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01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 23.11.1905
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-11-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19051123013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1905112301
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1905112301
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-11
- Tag 1905-11-23
-
Monat
1905-11
-
Jahr
1905
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 23.11.1905
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kMniEO HEiärM » , « Küdil0l.icnLir nok-l.iefLlr^i>n ° ° » -- 8I^88L / /VlOVMM KEir»^M8EikLr SEI^UG nirc>s87L o ° ^08Vl?^NT IkK -1l,I.t:IK ° pklllMäOtftK Bereinskalender für kirnte. Berb«»d Drutscher tzandluug-gchilfen. Oeffentliche Ver- sao.mluna. „Tivoli", halb 9 Ubr. M>l»«rd«rei» »Jäger und Schützen". Zusammenkunft, Land- hausslraße 5, S Uor. Mäuuer^rsang-Bereiu Dresdner Apollo: Uebungs-Abcud, »Stadt Vilsen". 9 Uhr. Deutscher und Oesterreichischer Tonristen-Nlub: Bortrag. »Drei Raben". ^9 Uhr. Fröbcl-Stiftung: Uebungs-Abend der Äindergärtncrinnen, Chemnitzer Strebe 17. »Fortschritt. Verein Gabelsbergcrscher Stenographen: Vor trag, Marienstraße 46, 1. Et., Ft.10 Uhr. Evatterttaub ver «Slve unv Moldau. Budwets Praa Pardubitz M«>n» Leitnieritz Avlfia Dresden 21. Roobr. -4- so stillt -l- 2l 4- K6 4-20 4- b!t — 73 Ä. Novbr. sehlt jctzlt -1-22 4-21 -l- ttt 4- b? — 83 TageSsitschichte. In Rußland ist der Sieg Wittes aus der ganzen Linie entschieoc». Die Liberalen beginnen sich zu sammeln, zu dem Ministerpräsidenten Vertrauen zu fassen und ihm ihre Mitarbeit bei der Realisierung seines-Programms anzubiete». Eine entscheidende Wendung in der Sache der liberalen Reformen wird der Kongreß der Semsiwos und Städte, der in Moskau zusammengetreten ist, herbcisühren, über den sich heute schon sagen labt, daß die Mehr heit der Delegierten einer auf Unterstützung des Kabinetts ab zielenden Resolution günstig ist. Außerordentlich gewonnen hat die Stellung Wittes durch den Mißerfolg des Petersburger Streikkomitees bei dem soeben beendeten Gcneralstreil, indem durch die übertriebenen Forderungen der Revolutionäre weite lichen Manifestes zu verwirklichen. Alle Gerächte, die. von einer bevorstehenden Ersetzung Wittes durch den Minister des Innern Diirnowo in den letzten Tagen umliefe», sind falsch. Tab gewisse Einflüsse Hutter dem Rücken des Ministerpräsiüente» wirksam sind, um den Zaren von der Unwirk>a»ikci> und Zweck losigkeit der Reformen zu überzeugen, läßt sich nicht leugnen. Nachdem aber die .graft der Reaktionäre bei Gelegenheit der nach der Verkündigung des Zcirenmantz'cstes au Sgeb röche neu Unruhen entschieden versagt hat, läßt sich mit Bestimmtheit er warten, daß tue deui Reformwerk schädlichen Einflüsse auch dies mal durch das unbedingte Vertrauen des Zaren zu Witte para lysiert werden. Die polnischen Abgeordneten in Moskau machen sol- u >. > u i- > O l. V. . . . Hütet Euch vor Preußen, sie sind bereit, seden Augenblick ein- zumarschieren, werden Euch alle füsiliere». Nebenan sitzt der deutsche Konsul.... Ich könnte Euch auch niederschießen. loarte jedoch aus Weisung aus Petersburg/' In den Semstwos wurde stürmisch die Bestrafung Skalons gefordert, weil er nicht sofort Truppen gegen die angeblich anrückcndcn Preußen mobilisiert hätte. (Daß die Behauptung des Herrn Skalvn der Helle Blöd sinn ist, braucht keinem halbwegs Einsichtigen ausdrücklich ge sagt zu werden. Trotzdem erscheint eine derartige faustdicke Luge politisch nicht unbedenklich, weil sie in der urteilslosen Masse den Deutschenhaß zu schüren geeignet ist. Die Red.s DeiltscheS Reich. Der Kaiser traf Dienstag abend 7 Uhr 10 Min. aus Kiel auf Station Wildpark ein. Zum Empfange waren die Kaiserin und Prinz Adalbert aus dem Bahnhose an wesend. Das Kaiserpaar fuhr nach dem Neuen Palais. Eine Panier Meldung der „Magdeö. Ztg." betont, cs sei keinerlei Hindernis voianszusehk». welches de» für den 15. De zember bestimmte» Zusammentritt der M a r0 k k 0 kv n feren z iu Algeciias verzögern könnte. Man könne als beinahe sicher annehmen, daß die Vertretung der französischen Interessen in der Konferenz Herrn Revvil anvertrant sein wird, dessen Ernennung zum sraiizöstichen Botschafter in Madrid in der Zwischenzeit zu erwarten sei. Hinsichtlich der Dauer der Konferenz wird die Meinung geäußert, daß sich ihre Arbeiten über einen Monat hin- ziehen werden. Nach de» erste» Sitzungen dürsten die Bevoll mächtigten anläßlich des Neuiahrssestes anSeinandcrgchen und die Bei Handlungen werden dann wahrscheinlich erst gegen den lO. Januar wieder ausgenommen werden. Der Gouverneur von D c u t s ch -O sta s r: k a Graf Götzen telegraphiert aus Dar-es-Salaam unterm LI. November: Aus Songea wurde Mitte November gemeldet, daß der Wangon-Häuptling Schabrüma östlich Songea aus der Anmarschstraße des Majors Johannes steht. Der Sekretär Schulz kehrte von Songea nach Wicdhasen zurück, wobei er mehrere erfolgreiche Gefechte hatte. Er erhielt einen Spcerstich in den Unterarm: 1 Bur und 5 farbige fielen. Der Feind verlor 49 Tote. Im Bezirke Langenburg lind die tthehc, Dabora und Muansa ruhig. Die Sultane aus dem Bezirke Bukoba stellten 290 Mann Hilsstrupven, die der Station Muanha überwiesen wurden. Der Bezirk Linde ist nahezu voll- ständig beruhigt. Im Nordwesten Kilwas wurde der Haupt- ansührer Hassan Buschir von seinen Leuten verlassen und von einem Akida gefangen genommen. Biele Aufständische untcr- wancn sich infolgedessen Am 14. November erfolgte in de» Matumbibergen bei Kibatta, während die Oberleutnants n. Grawert und Schön aus einem Streifzua waren, «in sehr heftiger, aber erfolgloser Angriff großer Haufen Ausständischer aus das befestigte Lager der Schutztruppe und der Marine- Infanterie unter Stabsarzt Akrodzki. Ter Feind hatte 55 Tote. Man nimmt an, daß in den Matumbibergen noch eine Zeitlang Widerstand geleistet wird, da der Feind dort schwer zu fassen sit. Ter Gesundheitszustand der Marine-Infanterie ist be- sncdiaend. iWiederholt.s Znm .. Vorwärts "-Streit veröffentlicht die .Münchener Post in einer eigenen Ausgabe, damit die Parteigenossen sich ein völlig objektives Bild der ersten, bestimmenden Vorgänge i» der „VmwärtS'-Angelegenheit machen könne», ohne jeden Zusatz das bis jetzt noch nicht publizierte Akteiimaterial des Buesivechiels zwüchen Parteivorstand und de» sechs »Vorwä,ts"-Rednkte>lrcn. Die Tatsache der Publikation an sich ist ein scharfer Hieb der Münchner Sozialdemokraten gegen den Parteivorstand und hie Berliner Preßkvmmission und geeignet, den vorhandenen Konflikt zwilchen Berlin und M ü » che n zu steigern. Im Gleiwitzer Gehei in bündelet-Prozeß wurden von 25 Angeklagten 6 wegen Vergebens gegen die 88 128 und 129, 9 wegen Vergehens gegen 8 128 und 6 wegen llcbeklrctiing des Vereinsgelktzes vettirteiit. 4 freigesvrochen. Der Haiiptangeklagte Wpcisk wurde z» 1 Jahre und :! Monaten, zwei Angeklagte zu je 9. einer zu 6. drei zu je 4. sechs z» je 3 und zwei zu je 1 Monat " G die Ueberzeugung verschaffe, daß das neue Gesetz der freien Aus- Übung der Kulte keine Hindernisse bereitet. Türkei. Im Pildiz tagte ein großer Minister rat, um den Text der Aittwort aus die letzte Note der Mächte, betreffend die makedonische Finanzkontrolle sestzusctzcn Gut informierte Kreise wollen bereits wissen, daß die Aittwort 0 b lehnend lautet. In Englands offizieller Haltung zeigte sich bisher keine Acnderung. Kunst und Wissenschaft. 's In der K ö n i Richard Wagners . . ,. „ Den Hans Sacks singt zum erstenmal Herr Kieß. - -, -- - --- ' ' egres »Julius nigl. H 0 s 0 per gelangen heute abend tt Uhr „Meistersinger von Nürnberg" zur Gefängnis, sowie 6 z» geringen Geldstrafe» vcriirteilr. Frankreich. Mach einer Pariser Meldung gilt es als wahr scheinlich, daß das Gesetz, betreffend die Trennung der Kirchev 0 m Staate, vom Senate gegen den 19. Dezember angenommen sein wird. Man sieht voraus, daß die Annahme ohne Abänderung erfolgen wird. Die Regierung wird dann. sofort mit der Kundmachung des Gesetzes Vorgehen. Für die; Inkraftsetzung wird eine Verordnung der Verwaltung erforderlich sein, welche im Staatsrate ausgearbeitet werden wird. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird das neue Regime zur Zeit der allgemeinen Wahlen im Mai 1906 bereits cingcführt sein. Die republikanische Partei will, daß daü Land möglichst bald sich — Im Königs. H v ss ch a us p i el geht Shakespeare Cäsar" in Szene. Beginn der Vorstellung 7 Uhr. > Im Residcnzthcater ivird die Wiener Operette ,. Da S W ii i cherm äd e l" wiederholt mit Ha n si N iesc in der Titelrolle Beginn der Borstellung halb 8 Uhr. V Ii» Musenhnnse findet heute der Klavierabend vvn Professor M a r Bauer statt. 7 Ii» Literarischen Verein hält am Somiabcnd abend 8 Uhr Herr Professor Dr, Paul Schuma 11» in M ei»- hvlds Sälen einen Lichtbilder-Vortrag von allgemeinerem Jiilcresse: „Der Tod in der Kunst". Ainchlnßkarten zu l Nit sind vorher i» Urbans Buchhandlung (Wilsdruffer Sir. 2l) und zum Vortragsabend am Saalcsiigange zn bnben. '!' König!. Kapelle. Das 2. Siiisoiiic-Konzcrl der U-Serie stand unter dem Zeichen Eugen d'Albe rtS. Die Kritik durfte somit feiern und hatte eigentlich nur die ebenso seltene wie aiigenchme Ausgabe, in die allgemeine Bewunderung mit ein,» stimmen. Er spielte Beethovens O-cinr-Konzert und S ch u bert-Liszts „Wandcrer"-Jantasie, wie wir sie von ihm zn hören gewohnt sind, in konkurrenzloser Meisterschaft. Keiner seiner Zeitgenosse» dichtet den Andante-Satz des Beelhovcnschcn Werkes gleich vollendet nach, wie er, keiner ist im slande, uns ein ähnlich fesselndes und tics ergreifendes Bild dieses merkwürdigsten Geistcs- prvdnktcs in seiner scharf kvntrasliercnden Toniprachc zu geben, wie wir es von ihm höre». Er spielt den Satz, bei dessen Kon zeption Beethoven die Dvmszcne in Goethes „Faust" vorgeschwebt haben soll, gleichsam mit unterdrückter Stimme, elegisch, flehent lich, dann mächtig steigernd bis zur Kadenz, dann wieder er sterbend, wie nitter von Dränen erstickten Klagetvnen. Keiner spielt ihm das nach. Mit gleicher Kongcnialilät beherrschte er die Schubertschc Fantasie, groß und echt im Geiste ihres Schöpfers, mcislerlich im Eingehen ans die delikaten Forme» feinster Seclen- rcgnngcn. Unnütz, hierüber nach ein Wort zu verlieren. — Etwas stark im Gegensatz zn diesen großartige» Eindrücken stand die Wirkung einer Suite <c>p. 126) von Eizrieo Bossi. die von der Kvnigl. Kapelle znm erstenmal gespielt wurde Das dreiteilige Wert ist die respektable Arbeit eines bekannten trefflichen Musikers, der fließend und geschickt zu schreiben, leider aber nur wenig^zu sagen weiß. Der leidcnschastlich und energisch beginnende erste Satz (Präludium) vervusst in einem das Ohr überraschend treffenden, unmotivierten Pianissimo. der zweite Teil (Fatum) steht sklavisch unter der Suggestion Wagners, der dritte, „Ker- messe" betitelt, entrollt ein kunterbuntes Bild, das vielleicht rhvth milch, lcincssallö aber motivisch in irgend einen Zusammenhang mit dem Vorhcrgcgangene» zu bringen ist. Die König!. Kapelle itiitcr v. S ch uchs Leitung ließ der Suite olle Hingevnng und Sorgfalt zn teil werden, vermochte damit aber nicht mehr als einen Achtnngserfolg zu erreichen. Dafür sprach Mendelssohns Ouvertüre „Meeresstille und glückliche Fahrt" um lo leb hafter an. L 8t. 7 Im König!. H 0 f 0 pcrnhause sind die Proben zn Richard Strauß' „Salome" so weit vorgeschritten, daß die Uraufführung für Sonnabend, den 9. Dezember, in Aussicht genommen werden konnte. Die gewaltigen Aufgaben, die das Werk den Sängern und dem Orchester stellt, lasse» aber immerhin »och die Möglichkeit einer Verschiebung der Premiere zu. — In diesem Falle könnte cs sich jedoch nur nm einige wenige Tage handeln. Jedenfalls ist zurzeit, um in dem beliebten Theateriargon zu reden, alles in vollstem Gange und nervösester Erregung, die Wünsche des Kamponislen bis in das kleinste zu erfüllen. Die vvn Rieck entworfenen Dekorationen wurden, auf Strauß' Verlangen, in ihrer pompösen Pracht wesentlich verein facht, um die Musik gleichsam nur an sich und durch sich wirken zn lassen, und bereits ist auch der Orchesterraum um mehr als einen Meter nach der Bühne hin vertieft worden, um der riesigen Orchcsterbesctzniig — bedeutend größer, als bei den „Nibelungen", „Meillersmgern". „Tristan" üblich — den nötigen Plaß zu schaffen. Wir sehen demnach einer Aufführung entgegen, die in allem durchaus außergewöhnlich sein wird, sowohl in ihren künstlerischen wie ur den technischen Anforderungen. Ainiieldimgen zu der Premiöre sind bereits aus aller Herren Ländern erfolgt, zahlreiche Theaterdirektvren. Kapellmeister und Kritiker werden ihr anwohnen. Wir haben also eine Sensation erster Güte zu erwarte». f Residenztheater. Der Fciertagsernst. den der Vorabend des Bußtages unseren Bühne» gebietet, brachte der Kritik einen erlesenen Genuß: Hansi Niese spielte die Vroni in Anzen grubers ,. M e i ne i d b a u c r". Wer es noch nicht wußte, der konnte es vorgestern erfahre» : diese Frau aus der Wienersiadt kann viel mehr als »ist schlecht komponierte» Opercttcnalbernhciten a >a »Wäschermädcl" ein schaulustiges Publikum amüsieren, sie weiß aus dem Innersten heraus machtvoll und ergreifend zn ge stalten als eine Künstlerin von hohem technischen Vermöge» und einem ganr prächtigen Temperament. Ihre herzhafte Art, der Rolle zu Leibe zn gehen, die Figur fest in ihrer besonderen Wesensart z» packen und mit starken llmrißlinien zu charakterisie ren, »ahm gleich zu Beginn des Spiels für sie ein. Ihre natür lichen Mittel und viele Nebe»sächlichkeiten, so der derbe Gong, die tiefe Stimme, kamen ihr bei der äußeren Repräsentation der reichen Bauerndirn' in beträchtlichem Matze zu Hilfe. — zuge geben : aber das Letzte »nd Beste, die Aufrichtigkeit und Herzlich keit, die Echtheit und Ueberzengnngskraft in jedem Wort, in jeder Geste, — das gab dieser Vroni doch erst die grotze Künst lerin, die in Hansi Riese steckt. Vor allem de» Reichtum an Details im Spiel, der sich in diesem Umfange an der Künstlerin nur in ihren ernsten Rollen so offensichtlich erweist, während ihre Posseiisignren — übrigens nicht ihre, sondern zumeist der Herren Autoren Schuld — leicht den Eindruck Hervorrufen, als habe man es hier mit einer durchaus einseitigen Schauspielerin zu tun. Am unmittelbarsten wirkte die Darstellerin vorgestern abend in der Sterbeszene des Martin, in der großen Abiechnnng mit dem Kreuzwegbaucr und im Schlußakt, dem man Austritt nm Austritt wohl nie zuvor mit solcher innerer Anteilnahme gefolgt ist, wie a» der Hand Hansi Vlieses, die man zu feiern mit Recht gar nicht müde wurde. Die Umgebung des Gastes bemühte sich redlich mi! »in den Erfolg des Abends. Am besten gelang das in beträcht licheren Rollen den Herren Friese (Martin), Ja »da (Ferner) und Bayer (Hollerer), sowie Frau Krönt hal (Burger- lics'). H. ß Central-Theater. Fast schon ist Halbes „Jugend" zu cinem historischen Stück, zu einem allgemein anerkannten Re präsentanten des „modernen", vcrisiischen Stils geworden: wen» ein auswärtiges Ensemble mit deui oft gespielten Stück noch etwas Eigenes bringen will, so kann es nur die folgerichtige Ausbildung dieses Stils, das vollständige Aufgchcn aller Be teiligten in ihrer Aufgabe sein: der möglichst wahrhaftigen Dar stellung des Ganzen. So wollte die Ausführung im Central- Tbcater pon Mitgliedern des Berliner Lusttpiethaus-EnsembleS ani Vorabend des Bußtages unter der Leitung des Herrn Direktors Dr. Martin Zickel genommen sein, und so erreichte sic eine höchst beisallswerte Leistung, deren Werl vor allem in dem wunderbar exakten Zulammengchcn des Ganzen, in der Unterordnung jedes einzelnen unter den gemeinsamen Zweck log. so daß der besonders reiche Beifall am Schluß, der nach mehrfachem Heben des Vorhanges auch Herrn Dr. Zickel au) die Bühne brachte, vornehmlich diesem galt. Dabei waren auch die Leistungen der einzelnen Kräfte vorzüglich. Namentlich er- reichte Fräulein Mall inner als Annchcn einen schönen Fluß der Darstellung, die ein wirkliches Stück Leben gab. Herr Willy Walter als Pastor Hoppe ward allem gerecht, was in diesem gesunden, munteren Pastor steckt, ohne daß er, wie es bei der Rolle oft der Fall ist, die Frische und Munlcrheit des ehemaligen Studiosus hätte zu forciere» brauchen. De» Kaplan wußte Herr Victor Palfi besonders geschickt als Polen zu char gieren, ohne jedoch in seiner Auffassung der Rolle in 0er Charge stecken zu bleiben. Als Slndent Hans war Herr Walter Ritter bei der Durchführung seiner barsielleriichen Ausgabe in der Hauptsache echt, namentlich die sähen Siimmungswechsel gelangen tatsächlich ganz gttmnasiastenhasi. Herr Mcix M a r x stellte den Amanous als vollendeten Schwacsikops hin und wußte besonders das rein Tierische in dieser Trolielnatur hcrvor- zukehren. Fräulein Kuhn als Maruschka iah sehr verlockend ans. Die aus die Dekoration der osiprcnßnche» Piarrcrwohn- siube verwendete große Sorgfalt lohnte sich vorzüglich in der Erhöhung des Getamleindrucks. Ernst und Scherz. „Können Sie lesen'?" Welche wunderliche Frage! Heut- zutage kann doch jeder Mensch leien! „Jeder Meii'ch ? Dis ist wohl zn viel gesagt. Es gib! Millionen Menschen, die nichl lesen können, noch nie etwas Gedruckies oder Ge schriebenes gesehen habe», und selbst in unserem alten Europa ist die schwierige Knust des Lesens vielen noch gänzlich un bekannt. Selcht in Deutschland rindet inan noch unter den Rekruien Analphabeten, besonders in den an Rußland grenzen den Provinzen, aber mit Stotz können wir Laclnen sagen: „Seht, da sind wir doch besser daran! Bei uns kann jeder Mann lesen! Manchmal gehts zwar etwas langsam, es nnitz mit dem Finger nnchgeholfen werden, und wenn ein gar zu schwieriges Wort kommt, wird eine Kunstpause gemocht, aber dann weiter. Das macht die allgemeine Schulptlicht!" Das kleine, harmlose Lustspiel vom Vater Bcnedix „Der geheimnis volle Liebesbrief" ist entschieden nicht mehr zeitgemäß, denn da wandert im -vause des Gärtners ein Briet aus einer Hcmc> in die andere; jeder und jede besieht ihn rechts und linis, hält ihn dicht an die Augen oder aus Armeslänge entfernt, veriucbt's von der verkehrten Seite und gibt ihn dann kopi- schüttelnd weiter. Sie können nämlich allesamt nicht lesen, weder Vater noch Mittler, weder Sohn noch Tochter! Heutzutage nn- glaubltch, vorausgesetzt, daß der Brie? leserlich geschrieben iß. Aber daran mangelt's oft sehr bedenklich. Wie vit bekommen wir Schriftstücke in die Hände, die nur mit der größten Mühe zu entziffern sind! Gelehrte Leute, bieten in diejer Beziehung oft hervorragende Leistungen, und daß der Herr Professor später selbst nicht lesen kann, was er geschrieben hast ist der Gipfel punkt der Verwirrung. Daß Aerzte meistens eine sehr unlcser liche Handschrift schreiben, ist bekannt »nd schon oft belacht worden. Sie haben aber ihre guten Gründe dafür. Es gibt Patienten, die stets wissen wollen, was aus dem Rezepte sicnl, und die, ehe sic die Mixturen und Pillen schlucken, die in der lateinischen Küche gebraut werde», mißtrausich nach „Neun und Art" fragen. Für solche sind die ärztlichen Hieroglyphen sehr ärgerlich. Auch als Zeichen einer großen Praxis ist die. eilige Handschrift anznsehen. Wer mit der Minute geizen muß. hat keine Zeit, um sich beim Schreiben lange onszühalten. Das wußte die >ugcndiiche Braut des Herrn Doktors wahrschein lich noch nicht, als sie zn ihrem Kummer einen gänzlich un leserlichen Brief ihres Bräutigams bekam. „Weine nicht!", tröstete endlich mitleidig die kleine Schwester. „Wir wollen in die Apotheke gehen und »ns den Brief dort vorlesen lassen!" „Können Sie lesen'?" möchte man manchmal im Theater fragen. Es soll ausnahmsweise eine Stunde früher beginnen als ge wöhnlich, denn Schillers „Räuber" sind ein langes Stück. Man licst's auf den Theaterzetteln mit fetter Schrift gedruckt, in den Tageszeitungen stehl's zu lesen. Das Glockenzeichen zum Anfang ertönt, aber viele Plätze bleiben leer. "Nach und nach finden sich die Abonnenten ein. Verwundert oder empört, daß man angesangen, che sie da waren, nehmen sie mit viel Geräusch ihre Plätze ein und stören die Nachbarn, die pünktlicher waren, ganz gewaltig. Sic haben nichts gelesen! Bei jeder Aus stellung erlebt man's, daß wenige Minuten vor dem unzählige Male bekannt gemachten Schluß noch Schaulustige Einlaß be gehren, und ist die Lotterie gezogen, sind die Gewinn-Nummern hinlänglich bekannt gemacht, so kommen noch nach Monaten Nichten und Neffen zum Briefkasten-Onkel mit der Bitte, ihnen doch mitzuteilen, ob sie vielleicht dazumal etwas gewonnen hätten. Die vierspännige Eauipagc — den oenetianiichen Spiegel — oder einen Scheuereimer'? Nichts gelesen! Es gibt mancherlei Entschuldigungen für diese Nnierlasiungssünden. und die treffendste ist die: der Lesestoff schwillt dermaßen an, daß man kaum noch im stände ist, ihn zu bewältigen. Was muß ein gebildeter Mensch, der mit der Zeit sortschrcitcn will, tagtäglich lesen. Zuerst die neuesten Telegramme über Krieg und Revolution, Arbeiterstreik und Eholeragesahr. Dann nimmt er einen sehr langen Leitartikel über die allgemeine Welt lage in sich aus und erfahrt haarklein, was die Zeitungsschreiber in Paris und London, in Wien und Berlin dazu sagen. Dann kommt die Tagcsgeschichte an die Reihe. Was sich in der Ferne und in der Nähe'ereignet hat — Las Erdbeben in Italien, der Gardinenbrand in -der Annenstraßc, der Ehcschcidungsprozeß in Koburg, das Teichfischen in Moritzbnrg. Er liest von der neuen Oper, von dem Konzert eines berühmten Klaviervirtuosen und von der Vorstellung im Schauspielhaus, und ob die Volksszcncn diesmal besser geklappt haben als bei der ersten Aufführung. Aus keinen Fall dürfen die Familicu-Nachrichten übergangen werden. Man muß doch wissen, wer sich verlobt und verheiratet hat, ein müder Pilger hat zum letzten Schlummer die Augen geschlossen, und zur Freude des jungen Elternpaares liegt in ver Wiege ein munterer Schreihals, der hcihersehntc Junge. Und welche Fülle von Ankündigungen werden uns jeden Morgen schwarz auf weiß überreicht! Wer könnte sic alle lesen, aber glücklicherweise kommen uns die dem Text beiaegebencn Bilder zu Hilfe, deren Bedeutung schon der kleine A-B-E-Schütze zu erkennen vermag. Ist in seinem Lesebuch eine Maus abgcbildet. so weiß er, Laß das Wort, das daneben steht, „Plans" heißtMWir Großen macke» es genau so. Elegante Tämen in langen Schlcpvkleidern! Aval Ein Modebasar zeigt den Eingang der Pariser Neuheiten an. — Pelze. Müsse, Stolas! Also ein Kürschner. — Hier präsenlicrl ein Diener in tadelloser Haltung aus einem wahrscheinlich silbernen Tablett einen Brief. Man kann in diesem Geschäft offenbar elegante Livreen bekommen. „Werde mir die Adresse notieren." Sieht man einen mutigen Renner im Galopp, so weiß man, hier werden ein paar überzählige Droschkenpierde angeboten, blickt uns der Kopf eines jungen Langobrs freundlich an, jo ist ohne Zweifel vom Hcllcrhot und von Esclsmilch die Rede, wäh rend der Kovs des Wüstenkönigs oder des heimtückischen Tigers aut de» Zoologischen Garten hinweist. Wir sehen das Porträt des Taschenspielers oder des Salontirolers, der bei uns Vor stellungen geben will, hier hält uns ein dralles Mädel einen gefällten Bierkrug entgegen, dort präsentiert sich mit langem dis zu den Fußspitzen herabwallcndem lockigem Haar Fräulein Anna Ezillag. die diese Fülle einzig und allein einem wunderbaren Haartvasser verdankt, und zur Empfehlung von Nährsckokolade sitzt eine Gesellschaft von Kindern um den Tisch, die sämtlich so wohlgenährt sind, wie sie sich nur eine Mutter wünschen kann — lauter kleine Posaunenengel. Wir könnten noch lange in dem Bilderbuch blättern, das jeden Morgen zur Kaffeestundc bei uns erscheint, aber es fällt uns schwer aufs -Herz, daß wir die Haupt sache noch gar nicht gelesen haben: die amtlichen Bekannt machungen — die, leider, leider! — viele» unserer Mitbürger- recht gleichgültig, sozusagen schnuppe sind. Es gibt nun einmal Menschen, die kein höheres Interesse babcn, als Essen, Trinken. Spazierengehen und sich amüsieren. Aber hier ist von etwas Gediegenerem die Rede. Man ersäht:!, welche Straßen zunächst gevftasiert und welche Wege gesperrt werden sollen, wo man näcksicn Winter den Schnee abiaden wird und wo sich die Schlitt- ichuhbahnen snr die Schuljugend befinden werden, wann der rich- Iiac Zeitvnnkt ist, um kleine Kinder impfen zu lassen, und um welche Zeit man die zum Besuch cingetroffenc Schwiegermutter anziimcldcn hat, um mchi mit der Polizei in Konflikt zu kommen. Aber ganz besonders muß man ans die vorgeschriebenen Steuer- tern'ine achten: hat man einen solchen im Drange der Geschäfte übersehen, so kann'S passiere», daß der Gerichtsvollzieher ins Haus kommt, um die silbernen Löffel zu pfänden, und daß die Behörde m strengem Tone ,'ragt: „sic können wohl nicht lchenT" 'S »
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