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XXXV geschleißtes." Diese Schrift findet sich in Band VI. seiner „Gesammelten Werke,, und ist für jeden wissenschaftlich Gebildeten von hohem philosophi schen Interesse. Den Rest seiner Jahre verbrachte er meist in Tegel, dem schön ge legenen Stammgut seiner Familie, das auch jetzt noch wegen seiner ro mantischen Umgebung einen Lieblingsaufenthalt der Berliner bildet. Dort baute ihm der geniale Schinkel ein Haus, das er sich dann im Innern nach seinem Geschmack mit Antiken und Kunstwerken ausschmückte: denn sein Wunsch, wieder nach Italien selbst zurückzukchren, ward durch mancherlei äußere Umstände vereitelt. Dort in Tegel führte er das ruhigste und glücklichste Leben im Kreise seiner Familie, an der Seite seiner herrlichen Gattin, zu der er in demselben schönen und zarten Verhältniß stand, wie in jener Zeit, da sie in Burgörner und Auleben ihre ersten Ehejahre mit einander verlebten. Doch war Tegel nicht sein einziger Aufenthalt. Ab gesehen von größeren Reisen nahm er seinen Wohnsitz auch in Berlin, seinem Gute Ottmachau in Schlesien und auf Burgörner. Denn die Wissenschaft, so sehr sie ihn beschäftigte, konnte doch sein ganzes Leben nicht ausfüllen; auch die Freundschaft forderte ihre Rechte, und wenn ein Mensch im Stande war, Liebe zn üben und herauszufordern, dann war es Humboldt. Davon legt nicht nur das Verhältniß zu seiner Frau und seinem Bruder, sdndern vor Allem auch die Freundschaft mit Förster, Wolf und Schiller ein glänzendes Zeuguiß ab. Eine treffende Charakteristik der Frau von Humboldt giebt u. A. Haym (Seite 590 fg.). Aber auch mit anderen Frauen stand er in schönem und edlen Verhältniß gegenseiti ger Zuneigung. Sein Briefwechsel mit Eharlotte Diede, seiner Jugendfreundin, den er zur Zeit des Wiener Congresses, dann aber später vom Jahre 1822 an regelmäßig bis zu ihrem Tode weitersührte, ist unter dem Titel: „Briefe an eine Freundin" auch in weiteren Kreisen bekannt und wohl überhaupt die verbreitetste literarische Leistung Humboldt's. Viele seiner schönen Empfindungen hat Humboldt außerdem in seinen zahlreich uns aufbewahrten Sonetten überliefert, die reich sind an tiefen Ideen, wenn auch selbstverständlich die Gabe eigentlicher Poesie einem so wesent lich philosophischen, theoretischen und reflektirenden Geiste versagt war; — ebenso wie die Musik. Wir fühlen uns ihm förmlich menschlich näher, wenn wir finden, daß dieses so universelle Genie doch nach einer Seite hin eine Unvollkommenheit zeigt, wie wir es wenigstens, objektiv betrachtet, nennen dürfen, denn subjektiv war es für ihn keinesfalls ein Mangel. Die Welt der Töne war ihm verschlossen, aber, und hier erkennen wir den „Perikles" wieder, während er das Unterrichtswesen in Preußen leitete, hat , er doch für die Pflege dieser Kunst gewirkt und war u. A. Veran lassung, daß Zelter einen Ruf nach Berlin erhielt als Professor an der Akademie der Künste und Aufseher der öffentlichen Musik im preußischen Staate. Noch ein herber Schmerz erwartete ihn; seine Gattin starb am 26. März 1829 und ließ eine merkliche Lücke in seinem Leben zurück. Von da wurde sein Leben einsamer; er mied die Menschen nicht; aber er suchte sie nicht auf; die Natur war ihm der liebste Freund geworden und die Erinnerung. Die politischen Verhältnisse berührten ihn nur noch wenig; lne Julirevolution erzeugte auch in der preußischen Regierung den Wunsch, sich einen gewissen liberalen Anstrich zu geben und Humboldt er-