dieser Überschrift nimmt ein Artikel der Nat.-Atg., der, wenn wir nicht irren, aus der Feder L. BucherS geflossen ist, da- wichtige schon öfter berührte, aber gewiß noch immer zu wenig be rücksichtigte Thema über verbesserte Ventilation in unseren Woh nungen und Versammlungsräumen wieder auf. Wir lassen den Artikel hier im Wesentlichen folgen: Im Staate Newyork, wenn wir uns recht entsinnen, werden Ueberbleibsel von vier Jndianerstämmen unter dem Namen der Vier-Nationen gehegt. Sie haben von ihren Nachbarn so viel angenommen, daß sie sich Holzhäuser gebaut haben, aber die Häuser haben an der einen Seite keine Wand. E« ist den Rothhäuten unerträglich, rings eingeschlossen zu sein; sie können nicht auf ein mal einen Schritt von einem Wigwam zu einem europäischen Hause thun. Eben so muß man in Europa sehr allmälig an die GlaSfrnster sich gewöhnt haben. Den Kindern, die hinter Scheiben geboren und aufgewachsen, wird es schon leichter geworden sein, Zimmerluft zu athmen. Die Kinder dieser Kinder müssen schon mit einer veränderten Körperanlage auf die Welt gekommen sein, und so ist ein Geschlecht entstanden, das die Fenster aufmacht, »wenn die Luft schön ist", bei schlechtem Wetter genug gethan zu haben meint, wenn ein Fenster so lange aufsteht, als das Rein- machrn dauert, das heißt, als der Staub und die durch Aus dünstung und Ausathmen erzeugten organischen Stoffe aufgerührt werden, die sich an Wänden und Meuble- abgelagert — wer hätte nicht den eigenthümlichen, auf die Lunge fallenden Geruch während de- AuSfegenS und Abstaub«- bemerkt? — ein Geschlecht, da- im Winter wohl in vierundzwanzig Stunden nicht einen ein zigen Trunk frischer Luft nimmt, ein Geschlecht, das die rothen Backen verlorm hat, ein Geschlecht, dem der Begriff des Athmens abhanden und mit all seiner naturwissenschaftlichen Gelehrsamkeit noch nicht wieder gekommen ist. Nur allmälig, wenn auch nicht so langsam, wie sie sich gebildet, wird die schlechte Gewöhnung wieder verschwinden. Mit der Jugend muß da- gute Werk be ginnen Von den 6 Stunden Katechismus in der Volksschule muß eine halbe Stunde für die einfachsten Begriffe und Regeln der Gesundheitspflege abgespaxt werden. AuS der Schule müssen die Kinder die Gewöhnung, den Genuß, die Freude an der reinen Luft in die Häuser der Aeltern bringen, aus dem Unterricht und der Erfahrung an sich selbst die unwissenden Einwendungen beant Worten, den gedankenlosen Spott zu Schanden machen, die Man darinen, die darüber grübeln, ob die Schwindsucht unter der Schul jugend nicht vielleicht vom Turnen herkomme, herzlich au-lach« lerne«. Einmal angeschlagen, wird die richtige Gedankenreihe sich selbst weiter treiben. öäeu» »nnn in eorpors onno, weiß jeder Quintaner zu übersetze»; über den umgekehrte« Satz aber bleibt dem Weisesten noch viel zu sage«: und am End« liegt der letzte Grund, weshalb wir mit der deutschen Einheit noch nicht zu Stande gekommen sind, in der schlechten Ventilation der Labora torien, in denen auf sie gearbeitet wird. Man kan« annehmen, daß in einer Stunde 20 Kubikfuß Luft durch die Lungen eine- erwachsenen Menschen gehen. Um in dieser wieder auSgeathmeten Quantität Luft die Kohlensäure nicht über 1 Procent steigen zu lassen, ist während einer Stunde ein Zuschuß von beinahe 80 Kubikfuß frischer Lust erforderlich, und um die Mischung unschädlich, gesund zu machen, ein fünfmal größerer. Mit anderen Motten, ein Mensch verdirbt in der Stunde beinahe 500 Kubikfuß Luft. Darnach lassen sich allerlei angenehme Exempel über Wohn- und Schlafgemächer, Schulzimmer, Gericht-locale unv Theater aufsteüen. »um Beispiel, der Sohn eine- Schul- director-, Stadtverordneten oder Vortragende» RatheS in dem Mi nisterium der geistlichen, Unterricht--, auch Medicinal - Angelegen Helten sitzt mit 49 andern Knaben, damnter einige mit Anlage zur Lungenschwindsucht, Pocken oder Cholera, in einem Elassen- zimmer, in de« aus jeden Schüler zehn Quadratfuß Flächenraum kommen e- giebt überfüllter« Elassenzlmmer — und da- 15 Fuß hoch ist, also jedem Einsassen 150 Kubikfuß Luft gewährt. Wie wird die Luft beschaffen sein, die der Knabe nach 1, 2, 3, 4 Stun den einathmet? Man hat die englischen Schulen bereisen lassen und au- ihnen allerlei katechetischen Trödel eingeschleppt; und jedem Touristen, der die Augen aufmacht, muß an dem Aeußern der englischen Schulhäuser als die hervorstechendste und nie fehlende Eigenthümlichkeit aufgefallen sein die eine oder andere Einrichtung für einen immerwährenden Zufluß frischer Luft. Ein Pfund Oel verzehrt, während e- verbrennt, den Sauer stoff von 13, ein Kubikfuß GaS von 10 Kubikfuß atmosphärischer Luft; beide Leuchtstoffe erzeugen eine erhebliche Masse von Kohlen säure, da- GaS, unter den angegebenen Verhältnissen, mindesten- ein« Kubikfuß. Um einen Raum zu ventiliren, da- heißt die Luft fortwährend in einem Zustande zu erhalten, in dem sie ohne Schaden für die Gesundheit geathmet werden kann, die an sich schädlichen Bestand- theile nie über da- ungefährliche Maximum steigen zu lassen, dazu sind, wie von selbst einleuchret, zwei Operationen erforderlich: ver dorbene Luft wegschaffen und reine zuführen. Wenigsten- muß da- jedem einleuchten, der die einfachsten Vorstellungen von der Luft besitzt und die einfachsten Anwendungen davon macht. Die Luft ist ein im höchsten Grad« elastischer Körper; je wehr sie zu- fammengedrückt wird, desto größer ihr Bestreben sich au-zudehnen. Soweit nur diese Eigenschaft der Elasticität im Spiele ist, wird ei« Partikelchen Luft auf seine Nachbarn einen eben so großen Druck au-übeü, al- e- von ihnen erleidet. Ist die Luft an irgend einem Puncte stärker zusammengedrückt, dichter, al- u«her, so wird ihre stärkere Elasticität daselbst den schwächere« Widerstand umher überwinden, bi- da- Gleichgewicht hergestellt ist. Wenn man also einen geschlossenen Raum durch ein» Hoffnung mit der Außenluft in Verbindung seht, etwa in einem Attnmer ein Fenster aufmacht, so ist die Wirkung, so weit sie durch die Elasticität be dingt ist, nur, daß etwa- von der innern Luft in- Freie dringt oder etwa- von der äußern in da- Zimmer, je nachdem sie innen oder außen dichter ist. Diese Bewegung wird aber nur so lange dauern, bis da-Gleichgewicht hergeftellt ist; sobald die-geschehen, wozu in der Regel nur ein Moment gehört, so findet kein weiterer Platzwechsel statt. Die Luft im Zimmer wird also in dem einen Falle einen kleinen Zusatz von äußerer erhaktm, in dem andern etwa- nach außen abgegeben haben, aber in ihren Bestandtheil« unverändert geblieben sein. Die erste Regel also ist, daß zum Ventiliren zwei Oeffnungen gehören, eine, welche die Luft abfühtt, eine, welche dm Abgang ersetzt. Auch zwei Oeffnungen üder- Kreuz anzubringen, etwa ein Fenster in der Vorder- und ein- ln der Hinterwand de- Hause- und dazwischen eine Thür zu öffnen, ist ein ganz unvollkommene-, barbarische- Verfahr«. Wmn e- draußen ganz still ist, wa- freilich sehr selten der Fall, so werden die zwei Oeffnungen nicht mehr bewirk«, al- die eine, ist aber e Außenluft auf da- Leiseste bewegt, so wird Zug entstehen, da heißt eine mehr oder minder heftige Strömung zwischen dm beiden O-ffnungen, die aber die Luft in dem übrigen Raume de- Aim- mer- sehr wenig afficirt, desto mehr in dem hiesig« Klima die Haut und die Nerv«.' In der Lhat geh« freilich diese Erscheinung« nicht genau so vor sich, weil eine andere Eigenschaft der Luft mit in da- Spiel kommt: daß sie sich in der Wärme au-dehnt, leichter wird, in die Höhe steigt. Und diese Eigenschaft ist e-, aus die eine rationelle Ventilation gegründet werden muß. Ans ihr ergiedt sich die zweite Grundregel, daß die zwei Oeffnungen in verschie dener Höhe sei« muff«, eine oben, noch- der Decke, d«ch welch« die erwärmte Luft entweicht, eine «nt«, nahe dem Fußboden, durch welche die kältere Außenlaft eindrinat. Dadurch entsteht auch kein Zug, namentltch wmn beide Oeffnungen sich in dersel ben Wand befind«. Die eindringende Luft wird allmälig sich über dem Fußboden verbreiten und von da anfsteigen, und marz