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Orest. Ach, welch’ neue Schrecken erwarten uns hier! Eines blinden Geschickes beklagenswerthes Opfer, Irr’ ich umher, von den Göttern gehasst. Fluch ist mein Loos, zum Verbrechen geboren! Pylades. Hör' ich recht ? warum die bittre Klage ? Orest. Meine Thränen fliessen nicht um mich, Ich weine um dich, den in Ketten ich sehe. Hast du nicht für Orest verlassen deine Heimath? Bist du nicht überall gefolgt seinem Schritt ? Hast du nicht mit dem Freund getheilt die Gefahren ? Und getrotzt dem Sturm und des Meeres Wuth? Und für all’ diese Treue, was ist dein Lohn ? Der Tod! ja, der Tod! Pylades. O höre, Geliebter, des treuen Genossen Stimme: Der Himmlischen Zorn wird nicht länger dir folgen, Baue auf sie, auf ihre Huld. Hat nicht schon oft vor Untergang ein Gott uns bewahrt ? Orest. Weh ! Es war noch nicht genug, dass mit frevlerischen Händen Den Dolch ich gezückt . . . Pylades. Nicht weiter! Graus’ge Worte ! Orest. Zu neuem Verbrechen bin ich vom Schicksal bestimmt: Meinen einzigen Freund muss dem Tode ich weihn! Fluch folgt mir überall, nie kann ich ihm entrinnen. Muss auf Erden ich dulden schon der Verdammten Pein ? Ihre Qualen sind für mich noch zu gelind. Ich verrieth meinen Freund, ich zerriss heil’ge Bande, Schon erfüllt ist das Maass des Frevels und der Schande. Fluch folget dem Verbrecher auf Schritt und Tritt. Pylades. Fasse Muth, theurer Freund, in deines Bruders Armen! Sind wir vereint, gefasst gehn wir zum Tod. Höre auf, mit den Göttern zu hadern, Dich selbst und deinen Freund, den bewährten, zu quälen. Erinn’re dich, Orest, der Kindheit holder Tage. Innig und treu vereint, wir theilten Lust und Leid. Mit dir will gern ich dulden Den Tod, der für immer uns eint. Nicht zürne dem Geschick, denn nichts vermag uns zu trennen, Dein Pylades, er wird bis zum Grab dich Freund und Bruder nennen. Orest. Wo bin ich? Verschwunden der Schrecken, die Ruh’ kehret wieder. Hat mein Leiden gerührt die Allmächt'gen da droben? Der Erinnerung Qual, ward ich von ihr befreit ? Sanfter Schlaf schliesst mir die Augen; Geh, Theurer, lass’ mich ruhen, zu viel hab’ ich erduldet. (Pylades ab.) Chor der Furien und Rachegeister. Muttermörder, höre die Rachegeister nah’n! Dich ereilt deine Strafe, nimmer kannst du entrinnen. Kein Verbrecher entflieht unserm rächenden Arm. Wir bleiben ihm strafend zur Seite Und durchbohren sein Herz mit dem Stachel der Reue. Nimmermehr findest du Ruh, sicher trifft dich die Rache. Orest (im Traume). Beschütze deinen Sohn, o Geist des theuren Vaters! Chor. Ungehört bleibt dein Angstruf, stumm ist das Grab. Deine Strafe ereilt dich noch heute, du entrinnest ihr nicht.