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29 Beispiel, die Deutung der Regenbogenfarben in der Kritik der Urteils kraft an) darauf hinzuführen scheinen: so klage ich allein den Mangel der Tiefe meiner intellektuellen Kräfte an. Könnte ich diese Ideen hier weiter verfolgen, so würde ich auf die, gewiß äußerst schwierige, aber auch eben so interessante, Untersuchung stoßen: welcher Unterschied eigentlich zwischen der Geistesbildung des Metaphysikers und des Dichters ist? und wenn nicht vielleicht eine vollständige wiederholte Prüfung die Resultate meines bisherigen Nachdenkens hierüber wiederum umfließe, so würde ich diesen Unterschied bloß darauf einschränken, daß der Philosoph sich allein mit Perceptionen, der Dichter hingegen mit Sensationen, beschäftigt, beide aber übrigens desselben Maaßes und derselben Bildung der Geisteskräfte bedürfen. Allein dies würde mich zu weit von meinem gegenwärtigen Endzweck entfernen; und ich hoffe selbst, durch die wenigen im Vorigen angeführten Gründe hinlänglich bescheinigt zu haben, Laß, auch um den ruhigsten Denker zu bilden, Genuß der Sinne und der Phantasie oft um die Seele gespielt haben muß. Gehen wir aber gar von transcendentalen Untersuchungen zu psychologischen über; wird der Mensch, wie er erscheint, unser Studium: wie wird da nicht der das gestaltenreiche Geschlecht am tiefsten erforschen und am wahrsten und lebendigsten darstellen, dessen eigner Empfindung selbst die wenigsten dieser Gestalten fremd sind? Daher erscheint der also gebildete Mensch in seiner höchsten Schön heit, wenn er ins praktische Leben tritt, wenn er, was er in sich ausge nommen hat, zu neuen Schöpfungen in und außer sich fruchtbar macht. Die Analogie zwischen den Gesetzen der plastischen Natur und denen des geistigen Schaffens ist schon mit einem wahrlich unendlich genievollen Blicke beobachtet, und mit treffenden Bemerkungen bewährt worden'). Doch vielleicht wäre eine noch anziehendere Ausführung möglich gewesen; statt der Untersuchung unerforschbarer Gesetze der Bildung des Keims, hätte die Psychologie vielleicht eine reichere Belehrung erhalten, wenn das geistige Schaffe» gleichsam als eine feinere Blüthe des körperlichen Er zeugens näher gezeigt worden wäre. Um auch in dem moralischen Leben von demjenigen zuerst zu reden, was am meisten bloßes Werk der kalten Vernunft scheint; so macht die Idee des Erhabenen es allein möglich, dem unbedingt gebietenden Gesetze, zwar allerdings durch das Medium des Gefühls auf eine menschliche, und doch durch den völligen Mangel der Rücksicht auf Glückseligkeit oder Unglück auf eine göttliche uneigennützige Weise, zu gehorchen. Das Ge fühl der Unangemessenheit der menschlichen Kräfte zum moralischen Gesetz; das tiefe Bewußtsein, daß der Tugendhafte nur der ist, welcher am innigsten empfindet, wie unerreichbar hoch das Gesetz über ihm erhaben ist; erzeugt die Achtung — eine Empfindung, welche nicht mehr körper liche Hülle zu umgeben scheint, als nöthig ist, sterbliche Augen nicht durch den reinen Glanz zu verblenden. Wenn nun das moralische Gesetz, jeden Menschen, als einen Zweck in sich, zu betrachten nöthigt; so vereint sich mit ihm das SchönheitSgetühl, das gern jedem Staube Leben einhauchte, um auch in ihm an einer eignen Existenz sich zu freuen, und das um so viel voller und schöner den Menschen aufnimmt und umfaßt, als es, un abhängig vom Begriff, nicht auf die kleine Anzahl der Merkmale beschränkt ') F. v. Dalberg vom Bilden und Erfinden.