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XXIV Aufgaben der Gegenwart. Nur Wenige gicbt es auf dem Kongresse, dir sich in Arbeitseifer und Unermüdlichkeit mit ihm messen können Seine Jntrigue war die Diskussion. Seine einzige Rüstung, die ihm zur Vertheidigung wie zum Angriff anSreichte, war sein unbesieglichcr und uner müdlicher Scharfsinn. Stahlblank und stahlhart war dicie Rüstung. Seine durch langjähriges StuLinm erworbene Menschenkenntniß machte es ihm leicht, praktische Fragen jetzt mit derselben Snbtilität zu behandeln, mit der er ehedem die höchsten Punkte der Metaphysik, anthropologische, ästhe tische oder grammatische Probleme analysirt hatte. Leicht entdeckte sein mit hundert Augen versehener Verstand die geheimen Absichten und Hinter gedanken des Gegners. Ohne Mühe fand er, sobald es zur Debatte kam, die Schwächen desselben aus, umschlich er die Stärke desselben, gewann er ihm die Vortheile ab...." In dieser kurz angedeuteten Charakteristik seiner staatSmännischen Thätigkeit liegt zugleich die Erklärung seiner verhältnißmäßig geringen Er folge. Er stand zu hoch; seine Gegner, denen die Wahl der Mittel keine Schwierigkeiten bereitete, waren ihm eben desihalb doch häufig in den Erfolgen, die sie erlangten, überlegen. Und wenn ihn Mancher des halb geringer schätzen möchte, was bei den jetzt herrschenden Anschauungen über hohe Politik nicht grade ein Wunder wäre, daun würde doch der Mensch nur gewinnen, was der Diplomat verliert. Wir können die politischen Verhältnisse, die dann weiter die Thätig keit Humboldt's in Anspruch nahmen, kurz erwähnen, um damit die Punkte angedeutet zu haben, welche die Geschäfte unseres Helden äußerlich mit dem Schicksal Europa's in Verbindung setzen. Es folgen mit der Rück kehr Napoleons von Elba, welche den Congreß auseinander jagte und den Streit der paciscirirenden Mächte vorläufig suspendirtc, die Hundert Tage, dann abermalige Siege der Alliirten, endlich ihre neuen Be rathungen in Paris. Hier zeigte sich Humboldt's diplomatische Befähigung wieder in einem glänzenden Lichte, und nur, wer Alles nach dem Erfolg zu beurtheilen versteht, kann seiner Thätigkeit beim zweiten Pariser Frieden deßhalb geringer anschlagen, weil das, was sich dort für Preußen erreichen ließ, im Ganzen doch nur gering war. Es galt vor Allem den Ansprüchen Rußlands, das bekanntlich mit romantischer, unklarer und unkluger Großmoth als Beschützer der französischen Nation und als Fürsprecher der ungerechtesten Forderungen auftrat, einen Damm entgegenzusetzen. Graf EapodistriaS, des Kaisers Alexander Bevollmächtigter, überreichte näm lich ein Memoire, in welcbem er mit seltsamen Sophistikationen zu be weisen versuchte, daß eine Schmälerung des Länderaebietes für Frankreich eine Ungerechtigkeit und Unklugheit sein würde; eine mäßige Kriegssteuer sei das Einzige, was man als Ersatz von dem feindlichen Lande fordern dürfe. Jetzt komme es darauf an, daS von den Bourbonen regierte Land unge schmälert zn lassen, damit es Kraft genug habe, die Revolution völlig zu unterdrücken. — Diese Beweisführung fand den Beifall der englischen Torq'S Castlereagh's und Wellington's; — natürlich, denn die Stärke Frankreichs war Deutschlands und vor Allem Preußens Schwäche, und an dieser mußte ihnen Allen viel liegen, ganz besonders aber dem russischen Czarcn, der seine schmachvolle Protektorrolle über Deutschland noch möglichst lange weiter spielen wollte. Dieser Schrift nun trat Humboldt mit einem Memoire entgegen, das