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01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 25.03.1930
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1930-03-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19300325017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1930032501
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1930032501
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1930
-
Monat
1930-03
- Tag 1930-03-25
-
Monat
1930-03
-
Jahr
1930
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 25.03.1930
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V1««<qs. rs. Mir, 1«0 «vr«»-»er 1l«chrtchi«» irr. 142 Seit- S Der Konkurs -er Gtaöt Glashütte Stil« «uewtrkunsen auf »tt «esamchrtt »er «emeinden Deückrimeubau Fiasetrveg-Srbtoau Der »«meto«ütztg« veret« Uehtgau-Mtck- te» s««d«i ««« et«« Zuschrift, der »tr folgende» entnehmen: Der rasch vorwärtSschrettenbe Vau der siebenten Elb- »rücke ist ein Meisterwerk deutscher Technik und Werkmann«- «rbett. Da» interessante Bauprojekt ist vom Zentrum der Stadt au», recht« der Elbe, mit der Linie 10 bis zur End. station Uebtgau und von dort aus in wenigen Minuten be» «uem zu erreiche»!. In nächster Nähe der Baustelle befinden sich Gaststätte»», die sür da« leibliche Wohl der Besucher aus reichend Borsorge getroffen haben. Diesen ist ein stärkerer Zuspruch sehr zu gönnen, da sie nach Verlegung de» Flug- platze« mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Besonderer Wert muh darauf gelegt werden, das, unver» ziiglich mit dem Ausbau von Zufahrt« st rasten be gonnen wird. Mindestens müßte in diesem Jahre noch der seit langem vorgesehene bauplanmäßtge Ausbau der Scharfen- berger Strotz« erfolgen. Im Zuge der Sternstrake ist die Flutrinne bereits iiberbritckt. Daher bildet zunächst die Echarfenberger Straste für schwerere Fahrzeuge die einzige Zufahrt-Möglichkeit und kommt auch für die Wetterführung der Strastenbahn in Betracht. Die unhaltbaren Verhältnisse dieser Straste mit ihrer geradezu jämmerlichen Zaunführung, inmitten des OrtStcilS, der seit über 23 Jahren zur Stadt gemeinde Dresden gehört, sind nicht länger zu ertragen, so sehr auch aus die finanzielle Lage der Stadt Rücksicht zu nehmen ist. Der Rat hat bisher de» Ausbau abgelehnt, weil die Anlieger sür das abzutretende Strasienland zu hohe Be träge fordern. Die Anlieger werben sich aber im Interesse der Allgemeinheit willig jedem angemessenen Angebot fügen, sofern mit ihnen ernsthaft« Verhandlungen geführt werde». Aauvtversammlimv -er Bücherfreunde Die Vereinigung der Bücherfreunde Dres den hielt am Sonntag im „Europahos" ihr« Hauptversamm lung ab. An Stelle des erkrankten Vorsitzenden, Professor Dr. Bollert, leitete sie Dr. Noch, der mit gutem Humor von den Geschicken der Vereinigung in ihrem dritten LebeuSiahre berichtete. Durch eine leichte Zunahme des Mitglieder standes ist die Gesellschaft nun auf 17S Mitglieder gelangt und gewann durch einen Scherz im Laufe des Abend» drei neue. Der Letter kündigte schon für diesen Abend die neue ahreSgabe an. ein stattliches Buch „Dresdner junge ichtung", mit dem auch einmal verhetstnngsvolle junge Talente zu Wort kommen sollen. Er charakterisierte dabei die bisherigen Jahreögabcn, die in ihrer großen Verschieden artigkeit den sehr audeinandergehendcn Bedürfnissen der Mitglieder entgegenzukommen wünsche, und zugleich dem Wechsel zwischen der Wiederbelebung alten LiteraturgnteS und der Erweckung neuen Daseins dienen wolle. — Nach einem durch Gabe» mancherlei gewürzten Abendesien mit dem neckischen bibliophilen Aufmarsch des Eisganges Parfait Bücherfreunde, mit dem der „Europahof" ebenso wie mit der sinngcmäs; in Gestalt eines Buchrückens ausgestaltcten Tisch karte den Bücherfreunden eine Sondersrenbe bereitete, sah man sich noch eine Uraufführung an. DaS von Günther Baum verfaßte Stückchen zeichnete sich durch die klare Er- kenntnis der unabwendbaren Wirksamkeit eines in allen Vereinötheatern geübten Tricks auS: Das ist die lustig- harmlose Durchhechclung des Vereins und seiner „Pro minenten"' selbst. Der Singsangfchluf, ä In Beckers Bunte Bühne zeugte von dem scltsain richtigen Ersahen der Un fehlbarkeit dieses Effektes. Daß das ganz zuweilen sogar witzig war, war gewiß kein Schade. Ein Tanz beschloß das Fest. Bor dem Oberverwaltungsgert cht in Dresden schweb» gegenwärtig ein Prozeß, besten Entscheidung, gleichviel, wie sie auch auSfallen mag. für den gesamten deutschen Kom- munalkredtt von tiefcinschnetdender Wirkung sein wird. Gegenstand des Prozesses ist «er Bankrott der Stadt Gla-Hütte. Am SV. Juni lV2S hatte das sächsische Ministerium de-Jnnern zu dem Anträge de» Stadtrats, über da» Ver mögen der Stadt Glashütte das KonkurSversahren zu er öffnen, folgendes sestgestellt: Da die Stadt Glashütte schon seit dem Jahre 1S2S ihre» Verpflichtungen gegenüber den Darlehnsgläubigern nicht hat Nachkommen können und ihre laufende Verwaltung nur mit Hilf« der ihr aus dem VastenauSgleichSstock in Form von außerordentlichen Beihilfen und Vorschüssen auf solche über wiesenen Mittel hat aufrcchicrhalten können, ist die Zah lungsunfähigkeit der Stadt als erwiesen anzusehe». Ebenso liegt eine U e b e r s ch u I d u n g der Stadt in nicht un beträchtlicher Höhe vor. Als unentbehrlich sür die Erfüllung der össentlich-rccht- luheu Aufgaben der Gemeinde werden von den Vermögcnsgegen ständen bezeichnet eine größere Anzahl von Grundstücken, die teils bereits jetzt unmittelbar öffentlichen Zwecken dienen, teils künftig sür solche Zwecke benötigt werden, wie die werbenden Be- trtebcrWasserwerk, GaSan st alt, Elektrizitäts werk, Stadtgirokasse und städtische Sparkasse. Als unentbehrlich bezeichnet wird bei der Sparkasse nicht bloß die Rücklage, sondern auch das von dem übrigen Gemeinde, vermögen getrennt zu haltende und zu verwaltende Spar kass e n v e r m ü g e n, bei der Girokasse ebenfalls auch deren gesamtes Vermögen, ohne Rücksicht darauf, in welcher Weile eS t»n einzelnen angelegt ist. An unentbehrlichen Ver- mögcnsgcgcnständen traten nach der ministeriellen Ent scheidung noch hinzu die Rücklage für Errichtung einer städti schen Schullehrküch« in Höhe von 6k>58 Mark sowie die freien Stiftungen. Bei der Schulgemeinde Glashütte erklärte da» Ministerium für unentbehrlich das Schulvermögen und die Lchulstiftungcn. Außerdem wurden die Ansprüche und Einnahmen der Stadt aus Steuern und Steiicranteilen. die Gebühren einschließlich derjenigen sür die Lieferung von Wasser, Gas und Elektrizität. Unterstützungen, Beiträge und Erstattungen aus öffentlichen Mitteln, Strafgelder. Anlicger- lcistungen, Abgaben und alle sonstigen Ansprüche einschließlich etwaiger Sldade»crsatznnsprüciie oder Einnahmen öffentlich- rechtlicher Natnr für die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Ausgaben der Stadt für unentbehrlich erklärt. Durch Beschluß des Amtsgerichts Laucnstcin vom 6. August 1V2V wurde, »vie bekannt, das Konkursverfahren er öffnet und Oberbürgermeister Tr. Ay, Meißen, zum Konkursverwalter bestellt. Gegen -je Entscheidung des Ministeriums hat der Konkursverwalter Anfechtungsklage erhoben. Das Ergebnis einer solchen Entscheidung würde sein, daß für die Zugriffe der Gläubiger überhaupt kein Vermögen übrig bleibt, »nd daß ein Konkurs nicht eröffnet werden könnte. Genau so oder annähernd würden die Verhältnisse aber immer liege», wenu eine Gemeinde überschuldet und zahlungsunfähig ist. Auch würde eine Entscheidung, die sich aus den hier bekämpften Standpunkt stelle, überaus verhängnisvoll für alle kredit suchenden Gemeinden werden. Die Etadtgemeinde als Gemriuschulduerin hat ebenfalls Anfechtungsklage erhoben, nämlich insoweit, als das Ministerium gewisse Grundstücke und andere Ver mögenswerte der Stadt als für die Erfüllung össentlich-rccht- licher Zwecke entbehrlich bezeichnet hat. Nach Auffassung der Stadtverwaltung ist das gesamte Eigentum der Stadt- gemeinde unentbehrlich und damit dem Zugrtss der Gläubiger entzogen. Sie begründet dies damit, daß ihr Haushalt, plan, der keinerlei Luxusausgaben enthalte, einen ungedeckten Fehlbetrag von «iüWü Mark aufweist, ob wohl keinerlei Schulüztnseu eingestellt seien. Selbstverständlich wird die NechtSausfassung de- Prozeß- gegners bekämpft. Es seien, so ivird gesagt. Probleme zu lösen, die nicht nur allgemein die Stadt Glashütte, sondern das Wohlergehen der gesamten deutschen Gemeinden und des gesamten deutschen Wirtschaftslebens berühren. Es wäre «in Unding, z« behaupten, die Gemeinden hätten noch Vermögenswerte, Einnahmen »nd sonstige Vermögensrechte, die sie entbehren können, ohne die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Ausgabe» zn gefährden. Tics träfe besonders aus die Glashütte»' Verhältnisse zu. Die Einnahmen aus sämtlichen städtischen Vermögenswerten und -rechten seien im Haushaltplan verankert, und trotz der Ein stellung Mer dieser Einnahmen sei es nicht möglich gewesen, in der städtischen Wirtschaft das finanzielle Gleichgewicht her zustellen. Mit der Wegnahme dieses oder jenes Vermögens wertes, der oder jener Einnahme» würde der öffentlichen Wirtschaft der Stadt der Todesstoß versetzt. Das Gefühl de» völligen NerlassenseinS in der Gemeinde dürfe nicht weiter Platz greisen. Gewiß sollten auch dieGläubiger zu ihrem Rechte kommen. Dies könne aber nicht ausschlag gebend sein sür dt« Entscheidung, weil es sich nur um die Feststellung der konkreten Tatsache handele, daß die Gemein- den, und besonders Glashütte, nach der durch die NachkriegS- zeit geschaffenen Rechts- und Sachlage keine entbehrlichen Vermögesmerte mehr besäßen. Der weitaus größte Teil aller deutsche» Gemeinden ver- möge seinen Haushaltplan nicht mehr zu balancieren. Neben- her schleppe er mit sich fast ausschließlich hohe Schulden, und daS Vermögen der Gemeinden diene durchgängig nur öffent lich-rechtlichen Ausgaben. So sei es höchste Zeit, daß ein anderer Weg gesucht und gefunden werde, der in der Frage der Sicherstellung -es deutschen Kommunalkrcdits sta bile Verhältnige schafft und den Gedanken der wirtschaftlichen Ausschlachtung einer Gemeinde ein sür allemal Tor und Tür verschließt. Der Fall Glashütte wird Schule machen, mag er aussallen wie er will. Falle er für die Stadt Glashütte ungünstig auS, werben die künftig in Finanznot geratenden Gemeinden Glas hütte als Schulfall hinstellen und entsprechend Bor- sicht walten lassen, falle er günstig für Glashütte aus, werden die geldsucheuden Gemeinden aus den deutschen und ausländischen Anleihemärkten meist verschlossene Türen finden. — S»S der Ssperautvdeweg»»». Im Rahmen der letzten Monat»- Versammlung de« Deutschen Eiperanto-Nuirde», «. B.. Zweigverein Dresden, bot Dr.-Fng. K. H. Fricdmann einen lachlich wie smmell gleichinteressanlcn Vortrag über „Lawinen". Er schilderte eingehend Entstehung und Verlaus der verschiedenen Arten von Lawinen, die dadurch gegebenen Gefahren sowie die Maßnahmen »u deren Bekämpfung und verstand sehr gut. den schwierigen Stoff seinen YSrern nabezudrtngen. sowie di« vielerlei tz-achau»drücke einwand- srei in der Esperantosprache wiederzugebe». — Fm vorauSgegangenen gcichastlichcn Teile wurde mitgctetlt, daß der I g. D e u t s ch e Esperanto-Kongreß, der zu Pfingsten diese» Fahre» in Dresden tagen wird, tn gennjscin llmsange international zu wer- dcn verspricht, tnsbesondcre da di« Esveranto-Beretntgungcn der Tschechoslowakei auf Veranstaltung «ine» eigenen Kongresse» zu gunsten de« Dresdner Kongresse» verzichtet haben, Fn der Zeit nnm I. bi» 15. Funi wir» «in Lehrgang des Esperanto von dem rumänischen Elperaniopropagandistcn Andrea Ehe statt- sinden. dessen Methode schnell und gründlich zur Beherrschung der Eiperontosprache sührt. Auskünfte über alle Elperantoangelegenheiten erteilt die GelchästSstclle, KönigSbrttcker Ltr. VS, Tel. .5-lstTT Eine appetitliche Küche TuS Amtsgericht Dresden verurteilte am Montag nach längerer und sehr eingehender Verhandlung die Inhaberin der Gastwirtschaft „Oberscerhof" in Dresden-Altstadt, Frau Jda Martha Schulze, wegen Lebensmittelfälschung zu einem Monat Gefängnis. Wetter wurde auf Publi kation des Urteils in den vier Dresdner Tageszeitungen erkannt. ES galt als erwiesen, daß die Angeklagte, zumindest im Dezember 1S2Ü. wahrscheinlich aber auch schon vorher, fortgesetzt nach der Küche zurückgckommene Speisereste anderweit zu Speisen sür ihre Gäste neu verwendete. So wurden wiederholt von Gästen zurückgegebene Semmel- und Zwiebelreste später im Wiegebraten mit verarbeitet, Kartofsetrestc zn Kartoffelsalat verwendet, selbst Saucen wurden voin Teller abgespült und gelangten so zur weiteren Ausgabe. Auch zu Garnierziveckcn verwendete Gurken- un- rote Rübenschnitten wurden bei Zurückgabe anderen Gästen wieder vorgesetzt. Di« Angeklagte, die jede Schuld bestritt, wurde aller dieser Unsauberkeiten, die nach dem Gutachten des Sachverständige» und Direktors des Chcm. UntersuchungS- amtes der Stadt Dresden, Prof. Dr. Beythien, als Nah- rungSmittelverfälschung anzusprechen sind, durch zwei Zeugen glaubhaft dieser Straftaten überführt. Chinesische Modenschau in Schanghai Von Walter Bloem Schanghai hat seinen Gesprächsstoff. Wohin wtr kommen, überall fragt man unS: Haben Sie die chinesische Modenschau gesehen? Zur zweiten Wiederholung konnten wir endlich Platze bekommen. Der Zuschauerraum des Embassp-Theaters, das sonst dem west-östlich gemischten Publikum die neuesten Filme aller abendländischen Erzeugernationen vorsührt, ist heute von einer tn Eleganz strahlenden Menge gefüllt. Die gesellschaftliche Auslese des europäisch angetvntcn Chinesen- lums bildet die überwiegende Mehrheit. Es handelt sich ja um eine Wohltätigkeitsveranstaltung des A-Mens-Club, den die in Schanghai ansässigen chinesischen Zöglinge amerika nischer Universitäten nach dem Vorbtldc ihres geistigen Adoptinvaterlanbes gegrürrdet haben. Der Erlös ist zur Förderung einer Kinderklinik bestimmt, die tn China sür ver- edelte Säuglingspflege wirken soll. Was irgend vornehm elegant, gebildet oder auchbloß reich ist tn Schanghai, das ist zur Stelle, Frauen- und Mäbchengestalten tn jedem Stadium zwischen konservativstem «ltchtnesentum und verwegenstem FnternattonaltSmus. Bei den Männern das schwarze Seiden oder Samtkäppchen, der ehrwürdige fußlange Rock neben dem Smoking . . . Das Programm weist eine bunte Folge von Darbietungen auf, die tn allen Tönen west-östlicher Mischung schillern. Ein Doppclgnartett junger Schanghater Schönheiten und Elegants singt frisch und leiblich rein Mendelssohns Frühlingslied. Tann gibt eü altchinesischc Musik auf Instrumenten, deren seltsamstes, eine ltegenbc Harfe in der Form einer lang gezogenen 8, von einem chinesischen Kaiser vor nur sechs tausend Jahren erfunden worden fein soll. Sechs solcher ge- heimntsvoller Instrumente verursachen ein Geräusch, da» die Empfindungen einer Prinzessin beim Anblick der Pflaumen blüte versinnbildlichen soll. Fernöstliche Musik — ein Kapitel sür sich! Hier sei nur angcdeutct, daß sie diejenige Offen- baruug des Orients ist, die sich dem Abendländer am schwer- stcn erschließt. Nun tritt eine junge Sängerin auf tn einem modernen Gesellschaftskleid« chinesischen Stils. Sie läßt sich nieder, stützt aus ihr Knie eine Gitarre, deren Schallbecken so hoch ist. daß die zart« Gestalt fast hinter ihm verschwindet. Nur das retzende Dunkelköpschcn taucht über der mächttgen Run- düng aus, ble feinen Arme umklammern mtlhsam das Un- gctüm, und während hauchdünne Finger die Satten meistern, läßt ein glockenhelles und glockenreine» vogelsttmmchen ein LiebeSlteb ertönen, bas so regellos und doch geheimer Gesetz- lichkett voll umherwanbelt wle bas glückstrunken« Schluchzen des NachtiaallenmännchenS. Nach dieser echt nattonalchtnesischen Frauengeflalt er» schetut etn vübche» tu gelvsetbenem Rock und Höschen, d«» sich mit ruhiger Bescheidenheit au de« Flügel setzt ««» froh- gcmut zu klimpern beginnt. Bald stellt sich heraus, daß cs ganz schwierige europäische Etüden sind, die unter den win zigen Pfötchen des kleinen Virtuosen mit der Präzision und dem Stlbcrtönchcn einer Spieluhr ausguellen. Ein richtiges Wunderkind, ein kleiner chinesischer Mozart! Zwischen diese Darbitungen hoher Kunst eingestreut eine dramatische Gelcgcnheits-HumoreSkc-Szene in der Vablikltntk des N-Meu-Club. Ein junger chinesischer Arzt, von zwei Schwestern in Bubiköpfen assistiert, die. beide von Männern gespielt, den Frauendarstcller der chinesischen Bühne aufs er götzlichste parodieren. Eine altmodische Mutter erscheint mit einem infolge falscher Behandlung erbärmlich heruntcr- gekommenen, durch eine Puppe vertretenen Säugling und muß sich vom Arzt energisch zurechtwciscn und in die Ge heimnisse moderner Säuglingspflege etnführen lassen. Tann naht sich dankerfüllt eine „moderne" Mutter mit einem Musterbaby, daS von einem sechs Fuß langen, fettgepolstcrten Jüngling gespielt wird. ES trinkt eine Milchflasche von zehn Litern Inhalt aus, und wird schließlich, da die EäuglingS- waage unter ihm zusammenbrcchen würde, auf der großen Personenwaage auf Gewichtszunahme geprüft. Schanghai krümmt sich vor Vergnügen. Ein Stück VolkShygicne bot noch eine andere Programm- nummer: eine Folge von Glanzleistungen chinesischer Körper- disztpltn. Leider wurde sie nur von Männern vorgeführt — die chinesische Frau ist so weit noch nicht entwickelt, -atz sie den Wert der Körperkultur erkennt, wenn auch die berühmten Krüppelfüße zu verschwinden scheinen. Aber was hier Knaben und Männer und als ihr Drillmcister ein rüstiger Weißbart, eine Art chinesischer Turnvater Jahn, der begeister- ten Zuschauerschaft vorsührte, das waren gnmnasttschc Leistun gen -urchauS chinesischen Charakters. Nun aber die beiden Clous des Abends: die chinesische und die moderne Trachtenschau l Jene läßt eine Szene am Hose einer Mandschukatserin erstehen, als deren Gäste Frauen aller vergangener Kulturepochen Chinas erscheinen. Wer möchte die starre Pracht beschreiben, die da an »nS vorüberzoa? Sie zu würdigen, müßte man Spezialist der chinesischen Kostüm kunde sein. Sie zu genießen, war ein Fest auch für daS Laien auge. So verschieden der Charakter der einzelnen Perioden sich abhob — der gemeinsame Zug war die Verwendung schwerster Seide tn grellsten Farben mit Gold- nnd Silber- sttckeret, gelegentlich auch mit etngesttcktci» oder eingewcbten Blumen- und Ttermottven in Naturfarben. Daz» der tn der Form wechselnde, doch stets tm Format mehr oder weniger riesenhafte Kopfputz mit verschwenderischem Zierat nud Edel- gestetn jeder Art, Farbe und Form. DaS alles »vor ja augen- blendend genug und interessant obendrein. Aber eigentlich war e« doch nur Theater. Die Schau der GcgenwartSmobe führte uus in die brennendste Aktualität heutigen fernöst lichen Lebens mitten hinetiu «eußerltch glich dies Schauspiel der üblichen Modescha». Aber die Weiblichkeit, di« sich hier tm Schmuck modernster chinesischer Festgewänder darstellte, das waren keine ManneoutnS — das waren Damen der vor- nehmste» chinesischen Gesellschaft. Die Kostüme trugen retn »cknoval« Prägung. Auch nicht der geringste Anklang an internationale ausländische Schnitte. Alle diese Kostüme waren für den Rassetnp, die körperliche Eigenart der chinesi schen Frau erdacht. Bor allem war aus jede Freigabe der Hals-, Schulter-, Busen- und Armpartten streng verzichtet — jedenfalls aus der weisen Selbsterkenntnis der Chinesen, daß sie hier in bezug auf Fülle und Farben mit ihren auslän dischen Geschlechtsgenossinncn nicht in Wettbewerb treten kann. So vermute ich wenigstens — zu einem abschließenden Urteil fehlt eS mir a» Beobachtungvmatcrtal. Die Franentypen, die sich dem Auge darboten, zeigten immerhtn eine gewisse Abstufung der Enropäisierung tn bezug ans ihre Haartracht. Bon» kecken Bubikopf bis zur uralt überlieferten Frisur der Chinesin — glatt zurückgestrtchc- »es Haar mit schlichtem Knoten tm Nacken, dazu bei den jungen Mädchen die seltsgmcn „Simpelfransen", die Haare oberhalb der Stirn sind nach vorn gestrichen und in Braueu- höhe gradlinig gekürzt — zeigten sich zahlreiche feine Ueber- günge. Die Frauentracht besteht ans einem ziemlich glatt herabfallenden sußfreien Rock und einem langärmeligen, mit steifem Halskragen abschließenden Jäckchen, das vorn über der Brust sich glatt anschmiegt, unter der linken Schulter seit lich geschlossen wird und an den Hüsten loie anliegt. Ties Schema mar durchgehend bewahrt — und damit die nationale Note. Soll ich versuchen, einzelne Kostüme beschreibend hervor zuheben? Etn weißes Seidenkleid mit langen Knuten Blumenranken von oben bis unten in der gegenüber der sapantschen »veit zarteren chinesischen Formgebung bestickt, gab seiner Trägerin eine schwebende Bornehmheit. Aber die erlesenste Erscheinung war für mein Auge eine hoch- gewachsene schlanke Gestalt in schwarzer Seide mit lang herabfalleudk» Uebcrärmeln, alles mit großem Schletfeu- muster tn verlmutterfarbeiien Pailletten bestickt. Und zuni Schluß erschienen zwei nahezu nach europäischer Art zurecht gemachte blumenstreuende kleine Mädchen und tn ihrem Ge folge eine Braut in weißem Atlas und Schleier, statt mit dem Myrtenkränze mit der aus weißen Schilden zusammengesetz ten Bobdhtsatvakrone geschmückt. Ihr rundes Mabonnen- gesichtchen glänzte so selig schmachtend, wie nur je das einer abendländtlchen Hochzeiterin. Und zn ihrem Geleit intonierte das Orchester, das sich bislang mit etlicher Jazzbanbmustk be tätigt hatte, den Brautchor au» dem Lohengrtn . . . Der bleibende Gewinn der Schau mar neue Befestigung der tn Japan gewonnene» Erkenntnis, baß die Welt um «in Unendliches an Schönheit und Charakter ärmer werden würde, wenn die Jnternationaltsierung, die unglückselige, tn ivetterem Fortschrctten alle Unterschiede tn der äußeren Er scheinung der Völker und Raffen htnwegschwemmen würde. Das weibliche China, das sich hier unserem Auge barstellte, war echt, ehrlich, schön. Jede Tracht, die wirklich diese»» Namen verdient, ist aus dein Körper einer Rasse gewachsen, ihm nur gemäß: aus eine andcrsblütige Weiblichkeit nicht übertragbar. DaS Volk, bas Frauentum eines Volkes, La btest: grundlegende ErkenntntS in den Wind schlägt, verdammt sich selbst zur Unwesentlichkeit, verzerrt sich selber »r Karikatur.
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