24 Der rhodische Genius. Geruch. Er entwickelt darin seine Gedanken über die Lebenskraft und führt sie uns dann wieder in einem wunderbar poetischen Gewände in seinem „rhodischeu Genius" vor, der zuerst in Schiller's „Horen" veröffent licht wurde. Wer kennte nicht diese herrliche Dichtung! Zwei Gemälde rollt Humboldt vor uns auf, deren Ur sprung er mit dichterischer Freiheit in die Kunststätten bestatten Rhvdus verlegt. Im Vordergründe des einen Gemäldes sieht man nackte Jünglinge und Mädchen in einer dichten Gruppe zusammen gedrängt. Ihr starker Gliederbau, welcher Spuren mühvoller Anstrengungen trägt, der menschliche Ausdruck ihrer Sehrsucht und ihres Kummers, Alles scheint sic des Himmlischen und Götter- ähnlichen zu entkleiden und an ihre irdische Heimalh zu fesseln. Verlangend strecken sie die Arme gegen ein ander aus; aber ihr ernstes, trübes Auge ist auf einen Genius gerichtet, der, von lichtem Schimmer umgeben, in ihrer Mitte schwebt. Ein Schmetterling sitzt auf seiner Schulter, und in der Rechten hält er eine lodernde Fackel empor. Gebieterisch sieht er arf die Jünglinge und Mädchen zu seinen Füßen herab. Das andere Gemälde zeigt ebenfalls den Genius in der Mitte, aber ohne Schmetterling, mit gesenktem Haupte, die erloschene Fackel zur Erde gekehrt. Der Kreis der Jünglinge und Mädchen stürzt in mannigfachm Umarmungen gleichsam über ihm zusammen; ihr Blick ist nicht mehr trübe und gehorchend, sondern kündigt den Zustand wilder Ent fesselung, die Befriedigung mnggenährter Sehnsucht an. Freilich nicht in rhodischer Kunststätte, sondern in den Hörsälen und Lehrbüchern der Wissenschaft des vorigen Jahrhunderts haben wir den Ursprung und die Deutung jener Gemälde zu suchen. Sie zeigen uns das Bild des