AuS dem Morgenlands. 141 Es gab bei den alten Ägyptern ein religiöses Gesetz, welches drei Forderungen an den sittlichen Menschen stellte. In erster Linie handelte cs sich darum, die Götter zu preisen und ihnen zu danlen, an zweiter Stelle die Menschen zu lieben und zuletzt als dritte Bedingung die Toten zu ehren. Praktisch übertragen lauteten dieselben Gebote: Alles zu thun im Leben, was den Göttern lieb und angenehm war; in Be zug auf die Menschen: zu spenden dem Hungrigen Brot, dem Durstigen Wasser, dem Nackten Kleider und den Verirrten auf den rechten Weg zu führen; in Bezug auf die Toten: schöne Gräber herzurichten und den Verstorbenen an den Fest tagen des ägyptischen Jahres die regelmäßigen Totenopfer darzubringen. Und dieses letzte Gebot wurde in Ägypten in reichster und ausgedehntester Weise befolgt. Die Gräber sind zum Teil heute noch, wenn auch nur in Ruinen, vorhanden, aber selbst diese Trümmer sind bedeutsam genug, um uns einigermaßen eine Vorstellung von der Pracht und Herrlich keit der Stätten der Toten zu gewähren. Damit hing zu sammen» daß nach ägyptischer Anschauung die Häuser der Lebendigen nichts weiter sein sollten als Antichambres der Ewigkeit. Deshalb finden wir in Ägypten unendlich wenig Sorgfalt auf das eigene Haus, destomehr aber auf die „Woh nungen der Ewigkeit", wie sie auf den Denkmälern heißen, d. h. auf die Gräber, verwendet. Wenn heutzutage ein Reisender (ein wissenschaftlick>er so wohl wie der gewöhnliche Tourist) seine Nilfahrt durch Ägypten zurücklegt und an den Hauptstellen, an welchen sich in der Altzeit große Städte befunden haben, die Altertümer, wie sie noch vorhanden sind, einer näheren Prüfung unterzieht, so drängt sich ihm unwillkürlich die Beobachtung auf, daß er eigentlich keine wertvollen Überreste von dem findet, was man heutzutage Städte, Häuser und Wohnungen nennt; daß die vor handenen Altertümer sich nur beschränken: in erster Linie aus die Tcmpelbauten, in zweiter auf die zahlreichen Grabanlagen. Ich bin im Zweifel und würde in Verlegenheit geraten,