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21 auf einer Vorstellung von überwiegender Macht. Den Elementen sucht man mehr zu entrinnen, ihre Gewalt mehr auszudauren, als sie zu besiegen; — mit Göttern soll sich nicht messen irgend ein Mensch. Rettung ist nicht Sieg; was das Schicksal wohlthätig schenkt, und mensch licher Muth oder menschliche Erfindsamkeit nur benutzt, ist nicht Frucht oder Beweis der Obergewalt. Auch denkt Jeder im Kriege das Recht aus seiner Seite zu haben, Jeder eine Beleidigung zu rächen. Nun aber achtet der natürliche Mensch — und mit einem Gefühle, das auch der kultivirteste nicht ableugnen kann — es höher, seine Ehre zu reinigen, als Bedarf fürs Leben zu sammeln. Niemand wird es mir Zutrauen, den Tod eines gefallenen Kriegers schöner zu nennen, als den Tod eines kühnen Pliuius, oder — um vielleicht nicht genug geehrte Männer zu nennen — den Tod von Robert und Pilätre du Rozier. Allein, diese Beispiele sind selten; und wer weiß, ob ohne jene sie überhaupt nur wären? Auch habe ich für den Krieg gerade keine günstige Lage gewählt. Man nehme die Spartaner bei Thermopylä. Ich frage einen Jeden, was solch ein Beispiel aus eine Nation wirkt? — Wohl weiß ichs, eben dieser Muth, eben diese Selbstverleugnung kann sich in jeder Situation des Lebens zeigen; und zeigt sich wirklich in jeder. Aber, will man es dem sinnlichen Menschen verargen, wenn der lebendigste Ausdruck ihn auch am meisten hinreißt? und kann man es leugnen, daß ein Ausdruck dieser Art wenigstens in der größesten Allgemeinheit wirkt? Und bei alle dem, was ich auch je von Uebeln hörte, welche schrecklicher wären als der Tod; ich sah noch keinen Menschen, der das Leben in üppiger Fülle genoß, und — ohne Schwärmer zu sein — den Tod ver achtete. Am wenigsten aber existirten diele Menschen im Alterthumc, wo man noch die Sache höher als den Namen, die Gegenwart höher als die Zukunft schätzte. Was ich daher hier von Kriegern sage, gilt nur von solchen, welche — nicht gebildet, wie jene in Platons Republik — die Dinge, Leben und Tod, nehmen für das, was sie sind; von Kriegern, welche, das Höchste im Auge, das Höchste aufs Spiel setzen. — Alle Situationen, in welchen sich die Extreme gleichsam an einander knüpfen, sind die interessantesten und bildendsten. Wo ist dies aber mehr der Fall, als im Kriege, wo Neigung und Pflicht, und Pflicht des Menschen und des Bürgers, in unaufhörlichem Streite zu sein scheinen; und wo dennoch, sobald nur gerechte Vertheidigung die Waffen in die Hand gab, alle diese Kollisionen die vollste Auflösung finden? Schon der Gesichtspunkt, aus welchem allein ich den Krieg für heil sam und nothwendig halte, zeigt hinlänglich, wie, meiner Meinung nach, im Staate davon Gebrauch gemacht werden müßte. Dem Geist, den er wirkt, muß Freiheit gewährt werden, sich durch alle Mitglieder der Nation zu ergießen. Schon dies spricht gegen die stehenden Armeen. Ueberdies sind sie, und die neuere Art des Krieges überhaupt, freilich weit von dem Ideale entfernt, das für die Bildung des Menschen das nützlichste wäre. Wenn schon überhaupt der Krieger, mit Aufopferung seiner Freiheit, gleich sam Maschine werden muß; so muß er es noch in weit höherem Grade bei unserer Art der Kriegführung, bei welcher es so viel weniger auf die