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48 Eins ist, bei dem folglich nichts ohne Wirkung bleibt, und jede Wirkung nicht einen Theil sondern das Ganze ergreift, durch äußere Mißverhältnisse gestört wird, bedarf nicht ferner erinnert zu werden. Dennoch hängt von der Ausbildung des weiblichen Charakters in der Gesellschaft so unendlich viel ab. Wenn es keine unrichtige Vorstellung ist, daß jede Gattung der Trefflichkeit sich — wenn ich so sagen darf — in einer Art der Wesen darstellt; so bewahrt der weibliche Charakter den ganzen Schatz der Sittlichkeit. Nach Freiheit strebt der Mann, das Weib rkbch Sitte, und wenn, nach diesem tief und wahr empfundenen Ausspruch des Dichters, der Mann sich bemüht, die Lußeren Schranken zu entfernen, welche dem Wachsthum hinderlich sind; so zieht die sorgsame Hand der Frauen die wohlthätige innere, in welcher allein die Fülle der Kraft sich zur Blüthe zu läutern vermag, und zieht sie um so feiner, als die Frauen das innere Dasein des Menschen tiefer empfinden, seine mannigfaltigen Ver hältnisse seiner durchschauen, als ihnen jever Sinn am willigsten zu Ge bote steht, und sie des Vernünftelns überhebt, das so oft die Wahrheit verdunkelt. Sollte es noch uothwendig scheinen, so würde auch die Geschichte diesem Raisonnement Bestätigung leihen, und die Sittlichkeit der Nationen mit der Achtung des weiblichen Geschlechts überall in enger Verbindung zeigen. Es erhellt demnach aus dem Vorigen, daß die Wirkungen der Ehe eben so mannigfaltig sind, als der Charakter der Individuen; und daß es also die nachtheiligsten Folgen haben muß, wenn der Staat eine, mit der jedesmaligen Beschaffenheit der Individuen so eng verschwisterte Verbindung, durch Gesetze zu bestimmen, oder durch seine Einrichtungen, von andern Dingen, als von der bloßen Neigung, abhängig zu machen versucht. Dies muß um so mehr der Fall sein, als er bei diesen Be stimmungen beinahe nur auf die Folgen, auf Bevölkerung, Erziehung der Kinder u. 1. f. sehen kann. Zwar läßt sich gewiß darthun, daß eben diese Dinge auf dieselben Resultate mit der höchsten Sorgfalt für das schönste innere Dasein führen. Denn bei sorgfältig angestellten Versuchen, hat man die uugetrennte, dauernde Verbindung Eines Mannes mit Einer Frau der Bevölkerung am zuträglichsten gefunden, und unleugbar entspringt gleichfalls keine andere aus der wahren, natürlichen, unverstimmten Liebe. Eben so wenig führt diese ferner auf andere, als eben die Verhältnisse, welche die Sitte und das Gesetz bei uns mit sich bringen; Kinder erzeugung, eigne Erziehung, Gemeinschaft des Lebens, zum Theil der Güter, Anordnung der äußern Geschäfte durch den Mann, Verwaltung des Hauswesens durch die Frau. Allein, der Fehler scheint mir darin zu liegen, daß das Gesetz befiehlt, da doch ein solches Verhältniß nur aus Neigung, nicht aus äußern Anordnungen entstehen kann, und wo Zwang oder Leitung der Neigung widersprechen, diese noch weniger zum rechten Wege zurückkehrt. Daher, dünkt mich, sollte der Staat nicht nur die Bande freier und weiter machen, sondern — wenn es mir erlaubt ist, hier, wo ich nicht von der Ehe überhaupt, sondern einem einzelnen, bei ihr sehr in die Augen fallenden Nachtheil einschränkender Staatseinrich tungen rede, allein nach den im Vorigen gewagten Behauptungen zu entscheiden — überhaupt von der Ehe seine ganze Wirksamkeit entfernen,