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Anzeiger. Amtsblatt des Kömgl. Bezirksgerichts und des Raths der Stadt Leipzig. M JA, Sonnabend den 7. Februar. 1863. Bekanntmachung. Die Crd- und Maurerarbeiten an einem 471 Ellen langen Schleusentracte, welcher in der Frankfurter Straße von der Kreuzung der Elsterstraße bis zu der Straße längs der im Bau begriffenen Armenschule und durch lehtre Straße bis zum Elstermühlgraben zu erbauen ist, sollen im Submisfionswege vergeben werden. Reflcctirende können Anschlagsformulare auf dem RathSbauamte in Empfang nehmen, woselbst auch die Profilzeichnungen einzusehen und bis zum LV. Februar ». v. die PrsiSforderungen versiegelt einzureichen sind. Leipzig, den 4. Februar 1«Ü3. - DeS Raths Bau-Deputation. Der Maskenball der „Glocke". Die altberühmte, weit über das Weichbild unserer Stadt hinaus reichende Anziehungskraft, welche allen gesellschaftlichen Vergnügungen der „Glocke* eigen ist, bewährte sich abermals recht glänzend bei dem am Mittwoch abgehaltenen großen Maskenball, zu welchem so viel Theilnehmer sich zusammengrfunden hatten, daß die Zahl derselben die 2000 wohl noch um ein paar Hunderte Lierschritten haben dürfte, während andern Hunderten, welche sich nicht rechtzeitig mit Einlaßkarten versehen hatten, ein furchtbares .Zu spät!" entgegendonnerte, gegen welches selbst das Anerbieten, dm sechs- und achtfachen Eintrittspreis zu zahlen, wirkungs los blieb. Das ganze Schützenhaus mit seinen weiten schönen Räumen, die in geschmackvollster Ausschmückung glänzten, war für den Maskenball zur Verfügung gestellt. Schon von früher Abend stunde an wogte ein wahres Meer von Masken durch Säle und Zimmer, über Treppen und Gänge aller Stockwerke, und bald entfaltete sich eine recht gemüthliche Stimmung. Die Anzahl der eigentlichen Charaktermasken war freilich nicht der Gesammtzahl der Masken entsprechend und der bequeme Domino machte sich öfter bemerkbar, als eigentlich zur Erhöhung des Vergnügens gut ist; dagegen ließen aber diese leichten, nicht auf Festhaltung de-Incognito berechneten Verhüllungen die erfreuliche Wahrnehmung machen, daß der Ball zu einem großen Theile von einem Publicum besucht war, dessen bloßes Erscheinen Bürgschaft war für den guten Klang, welchen gerade die Glocken-Maskenbälle überall sich er worben haben. Den Höhepunct der ersten Abtheilung des Balles bildete un streitig der große glänzende Feftzug, zu dessen Ausführung sich weit über 100 Menschen vereinigt hatten. An der Spitze desselben zogen in buntestem Costüme die Repräsentanten der fünf Erdtheile, ein jeglicher mit den charakteristischen Emblemen der letzteren, die in ebenso sinniger wie allgemein verständlicher Weise auSgewählt und ausgeführt waren. Unmittelbar an sie schloffen sich bildliche Darstellungen närrischer Begebenheiten von Sonst und Jetzt in sechszehn Gruppen, deren Erscheinen ausnahmslos mit lebhaftestem Beifall begrüßt wurde. Sowohl die harmlos autmüthigen Ver gleichungen zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart unseres gesellschaftlichen Lebens, als auch die etwas pikanteren Anspielungen auf gewisse politische Vorgänge und Persönlichkeiten erhöhten sicht lich die Festlust, und das den Schluß bildende Ballet der Findel kinder nebst großem Schlußtablcau setzte dem wohlgelungenen Ganzen die verdiente Krone auf. Die ungemeine Befriedigung, mit welcher die trotz ihrer Mannichfaltigkeit und AuSdehnungaufs Beste arrangirte Darstellung ausgenommen wurde, mag den Män nern, welche für Erzielung dieses Effects die großartigsten Mühen und Anstrengungen nicht gescheut hatten, als Ausdruck des Dankes gelten, auf welchen sie so berechtigte Ansprüche machen dürfen.' Um 11 Uhr erfolgte die Demaskirung, und die mit dieser Operation stets verbundenen Enthüllungen hatten natürlich manche heitere Scene im Gefolge. Es konnte nun auch dem regelrechten Tanze sein Recht ungeschmälerter als bisher zu Theil werden, und eS wmde von dieser günstigen Aenderung der umfassendste Gebrauch gemacht. Wer weniger begeistert für choreographische Strapazen war, fand in allen Räumen lockende Gelegenheit zu Imbiß und Trunk und auch in dieser Richtung soll, glaubwürdigen Berichten zufolge, im Laufe der Nacht von vielen Seiten recht Erkleckliches geleistet worden sein. Die Fülle der zur glänzenden Begehung des Abends aufgebotenen musikalischen Kräfte gestattete sogar später noch ein Tanzarrangement in den untern Räumen des Hauses und auch dieses AuskunftSmittel wurde eifrigst benutzt. Ueberall, wohin man auch blickte, waltete bei aller Ungebundenheit und Lust ein wohlthuender Anstand, dem es zu danken ist, daß auch nicht die geringste Störung den schönen Gesammteindruck des Feste- schmälerte. So verlief denn der Maskenball in wünschenSwerthester Heiter keit und Ungetrübtheit. Wie das an alle Narren unseres Welt- körperS gerichtete Programm durch seine zahlreichen witzigen Pomten ohne Zweifel eine nicht geringe Anziehungskraft ausgeübt hatte, so trug auch daS, wie wir hörten, aus derselben Feder geflossene und zum Besten der Armen verkaufte „Vollständige Handwöver buch und unentbehrlicher Wegweiser für Alle, welche den Maskenball der. Glocke besuchen" rc. nicht wenig zur Erheiterung der Fest- theilnehmer bei. Und wenn die Angabe diese« kleinen Lexikon«: „Schützen Haus ist die große Sparbüchse, in welcher die Leipziger ihr überflüssiges Geld am sichersten wissen," schwerlich der irgend Jemandem auf begründeten Widerspruch stoßen dürfte, so können wir getrost die Versicherung zufügen, daß die weitere Angabe des Büchlein-: „Woyne ist das Minimum des Wohlbehagens, welches jeder Besucher des Glocken - Maskenballes fühlen mutz " — gewiß für den größten Theil der Festgenoffen nicht blo- die Bedeutung einer leeren Redensart hatte. —r. VeffentUche Gerichtssitzungen. Leipzig, den 5. Februar. Ein mehrfach bestrafter Mensch stand gestern Nachmittag in der Person des Handarbeiters Friedrich Gott lieb Thielemann unter der Anklage eines einfachen Betrugs in ma terieller Concurrenz mit einem einfachen Diebstähle vor den Schran ken des königl. Bezirksgerichts. Aus Zeschen bei Merseburg ge bürtig, 42 Jahre alt, hat er, von Hause aus Dienstknecht, bereits die verschiedenen Criminalstrafen stufenweise kennen zu lernen Ge legenheit gehabt: nachdem er wegen Diebstahls eine längere Ge- fängnißstrafe erlitten, hatte er acht Jahre Festungsarbeit in Mag deburg wegen Straßenraubs (seiner Auffassung nach war es nur eine bloße Schlägerei gewesen: „er habe Einem aufgelauert und ihm den Buckel gehörig durchgehauen"), hierauf wegen Diebstahls drei Jahre Arbeitshaus in Köthen und zwei Jahre Zuchthaus zu Zerbst (bis 4. August 1862) verbüßt. » Zuletzt in Staßfurt in Diensten, suchte er AuSgangS December vorigen ÄahreS in hiesiger Stadt Beschäftigung. Als er indessen eine solche nicht fand, schickte er sich — am Sylvesterabend — zur Rückkehr in seine Heimath an. Vör dem Gasthofe zu Lützschena traf er einen Kutschwagen, von deffen^Führer, einem zwölfjährigen Knaben, ihm auf darum geschehene-Ansuchen erlaubt wurde, nach Gundorf mitzufahren. Unterwegs und ehe sie ihr Ziel erreicht hatten, vermißte plötzlich der Fahrgast seine Geldtasche nur 600 Thlr. Inhalt, welche er im Lützschbnaer Gasthose zurückgelaffen haben