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Tageblatt für kLLKMLL« Unterhaltung und Geschäftsverkehr. — Durch die Kal. Post vierteljährlich Mitredacteur: Theodor DroKisH. 22Ngr. Etn^lneNummern (Könnt, bis 2 ü ) angenommen Expedition: Johanne- u. Waisenhausstr. 6. 3«V. Montag, den 26. December MS Dresden, den 26. December. — Oeffentlich« Gerichtsverhandlungen: Ein Hauptschwindler, der Müllergeselle I. C. A. Borr- mann aus Potschappel stand am verflossenen Donners tag vor den Schranken der Oeffentlichkeit. Sechs Fälle lagen gegen ihn vor, in denen er eben so viel Frechheit als Gaunergenie bewiesen hatte. Zunächst war er im Mai v. I. bei dem Agenten Günther in Dippoldiswalde erschienen, hatte sich für den Sohn des Bäckers Ehrlich aus Oschatz ausgegeben und erklärt, daß er eine von die« sem zum Verkauf ausgebotene Mühle zu acquiriren be absichtige. Dem Agenten mochte schon daS zu erwartende Proxeneticum in die Augen stechen, er begleitete ihn mit gro ßem Vergnügen zu dem fraglichen Verkäufer, Hrn. Müh lenbesitzer Wetzel und stellte ihn vor. Der Handel ging nun loS, „Ehrlich" nahm'S nicht so genau und feilschte nicht lange. Man wurde bald um den Preis von 8050 Lhalern einig, nur daß sich der Läufer nicht mit dem Draufgelde versehen hatte, das in einer angegebenen kur zen Frist gelegt werden sollte. Nach wohlvollbrachtem Geschäft ging's in den Gasthof und es wurde da, wie daS nach Kaufabschlüssen der Fall zu sein pflegt, wacker gezecht. Als aber der SchmauS alle war, erklärte Herr »Ehrlich- nicht nur dem Wirth, daß er die Arche bei sei nem nächsten Wiedererscheinen bezahlen wolle — was dieser bei einem so wohlhabenden Mühlenbesitzer natürlich gern gewährte — sondern borgte sich auch — und weiter hatte eS keinen Zweck — von Hrn. Wetzel einen Lhaler, indem er vorgab, er sei schon so lange auf seine Mühlen« entdeckung-reife, leider aber ihm in dem Labyrinthe seiner Pfade der Faden der Ariadne, daS Geld, ausgegangen. Natürlicherweise war Wetzel hinter'S Licht geführt. — Ferner hatte er im Laufe des Monats Juni den Haus knecht Rau im »schlesischen Hofe- einen Koffer vom böh mischen Bahnhöfe holen lassen, in dem angeblich sein Geld sich befinden sollte, und diesen hierdurch nicht nur zu einem Darlehn von S Lhalern veratrlaßt, sondern auch ihm noch eine Uhrkette und eine Weste gestohlen. Ebenso verfuhr er um selbige Zeit im Tasthofe »zum Mohren kopf«.- Dort gab er vor, der Sohn des Zirkelschmidts Köllig zu sein, und händigte dem Hausknecht einen Brief an seinen angeblichen Vater aus, den er gegen Empfang von Geld abliefern solle. Der Hausknecht mußte einst weilen einen Lhaler Herausrücken. Als er enttäuscht nach Haus« kam, war Grundehrlich weg, dazu aber auch eins seiner Vorhemdchen. Eine ähnliche Geschichte führte « auf dem Schusterhause aus. Dort trat er in die Woh nung der verehel. Mai, und schickte sie zur Herholung einer KosserS nach der Ostra-Allee. Als sie fort und er mit den beiden kleinen Kindern allein war, steckte er eine an der Wand hängende Uhr ein und verschwand. Nicht minder hatte er in Dohna eine Wäscherin nach dem Müqelner Hal'epunkt gesendet, eben auch um einen an geblich dort befindlichen Koffer zu holen, während dessen aber sich von deren Tochter 10 Ngr. geborgt und ein Hemde mitgenommen. Der sechste Fall betraf einen Schurkenstreich, den er gegen die Tochter eines Gutsbe sitzers begangen, indem er ihr vorgespi.gelt, sie heirMhen zu wollen, und hierdurch ihre Hingabe erlangt hatte. ES trat hierbei geheime Sitzung ein. Für sämmtliche Ver brechen traf ihn eine Zuchthausstrafe von 1 Jahre. — Wie bekannt, hatte die k. Kreisdirektion um die Mitte drS November d»e Stimmzettel zr; den Stadtver- ordnetenwahlrn in Leipzig zu näherer Prüfung an sich ge nommen, als gerade die Auszählung der Stimmen fast beendet war. Wie man vernimmt, hat nur der Umstand bedenklich geschienen, daß oft eine Anzahl Stimmzettel von ein und derselben Hand geschrieben zu sein schienen; die Wahlzettrl sind von der Kreisdirection zur enbgiltigen Entscheidung an daS Ministerium abgegeben worden. Durch die natürlich ringrtretene Verzögerung wird die Neubildung des Stadtverordnetencollegiums zu Neujahr jedenfalls verzögert werden, und eine Bestimmung dar über, waS in solch' einem Zwischenfall zu geschehen habt, giebt eS unsres Wissens in der Städteordnung nicht. — Ein EiSmangel, wie sich derselbe im vergangenen Frühjahre am hiesigen Orte in vielen gewerbliche;, Krei sen als sehr fühlbar herauöstellte und dem durch Zufuh ren aus dem Norden Europas mit höchst bedeutenden Geldopfern abgeholfen werden mußte, wird für das nächste Jahr nicht eintreten, indem die betreffenden Gewerbetrei benden während des seit 14 Lagen anhaltenden Frostwet ters, namentlich auch die Brauereibesitzer für bairisches Bier ihren Bedarf fast sämmtlich schon eingefahren haben. — Wie durch resolutes Zugreifen manchmal ein großes Unglück abgewendet werden kann, davon gab die ser Lage eine einfache Frau, welche auf dem Altmarkte feil hielt, ein glänzendes Beispiel. Nicht weit von dem Stande dieser Frau kauerte ein vor Frost klapperndes klei nes Mädchen neben ihrem Tischchen über einem glühenden