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SS. Jahrgarrg. 105. Krettag, 1«. April 1009 Ver«,»«e»a»r »«»r»»lt«drl wr «nt» d«n »« >»,l«ch »»>»<. »>»ll«er z«r«u»,,»» <S»iu» u»» Moni«»«» »ue einmal^ L,»ü Äk, durch au«»ar>i», Kon>- «tisch.»» I.w «II. Lei »inmuli^r Zu« »ullu^i durch d>«vo„ »O!.toI,»«L»«lleli^ld>. Li» den Leiern v«n Lenden u Umoedun, «n «eher »»» ^fielUeu »dend«»u«- «ate» erhallen dt« au«« wiiNiaen «e,ie»er mit de» Ulor,«n-»»»,»d« »Ulaminen piaeNelU. Nachdruil nur mit »eut« »cher Qnellelum,,»» ,-Lresd. iduchr "! zu« «I9l- ^ Unoerlan,», Dtanulkrü»« werde» »ich« auidewLh«. Lelegramm-Adresse: Nachrichten Dresden. Femsprecher: 11 » 2008 » 3801. 1858 Dmck und Verlag von Liepsch L Reichardt in Dresden. Lodvvk L Vo. Laklissentnten 8r Ll-ij. ,1 X'Nmg» v ^Lekssu. 0relrlll8-vsoL0. h!in/.elvvrl>itusi On»!ii»ii 1ltw»rilt2. Anzeigen lar« Honntao«^»r Marienftraße 88 von ll '/,r Uhr L.e «tithpaluge Grundzeit«: «ca. v Silben, 2b -Pf.. DO«Me» Rochnchten »u« Drr-ve, A» v» G«1ch<»ft».Ln »eigen aus der PruxUieire ^eiie 8V PI . die pveiwaUlue .^eü« a. TeNleite lX)O - Äununern nuch Sou», u Lselrrtagru die euifpalNfte Otluiid« t«»ie 80Pf.. oufPlioal- >«u. 41-Pf.. Humilte». Nachrichten a DieHden dteGtundzeileL-Pf AuTmaruu« Lufirn^e legdlart toftet ll) Pf. ?rü^rIirslLursQ, Lvulsl. lloliipoUrsks, vrosSvu 1., Ssorroutor tätlich frisch gsprssst. Zu« melciungsn dalchgst «rdswu. k, L i di n ^ i-i O-r LOI-»OI-^ H »u» lg es ch s st «stelle: Martrnstraße 38 40 Lp«aI«IkadeiK 501° -LESir!ZLlHIl!.AlüILIX>L T.»g«r- V»Iltn»r»Ir«»». N»2S kr»,» kt,»„»«rU Lira»». «luIiusLeliäcjlick irr Decker ?reislaxe. S1oivvr8 rarLäivlsdett! liMMMM ». llliM i Ä» U-lilü. kr-r-r Sw«« SO. KkLÄL-S'L DL1D7 erkrqo Lofov. Mutmaßliche Witterung: Kühl, veränderlich. Die Generalversammlung der bayrischen Konservativen in Nürnberg erklärte sich einstimmig gegen di« Nachlaß stauer. Eeheimrat Professor Dr. Harnack wird als chancen- reichster Anwärter auf den Posten des preußischen Kultus- Ministers genannt. Mit dem Bau eines neuen Ballons. System Groß, rst begonnen worden. Major Parseoal baut zurzeit eine neue Flugmaschine. Ludwig Barnay hat das Ehrenpräsidium der Deutschen Bühnengenossenschaft niedergelegt. Di« Erdbebenwarte in Laibach registrierte «in neues Fernbeben. Das neue türkische Ministerium ist vom Sultan bestätigt worden, nur der Marineminister ist interimistisch ernannt. Die Militärrevolte in Konstantinopel hat mit unheimlicher Schnelligkeit einen völligen Szenen wechsel im Oümanenreiche herbeigeführt. Die jungtürkiiche -Herrschaft existiert nicht mehr: ihr Wirken, das die llm- ivandlung der Türkei in einen modernen Versassungsstaat zum Ziel hatte, war nur ein kurzer Traum, der nicht ein mal ein Jahr alt geworden ist. Selbst die Pessimisten, die dem jungtürkischen Regime von Anfang an keine allzu lange Lebensdauer prophezeiten, haben ein so schnelles Ende denn doch nicht erwartet. Alle haben die Stärke der reak tionären Elemente ganz wesentlich unterschätzt und die der liberalen Einflüsse bedeutend überschätzt. Man muß sich immer gegenwärtig lmlten. daß die Türkei seit langen Jahrhunderten ein Staat gewesen ist, dessen innerer Zu- sammenhalt lediglich durch die Einheit des mohammedani schen Glaubens gegeben war. Ter Sultan in Kvnstan- tinopel ist als Kalis zugleich das Oberhaupt der Gläu bigen. und hieraus beruhte seine ausschlaggebende Autori tät in der ganzen Welt des Mvhammcdanismus. Aus dieser religiösen Grundlage erwuchs auch die staatliche Macht des Sultans zu unbeschränktem Absolutismus. Erst als sich die Schattenseiten dieses absolutistischen Systems in der äußeren wie inneren Politik in erschreckendem Maße geltend machten, zog die jungtürkische Bewegung immer weitere Kreise, bis sie schließlich im Sommer vorigen Jahres durch einen kühnen Militärputsch ans Ziel ihrer Wünsche gelangte. Slber tiefgreifende Traditionen und llebcrlieferungeu, die sich in der türkischen Volksseele fest gewurzelt haben, lassen sich nicht im Handumdrehen be seitigen! Das in politischer wie in religiöser Hinsicht frei denkende Iungtürkcntum wollte aus der alten morschen Türkei einen modernen Versassungsstaat machen, ein ein. Zeitliches Osmanenreich errichten, wo nicht mehr die Ein heit des mohammedanischen Glaubens das Fundament bilden sollte idenn den Iungtürken ist Religion Privat- saches, sondern der allen Bürgern, gleichviel welcher Reli. gion, gemeinsame Staatsgedanke und Baterlandsbegriff im westeuropäischen Sinne. Daß eine derartige Moderni sierung nur von einer dünne» Oberschicht der Bevölke rung wirklich innerlich und auf die Tauer mitgemacht werden würde, stand von vornherein fest. Unter dem Ein druck der erste» Erfolge aber machte sich auch in weiteren Kreisen des türkischen Volkes eine Art Hypnose und Suggestion geltend, die den Iungtürken zustatten kam und ihnen einen gndauernden Erfolg zu versprechen schien. ES war eine Täuschung! Die Reaktion mußte kommen: der plötzliche Rückschlag aus den jungtürkischen Putsch vom vorigen Jahre konnte nicht ausbleiben. den» das türkische Voll in seiner großen Masse ist noch lange nicht reif sür den modernen Staatsgedanken, in welchem es einen Bruch mit der bisherigen islamitischen Gedankenwelt sicht. Ueber. raschend ist nur die Schnelligkeit des Sieges -er Reaktion gekommen, um so mehr, als man von den zielbewußtcn Iungtürken hätte annehmen dürfen, daß sie gegen die ihnen feindlichen Strömungen gerüstet wären. Das scheint aber nicht der Fall gewesen zu sein, denn sonst hätten leicht Gegenmaßrcgeln getroffen werden kvn- neu, an denen cs völlig gefehlt hat. Die jungtürkischen Führer in der Regierung, im Parlament und Offizier- korpö waren auffällig rat- und kraftlos, als die Militär revolte Ivsbrnch. Das ist um so verwunderlicher, als die Iungtürken ja wissen, wic'S gemacht wird: verdankten sie ihre bisherige Stellung doch einem gut inszenierten Mi litärputsch Sv heimlich kann doch unter de» Truppe» i» Konsiaiitinovel nicht agitiert und organisiert wurde» iein, das, nichts zu merken gewesen wäre. Dagegen spricht auch die Nochrichl aus Kvnstantinopel, daß mehrere Offiziere über die nahende Revolte orientiert waren und dem KriegSministeriiim rechtzeitig Meldung ersinnet habe». Weshalb geschah nichts? Oder konnte nichts geschehen, weil die Truppen alle unzuverlässig waren'? Aus diese Fragen ist zurzeit eine sichere Antwort nicht möglich, aber säst scheint es io. als ob die Mannschaften den lmeist jung- türkischcns Offizieren den Gehorsam ausgekündigt haben. Bon wem anqestiftet? Da die ganze, bezeichnenderweise von der „Mohammedanischen Vereinigung" geleitete Be wegung einen ausgesprochen religiösen Grundzug aus- wcist, ist anziinehme». daß vornehmlich die mohammeda nischen Geistlichen die Hand im Spiele gehabt haben. Auch dürsten die Hintermänner dieses Soldatenausruhrs in jenen vielen, unter dem jungtürkischen Regime entlassenen uveil reaktionär gesinntcns Offizieren und Beamten zu suchen sein, denen die ganze neue Richtung einsach nicht paßte. Ob und inwieweit ausländische, insbesondere eng lische Einflüsse mit Hineinspielen, ist vorerst nicht klar zu übersehe», doch spricht die Wahrscheinlichkeit dafür, weil man i» London kurz vor dem Putsch ausfällig von den einst so geliebten Iungtürken abrückte und gleich nach seiner Inszenierung die Wicderberusuug des greisen, von Eng land offen unterstützten, vom König Eduard ob seiner eng- landsreundlichen Politik sogar offiziell belobten Kiannl Pascha an die Spttzc der neuen Regierung forderte. Man munkelt auch davon, daß der Sultan au der Militär revolte nicht ganz unbeteiligt sein soll. Abdul Hamid >var, das muß zu seiner Entschuldigung gesagt werden, in einer üblen Loge, denn er stand zwischen zwei Feuer». Den Iungtürken war er trotz aller Zurückhaltung, die er — wenigstens nach außen hin — beobachtete, »ach wie vor des geheimen Einvernehmens und Zusammenspiels mit den Reaktionären verdächtig, während er anderseits den reak tionären Elementen als willenloses Werkzeug der Iung türken und deshalb als Mitschuldiger au der ganzen gegenwärtigen Situation erschien. Schon möglich, daß er unter solchen Umständen die Militärrevvlte insgeheim be günstigt hat, weniger wohl, um die von ihm zum zweiten Male feierlich beschworene Verfassung zu beseitigen, als vielmehr, um die Herrschaft der Iungtürken zu brechen, eine Herrschaft, gegen die sich allmählich nach dem ersten Rausche viel Unzufriedenheit im Volke angcsammelt hatte. So kam cs, wte es kommen mußte: die jungtürkische Partei, die durch einen Militärputsch im Juli 1S08 ans Ruder ge langte, wurde durch eine ebensolche Militärrevolte der Reaktion gestürzt. Während aber im Juli vorigen Jahres die Offiziere an der Spitze der revolutionären Bcivcgung standen, haben sich bei den jüngsten Ereignissen die niede ren Chargen der Führung bemächtigt und die Offiziere zum Teil gefangen genommen. Dieser Umstand charak terisiert treffend den inneren Unterschied zwischen den Vor gängen einst und jetzt. Damals, im Juli 1008, zwang eine gebildete, aufgeklärte Oberschicht den Massen in kühnem Anlauf ihren Willen auf: jetzt sprengen die Massen -en jungtürkischen Zwang, bcr ihnen innerlich aus die Tauer nicht zusagte. Man kann leider nicht bostreiten, -aß die Iungtürken selbst schuld an ihrem jähen Sturze sind. Sie haben nicht gehalten, was sie versprachen! In der äußeren Politik haben sic nicht alle nationalistischen Wünsche befriedigen können: Bosnien und die Herzegowina kamen an Oesterreich- Ungarn: Bulgarien machte sich selbständig und okkupierte den bulgarischen Teil der Orientbahn. Daß die Iungtürken nicht zum Schwerte gegriffen haben, war vernünftig: aber sic haben sich durch diese Friedenspolitik viele Gegner im eigenen Lande und besonders im Heere geschaffen. ES ist charakteristisch, -aß die meuternden Truppen Edhcm Pascha, den Sieger über Griechenland im Jahre 1807, zum Ärtogsminister ausgerufen haben. Er ist nun eine Art Militärdiktatur und, wie man ihn kennt, wird er seine Macht brauchen. Auch di« innere Lage des osmanische» Reiche- ist In materieller Hinsicht nicht besser geworden trotz der großen Versprechungen, mit denen die Iungtürken ihre Herrschaft antraten. Daher die imnrer wachsende Enttäuschung! Auch di« bisherigen Leistungen des Par laments sind nicht geeignet gewesen, die Achtung vor der Volksvertretung zu erhöhen. Vo» Reformen jst bisher nichts durchgeführt: das Rcichsbudget. daS einen Fehlbetrag von rund IM Millionen Mark auswcisi, harrt noch immer der Fertigstellung, und die Regierung wirtschaftet mit einem provisorischen Budget- das auch erst in letzter Stunde dem Pavlameni norgelegt worden ist. Großen Umvillen habe» ferner die Schikanen und zum Teil tyrannischen Maß- »ahme» hervorqeruien, mit denen die jung türkische Partei, um sich am Ruder zu erhalten, gegen die anderen Partei ariipvierunge» vorging, und die Ermordung des Ehes- redakieurs des demokratischen Blattes „Serbosti", Hassan F-eümi, die man dem jungtürkischen Komitee zur Last legte, liat ofienbar den letzten Äuüoß zum Ausbruch der Revolte gegeben. Was nun?! Werden sich die Iungtürken dem Umschwung der Lage fügen oder werden sie sich nach der ersten lähmenden Bestürzung zu einer neuen Aktion sammeln, um die alte Position wiederzuervbern? Das wäre der Bürgerkrieg. . . Die nächsten Tag« schon wer den Klarheit darüber bringen, ob der Militärputsch den Anfang eines neuen Wirrwarrs bedeutet oder nur die Er ledigung -er jungtürkischen Herrschaft, beziehungsweise ine Restaurierung des alten Regimes in dieser oder jener Form. Offen wird man Verfassung und Parlament kaum beseiti gen, denn das wurde den Iungtckrken neue «Ännpothien cinbringen: aber man wird sic zu einem Scheinleben ver dammen. Alles wird ruhig weiterbestehen, aber es wird nur vegetieren, denn zurzeit steht die politische Situa tion in der Türkei im Zeichen des Islam und aller Augen sind aus den Kalifen und den Scheich el Islam gerichtet. Mit den Iiuigtürken und der liberalen Union itrotzdem sic sich aus -Haß gegen die Iungtürken an dem Militärputsch beteiligt hat, ist's sür absehbare Zeit vorbei: ebenso mit dem Geist einer modernen Verfassung. Unter dem Ein fluß der Ulemas verlangen die meuternden Soldaten und die Volksmenge die Wiedereinführung deS Scheriai gesetzes, und der Sultan ließ ihnen durch ein Lssentlich verlesenes Irade feierlich erklären, ,Has Schcriatgesetz solle künftig respektiert werden". Dos heißt, es soll nach alter frommer Osmaneuweise weiterhin Recht gesprochen werden. Auch der Iustizminister versprach, wie ver lautet, den Truppen den Aufbau der ganzen türkifchen Rechtsprechung auf der Basis des ScheriatgesetzeS. Dos würde nicht mehr und nicht weniger als den vollen Rück marsch i» die alte türkisch-islamitische Herrlichkeit be deuten . . . Wie alles enden wird, vermag heute niemand zu sagen. Man wird sich aber eventuell ans Revolution und blutige Ereignisse gefaßt machen können. Auch eine Einmischung fremder Mächte dürste unter Umständen nicht ganz ausgeschlossen sein. England und Rußland liegen schon auf der Lauer . . . » » Die uenestcn Meldungen lauten: Berlin. iPriv.-Tel., Auf der hiesigen türkische» Botschaft ist folgendes Telegramm der neuen Regie, rung eingegangcn: Die Telegraphen-Agenturen habe» die Vorfälle in Konstantinopel stark übertrieben. Die Situation bessert sich. Es handelt sich um verschiedene Beschwerde» der Soldaten gegen ihre Ossiziere, Be schwerden, die dank der getroffenen Maßregeln inzwischen beigelrgt worden sind. Das Leben und das Eigentum der Einwohner ohne Unterschied der Rasse, der Religion und der Nationalität werden vollständig respektiert. Einige Personen, in sehr geringer Anzahl, sind Opfer der Ereig nisse geworden. Die Regierung entfaltet nach Möglichkeit die größten Anstrengungen, um die Ordnung und die öffent liche Sicherheit zu garantieren, und ist vollständig davon überzeugt, daß cs ihr gelingen wird, der Situation Herr zu bleiben. Wien. iPriv.-Tel., Der türkische Militärattachö i» Berlin Euver Bei, der heute früh hier cintras, reiste mit seinem Kollegen Haki Bei alsbald weiter. Man nimmt an. daß sich beide zunächst nach Saloniki begebe» haben. K v n st a n t i n v v c l. Tie Laae erscheint heute mittag völlig beruhigt. Die Straßen bieten das gewöhn lichc Aussehen. Alle Banken und Läden sind geöffnet. Der Geschäftsverkehr ist in vollem Gange. In de» Straßen sieht man kein Militär mehr. Kvnstantinopel. Der Sultan verlieh der Fahne der Ma r i n e so l d a t e n, die ihm vorgestern mit anderen Soldaten huldigten und denen er sich am Fenster zeigte, zwei Dekorationen. Ein Unteroffizier wurde vom Sultan empfangen und bcaustragt, den Truppen die Griistc des Sultans zu überbringen und ihnen die Ernennung EdhcmS zum Kriegsminister mitzutcilen. Vorgestern und gestern zogen fortwährend zahlreiche Soldaten vor de > Iildispalast, wo sic dem Sultan stürmisch zusubcltcn. Die türkische Presse drückt bei Besprechung der letzte» Ereig nisse große Befriedigung über die Sicherstellung des Sche- riatgesctzes aus und mahnt zur Ruhe. Wie „Ikdam" meldet, wurde der Führer der albanesischen Deputierte» Ismail gestern vom Sultan in Audienz empfangen. Konsiantinopel. Die Regierung veröffentlicht eine» Erlahm in dem das Schießen in den Straßen, das zu -«bäuerlichen lln-lücksjällen geführt habe, streng verurtelU