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432 Schluß. nächst der Umstand Schuld, daß man auch das Gesetz, nach dem das Relief der Erde gebildet ist, nicht kennt. Der Gedanke, daß alle Naturerscheinungen unter einander im Zusam menhänge stehen, ist nicht neu, denn wir finden ihn schon bei den Systemen der altgriechischen Philosophen; aber während diese glaubten, nach Zugrunde legung einiger einfachen Sätze alles Uebrige durch Bernunftschlüsse daraus ableiten zu können, sehen wir bei Humboldt den entgegengesetzten Weg: er versuchte stets Hand in Hand mit der Erfahrung erst die Normen zu er mitteln, nach denen die Naturerscheinungen eintreten, um damit möglich zu machen, die wirkenden Ursachen abzuleiteu. Wohl mag der erstere Weg der bequemere, der einfachere sein, der letztere ist dafür sicherer. Wer bürgt da für, daß die angenommenen Ursachen auch die richtigen sind, und wie sieht cs mit den Schlüssen aus, wenn man von falschen Prämissen ausgeht? Selbst angenommen, man habe durch einen glücklichen Wurf de» innern Zusammen hang der Dinge wirklich crratheu, muß nicht der erste Fehler, und wie leicht ist ein solcher gemacht, alles Nachfolgende unrichtig machen? Muß mau sich nicht alsbald verirren, sowie man im Labyrinthe der Erscheinungen den Ari adnefaden der Erfahrung verliert? Der Erfolg gestattet uns die Antwort auf diese Fragen. Bisher sind noch alle naturphilosophischen Systeme ohne eine Frucht getragen zu haben zersplittert, während das, was man von den Problemen der Naturerscheinungen enträthselt hat, einzig und allein der Be obachtung zu verdanken ist. Ich habe im Vorstehenden oft Gelegenheit gehabt, darauf hinzuweiseu, wie durch übertriebene Anwendung an und für sich vorzüglicher Leistungen so manche irrthümliche 'Ansicht sich in die Wissenschaft eingeschlichen hat, und daß, nachdem der Jrrthum erkannt wurde, sich leicht eine Neigung zu erken nen gab, von den ans diesen Leistungen abgeleiteten Schlüssen nicht nur die irrthümlichen wcgzustreichcu, sondern noch einige berechtigte dazu. Etwas Aehnliches scheint mir auch bei der Philosophie stattznfiuden. Durch die Werke des unsterblichen Kant veranlaßt, hatten die Deutschen am Ende des vergangenen und am Anfänge dieses Jahrhunderts eine Vorliebe für die idealistische Philosophie gefaßt, deren übertriebene Anwendung auf die Na turwissenschaften zum großen Theile die Schuld trägt, daß bei den bedeuten den Entdeckungen der damaligen Zeit die Deutschen nicht in der Weise ver treten sind, die man sonst zu gewahren gewohnt ist. Dafür ist in der gegen wärtigen Zeit bei den manchfachen Widersprüchen zwischen den Ergebnissen der Philosophie und den Ansichten der empirischen Naturforscher, die Philo sophie wohl etwas mehr in Mißcredit gekommen, als ihr gebührt.