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19 der Herabwürdigung dieses Geschlechts bei den Griechen, — um auch aus dem häuslichen Leben ein Beispiel zu wählen —? Die Knabenliebe. Ja wir bedürfen nicht einmal der Geschichte; der Gang des Menschenlebens überhaupt ist das treffendste Beispiel. In jeder Epoche desselben ist Eine Art des Daseins Hauptfigur in dem Gemälde; indeß alle übrigen ihr, als Nebenfiguren, dienen. In einer anderen Epoche wird sie zur Nebenfigur, und eine von jenen tritt auf den Vordergrund. So danken wir allen bloß heiteren, sorgenfreien Genuß, der Kindheit; allen Enthusiasmus für das empfundene Schöne, alle Verachtung der Arbeit und Gefahr, es zu erringen, dem blühenden Jünglingsalter; alle sorgsame Ueberlegung, allen Eifer auS Gründen der Vernunft, der Reife des Mannes; alle Gewöh nung an den Gedanken der Hinfälligkeit selbst, alle wehmüthige Freude an der Betrachtung: das war und ist nun nicht mehr! dem Hinwelken des Greises. In jeder Periode existirt der Mensch ganz. Aber in jeder schimmert nur Ein Funken seines Wesens hell und leuchtend; bei den an dern ists der matte Schein, bald des schon halb verloschenen, bald des erst künftig aufflammenden Lichtes. Ebenso ists in jedem einzelnen Men schen mit jeder seiner Fähigkeiten und Empfindungen. — Allein ein In dividuum Einer Art erschöpft, selbst in der Folge aller Zustände, nicht alle Gefühle. Der Mann z. B. bei den Menschen, wenig beschäftigt außer sich zu wirken, ewig strebend nach Freiheit und Herrschaft, besitzt nur selten die Sanftmuth, die Güte, den Wunsch: auch durch das Glück, das man empfindet, zu beglücken, nicht immer durch das, was man giebt; — welches alles dem Weibe so eigen ist. Dagegen fehlt es dem Weibe so oft an Stärke, Thätigkeit, Muth. Um daher die volle Schönheit des ganzen Menschen zu kühlen, muß es ein Mittel geben, das beide Vorzüge, wenn auch nur auf Momente, und in verschiedenen Graden vereint, fühlen läßt; und dies Mittel muß des schönsten Lebens schönsten Genuß bewahren. Was folgt nun aus diesem allen? Daß kein einzelner Zustand der Menschen und der Dinge an sich Aufmerksamkeit verdient, sondern nur im Zusammenhänge mit dem vorhergehenden und folgenden Dasein; daß die Resultate an sich nichts sind, alles nur die Kräfte, welche jene Hervor bringen, und aus ihnen wieder entspringen. Und nun genug für heute, lieber*! Leben Sie wohl!