Volltext Seite (XML)
Anzeiger. AmtsblE des Swigl. BezirlsgmW Mid des Ralhs der NM LeWg. M «7. Freitag den 8. März. Bekanntmachung. In Folge in den vergangenen Jahren wiederholt vorgekommener Zuwiderhandlungen bringm wir in Erinnerung, daß nach der Verordnung vom 21. Oktober 184) als geschlossene Zeit in Beziehung auf öffentliche und Privatlustbarkeiten unter Andrem auch die Zeit vom Montage nach dem Sonntage Lätare, d. i. in gegenwärtigem Jahre vom 11. März an bis zu und mit dem ersten Osterfeiertage gilt, während welcher sowohl das Musik- und Tanzhalten an öffentlichen Orten, als ins besondere auch die Veranstaltung von Privatbällen, es mögen nun dieselben in Privathäusern oder in den Localen geschlos sener Gesellschaften Statt finden, unbedingt untersagt bleibt. Bei Nichtbeachtung dieser Vorschrift würden wir genöthigt sein, nicht nur die gesetzlichen Strafen bis zu 2V Thalern auSzusprechen, sondern auch, sobald wir davon rechtzeitig Kenntniß erhalten, dergleichen Tanzvergnügungen und Bälle zu verhindern und zu schließen. Leipzig, am L. März 1861. Der Nkath der Stadt Leipzig. Berger. G. Mechler. Rede des Abgeordneten Nr. Hegner bei den Verhandlungen «brr das Departement der Justiz. Der vorliegende Budgetstheil giebt mir Veranlassung, der nothwendigen Reform Erwähnung zu thun, welche im I. 1855 durch Einführung der Oeffentlichkeit und Mündlichkeit angebahnt worden ist. Die Erfahrungen, welche seitdem gemacht worden sind, zeigen daS Ungenügende der dalben Maßregel immer mehr und mahnen zur beschleunigten Einführung der Geschworenen, deren sich alle gebildeten Nationen zu erfreuen haben. Haben wir erst Geschworene, dann, meine Herren, können wir erst sagen, daß in Sachsen die Gerechtigkertspfl.ge wahrhaft reformirt worden sei. Ich komme im Leben viel mit den Stimmungen und An sichten deS Publikums in Berührung und weiß daher, daß die jetzige Justiz, mögen die Beamten noch so viel Mühe sich geben, ihre Pflicht in jeder Hinsicht zu thun, im Volke nicht vollstän diges Vertrauen hat. — Ich kann über das Bedürkniß der Ge schworenen hinweggehen, La e- einen Grund in Sachsen giebt, der die Einführung der Geschworenen zur sittlichen Notwendig keit, ja zur heiligen Pflicht macht. DaS Geschworenen-Institut ist von Friedrich August seinem Volke im Jahre 1848 fest und bestimmt zugesagt; ein solches Wort ist heilig, muß gehalten und erfüllt werden. Da- Ministerium muß der Vollstrecker diese- Worte- sein. Aber nicht allein dir Pietät gegen einen edlen Verstorbenen, sondern die Umschau in den Erfahrungen anderer Länder erinnert unS an die baldige Lösung dieses Versprechen-. Fast alle deutschen Bruderstämme erfreuen sich, außer Sach sen und Mecklenburg, des volkstümlichen Institut- und ehrm da- hohe Gut, da- sie nie wieder hergeben wollen. Ich werde späterhin einen besonderen Antrag bringen, wenn eß nicht einer au- den Reihen unserer Juristen tut, der fähiger und qualificirter als ich ist. Aber ich drücke den Wunsch schon jetzt au-, daß der Herr Justizminister die Initiative ergreifen möge und den längst ersehnten, längst schuldigen Gesetzentwurf der Geschworenen vor die Kammern bringe. Bei dieser Position, die Appellation-- und Untergerichte betreffend, bin ich im Bezug auf die Gehaltserhöhung einer entgegengesetzten Meinung als dir Vorredner (Fahnauer).' Wie ich schon früher mich in diesem Saale ausgesprochen, ist mein Grundsatz: weniger Beamte, aber tüchtige und fleißige, die man aber auch gut besolden muß. Es ist unverantwortlich, wenn man den Beamten durch Sorge um den Leben-bedarf alles frische Leben, all« Lust und Liebe zur Sache schmälern will. Ziehen Sie z. B. eine Parallele zwischen dem Ge halt eine- Gericht-rath-, der sein Vermögen dem langen Studium «gewendet bat, im Dienst ergraut ist, und eine- Angestellten in der Krurftnann-vranche und den bezüglichen BefähigungSerfordernissen. Va- die Remunerationen durch Gratifikationen anlangt, so bin ich prinzipieller Gegner der Gratifikation. Da- Wort kommt («r srntlu) »au- Gunst" her. Da kann wa- Menschliche- pas- siren — und zwar unwillkürlich; — wer recht Katzenbuckel «acht, sich insinuirt, liebedienert, wird bevorzugt dem edlen freien selbst ständigen Charakter, eine große Tugend eines jeden braven Beamten. Habe ich nun einmal das Wort, so kann ich mich einiger anderer Bemerkungen nicht entschlagen. Vor Allem »st eS auf fällig, daß man bei Proceßentscheidungen nicht den Urtelsverfasser, weder den Referenten noch den Decernenten erfährt. So lange nicht Oeffentlichkeit im Civilproceß ist, ist das sehr nöthig. In Preußen stehen unter jedem Urtel die Namen Derjenigen, die c- sich zur Ehre machen, das Urtel gefällt zu haben. Im Volke habe ich öfter- die ganz ungegründete Bemerkung gehört: ja, ich habe den Proceß verloren, der Herr Vetter meines Gegner- hat da- Urtel mit abgefaßt. Bei dem Heiligthum der Justiz muß jeder Gedanke de- Mißtrauen- im Volke durch Oeffentlich keit, vollständige Oeffentlichkeit, von Grund au- erstickt werden. Der Larwsamkeit und Weitschweifigkeit der Proteste ist schon in diesem Saale Erwähnung geschehen. Hier muß die Regierung abhelfen, vielleicht durch ganz bestimmt festgesetzte Fristen, die sie den Behörden stellt. Weiter habe ich noch einen delikaten Punkt zu berühren Bel Ehescheidung-processen, wo Fragen delikater Natur Vorkommen, und zwar in Gegenwart von Frauen, deren zarte- Schamgefühl durch die Anwesenheit allzujunger unverheiratheter Richter in eigenthümliche Verlegenheit gesetzt wird (Heiterkeit in der Kammer), auch hier — kann Abhülfe geschehen. Alsdann wünsche ich, daß vollständige Freiheit der uner schrockenen Rechtsvertheidigung stet- geehrt und gewahrt wird. OefterS ist mir von Advocaten die Klage zu Ohren gekommen, daß Aeußerungen, die ja nur in heimlichen Acten stehen (und die, wenn sie selbst die Presse vor da- größere Publicum bringt, straf los wären) mit zu großer Leichtigkeit mit Ordnungsstrafen belegt werden. Der sächsische Richterstand soll und muß die Ehre darin suchen, den Vertretern de- Recht-, den Rechtsanwälten, so viel wie möglich ganz freien Spielraum zur Vertheidtgung des Rechts zu lassen. Bei dieser Gelegenheit kann ich nun al- Arzt einen Rath nicht unerwähnt lassen. Gewöhnlich sind fast alle Gerichtszim- mer überheizt. Tritt man in ein solches Zimmer, da erdrückt die erhöhte Temperatur und die oft ungesunde Luft den Athem, und ich bedaure oft die Beamten, welche ihrer theuren Gesund heit schaden und an Sinn, Leib und Herz vollend- vertrocknen müssen (Heiterkeit.) OefterS müssen wegen übertriebener Hitze die Fenster aufge macht werden, um da- Zimmer abzukühlen. Bei geregelter Hei zung der so vielen Gericht-zimmer de- Lande- könnte viel Geld erspart werden. Zuletzt noch ein Wort für dle Hebung de- Realcredits, der so schon sehr durch die verschiedenen äußeren obwaltenden Um stände darniederliegt und auch noch durch Anwendung de- allzu- th euren Stempel- und andere juristische Weitläufigkeiten echt bureau.