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Dresdner Nachrichten : 04.07.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-07-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-189907044
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-18990704
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-18990704
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-07
- Tag 1899-07-04
-
Monat
1899-07
-
Jahr
1899
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 04.07.1899
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L> i Leite S1». BeUctriftische Beilage zu den „Dresdner Siachrichtc»". von Nur ein jüngerer Leutnant Kamerad, der emft mit ihm zu gleicher Zeit di« Kriegsschule besucht und zugleich mit ih r. besuchte il war. seinem Jahrgang, sein vettrautesvs eingetreten, mit ihm zusammen , und zugleich mit ihm zum Offizier befördert worden ihn eines Abends, als die Tunkelheit schon hereingebrochen war. „Wollte Dir noch einmal Ädicu sagen." sprach er hastig, zum Gruße nickend, ohne dem überrascht und freudig Auffahrenden die Hand zu reichen. „Armer Kerl! " Dich gestimmt. Tage. Ehrenschein zu rütteln." „Ich hätte ihn ja ringelest, eine Kleinigkeit wär's gewesen," stieß der Ex-Leutuant erbittert hervor, „iveim dieses vermaledeite Malheur nicht passtet war'! Konnte ich denn das voraussehen? Ist es gerecht, mich dafür ver antwortlich zu machen?' Ter lunge Offizier zripfte an seinem kärglich keimenden Schnurrbart. ..Freilich! Verdammtes Pech! Wie gesagt^ thust mir furchtbar leid. Aber zu Helsen war Dir nicht. Hast nun ^mal Tein Ehrenwort Und da giebt's nichts weiter. Em Lffiziersehrenwort muß unter ständen heilig gehalten werden." gebrochen, allen Um- weiter. Helmuch Iawer zuckte mit den Achsel ..Weis ich's!" „Wirst nun am Ende irgendwo unterkricchen, in bescheidener Zivilstellung?" Ter Ex-Leutnant seufzte. „Es wird mir wohl weiter nichts übrig bleiben." Ter Andere machte eine ungestüme, heftige Bewegung der Entrüstung. „Weißt Tu. Iawer, ich tkär's nicht," ries er mit dem Brustion heiligster Uebcrzeugung. „So 'neu kleinen Schreiberposte» annehmen, vor Hinz und Kury sich bücken, während man doch vorher das ganze Civiliftenpack über die Achseln angesehen hat — äh. ich thät's nicht, um keinen Preis thät ich's! Bin der Ansicht, einem Offizier, der seine Ehre verloren, den Kameraden aus ihrer Mitte gestoßen und nicht mehr estimiren. bleibt nur eins." „Tu meinst?" Ter kleine Leutnant reckte sich noch ein wenig mehr in die Höhe und machte eine halbe Wendung nach der Wand, an der als Haupt schmuck des Zimmers eine aus Schuß- und Hiebwaffen verschiedener Art hcr- Waffen-Trophäe angebracht war. Mit der gewichtigen, feierlichen thb"' umme: ..'ne Kugel durch den Kops! Es ist ja doch nnr ein Plunder lebe!!, das Civilleben. Wenigstens ich könnt's nicht mehr ertragen. Ten Degen, in die Ecke stellen, den Ehrenrock ausziehen — brr! Nein! Lieber eine Kugel in die Stirn. Damit rehabilitirt man sich doch gewissermaßen mid sichert sich bei den Kameraden ein achtungsvolles Andenken." Ter Sprechende nickte und zog sich zur Thür zurück." „ „Das ist meine Ansicht. Iawer. so handelt ein Kavalier. Na. adieu, lieber Kerl! Lebe wohl!" Er war verschwunden. Mit kreidebleichem Antlitz starrte ihm Helmuth Iawer nach, seine Lippen murmelten mechanisch: „Lieber eine Kugel in die Stirn!" Cr zuckte schreckhaft zusammen und ein Schauder lief durch seinen ganzen Körper. Und dann strömte ihm plötzlich das Blut wieder heiß in Stirn und Wangen zurück. Hatte der Kamerad nicht recht? Er stützte seine Stim in beide Hände und grübelte. Die letzten zwei Jahre mit ihren Freuden und erhebenden Momenten zogen an seinem geistigen Auge vorüber. Es war doch ein frisches, frohes Leben, das Soldatenleben. Es war doch ein herr licher Berus, der schönste von allen, der des Offiziers ! Immer an der Spitze, von allen bewundert, geehrt, beneidet! Schal und nichtig und öde war doch alles übrige! Helmuth Iawer steckte den Schlüssel in das große Mittelfach seines Schreibtisches- Da lag er. der Armeerevolver, mit dem er im Kreise der Kameraden so manchen Treffer nach der Scheibe gekhan. Er brauchte nur eine der in dem kleinen Kästchen da aufbewahrten Patronen in den Lauf schieben, ein Druck auf den Abzug, und es war geschehen. Ein Strahl stolzer Genugthnung huschte über die Züge des jungen Mannes. Was die Kameraden wohl sagen werden? Der Iawer ist doch ein ganzer Kerl, hat Schneid und Ehre un Leibe. Braver Kamerad! Helmuch Iawer erhob sich und trat, den Revolver in der Hand, vor den Spiegel. Wenn er die Mündung gegen die Schläfe setzte, dann war's im Nu vorbei, ohne Schmerz, ohne langen Kamps! Und nun rasch an's Werk! Ter Besuch des Kameraden hatte ihn gerade in die rechte Stimmung versetzt. Eben wollte er die Hand nach den Patronen ausstrcckcn, als ihm noch etwas stnffel. Ja. so, ein paar Abschieds.vorte, eine Bitte um Verzeihung mußte er »och an seine Eltern zurücklassen. Briefbogen lagen zur Hand, flink flog die Feder über das glatte Papier. Aber er harte erst ein paar Zeilen geschrieben, als ihn plötzlich ein Geräusch hinter seinem Rücken störte. In seiner Aufregung hatte er vergessen, die Thür zu schließen und nun stand Dora mit fragendem Blicke auf der Schwelle. Helmuth batte noch gerade soviel Zeit, das aufgeschlageue Buch, in dem er vor dem Besuch des Kameraden gelesen, rasch über den Revolver zu decken. „War nicht eben Leutnant von Haldcnwang bei räherkommend. „Ja." zWarum kam er denn in Zivil?" Die Lippen des Antwortenden zuckten. „Weil er bei einem wie ich seine Omziers-Uniform nicht an den Pranger stillen wollte." Tas junge Mädchen blickte erstaunt auf. „An den Pranger stellen? Was hast Du begangen?" „Eigentlich nicht viel. Aber es genügt doch, mich in den Augen cine- Offiziers ehrlos zu machen." Tora schüttelte mit dem Kops und zeigte eine geringschätzige Miene. „Weißt Tu." sagte sie, „das finde ich lächerlich, einfach lächerlich. Leichtsinnig magst Tu ja gehandelt haben, aber ehrlos? Unsinn! . . . . Was schreibst Du denn da?" Mit Verwunderung, verständnißlcs las sie die Uebcrschrist des Briests» der auf dem Schreibtisch lag. „Meine armen, lieben Eltern!" „Was soll denn das bedeuten, Hclmmh?" Dem Ertappten schoß die Gluth peinlichster Verlegenheit in das Gesicht. ' " —- —» - ^ , - --- um den das Erbleichend, betreten, leine Wicke unwillkürlich beschämt vor der Schwester senkend, stand Helmuth Iawer da. In deni sungen Mädchen aber blitzte mit einem Male das Verstäuduiß aus. Sie schrak heftig zusammen und wechselte die Farben. Ein Schrei des Entsetzens wollte ihr aus die Lippen treten. Aber sie unterdrückte ihn noch zur rechten Zeit. „Tas — das wolltest Tu thnn?" stammelte sie leise. Und ihre Fassung, ihre Fähigkeit zu handeln, wieder gewinnend, streckte sie blitzschnell ihre Hand aus. riß den Revolver vom Tisch und steckte ihn in ihre Tasche. „Pfui, Helmuth!" ries sie. von tiefster Empörung erfüllt. „Tas wolltest , Tu Deinen Eltern, das wolltest Tu mir anthun, das I O pfui, pfui I" Es wandelte sie nun doch eine Schwäche an. sie sank, ihre Hände vor das Gesicht schlagend, schluchzend in den Schreibtischsessel. I , Reuevolle Zerkninschung kam über den Er-Leutnant und er bemühte sich, seiner Schwester die Hände vom thrärienübersttömten Gesicht zu ziehen. „Weine doch nicht, Tora!" bat er dabei, „Ich — siehstlTu, ich war ja so Verzweifelt, nnd als Haldenwang dann kam und so eindringlich auf mich ein redete. da glaubte ich wirklich, es sei das Beste, wenn rch einfach meinem verpfuschten Lebe» ein Ende machte." „Aber hast Du denn gar nicht an Deine Eltern gedacht." rief das junge Mädchen und ließ ihre Hände sinken, „und an Teine Pflicht?" „An meine Pflicht?^ Tora Iawer drängte energisch die Thränen zurück, die ihr noch in den Augen perlten und richtete sich, ihre Schwäche bezwingend, kraftvoll auf. Eine ernste heilige Empfindung strahlte aus ihren Mienen, während sie ent gegnest : „Ja. an Teine Pflicht als Sohn! Was soll denn aus unseren armen Eltern werden, wenn wir sie feig und herzlos im Stich lassen würden. Du und ich. wir sind doch jung und kräftig und können arbeiten und können unseren Eltern jetzt vergelten, ivas sic an uns gethan haben. Thun Dir denn die Eltern nicht leid, Helmuth?" Helmuth Iawer blickte halb verblüfft, halb beschämt aus seine Schwester. Daran hatte er noch gar nicht gedacht. Er hatte bisher lediglich sich selbst leid aelhan und sich für den unglücklichsten, am meisten Betroffenen gehalten. Nun zeigst ihm seine Schwester, seine jüngere schwächere Schwester dre Sach lage von einer gonz anderen Seite. „Tu hast recht. Dora." gab er zerknirscht zurück. „Aber was — was kann ich denn thnn? Und Du ? „Ich?" Ein Lächeln innigster, stolzer Genugthnung hellten die hübschen Züge des jungen Mädchens auf. „Siehst Du, wie gut es war. daß ich das Lehrerumen-Examen gemacht habe! Mich trieb damals nur der Ehrgeiz und ihr habt mich oft genug deswegen ausgelacht und mich spottend die Gouvernante genannt und nun bin ich froh, daß ich etwas gelernt habe nnd sür unsere armen Eltern werde arbeiten können." „Aber ich, Dora, ich?" fragte der junge Manu, in seine Kleinmüthigkeit zurücksallend. Tie muthige Schwester aber tröstete ihn nnd strich ihm liebevoll zurcdcnL die Wange. „Verliere nur nicht den Math, Helmuth! Es wird sich schon etwas sür Dich finden. Die Hauptsache ist, daß Du den guten Willen hast. Und nun versprich mir noch eins" — sie faßte den vor ihr Stehenden an seinen beiden Händen und sah ihni ernst, mahnend, durchdringend in die Auge» — „versprich mir. daß Du nie wieder an erwas so — so Thörichtes und so Schmähliches denken wirst —" Dunkle Gluth überzog des jungen Mannes Gesicht und er preßte seine Rechte gegen die Augen. „Sprich nicht mehr davon, Tora!" stöhnte er. ,^Jch schäme mich ja so sehr vor Dir. Es war ja wirklich unsinnig und gewffsenlos von mir. Aber ich schwöre Dir, daß ich's nicht thnn werde, nie — das schwöre ich Dir bei — bei meiner Liebe zu Dir nnd den Eltern." 6. Kapitel. Ueber Frau Hulda und Tora war eine arbeitsfrendige Geschäftigkeit gekommen. Während Franz Iawer noch immer zwei bis drei Mal täglich Nllch dkl.' ^rilirpi lissk 1111k mit nllpn kik» ikn, i-pk-: Polizei lief und mit allen Menschen, die ihm Gehör schenkten, red selig sein Unglück erörterst und während Helmuth meistens in seinem Zimmer saß und. unfähig, einen Entschluß zu fassen, sich zu einer Handlung aufzu- raffeii, seine Lage überdachte, waren die beiden Frauen fleißig und thatkräftig bedacht, den Uebergana in ein neues, den veränderten Verhältnissen an- Tir?" fragte Dora gepaßtes Leben zu schaffen. Mit der Vergangenheit hatten sie ein sür allemal abgeschlossen und sie hielten cs für das Beste, sich nicht niit trügerffchen Hoff nungen zu täuschen. Als vernünftige Menschen mußten sie dem Wechsel der Verhältnisse Rechnung tragen und als arme Leute leben. Das Erste war, daß Frau Hulda ihre beiden Dienstmädchen entließ, das Zweite, daß Isie ihren Hatten veraulahst, die thcnerc Wohnung zu kündigen. Zugleich wurde der Belletristische Beilage zu den ..TresLuer sttachrichten-. «erte »»r. Beschluß gerußt, daß man die Stad», in der ihnen die Vergangenheit auf Schritt und Tritt hindernd im Wege stand, ^verlassen und nach Berlin über siedeln wollte Tort in dem Gewühl der Weltstadt würde man unerkannt unlertauchen und leichter die Ungunst des Schicksals ertragen können. Auch würde sich dort sür Alle schneller die Gelegenheit finden lassen, irgeird eine Beschäftigung zu erlangen, aus deren Etträgnffsc man ja künftig zur Fristnng der Existenz angewiesen war. . . . Frau Hulda ging alsdann in treuer Genwinschast mit Dora daran, ein Bcrzeichniß aller derjenigen Gegenstände und Schmuckstücke ausznnehmen, die irgend zu entbehren sein würde» und durch deren Erlös man sich die zur Ucbersiedelnng und zur Bestreitung des Lebensunterhalts während der echten Zeit erforderlichen Mittel beschossen mußte. Darin war die Mutter sogleich mit der Tochter übercingekvmmcii. daß sie in Berlin mir drei Zimmer nehmen Würden nnd daß sie dementsprechend auch nur die Möbel für drei Zimmer zurückbehalten nnd alles andere zum Verkauf stellen wollten. Als der Tag der Auktion kam. saß Franz Iawer in seinem Zimmer, mit seinem Schicksal hadernd und grollend, während Helmuth. um den unerquick lichen Vorgängen aus dem Wege zu gehen, sich ans dem Staube gemacht hatte. Frau Hulda und Tora aber gingen dem Auktionator thatkräftig zur Hand, und sie genirten sich nicht, sich zwischen die Käufer, die in inimer größerer 'Anzahl die Zimmer füllte», zu mischen, ihnen die zum Verkauf aus gestellten Sachen zeigend und anvreisend. Je höher die Gebote gingen, je mehr die Kauflust zunahm und Stück aus Stück verschwand, desto freudiger erglänzten ihre Gelichter, und als sie am Abend mit dem Auktionator das Resultat seststellten. ergab sich die schöne Summe von über dreitausend Mark., Run brauchst man doch nicht zu verzagen, nun hatte man doch die Gewiß heit, daß sie über die erste schwere Zeit hrnwcgkommen würden, ohne Noch zu leiden. Schon am nächsten Morgen reiste Frau Hulda und Dora nach Berlin voran, um dort eine Wohnung zu miethen und Alles in den Stand zu setzen, ehe die beiden Männer eintrafcn. Es waren drei kleine bescheidene Zimmerchen in der obersten Etage einer großen Micchskaserne in der Rupvinerstroße, einer der billigsten Straßen im ärmlichen Norden, und als Fra»; Iawer zum ersten Mol die kleine, enge, niedrige Wohnung betrat und die dürftige Aus stattung betrachtete, da schossen ihm unwillkürlich die Thränen in's Auge und er lehnte sein Gesicht an die Schulter der neben ihm stehenden treuen Lebens gefährtin. „Daß es uns einmal io ergehen würde, Hulda." klagte er, „wer hätte da? je gedacht! Wenn ich bedenke, wie wir früher —" Frau Hulda jedoch wollte von sentimentalen Betrachtungen und Rück blicken, die überflüssig waren und einem nur die Thatkraft lähmten, nichts wissen. Und ihren Arni um den Jammernden schlingend, sagte sie, ihn unterbrechend: „Was früher war. Franz, kümmert uns heute nicht mehr, und Wir wollen nicht mehr daran denken. Im klebrigen sollst Du 'mal seb'n, wie gemüthlich es wir Dir hier machen werden. Dora und ich. Vom Uever- stuß und Luxus hängt das Glück nicht ab. Man kann sich auch in beschei denen Verhältnissen zufrieden fühlen. Und nun setz' Dich 'mal hier auf unser altes, liebes Kanapee, aus der» schon.Vater behaglich neben der Mutter gesessen hat." .... Tora war die Erste, die schon ani nächsten Morgen frisch nnd inuthig an's Wert ging, um sich einen Erwerb zu schaffen. Sie fertigte nach dem Berliner Adreßbuch eine große Liste aller Privat-Mädchenschulen an, und dann machte sie sich auf den Weg. um sich überall persönlich vorznstellen und nach einer Anstellung zu fragen. Schon am dritten Tage erzielte sic einen belcheidcnen Erfolg. Ihr ernstes, offenes, bestimmtes Wesen flößte Vertrauen ein und so betraute die Vorsteherin eines Erzichuiigsinstituts sic mit der vorläufigen Vertretung einer ans der 'Anstalt geschiedenen Lehrerin. Es waren nur sechzig Mark monatlich, die ihr für die nächste Zeit zugesagt waren, aber sie war doch sehr glücklich, voll froher Genugthnung. Franz Iawer nnd Helimith besaßen nicht Dora's Thatkraft und schnelle Entschlossenheit. Sie verbrachten die erste Woche damit zunächst, das Terrain zu studircn, auf dem sie sich künftig zu bewegen hatten. Sie unternahmen große Wanderungen in den Berliner Straßen, den gewaltigen Verkehr im Zentrum der Stadt und die großen, reich ausgestatteten Schaufenster bestau nend und bewundernd. Dann singen sie an, zu Hause zu erörtern, welche Beschäftigung wohl die angemessenste für sie wäre und welche Chancen sie in der einen und anderen Branche wohl hätten, llnd endlich nach vierzehn Tagen raffte sich Franz Iawer zu einer Handlung auf. Er setzte eine groß spurige, fettgedruckte Annonce in die großen Zeitungen ein, durch die „ein erfahrener Herr in gesetzten Jahren, der früher selbstständig gewesen", eine „Vertrauensstellung als Vertreter eines Maurermeisters und als Leiter eines Äaugeschäfts" suchte. Doch ei» anderes Resultat als den Verlust von zwanzig Mark Kosten erzielte er nicht. Auch nickt eine einzige Antwort wurde dem bitter Enttäuschten eingehändigt. Nach Verlauf einer weiteren Woche verstand er sich endlich auf wiederholtes Zureden seiner Frau und seiner Tochter dazu, sich persönlich nach einer seinen Fähigkeiten entsprechenden Stellung limzusehen. tiHkte ihm herzlich ihre Hände zriw Ich hatte inimer schon gedacht. entschuldigte sich der junge Mann, „ich war d bin erst heute zurückgekommen. In meiner Tora war wie elektrisirt von ihrem Stuhl aufgesprungen und stand nun mit glühenden Wangen da, die Augen aufleuchtend nach dem jungen Mann gerichtet, dessen erster Blick und begrüßendes Kopfnicken ihr gegolten. Frau Iawer aber eilte, aus den langsam Näherkommenden zu. Ser ersicht lich mit einiger Befangenheit rang, und skMte ihm Willkommen entgegen. „Tu, Fritz? Das ist hübsch Von Dir? ob Du uns nicht einmal besuchen würdest." „Du verzeihst, liebe Tante." en " auf einer großen Geschäftsreise und . Wohnung fand ich einen Brief meines Vaters, der mir von Eurer Ueber- siedeliiiig nach Berlin Kunde gab und zugleich die Adresse mittheilte. Und da habe ich mich denn beeilt —" Franz Iawer hatte endlich seine anfängliche Erstarrung überwunden. Die Erklärung seines Neffen rührte ihn tief. Er. der von ihm Verschmähte, schimpflich Zurückgewiesene und Beleidigte, hatte nichts Eckigeres zu thmr gehabt, als sich nach seinen in Armut!) und Niedrigkeit gerathenen Ver wandten umzusehen. Auch er trat nun rasch an den Besucher heran und bot ihm noch immer ein wenig beschämt die Hand, während er zugleich mit einem Gemisch von Rührung und Verlegenheit stammelte: „Ich danke Dir, Fritz. Es ist lehr nett von Dir. daß Du es nicht verschmähst, uns aufzusuchen. Das. was früher zwischen uns vorge —" „Aber, lieber Onkel!" unterbrach der junge Mann hastig, einen schnellen verstohlenen Blick nach Dora hinüberscndend. und aus ein anderes, weniger peinliches Thema übergehend, setzte er fragend hinzu: „Wie geht es Euch? Wie gefällt es Euch in Berlin? Habt Ihr Euch schon einigermaßen eingelebt?" llnd »un tauschte er auch einen herzlichen Händedruck mit «einer Cousine, deren rosige Züge ein verklärender Schern überstrahlte und deren Augen mit innigster Dankbarkeit an ihm hingen, die auch in seinem sonnenverbrannten, von einem blonde» Vollbart umrahniten Antlitz einen Hellen Reflex hervorries. Fritz Iawer mußte sich auf den Ehrenplatz auf dem Sopha neben seinen Onkel setzen. Frau .Hulda brachte selbst eine Taffe herbei u>ü> kredenzte ihm den Thcc. Jnocß berichtete Dora in ihrer klaren, ruhigen Werse über ihre und ihrer Familie Erlebnisse. Als sie ihrer Thäligkeit als Lehrerin kurz und bescheiden Erwähnung that, glitt ein Ausdruck von Bedauern über Fritz Jawcr^s Gesicht und /eine Augenbrauen zogen sich miß"""''" "-r»---» ißmuthig zusammen. >el er em. „Der Berus . . seine Aua „ . . „Tu wirst es nicht aushasten können. Dora," fiel , einer Lehrerin ist ein so anstrengender. Tag für Tag drei oder vier Stunden außerdem der Aeraer und die Aui- Gekundhelt schädigen wird?" Kopf. „Gar nicht. Im Gegen-» theil. Es bekommt mir ausgezeichnet. Es ist ein so wohlthuendcs Gefühl, sich sagen zu können: Tu arbeitest. Du nützest. Du thust Dein llnd niit einem ernsten Blick fügte sie hinzu: Wir si ... .Du thust Deine Pflicht." ernsten Blick fügte sie hinzu: Wir sind nicht mehr in der tu können. Wir müssen Alle arbeiten, auch Papa sieht Dir ist Aber in allen Bau-Bureaus, die er auffnchte, wies man ihn entweder Friedenau erworben, ung um. .. . .. .üikel?" Franz Iawer nickte wichtig. „Gewiß doch. Fritz! Leider habe ich nicht soviel Glück Wie Du es schneller gelungen, eine Anstellung zu bekommen." Fritz Iawer nickte. „Allerdings. Ich kann nicht klagen. Ich bin wirklich ganz gut daran. Ich bin beider Bausirma Hansen u. Fritsch. Zuerst engagirten sie mich als Bauführer. Ich bin jedoch sehr bald zu einem höheren, zu einer Art Ver trauensposten aufgerückt und bin jetzt sozusagen Geschäftsführer. Eben habe ich eine größere Rundreise an mehreren großen Ziegeleien un Aufträge meiner Firma hinter mir. Ich habe große Abschlüsse gemacht bezüglich in der Lieferung nihererer Millionen Mauersteine." Franz Iawer sah mit Bewunderung und Neid zu seinem Neffen hinüber» von dem er noch kürzlich so geringschätzig und verächtlich gesprochen. „Da hast Du wohl ein sehr hohes Gehalt, wie?" „Dreitausend Mark fest und Tantieme." Franz Jawer's Augen funkelten. „Dreitausend! das ist ja großartig und dabei noch Anthcil am Geschäfts» gewinn. Da — da kannst Dn wirklich lachen." Unwillkürlich schielte der sprechende nach seiner Tochter hin und kehrte dann wieder mit seinem Blick zu seinem Neffen zurück. Dabei schoß ihm bas Blut vor Auflegung in's Gesicht und seine Hände zuckten und trommelten nervös auf dem Tisch. Am liebsten hätte er dem jungen Manne, dessen Be werbung er einst schmählich zurückgewiesen hatte, seine Tochter jetzt selbst an- geboten. Aber er beherrschte sich, drängte die Worte, die sich chm gern aus die Lippen zwingen wollten, mit einem leisen Seufzer zurück und fragte weiter: „Ta giebt es wob! viel bei Euch zu thnn in der Firma?" Sehr viel, Onkel. Meine Chefs haben ein großes Terrain im Vorort - ... „ ^ barsch oder niit lächelnden Achselzucken ad. Zu einer Vertrauensstellung l Gruppe eleganter, komfortabler Landhäuser soll gebaut werden. Ta kannst könne man Leute, die soeben ans der Provinz aiigckommcn und noch aar keine ! Tu D ir denken, daß wir alle Hände voll zu thnn haben und eine große An- Erfahruna im Berliner Baugeschäft besäßen, nicht gebrauchen. Als Bauführer - zahl von Menschen beschäftigen." nun neue Straßen angelegt und eine ganz . na . aber stelle man ältere Herren nicht ein, Kräfte zur Verfügung. dazu ständen genug frische, iniige - Franz Iawer zitterte ordentlich vor Erregung und er schluckte und würgte, > bis sich mit einem Male der Ausruf vom seiner hochathmcndcn Brust losriß: mir nicht auch einen Posten bei Euch besorgen? .... . .. . ... .. Bauführer." Geläut der FlürklingeHrtönte." Wer konnte das sein ? Dazu »och so spät'! Fritz Iawer zuckte bedauernd mit den Achseln. . „ ... Besuch hatte man in Berlin überhaupt noch nicht erhalten. I „Das thut mir leid, lieber Onkel. Aber da kann ich Dir leider nicht Helmuth, der hinausgeeilt war, nm zu öffnen, kam in Begleitung eines dienen, so gern ich's auch thäte. Tie Besetzung der bcstere» Stellungen "" - ... -r - - behalte» sich die Prinzipale natürlich selbst vor. Und cs wäre sehr un bescheiden von mir, wollte ich ihnen da o reiiircdcn. Dagegen —" Ter junge Mann brach ab nnd heftete einen zögernden, ungewmen Blick ans seinen Onkel. ForRzuüg rc:'Iitti«».) Kruste zur Verfügung. ! bis sich iml einem Maie Franz Iawer saß eines Abends ganz verzweifelt neben seiner ihn tröstenden! „Du. Fritz, könntest Dn und ihm Mnth zusprech enden Frau ans dem Sopha, als Plötzlich das grelle' Vielleicht als — Baustil Geläut der Flurklingel ertönte. Wer konnte das sein? Dazu »och so spät'! Fritz Iawer zuckte b jniigcn Mannes zurück, bei dessen Eintritt die einzelnen Familicninitglicdcr ganz verschiedenartige Zeichen der Ueberraschung an den Tag legten. Franz Iawer saß sprachlos, wie gelähmt, da. Seine Mienen drückten ein Gemisch von Erstaunen. Verlegenheit und Beschämung ans und seine Blicke hefteten sich befangen ans die Platte des vor ihm stehenden SophatffcheS.
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