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XXXIV nämlich „das Verbinden des Erforschten, das Ahnden des durch jene Mittel nicht Erreichbaren." Dadurch wird die Bearbeitung der Geschichte eine Kunst, ebenso wie es die Philosophie und Poesie ist: „Wie die Philosophie nach dem ersten Grunde der Dinge, die Kunst nach dem Ideal der Schönheit, so strebt die Geschichte nach dem Bilde des Menschen schicksals in treuer Wahrheit lebendiger Fülle und reiner Klarheist von einem dergestalt auf den Gegenstand gerichteten Gcmüth empfunden, das; sich die Ansichten, Gefühle und Ansprüche der Persönlichkeit darin verlieren und auflösen." — Im Uebrigen bedarf die klar und ruhig geschriebene Abhandlung eines weiteren Wortes nicht, um verstanden zu werden; sie ist ein vortrefflicher Commentar zu der Methode seiner großartigen philosophisch-linguistischen Leistungen, die von nun an seinen ungethciltcn Forschungstrieb in Anspruch nehmen, und über die uns vor Schluß nur noch ein Wort gestattet sei. Humboldt, als Sprachphilosoph und Sprachforscher ist wohl schon am meisten und gebührendsten anerkannt worden. Außer Steinthals einschlägigen, ziemlich bekannten Schriften, erwähne ich nur die Würdigung, die seine Leistungen neuerdings bei einem geistvollen Gelehrten gefunden haben. Th. Benfey giebt auf Seite 515—556 seiner „Geschichte der Sprachwissenschaft" eine treffliche Charakteristik von dieser Seite der wissenschaftlichen Thätigkeit Humboldt's: „Seine Arbeiten — so heißt es dort u. A. — im Kreise der klassischen sowohl als der Sanskrit- Philologie, der Aesthetik, Geschichte und Staatswissenschaft geben alle Zeugniß von einem tief- und freisinnigen, philolophisch-gebildeten kenntniß- reichen Denker, welcher die Waffen der Dialektik mit Meisterschaft zu führen verstand. Allein so ehrenwerth auch seine Leistungen auf diesen Gebieten sein mögen, so bilden sie doch weder den Kern noch den Glanz punkt seiner wissenschaftlichen Thätigkeit. Als diese find vielmehr seine sprachwissenschaftlichen Arbeiten unzweifelhaft zu betrachten. Diese durch ziehen fast sein ganzes Leben von den ersten Jahren seines selbständigen Denkens bis zu seiner Todesstunde" u. s. f. Hellas war und blieb die geistige Heimath Humboldt's; in dieses Land der Ideale hat er sich immer und immer wieder aus der oft so un erfreulichen Wirklichkeit geflüchtet und stets mit der gleichen Lust sich in seinen Homer, Aeschylos, Pindar, Platon versenkt, wie da ihm zum ersten Male durch Heyne und Wolf das Verständniß dafür eröffnet wurde. Hat er doch selbst sich besonders angestrengte Mühe gegeben, seine Lieblings schriften der Griechen kunstvoll zu übersetzen. — Von diesem festen Besitz aus machte er dann Eroberungszüge durch fast alle Sprachen literarischer Völker. Altegyptisch und Chinesisch, Persisch und Sanskrit, Baskiich, die amerikanischen Sprachen, die Sprachen der Malayen auf dem indischen Archipel (Lnrvi) studirte er und brachte cs zu einer in der That unüber troffenen Kenntniß von der Natur der menschlichen Sprache. Es liegt außerhalb des Zweckes unserer Aufgabe, diese Arbeiten Humboldt's zu besprechen, und selbst sie nur alle dem Titel nach aufzu zählen, hat wenig Werth. Das auch in nicht philologischen Kreisen fast allgemein bekannte Werk ist das Buch über die Kawi-Sprache, oder wie der vollständige Titel lautet: „lieber die Kawi-Sprache auf der Insel Java, nebst einer Einleitung über die Verschiedenheit des Sprach baues und ihren Einfluß auf die geistige Entwickelung des Menschen-