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12 Dr. Alexander Peez. Anregung, eine Verforgung der ruffifchen Spinnereien über Trieft zu verfuchen*). hatte den Erfolg, dafs die betheiligten Öfterreichifchen Bahnen für diefen Handels zug einen billigen Tarif aufftellten, deffen Ergebnifs war, dafs im Jahre 1867 16.000 Centner nach Rufsland beftimmter Baumwollen über Trieft eingingen. Allein die ruffifche Regierung wufste rafch diefen Sendungen ein Ende zu machen und die- felben durch Begünftigungen verfchiedener Art von Trieft nach Odeffa zu lenken. Kurz nachdem diefs im Often gefchehen war, drohte auch im Weften dem Triefter Handel ein Schlag, da in dem zu grofser Bedeutung gelangten Transit nach Süd-Deutfchland und der Schweiz das neu erwachte Venedig als Nebenbuhler auftrat. Venedig befitzt durch feine weiblichere Lage für den Verkehr nach den oberdeutfchen Spinnereibezirken (Augsburg, Vorarlberg etc.) einen Vorfprung von 28 Meilen vor Trieft Die hierher gehörigen Entfernungsziffern find: Trieft-Wien Salzburg-Augsburg .... 149 Meilen Trieft-Marburg-Brenner- Augsburg . . 131 ^ „ Trieft-Verona-Brenner-Augsburg . . . 112^ „ Venedig-Verona-Brenner-Augsburg . . 84'/, „ Trieft beforgt nun eine Ueberflügelung durch Venedig,.und die einfichtigften Kaufleute unferer Hafenftadt richteten defshalb grofse Hoffnungen auf eine Bahn über den Predil **), die allerdings den Vorfprung Venedigs von 28 Meilen auf 8% Meilen vermindern würde, jedoch wegen ihrer fehr bedeutenden Herftellungs- koften bekanntlich im Reichsrathe auf entfchiedenen Widerfpruch ftiefs. Ein Ver- mittlungsvorfchlag geht dahin, einftweilen vom Predil abzufehen, für die Strecke Trieft-Meftre Tariferleichterungen eintreten zu laffen und eine Bahn in nordweft- licher Richtung von Trevifo durch die Valfugana nach Trient zu unterftützen. wodurch der Nachtheil, um welchen Trieft hinter Venedig zurückfteht, von 28 auf 14 Meilen verkürzt würde. Unter allen Umftänden ift die Frage von grofser Bedeu tung und ihre Löfung würde vielleicht am beften als Glied einer Reihe anderer Mafsregeln erfolgen, welche eine engere Verkettung von Trieft mit dem öfter reichifchen Hinterlande bezwecken. Dafs Letzteres das natürlichfte Abfatzgebiet von Trieft bildet und dafs eine blühende einheimifchelnduftrie die ficherfte Stütze des Handels von Trieft ift, davon dürfte diefe Seeftadt fich mehr und mehr über zeugen. Aufser dem Abfatz nach dem Inlande gilt es, für die oftindifchen, egyptifchen und Levantiner Sorten in Deutfchland einen dauernden Markt zu gewinnen, und es müfste, dünkt uns, etwa mit Hilfe von Tariferleichterungen möglich fein, zunächft das öftliche Baiern (Bayreuth, Bamberg) und Sachfen mit Baumwolle zu verforgen und dauernd als Abnehmer feftzuhalten, da Venedig, wenn auch durch geogra- phifche Lage begünftigt, doch in Bezug auf Handelsverbindungen, Capitalskraft und kaufmännifche Erfahrungen noch beträchtlich hinter Trieft zurückfteht. Die Baumwoll-Spinnerei und Weberei. Während in der Produftion und dem Handel mit dem Rohmaterial feit der letzten Weltausftellung von 1867 eine Reihe der wichtigften Veränderungen eintrat, lafst fich von der induftriellen Verarbeitung der Baumwolle keineswegs dasfelbe fagen. Sieht man von der Druckerei ab, wo die Verwendung eines neuen Farb- ftoffes allerdings grofse und verdiente Aufmerkfamkeit erweckte, fo war auf der Wiener Weltausftellung nicht nur keine bahnbrechende Erfindung, fondern kaum nur eine Neuerung von Wichtigkeit im Gebiete der Baumwoll-Induftrie zu verzeich nen. Spinnerei und Weberei bewegten fich im gewohnten Geleife. Sehr beftimmt fprach fich diefs in der Mafchinenabtheilung aus, wo hinfichtlich unferes Induftrie- zweiges eine auffallende Unfruchtbarkeit conftatirt wurde, die einen fcharfen Aus- *) Vgl. den officiellen „Bericht über die Weltausftellung zu Paris im Jahre 1867“, Bd. IV, S. 37. . . , **) Vgl. die Schrift von Herrn Heinrich E f c h e r : „Trieft und fein Beruf als W eltmarkt 1 ', Trieft 1872.