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12 Helten der Organisation haben einmal ihre festen Formen gefunden, und obgleich sie sich innerhalb dieser niemals in der organischen Individualität erschöpfen, so werden diese feinen Nuancen nicht unmittelbar, kaum in ihrem Wirken auf die geistige Bildung sichtbar. Die Schöpfung der Körperwelt geht im Raume auf einmal, die der geistigen allmülig in der Zeit vor, oder die erstcre findet wenigstens eher ihren Ruhepunkt, auf dem die Schöpfung sich in der einförmigen Forterzeugung verliert. Viel näher aber, als die Gestalt und der körperliche Bau, steht dem Geistigen das organische Leben, und die Gesetze beider finden eher Anwendung auf ein ander. In dem Zustande der gesunden Kraft ist dies minder sichtbar, wiewohl sehr wahrscheinlich auch in ihm Veränderungen der Verhältnisse und Richtungen Vorkommen, welche verborgenen Ursachen folgen und epochen weise das organische Leben anders und anders stimmen. Aber im ab normen Zustande des Lebens, in den Krankheitsformen giebt es unleugbar ein Analogon von Richtungen, die, ohne erklärliche Ursachen, plötzlich oder allmälig entstehen, eigenen Gesetzen zu folgen scheinen und auf einen ver borgenen Zusammenhang der Dinge Hinweisen. Dies bestätigen vielfache Beobachtungen, wenn es auch vielleicht erst spät dahin kommen wird, da von einen historischen Gebrauch zu machen. Jede menschliche Individualität ist eine in der Erscheinung wurzelnde Idee, und aus einigen leuchtet diese so strahlend hervor, daß sie die Form des Individuums nur angenommen zu haben scheint, um in ihr sich selbst zu offenbaren. Wenn man das menschliche Wirken entwickelt, so bleibt, nach Abzug aller, dasselbe bestimmenden Ursachen, etwas Ursprüngliches in ihm zurück, das, anstatt von jenen Einflüssen erstickt zu werden, vielmehr sie umgestaltet, und,in demselben Element liegt ein unaufhörlich thätiges Bestreben, seiner inneren, eigenthümlichen Natur äußeres Dasein zu ver schaffen. Nicht anders ist es mit der Individualität der Nationen, und in vielen Thcilen der Geschichte ist es sichtbarer an ihnen, als an den Einzel nen, da sich der Mensch in gewissen Epochen und unter gewissen Um ständen gleichsam heerdenweise entwickelt. Mitten in den durch Bedürfniß, Leidenschaft und scheinbaren Zufall geleiteten Begebenheiten der Völker wirkt daher, und mächtiger, als jene Elemente, das geistige Prinzip der Individualität fort; cs sucht der ihm inwohncnden Idee Raum zu ver schaffen, und es gelingt ihm, wie die zarteste Pflanze durch das organische Anschwellen ihrer Gefäße Gemäuer sprengt, das sonst den Einwirkungen von Jahrhunderten trotzte. Neben der Richtung, welche Völker und Ein zelne dem Menschengeschlechte durch ihre Thaten ertheilen, lassen sie Formen geistiger Individualität zurück, dauernder und wirksamer als Be gebenheiten und Ereignisse. Es giebt aber auch idealische Formen, die, ohne die menschliche In dividualität selbst zu sein, nur mittelbar sich auf sie beziehen. Zu diesen gehören die Sprachen. Denn obgleich der Geist der Nation sich in jeder spiegelt, so hat auch jede eine frühere, mehr unabhängige Grundlage, und ihr eigenes Wesen und ihr innerer Zusammenhang find so mächtig und bestimmend, daß ihre Selbständigkeit mehr Wirkung ausübt, als erfährt, und daß jede bedeutende Sprache als eine eigenthümliche Form der Er zeugung und Mittheilung von Ideen erscheint. Auf eine noch reinere und vollere Weise verschaffen sich die ewigen Urideen alles Denkbaren Dasein und Geltung, die Schönheit in allen