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5-954 dessen anrückende Heeresmacht. Die- war nur der Anlaß zum Ausbruch jene- unseligen Kriege-, welcher Deutschland durch dreißig lange Jahre auf da- Schrecklichste verheerte, aber auf noch viel längere Zeit hinaus seine Macht und sein Ansehen nach außen schwächte und herrliche Provinzen lo-reißen ließ. Die Ursachen zu diesem Kriege waren aber schon längst vorhanden. Da- fried liche Zusammengehen des Papstthum- mit dem Protestantismus war eine absolute Unmöglichkeit, und ein Kampf entweder auf Leben und Tod oder bis zur gänzlichen Ermattung beider Theile war unvermeidlich. Dem Kurfürsten Johann Georg I. von Sachsen boten die Böhmen die Königskrone, über welche sie mit Recht frei zu verfügen hatten, an. Doch war dieser einerseits zu eifriger Anhänger de- Kaiserhauses und andererseits zu heftiger Gegner der Reformirten, wozu die Erlebnisse seiner Jugend und seine Erziehung während der krypto-calvinistischen Händel ihn gemacht hatten, und stand zu sehr unter dem Einfluß seine- kaiserlich gesinnten Beichtvaters, des Oberhofpredigers Hoe von Hoenegg, als daß er diesen entscheiden den Schritt gewagt und im Verein mit den übrigen protestantischen Ständen des Reich- dem Protestantismus in Deutschland die Ober hand verschafft hätte. Im Gegentheil ließ sich der Kurfürst durch die Aussicht auf die Erwerbung der beiden Lausitzen bewegen, dem Kaiser gegen die Böhmen und Schlesier zu Hülfe zu ziehen. Der Kurfürst besorgte wohl nicht mit Unrecht von Seiten der de» Böhmen zu Hülfe eilenden protestantischen Fürsten, von denen der Kurfürst Friedrich von der Pfalz zum König von Böhmen gewählt worden war, einen Einfall in seine Lande, und schon sehen wir ihn im September des Jahres 1618 in Leipzig mit der Musterung der Bürgerschaft und Ritterschaft zum Zweck einer etwa nothwendigen Verteidigung vorangehen. Zu eben diesem Zwecke traten im November die ständischen Ausschüsse in Dresden zusammen, von welchen die Anwerbung von Truppen beschlossen und die erforderlichen Mittel bewilligt wurden, und nachdem sich die böhmischen Umstände immer bedenklicher gestalteten, traten die Ausschüsse im Juni 1619 in Dresden abermals zusammen, um weitere Werbungen und Gelder zu berathen. Des Kurfürsten Politik war, eine bewaffnete Neutralität zu behaupten, welcher sich auch die übrigen Fürsten des obersächsischen Kreises auf einem in den ersten Tagen des Monats Febr. 1620 auf dem Leipziger Rathhause durch Abgesandte abgehaltenen Kreis tage anschlossen. Leipzig hatte zwar bis 1631 nicht direct durch feindliche An fälle zu leiden, aber gar manche andere durch den Kriegsftand veranlaßte Bedrängnisse lasteten schwer auf Stadt und Land. Durchmärsche, Einquartierungen, Werbungen, selbst für da- Heer des Kaisers (1625), schwere Abgaben, pestartige Seuchen waren nicht die einzigen Leiden. Eine den Wohlstand der Besitzenden ruinirende und die Unbemittelten dem Verhungern nahe bringende künstliche Theuerung trat noch hinzu und mochten den Jubel über die Siege des Kurfürsten in Schlesien sehr herabstimmen. Der Krieg und die Prachtlicbe des Kurfürsten verschlangen ungeheure Summen, welche durch die Auflagen allein nicht aufzubringen waren. Die Münzpächter mußten einen Pacht zahlen, welcher mit einem red lichen Gewinn nicht im Einklang stand, und verschlechterten die Münzen in dem Maße, daß sie nicht einmal 10 Procent ihres wahren Werthes mehr hatten. Dadurch erreichten die Preise der Lebensmittel eine Höhe, welche die uns bekannte der Theuerungs- jahre von 1817 und 1847 noch um ein Bedeutendes überstieg, ohne daß wirklicher Mangel vorhanden gewesen wäre. Der Mangel an kleiner Münze war so groß, daß der Rath Blechmünzen prägen ließ und die Innungen sich sogar blos mit dem Jnnungsstempel versehener Lederstückchen zum Auswechseln bedienten. Wer Ver mögen besaß, verlieh seine Eapitalien nur zu 20, 30 bis 40 Proc., und das noch vorhandene gute Geld wurde von den Wucherern und Mäklern entweder eingeschmolzen oder beschnitten. Seit dieser Zeit oatiren auch die Ausdrücke Kipper und Wipper, mit welchen Namen man die Geldbeschneider belegte. Neben den obrigkeitlichen Verordnungen, welche diesem Wucher-Unwesen steuern sollten, mußten auch zugleich weitere erlassen werden, um bedrohlichen Volksaufstä'nden gegen die Kivper und Wipper zuvorzukommen. Ferner wurde zu fleißigen Buß- und Betgängen ermahnt, die Fastnachtsmummereien verboten und gegen übertriebenen Luxus von den Kanzeln geeifert, um die Bedrängniß abzuwenden; aber das Beispiel der Gebietenden war nicht immer geeignet, da- Volk zur Befolgung jener Ermahnungen und Anordnungen anzueifern. Im Juni 1630 landete Gustav Adolph von Schweden in Deutschland und die fast allenthalben durch die Heere de- Kaiser unter Wallenftein und der Ligue unter Lilly darniedergeworfenen Protestanten schöpften neue Hoffnung. Nicht so der Kurfürst von Sachsen. Er sah in dem Schwedenkönig weniger einen Ver- theidiger der protestantischen Glaubensfreiheit, alS einen schlauen Politiker, welcher sich die deutschen Wirren zu eignem Vortheil zu Nutze machen wollte. Er glaubte durch eine Vereinigung der protestantischen Fürsten zu Schutz und Trutz dem Kaiser und den katholischen Fürsten zu imponiren und sie zur Zurücknahme des Reftitutionsedicts (dem Befehl zur Zurückgabe der geistlichen Stif tungen in protestantischen Ländern an die Katholiken) zu bewegen, und andererseits Gustav Adolph zu isoliren. Au diesem Zwecke schrieb er eine Versammlung der protestan tischen Fürsten und Reichsstädte nach Leipzig aus, welche auch wirklich am 10. Februar 1631 zusammentrat. Die Versammlung war nicht allein zahlreich, sondern auch glänzend ; der Kurfürst Johann Georg allein hielt seinen Einzug mit 300 Pferden, der Kurfürst von Brandenburg mit 173 Per sonen, der Kurfürst von Brandenburg zu Bayreuth mit 133 Per sonen, und so im Verhältniß die übrigen 14 Fürsten und Grafen, wie die 48 Vertreter der Reichsstände und Reichsstädte mit einem Gefolge von weit über 1000 Personen, von denen die Mehrzahl zu Roß. So lange die Versammlung tagte, sah man in Leipzig die Noch und Trübsal Deutschlands nicht: Gastereien, Jagden, Ballschlaaen, Ringelrennen, Fest- und Preisschießen und allerhand sonstige Lustbarkeiten wechselten während fast dreier Monate mit den ernstern Conventssitzungen, welche in der großen Hofgerichts stube des Rathhauses abgehalten wurden. Der Beschluß der Versammlung (welche am 3. April ihr Ende nahm), den Kaiser um Zurücknahme des Restitution- - EoictS zu bitten und sich zugleich im Weigerungsfälle zu rüsten, hatte nicht die allgemeine Zustimmung aller Mitglieder erhalten. Einige, z. B. Herzog Bernhard von Weimar, der Graf von Mannsfeld und Andere wünschten energischere Maßregeln und Anschluß an Gustav Adolph. Der Kaiser nahm den Beschluß, so schonend er auch abgefaßt war, sehr ungnädig auf, nicht minder der König von Schweden, welcher seine Hülfe verdächtigt und verschmäht sah. Kaum waren die schönen Tage Leipzig- vorüber, so begannen auch unmittelbar die ernsten. Schon während de- Convents hatte der Kurfürst, in Voraussicht der drohenden Gefahren, die Be satzung verstärkt, die Bürger gemustert, verschiedene Befestigungs arbeiten beginnen und Sicherheit-Maßregeln treffen lassen. Gleich nach den Osterfeiertagen trafen neue Verstärkungen ein, welche gemustert und vom Kurfürsten in eigener Person zur Tapferkeit und Treue ermahnt wurden. Schon am 16. Mai traf da- Ab mahnungsschreiben de- Kaiser- ein, alle Rüstungen einzustellen, widrigenfalls die renitirenden Stände die ReichSexecution zu ge wärtigen hätten. Die Stände antworteten ausweichend und — die Kriegsfurie ward über das ganze Deutschland entfesselt. Tillv hauste fürchterlich und nach der Zerstörung Magdeburgs bedrohte er Leipzig, von wo sich viele Universität-- und Rathsmitglieder, so wie die vermögenden Bürger, Angesicht- des geplünderten und verheerten Halle, Naumburg, Zeitz und der Landschaft, die Flucht genommen hatten. (Fortsetzung folgt.) Achtes Abonnement-Concert im Saale -es Gewandhauses. In diesem achten Concert ward viel und sehr Mannichfaltigcs geboten, darunter auch mehreres Neue, von dem vor Allem eine Symphonie von Carl Reinecke und eine Concert-Ouvertüre von Woldemar Bargiel näher zu betrachten sind. Es wäre uns sehr erwünscht, wenn wir sagen könnten, daß diese beiden Werke sich ihrem Inhalte nach auch als wirkliche Neuigkeiten be thätigt hätten. Das war jedoch nicht der Fall: beiden Werken hört man eS allzusehr an, daß es sich ihre Componisten ganz genau gemerkt haben, wie der und jener große «nd anerkannte Meister sich räusperte und wie er spuckte. Wir verkennen bei der Symphonie von C. Re in ecke durchaus nicht die Tüchtigkeit der Arbeit im Harmonischen und Formellen; für uns bleiben diese Vorzüge jedoch stets nur die Mittel zu einem höheren Zweck, und ein solcher wird in dieser Symphonie bei dem Mangel an einem originellen Inhalt, oder auch nür an einer von wahrer Begeiste rung gehobenen Nachbildung der Vorbilder Mendelssohn und Gadc, nicht erreicht. Nehmen wir da- freundliche und gefällige, wie-