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36 Aus dem Morgenlande. während meines Aufenthaltes im Museum von Gizeh mein Blick zufällig auf zwei beschriebene Holztafeln fiel, die sich in einer der obersten Abteilungen eines Kastens mit ägyptischen Antiken halb versteckt vorsanden. Auf meine Bitte wurden sie aus ihrem Verließe geholt und mir die Gelegenheit ge boten, sie in aller Ruhe unter dem Lichte der klaren ägyp tischen Sonne zu prüfen. Jede der beiden Tafeln hat eine Länge von etwa einem Fuße, die Höhe eines halben Fußes, und auf beiden befindet sich an der oberen Längsseite eine kleine E>ffnung, als ob man ehemals eine Schnur dadurch gezogen habe, um sie mit Bequemlichkeit, etwa wie ein Schüler seine Rechentafel, zu tragen oder an einen Nagel aufzuhän gen. Beide Tafeln sind mit einem Gipsstuck überzogen ge wesen, der vollständig geglättet erscheint und heutzutage eine schmutzige, wachsgelbe Färbung angenommen hat. Sie waren auf beiden Seiten beschrieben, wobei es sich mir bald heraus stellte,daß diedick aufgetragenen Züge fast nur Ziffern in kolon nenartig angeordneten Berechnungen enthielten. Ein großer Teil der Schrift erscheint verwischt, allein dieser Übelstand ist nicht beklagenswert, da derselbe Gegenstand meist drei- bis viermal wiederholt entgegentritt, so daß eine gegenseitige Prüfung die vollständige Herstellung der Grundrechnung ge stattet. An dem Rande beider Tafeln befinden sich lange Namensverzeichnisse von Personen, die, wie die Zahlzeichen, in altertümlicher Schrift ausgeführt find und deren Ursprung nur der elften oder zwölften Dynastie, d. h. etwa der Mitte des 3. Jahrtausends, angehören kann. Das geht nicht bloß aus dem Schriftcharakter selber, sondern noch vielmehr aus einzelnen Namensformen hervor, welche mit denen bekannter Könige jener Epoche identisch sind. Ich nenne an dieser Stelle die drei auffallendsten, nämlich Gutes, Amenemhet und Ufurtisen. Es kann somit über das angegebene Alter jener merkwürdigen Tafeln kein Zweifel obwalten und wir sind dadurch in die Lage gebracht, den Ursprung der Rechnungen selber in jene uralte Zeit zu versetzen.