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6510 hat, die Humusschicht auf dem Areale sehr dünn ist und durch die Ausschachtung dessen künftige Wiederbestellung fast unmöglich wird, btfchloß die Versammlung auf Antrag des Ausschusses einstimmig, di« betreffende Bedingung wieder fallen zu lassen. 3. die vom Rath geforderte Zustimmung zum Zuschlag an die Meistbütenden bei der erfolgten Licitation von vier Parzrllen in Gohliser Flur. Diese an dem Fahrwege nach Möckern gelegenen, ursprünglich zur Gohliser Mühle gehörigen Parzellen sollten nach Beschluß des Raths mit Zustimmung des Collegiums als Bauplätze zur Lici tation gelangen. Es sind auf dieselben nach Anzeige deS Raths folgende Höchst gebote erlangt worden. Auf Nr. I. 360 Thlr. - II. 3.0 - » III. 330 - - IV. 360 s 1360 Thlr. Summa. Der Rath hat beschlossen die Parzellen den Meistbietenden zuzuschlagen. Auf ein erst nach Beendigung der Versteigerung gethants Nackgedot von 710 Thlrn. für die Parzellen I. und II. glaubte derselbe, um die städtischen Licitationen nicht durch An nahme von Nachgeboten zu discrediliren, nicht eingehen zu sollen. Der Ausschuß schlug in Betracht, daß Bauplätze in GohliS sehr gesucht sind und die erlangten Höchstgebote dem Werthe der Parzellen kaum entsprechen dürften, vor: die Zustimmung zum Zuschläge abzulehnen. Herr Hey empfahl den Beitritt zum ablehnenden Vorschlag des Ausschusses, da die betreffenden Parzellen mehr werth seien, als die geihanen Gebote vermuthen ließen. Die Zustimmung zum Zuschläge wurde einstimmig abgelehnt. (Fortsetzung folgt.) Weihnachtsgeschichten. Auf dem Lunde. I. Das SchulhauS, ein altes einstöckiges Gebäude, liegt in der Umzäunung des Friedhofs. Es ist fttll wie die Gräber, die mit einer flimmernden Schneehütte bedeckt sind. Die starren Zweige der Linde, die das Dach überaqt, seufzen in dem eisigen Abend winde, der in kurzen Stößen über das Feld saust. Das Kirchlein mit dem klassischen stumpfen Thurme, ein Denkmal der Baukunst auS dem Mittelalter, erhebt sich in kurzer Entfernung dem Hause gegenüber. Seine Fenster blitzen im kalten, funkelnden Sternen licht? und die Wetterfahne auf der Firste des spitzen Giebels stößt von Zeit zu Zeit einen melancholischen Schrei aus. Es ist Christabend. Die Glocke auf dem Thurme verkündet die sechste Stunde. Der Nordost trägt die Hellen Schläge über das Dorf hin, das sich am Fu^e des Kirchhofshügels ausbreiter. In dem Stübchen des Schulhauses saßen zwei Männer am warmen Ofen. Der jüngere, ein Mann von vielleicht siebenund zwanzig Jahren, schrieb beim Scheine einer großen Zinnlampe Noten. Er schrieb rasch und emsig. Sein feines weißes Gesicht verrieth die Ungeduld, mit der ec die Arbeit vollendete. Der An dere, ein Greis, saß still im Lehnstuhle, gemächlich die Abend pfeife schmauchend. Eine alte Bäuerin, die Wirtschaft ordnend, kam und ging. — Philipp, sagte der Alte, stelle nun die Arbeit ein. Es ist heiliger Christabend, und wer sich, wie Du, die ganze Woche weidlich abmüht, kann wohl rasten. Thu' mir's zu Liebe, mein Sohn! — Ich bin fertig, Vaterl Zwei Thaler wären verdient. Morgen kann d»e Baronesse ihre Sonate spielen. Er legte die Noten auf das kleine Clavier, daS ihm zur Seite stand. Philipp Klär war der Schulmeister und Cantor des Dorfs; sein Vater, dem er im Amte folgte, hatte einen JahreSgehalt von fünfundachtzig Thalern bezogen und Philipp erhielt, weil man die Gehalte „aufgebessert", hundert Thaler. Seit drei Jahren lebten Vater und Sohn friedlich unter einem Dache; sie kümmerten sich wenig um die Ereignisse in der großen Welt. — Nun geh, Philipp, zu dem Schulzen, der Dich zur Christ- bescherunq eingeladen hat. Du kannst nicht ausweichen, wie im vorigen Jahre, ohne den braven Mann zu kränken, der mir ein langjähriger Freund ist. Wäre es nicht zu kalt, ich würde Dich begleiten. Du kennst ja das Leiden, das mich an den Lehnstuhl fesselt. Geh' mit Gott, zerstreue Dich, mache Dir einen heitern Abend. — Und Du, Vater? — O, mir ist eS lieb, wenn gerade an diesem Abende Alles ruhig um mich ist! rief der Alte. Der heilige Christabend ist mir eine eigene, eine wunderbare Zeit. Ich schließe die Augm und träume. Du kennst ein solche- Träumen nicht, Mein Sohn, Du bist noch viel zu jung. Dein Geist kann sich nicht ab schließen von der Außenwelt, denn er hegt noch Wünsche und Hoffnungen, deren Erfüllung ihn glücklich macht. Mit mir ist das ander-, ich wünsche und hoffe nicht- mebr, ausgenommen, daß Du recht glücklich werden mögest. Da sitze ich denn nun in meinem Lehnstuhle und schließe die Augen. Die Erinnerung er wacht und führt mir vergangene Dinge und Leute vor. DaS ist mein Christbaum, den mir die Erinnerung anzündet. Er leuchtet oft gar hell und macht mir große Freude. Geh', Sohn, ich werde den heiligen Abend nach meiner eigenen Weise verleben, wie schon so oft, als du in der Stadt das Gymnasium und daS Seminar besuchtest. Du thust mir einen Gefallen, fügte Vater Klär hinzu, als er sah, daß Philipp unschlüssig am Fenster stand. — In diesem Falle, Vater, werde ich gehen. Philipp betrat die Kammer, kam nach einigen Augenblicken angekleidet zurück, reichte dem Greise die Hand und ging. — Der arme Junge! murmelte Vater Klär vor sich hin. Sagt er auch, daß er sich nicht verheirathen wolle, weil unsere Einnahmen zu gering seien, um eine dritte Person zu ernähren, so müßte ich doch mit Blindheit geschlagen sein, wenn ich nicht begreifen wollte, daß ein stiller Gram an seinem Herzen nagt. Schulze'- Lenore, daS schöne, brave Mädchen, wäre nun eine Frau für ihn, wie sie sich ein Schulmeister nur immer wünschen kann; aber Philipp hat dessen nicht Acht, er will die Winke nicht ver stehen, die ich ihm so oft gegeben habe Die alte Uhr mit dem metallenen Zifferblatt«, die auf einem Postamente an der Wand stand, ließ zwei leise Schläge ertönen. — Halb sieben! murmelte der Greis vor sich hin. Nun wird's Zeit, daß ich die Haushälterin fortschicke. Marthe! Marthe! rief er laut. Ec rief so laut, daß seine Stimme zitterte. Die Gerufene trat rasch ein. — Kannst gehen, Marthe, zu Deiner Schwester. Nimm den Korb mit, er enthält Aepfel und Nüsse für die Kinder. S,i fröhlich und guter Dinge, und komme glücklich um zehn Uhr heim. Marthe gab dem Feuer im Ofen noch einmal Nahrung und ging. Die Thür draußen knarrte, und Vater Klär befand sich allein in dem Schulhause. Lange saß er unbeweglich an seinem Platze. Die Pfeife war ihm ausgegangen, er stellte sie bei Seite. Nun faltete er die Hände und schloß die Augen, als ob er auf die Erinnerung wartete, die ihm den Christbaum anzünden sollte. Die Uhr schlug drei Viertel. — Noch eine Viertelstunde! murmelte der Greis. Mir ist heute so bange, so wunderbar zu Muthe wie noch nie. Die alten lieben Gestalten, die sich sonst am Christabende um meinen Lehn stuhl drängten, bleiben heute auS. Ich sehe sie wohl in der Ferne umherirren, aber ich kann sie nicht festhalten. Sie sind ungewisse Schemen, Irrwische, die mich necken. Ich bin wieder um ein Jahr älter geworden, und in meinem Ledensstadium ist ein Jahr ein bedeutender Zuwachs. Mit dem Körper altert der Geist, beide werden schwächer. Ach, und wie kurz erscheint mir daS lange Leben, das hinter mir liegt. Ich habe nun dreißig Christabende in diesem einsamen Schulhause verbracht. Der erste war glücklich, sehr glücklich. Da brannte auf dem Tische ein prächtiger Lichterdaum, den ich mit meiner Marie herausgeputzt. Es war acht Tage nach unserer Hochzeit. Wir freuten uns wie die Kinder, und wenn ich meine junge hübsche Frau fragte. Marie, wie wird eS am nächsten Christabende bei uns aussehen? Da sank sie «röchen d an meine Brust und weinte. Sie weinte so heftig, daß ich sie trösten mußte. Der zweite Chr»stabend kam. Draußen auf dem Hausflur brannten zwei Wachskerzen, sie brannten an dem Sarge meiner Marie. Und in der Kammer dort rang mein zarte- Söhnlein mit dem Tode. WaS mir der Herr ein Jahr zuvor bescheert, nahm er mir an jenem Abende wieder. Der Name des Herrn sei gepriesen! fügte er fromm hinzu, sein kahle- Haupt entblößend. Was er thut, da- ist wohl gechan! — Der Schmerz raubte mir fast die Besinnung. Ich saß dumpf brütend in diesem Stuhle. Von Zelt zu Zeit ging ich hinaus, um nach meinem WeihnachtSbaume auf der Hausflur zu sehen. ES war so traurig still in dem kalten Hause... ich be fand mich mit meiner Mutter allein, die da- kranke Kind pflegte. Meine Schritte hallten wieder wie in einer Todtengruft. Die alte Uhr dort schlug auch drei Viertel auf sieben, als meine Mutter auS der Kammer trat und mir mein Söhnlein, daS noch nicht getauft war, brachte. ES war tobt! Es hatte die Mutter nur um drei Tage überlebt. Nun wußte ich, warum meine Marie da- Jahr zuvor so bitterlich geweint hatte! Die Thränen des Schmerzes an einem Christabende sind bedeutungsvoll, da lasse ich mir nicht nehmen! Man soll sie ja trocknen, wer so glücklich ist, sie trocknen zu können. Und wer eS vermag, Freuden- thränen zu erwecken, der erwecke sie, denn solche Thränen bringen Glück. Wer konnte an jenem Abende meine Thränen trocknen? Kein Sterblicher! Aber der Herr hat sie getrocknet. Ich saß mit meiner Mutter an jenem Tische dort. Die alte Frau la- mir auS der Bibel vor. Da klopfte «S an da- Fenster, leise, dann, als wir nicht antworteten, stärker. ES klopfte drei Mal.