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-512 sei. Sein Wallenstein ist durchaus originell, bis in den kleinsten Zug unabhängig von dir Tradition, d>e uns von den Originalen der großen Künstler früherer Zeit überkommen sind. Das qanze große Charakterbild des Helden, das in der Ausführung des Dich» ters an Kraft, idealer Schönheit und Wahrheit seine- Gleichen sucht, ist von dem berühmten darstellenden Künstler von Grund aus neu angelegt und ausgearbeitet. Cs ist damit bewiesen, daß der Stoff, den die klassischen Werke dem Darsteller darbieten, trotz der vielfachsten Ausbeutung noch lange nicht erschöpft ist, und daß ein Genie selbst diesen so sehr oft gespielten Rollen immer und immer wieder neue Seiten abgewinnen kann. Wie alles Neue, so konnte vielleicht auch Herrn DawisonS Wallenstein anfänglich fremdartig, selbst unbequem erscheinen; aber nur im allerersten Anfänge war das möglich, denn mit rap'dester Steigerung nach dem elften Höhepunkt der Rolle im dritten Theile der Trilogie (Monolog vor dem Auftreten Wrangels) zveilend, schlug der Künstler schon hier alle etwaigen, eben nur aus dem Ueberraschenden der neuen Erscheinung entspringenden Bedenken nieder. In diesem Monolog bereits stand Herr Dawison auf einer Höhe, von der aus eine weitere Steigerung nur einer außer» ordentlichen künstlerischen Kraft möglich ist. Und so ging es dann in immer glänzender werdender Entwickelung deS Charakters weiter; der berühmten Erzählung deS Traumes vor der Lützener Action folgten Schlag auf Schlag die großen Momente der folgen den Acte: sie meisterhaft durchgeführten Scenen mit den Frauen, mit Terzky, Jllo und Buttler im dritten Act, der Monolog „Du hast'- erreicht, Octavio", wie die mit höchster Naturwahrheit ge gebenen ruhigeren Scenen, bis das Ganze der schönen Kunst leistung mit der stets tief ergreifenden und bei solcher Wiedergabe einen unverlöschbaren Eindruck hinterlassenden letzten großen Scene abschloß. Alle die Einzelnheiten dieser Leistung zu berühren ist unmög lich; wir können nur sagen, daß eine jede derselben originell, des Künstlers würdig war, daß bei seiner Darstellung alle die ver schiedenartigsten Elemente — die großen Eigenschaften und die Irrtbümer des Helden, die hohe Würde des Feldherrn, der maß lose Ehrgeiz und Stolz, diplomatische Schlauheit und plötzlich auf wallender Zorn, wie die zarten Regungen Wallensteins dem Max und seiner Familie gegenüber — in der schönsten Harmonie ver eint waren. Was im Uebrigen die Aufführung des Trauerspiels betrifft, so haben wir erst vor nicht langer Zeit über die Leistungen der betreffenden Darsteller gesprochen. Nur der Buttler des Herrn Kühns sei als eine ganz besonder- hervorragende TalentS-Kund- gebung wiederholt erwähnt. — Neu besetzt war von den bedeu tenden und in erster Reihe stehenden Rollen die der Thekla. Wir können der Darstellerin derselben, Fräulein Remosani, für die verständige und poetische Wiedergabe der großen Scene der Thekla die vollste Anerkennung zollen. F. Gleich. Universität. —-n. Leipzig, den 19. December 1861. Gestern fand eine medicinische Doctordisputation statt, bei welcher die zum Grunde gelegte Dissertation zum ersten Male vollständig in deutscher Sprache geschrieben war. Der Doktorand hatte seine Arbeit folgendermaßen benannt: „ReodaebtuvAen über Lebarlaoli. loauAirralsebrikt mit 2u »timmuoß der medieiuisebeu k'aeultät der Universität I^eiziLib 2ur LrlrmAunA 6er Doelorveürde der Uedioio, OtüruiAie uud Oeburtsbilke verkässt uud unter Vorsitze cies Herrn Dr Obristiau ^.dolpb ^Veudler, Rrokessor 6er stzaatzsarrueikuude, Uedieiualratzb, Ritter ete. am 18. De eember 1861 im Auditorium duridieum öKentlieb ver- tzdeidiZtz von lleinriob Ru edler, daeeal. med. aus Dresden. Deixeig. Aus dem ebenfalls deutsch geschriebenen angehängten Durri- eulum vitae erseben wir, daß der Verfasser ein Sohn des frü heren Bürgermeisters der Stadt Dresden, C. B. Hübler, ist. Heute promovirte der bisherige daee. med. Wolfqang Riet- schel, ein Sohn des berühmten Bildhauers in Dresden, mit einer lateinischen Dissertation über die Epidemie von anno 1661 u. s. w., verglichen mit dem heutzutage auftretenden Abdominal typhus. Die Schrift ist zugleich zur Jubelgabe für bas fünfzig jährige Doctorjubiläum seines Großvater- mütterlicher Seite, Ge heimrath Carl Gustav Carus in Dresden bestimmt. Carus ist 1789 zu Leipzig geboren, wurde 1804 inscribirt, studirte seit 1806 Medirin und wurde der erste Assistenzarzt des Trier'schen Instituts (Oktober 18t0 bi- August 1813), Director eines französischen Hospitals (1813) u. s. w. Jubiläum. Heute den 20. December feiert die Buchhandlung von Wilh. Engelmann da- 50jährige Jubiläum ihre- Bestehen-. Der gegenwärtige Inhaber derselben ist Herr Wilh. Sngelmann feit September 1839, Ehrendoktor der Philosophie der Universität Jena (vom Jubelfeste 1658), bekannt als Sammler und Kenner seltener Kunstblätter, namentlich von D. Chodowiecki, über dessen „Werk" er eine treffliche Monographie herausgab, endlich als einer unserer ersten Bibliographen. Sein reicher Verlag ist ein durchweg äußerst gewählter und wissenschaftlicher. Geffentliche Gerichtssitzung. Der Barbiergebülfe Ernst Theodor Scheidemantel aus Weimar, den die am 19. d. Mts. unter Vorsitz des Herrn Gericht-rath Dr. Herrmann abg-baltene Hauptverhandlung betraf, erhielt in der lehlverflossenen Michaelismesse von seinem Principal- den Auf trag , von einer Mehrzahl Kunden, die in der Zeit von Johannis bis Michaelis fällig gewordenen Barbiergelder einzucassiren. Schei- demantel kam diesem Auftrag prompt nach und cassirte die Gelder auch baldigst «in; allein nicht so eilig zeigte er sich mit der Ablie ferung der eincassirten Gelder an seinen Principal, vielmehr fehlte ihm deren ganzer Betrag von 16 Thlr. 7 Nqr. 5 Pf., als er zur Ablieferung angehalten werden sollte. Wohin die Gelder gekom men seien, wollte Scheidemantrl selbst nicht bestimmt anzugeben wissen. Am lebten Meßsonntage, sagte er, sei er mit einem Bekannten in einer hiesigen Tanzwirthschaft gewesen, habe das sämmtliche Geld seines Principals so wie mehrere Thaler von seinem eigenen in einem Portemonnaie bei. sich geführt und letztere- in seiner Rocktasche stecken gehabt. Bei Bezahlung seiner Zeche habe er sich noch von dem Vorhandensein de- sämmtlichen Geldes über zeugt, nach seinem Weggang aus jener Wirtschaft aber habe er auf der Straße bemerkt, daß das Portemonnaie mit gesammtem Inhalt verschwunden sei; ob gestohlen oder verloren wisse er nicht. Anstatt nun aber Schritte zur Wiedererlangung des Geldes zu thun, nötigenfalls Anzeige zu machen, wie man unter solchen Verhältnissen wohl hätte erwarten müssen, verfügte sich Scheide mantel mit seiner Geliebten, seiner Wirthin und einem Bekannten alsbald in eine zweite Wirtschaft, blieb hier bi- spät in die Nacht, erzählte auch nickt ein Wort von seinem angeblichen Ver luste, sondern war ganz beiter und fidel. Ja er erhielt von seiner Liebsten zuvor noch auf Ersuchen ein Darlehn von 20 Thlr., weil er vorgab, daß er kein eigne- Geld besitze und das seines Prinzipals nicht angreifen dürfe, verschwieg also auch hier seinen angeblichen Verlust ausdrücklich. Daß überhaupt sein ganzes Anführen, das Geld verloren zu haben, oder daß es ihm gestohlen worden sei, eine bloße Erdich tung war, zeigte auch fein Benehmen und Verhalten am darauf folgenden Tage. Er fand sich nicht nur zur gehörigen Zeit bei seinem Principal nicht ein, sondern schickte demselben auch einen Brief zu, worinnen er meldete, daß er nach Weimar gereist sei, um Geld zum Ersatz zu holen, gleichzeitig aber seinen Principal bat, ihn nicht unglücklich zu machen. Aber auch diese Reise war nicht- al- ein leere- Borgten; Scheidemantel war nicht nach Weimar gereist, hatte sich vielmehr auf verschiedenen Dörfern Herum getrieben. Das Unterbleiben der Reise suchte er durch seine Befürchtung zu rechtfertigen, man werde nach Weimar telegraphiren und ihn verhaften lassen; er habe daher seine Aeltern einem solchen Strecke nicht aussetzen wollen. In der Voruntersuchung hatte er freilich einen ganz andern Grund hierfür angegeben; da sollte es seine schleckte Kleidung gewesen sein, die ihn verhindert habe, die Reise in seine Vaterstadt zu unternehmen. Der Gerichtshof hat Scheidemantels Schuld, daß er die fraglichen Gelder, von denen jedoch 3 Thlr. rückständiger Lohn zu kürzen waren, unter schlagen habe, für erwiesen angesehen und denselben zu 3 monat lichem Gefängniß verurtheilt. Die k. Staatsanwaltschaft war durch Herrn Staat-anwalt Barth, die Vertheidigung durch Herrn Adv. Gustav Simon vertreten. Luc Tageschrontk. Leipzig, den 19. December. In der hiesigen Gasanstalt hat sich heute früh folgender, glücklicher Weise von keinen nam haften schlimmen Folgen begleiteter Unfall zugetragen. Die den großen Gasometer umgebende Erdaufschüttung ist durch eine Futter mauer geschützt, welche letztere erst im Laufe des jüngstvergangenen Herbstes aufgeführt worden und deshalb zeither noch durch eine an dem Maschinengedäude angebrachte Steife gestützt gewesen ist. Heute früh waren mehrere Arbeiter damit beschäftigt, zwischen der gedachten Futtermauer und dem Maschinengebäude ein größe- eisernes Behältniß von der Stelle zu schaffen. Da dasselbe unter der angebrachten Steife nicht durchzubringen gewesen war, hatte einer der Aufseher die einstweilige Wegnahme der letzteren äuge- ordnet. Nachdem jedoch die Steife in Folge dieser Anordnung entfernt worden war, konnte die Futtermauer dem Drucke der in Folge der letzten Regentage erweichten und schwer gewordenen