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01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 22.02.1905
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-02-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19050222011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1905022201
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1905022201
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-02
- Tag 1905-02-22
-
Monat
1905-02
-
Jahr
1905
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 22.02.1905
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»raucht worden. Die Mitteilung Herrn HartwrgS, auf welche dies« Teil txS Berichts abzielt. war vielmehr folgende: »lieber da» häufige Vorkommen richterlicher Urteile, die weit auS- einanoeraehen. Hab« er seinerzeit, al» er im RcichStaae war. manchmal mit feinem Neichstagsko liegen, Herrn ObcrappellationS- rat Klemm i» Dresden, der neben ihm seinen Sitz hotte, ge sprochen. Der habe diese» Vorkommen zugegeben und einmal dazu bemerkt: »Ja. manchmal ist «» nicht» weiter, al» «ine Ansichtenlotteri e ' — Der „Turnverein der Pirnaische« Vor stadt zu Dresden" hielt am 18. d. M. seine JahreShaupt- Versammlung ab. Mit allseitiger Befriedigung wurde zur Kennt- ni» genommen, daß der Verein einen, tvenn auch nur madigen Zuwachs von Mitgliedern erfahre» hat, das, jedoch in der Zahl der VereinSangehöriaen insofern eine besonders erfreuliche Stei gerung einoetreten ist, als die am 1. Januar d. I. in der Turn halle Dkarschallstrabe 21 rrössnete Zöglingsabteilung bereits die stattliche Anzahl von 40 Teilnehmern ausweist. Die vorl-an- denen ausgesparten Mittel erscheinen selbst für den Hall, das; Zu schüsse zur Erhaltung und Pfleg« des Jugendturnens nötig wer den sollten, al» vollkommen ausreichend. Der die Verhandlungen leitende 1. Vorsitzende konnte deshalb die Lage des Vereins als höchst günstig bezeichnen und nach glatter Abwicklung der Tages ordnung. zu welcher die Ersatzwahl für den Turnrat des Jahres 1905 und die Wahl von Ausschüssen gehörten, die Versammlung mit dem Wunsch« aus gedeihliche Weiterentwicklung des Vereins schließen. — Für den Presse» und T h e a t e r-B a ll, der am 8. März in sämtlichen Räumen des Städtischen Aus- st el l u n gs-P a la st eS stattfindct, ist ein großes kün st iert sches Plakat ausgegeben und an den Plakatsäulen an- gescknagen worden, das sich sehr wirkungsvoll von den alltäglichen Erscheinungen aufdem Gebiete der öffentlichen Bekanntmachungen obhebt,. Das Plakat zeigt in flottem, lebendigen Enttvurse einen Spanier, der, eine Hahne in den spanisch-nationalen Farben in der Rechten haltend, mit der Linken zum Besuche einladt. Die Inschrift der Fahne: „Sangrs "I'orsra" ist der Ruf, mit dem in Spanien die Stiergefechte in den Straßen öffentlich a»s- aerufen werden. DaS Plakat ist von Herrn Hostheaterma'er E. Rreck entworfen und von der Firma Zür Luxuspapiere und künstlerische Plakate, Trips L Ritz HO. Bergers, Dresden, vor trefflich ausgeführt. Es wird nicht verfehlen die allgemeine Auf merksamkeit auf sich zu ziehen. — Gestern vormittag gegen 8 Ilhr stießen an der Ecke der Werder- und Strchlener Straße zwei Straßenbahn wagen mit solcher Heftigkeit zusammen, daß der eine aus dem Geleise geschleudert und teillveise zertrümmert wurde. Der Materinlsck-aden ist sehr bedeutend. Personen wurden glücklicher- weise nicht verletzt, da die Wazzen sehr schwach besetzt waren. — Briesnitz. Für die Zwecke der Wasserversorgung bat die Gemeinde am Elugange des SchoonergrnnveS unweit der Welternüble ein Wlesengrundstück grkau't und für eins daneben sich das Kausrecht gesichert. Voraussichtlich wird man auf einen Tiefbrunnen zukommen. — Der Kanzlist a. D. Carl Bürger in Döbeln beging am Sonnabend mit seiner Gattin da» goldene Ehejubiläum. — Ter Stadtgemeinderat in Lstritz beschloß den Neu bau eines Rathauses nach dem Entwurf des Architekten Pipo in Zittau. — Die städtischen Kollegien in Zittau haben beschlossen, an Stelle des abgebrannten Restaurants auf dem Töpfer ein neues Gebäude — eine Art Gebirgsbaude — mit einem Kosten aufwand von 16 750 Mk. z» errichten. — Der Güterumschlag in Laube ist in beschränktem Umfange wieder ausgenommen worden und zwar erfolgt der Um schlag nur direkt vom Eiieiibabuwagrn ins Schiff oder umgekehrt. Ausgeschlossen sind bis auf weiteres Güteilagcrungen und Lang- holztransvorte. — Prozeß gegen Freiherrn v. Grabow und Genossen. (Fortsetzung.! In der Rachmittags-Sitzung gibt huf 'Be fragen des Vorsitzenden 'Justizrat Zeidler zu, daß der alte Freiherr im zweiten Testament nur den Wunsch ausaedrückt habe: das Testament möge, wenn die Ehe des Sohnes dura, Scheidung oder Tod der Gattin ausgelöst sei. zu grinsten des Sohnes geändert werden. Der Angeklagte v. Grabow habe auch auf diesen Wunsch seines Vaters gepocht und ihn (Zeugen! ge fragt, ob er sich von seiner Frau scheiden lassen könne. Er habe dem Angeklagten bedeutet, daß zu einer Ehescheidung Gründe hergebracht werden muffen, v. Grabow sei alsdann mit seiner Gattin nach Italien üvergesiedclt und habe ihm nach einiger Zeit geschrieben: er habe die Ehescheidungsklage eingcleitet. Da er damit aber auch in Italien keinen Erfolg hatte, >ei er nach Budapest übergesiedelt und bemüht gewesen, dort durch Adoption oder auf andere Art die ungarifche Staatsangehörigkeit zu erwerben, um alsdann in Ungarn die Ehescheidung zu bewirken. — Vors.: Ties erweckt doch den Eindruck, als kam es dem Angeklagten bloß darauf an, sich zum Schein von seiner Frau scheiden zu lassen, um seiner Tante die Ehescheidungs-Urkunde nach Amerika senden und dieser schreiben zu können: „Erfülle nun einmal den Wunsch meines Vaters und ändere zu meine» gunsten das Testament!" — Zeuge: Dieser Ansicht war ich auch. — Danach wird Schriftsteller Litten (Berlin! als Zeuge ver nommen : Er sei Beamter der Deutsche» Ansiedlungsbank in Berlin. Zwecks Verkaufs einiger Baugrundstücke habe er inseriert. Darauf hin habe sich Hildebrandt als Generalbevollmächtigter des Frel- yerrn v. Grabow vorgestellt, mit dem Bemerken, daß dieser einiges Geld in Grundstücken anlegen wolle. Freiherr von Grabow habe bei dem Justizrat Zeidler 160 000 Mark bares Geld. Er habe außerdem große Besitzungen in Amerika und besitze einen großen Posten Aktien einer großen, bei Soest be legen«» Maschinenfabrik, die in nächster Zeit an der Berliner Börse eingeführt werden. Außerdem werde Freilzcrr v. Grabow in nächster Zeit eine große Erbschaft von einer alten Tante in Amerika machen. Das Vermögen des Freiherr» v. Grabow belaufe sich also auf etwa 6 Millionen Mark. Auf seine (des ' Zeugen! Frage, welch« Anzahlung gemacht werden könne, sagte Hildebrandt: Augenblicklich könne der Freiherr nur die Aktien der erwähnten Maschinenfabrik in Zahlung gebe». Auf Er suchen Hildebrandts habe er diesem einen Provisionsschein über 35 000 Mark ausgestellt und davon dem Direktor der Bank Mit- teilung gemacht. Der Direktor habe eingewenbet: Die Provi sion könne nur gezahlt werden, wenn der Käufer Freiherr von Grabow damit einverstanden sei, denn diese Provisionssumme muffe naturgemäß auf den Kaufpreis zuaeschlagcn werden. Freiherr v. Grabow erklärte auf Befragen: Er habe nichts da gegen. wenn Hildebrandt etwas bei dem Geschäft verdiene. Es sei aber auS dem Geschäft nichts geworden, da die Bank nach den eingrzogenen Erkundigungen die als Anzahlung angebotenen Aktien zurückgewiesen habe. Von einem Unternehmer namens Underberg in Witten a. d. Ruhr habe v. Grabow durch Ver mittlung feines Generalbevollmächtigten Hildcbrandt ohne jede Anzahlung ein Grundstück zu Spekulationszmccken im Preise von 174 000 Mark erworben. Freiherr v. Grabow und Hildebrandt haben das bei der Deutschen Ansiedlungsbank gescheiterte Ge schäft als abgeschlossen ausgegeben, um dadurch noch eine Reihe ähnlicher Gelchäste abzuschließen. Sie hoben dabei bohe Adlige, einen früheren Konsul usw. genannt, die zwei Grundstücke kaufen wollten. Einmal haben o. Grabow und Hildebrandt einige Bauparzellen bei Spandau kaufen wollen und einen Ber- liner Rechtsanwalt angegeben, bei dem das anzuzahlende Geld bereit» hinterlegt sei. Der RechtSanwalt liabc ans Befragen erklärt: Das Geld solle erst von einer Berliner Bank beschafft werde». — Es werden danach Reqierungsrat a. D. Dr. Rost (Ber lin!, Baurat Pötzlch (Charlottcnburg) und Zimmermann Frobnecke (Berlin! als Sachverständige über den Wert des im Norden Berlin» belegen?» Hauses Droncheimerstraße 8« ver- nommen. Der Angeklagte Jitzner lut eine zweistellige Hypothek in Höhe von 42 000 Mark anf dieses Grundstück erworben und diese Hypothek bei Grundstückskäufcn in Zahlung gegeben. Die beiden ersten Sachverständigen behaupten, daß dies Haus viel zu koch von der Preußischen Hypotheken-Aktienbank bestehen sei, so baß die Fitznersche Hypothek ausfallen dürfte. Zimmer- meister Frohnecke trat dieser Ansicht entgegen, zumal das Haus mit 264 000 Mark zur Feuerkaffe steh«. Bei den Einschätzungen zur Feuerkaffe werde die größte Vorsicht beobachtet. -- Nach einer längeren Pause gelangt der Fall des LandratS n. Plotbo zur Verhandlung. v. Plotho l>at eine Dampfziegelei und Berblendftein-Fabrik. Infolge ungünstiger Konjunktur und des frühen Schlusses der Schiffahrt vermochte er etwa 2^ Mil lionen Vrrblendsteine im Werte von 80000 Mark nicht zu ver- kaufen. Der Landrat benötigte deshalb 20 000 Mark. Er ivandte sich an einen Agenten namens Taußig mit der Bitte, ihm einen Geldverleiher nachsuweisen. Taußlg war mit Hildcbrandt be kannt und schlug »hm deshalb den Angeklagten v. Grabow vor. E» fei da» ein feyr reicher Mann, der augenblicklich 30 000 Mark bare» Geld liegen habe. v. Grabow erklärte sich auch sogleich dazu bereit. Er habe allerdings kein bares (tzcld, er sei aber bereit, Akzepte zu geben, die jede Bank sofort diskontiere. Aus Ersuchen des LandratS gab v. Grabow ein« schriftliche Erklärung aus Ehrenwort: Er besitze ein Barvermögen von 60 00» Black, außer dem 2671 Ouadratrutcn Bauland, Hab« große Besitzungen in Amerika und habe sowohl von seiner Tante als auch von seiner Großtante in Amerika eine Erbschaft von mehreren Millionen mit Sicherheit zu erwarten. Endlich besitze er eine prächtige Villa am Gardasee. Aus Ersuchen des Landrats gab v. Grabow dem Landrat auch sein Ourrieulum vitua. Darauf gab Land rat v. Plotho an v. Grabow vier Akzepte in Geiamthöhe von 22 500 Mk., desgleichen v. Grabow an v. Plotho. Land rat v. Plotho mußte sehr bald wahrnehmen, daß die Akzepte des v. Grabow niemand diskontieren wollte, ja daß sie überall für vollständig wertlos erklärt wurden, v. Grabow war ungleich glücklicher. Diesem gelang es, die Akzepte des Landrats mit Leichtigkeit zu versilbern, v. Plotho hatte also nicht nur kein Darlehen erhalten, er hatte noch das Vergnügen, die Wechsel «über 22 500 Mk. an den Verfalltagen einzulölen. — Vors.: Angeklagter v. Grabow, Sie werden zweifellos zugeben, daß Sie sich hierbei des Betruges schuldig gemacht haben ? — Angeklagter v. Grabow: Ich gebe zu, daß ich bei meinen Angaben etwas übertriebe» habe. — Vors.: Etwas übertrieben? Ihre ganze ehreiiwörtlichc Erklärung war doch erlogen. Herr Landrat v. Plotho vertraute Ihnen, da Sie ein ehemaliger Offizier der Garde-Kavallerie und sein Standcsgenosse sind. Dies Vertrauen haben Sie jchmählich mißbraucht. — Angeklagter v. Grabow: Die Erbschaft meiner Großtante beruht aus Wcihrbeit, mein Vater hat mir dies kurz vor seinem Tode mitgeteilt. — Vors.: Aber selbst, wenn Sie eine Erbschaft von einer Großtante in Amerika zu er warten hatten, haben Sie sich des Betruges schuldig gemacht. — Angekl.: Herr Vorsitzender, ich habe bereits gesagt: ich habe Unrecht gehandelt, eine betrügerische Absicht hat mir aber fern gelegen. — Es gelangen alsdann mehrere Briefe zur Ver lesung. Landrat v. Plotho machte dem Angeklagten Hildebrandt, der in der Hauptsache das Geschäft vermittelt und auch Aus kunft erteilt hotte, Vorwürfe. Darauf schrieb .Hildebrandt an v. Plotho: Ihnen auf Ihre juristische Belehrung zu antworten, unterlasse ich, da ich hefürchte, dadurch den Freiherr» v. Grabow zu beleidigen. (Heiterkeit im Zichörerrcinm.! — Es werden danach die ül>er v. Grabow abgegebenen Auskünfte von Auskunfteien verlesen. Die Auskünfte, die auf den von Hildebrandt gegebenen Informationen beruhen sollen, ließen keinen Zweifel, daß Freiherr v. Grabow ein steinreicher Mann sei, dessen Akzepte ohne weiteres überall genommen werden. — Aus den. weiteren Verlesungen geht hervor, daß Hilde brandt die ehrenwörtliche Erklärung, die v. Grahow an v. Plotho gegeben, diktiert hatte. Hildcbrandt bestreitet daS mit voller Entschiedenheit. — Vors.: Wie kam es dann aber, daß Sie den Landrat v. Plotho trösteten, obwohl Ihnen die Verhältnisse des v. Grabow ganz genau bekannt waren? Sie haben auch dem v. Grabow geholfen, die Wechsel des Herrn v. Plotho, die dieser Herrn v. Grabow lediglich als Sicher heit gab, zu versilbern? - Angekl. Hildebrandt: Auch das be streite ich. — Der Vorsitzende stellt aus den Akten fest, daß dies doch geschehen sei. Er hält alsdann dem Angeklagten vor, daß er «in Proiongationspavier, das kassiert werden sollte, versilbert habe. — Auf Befragen des Verteidigers Rechtsanwalts Fromberg bemerkt Angeklagter Hildcbrandt: Landrat v. Plotho habe ihm zwei Akzepte über je 5000 Mark mit der Bitte ge geben. dieselben zu prolongieren. Dies sei ihm aber nicht ge lungen. Dashalb habe er eins dieser Akzepte dem Landrat zurückgegebcii. das andere diskontiert. — Aus Befragen des Ver teidigers Rechtsanwalts Fromberg wiederholt v. Grabow, daß Hildebrandt ihm die ebrenwörtliche Erklärung diktiert habe. — Angeklagter Hildebrandt (sehr erregt!: Aber, Herr Baron, es läge doch wirklich in Ihrem Interesse, wenn Sie die Wahrheit sagten! Sie wissen ganz genau, daß Sie die Erklärung aut den, Poslamte am Leipziger Platz in Berlin geschrieben haben und ich sie Ihnen nicht diktiert habe. Ich möchte nicht gern auf Grund direkter Unwahrheiten verurteilt werden. — Aus Befragen des Verteidigers Rechtsanwalts Heymann bemerkt Angeklagter v. Grabow: Hildebrandt habe ihm ausdrücklich ge raten, die Erbschaflsgeschichte von der Tante und Großtante in die Erklärung aiifzunehmen. — Hildebrandt bestreitet auch das mit voller Entschiedenheit. Zur Lage in Nutzland. ,An phantasievollen Nachrichten aus Rußland ist in diesen Tagen in der deutschen Presse wirklich kein Mangel. Biele der „Sensationstelegramme" tragen den Stempel „Ber liner Mache" so deutlich an sich, daß es sich nicht lohnt, über sie auch nur ein Wort zu verlieren. Andere sind zwar für den praktischen Zeitungsmann als Erfindungen leicht kenntlich, für das große Publikum aber ihrer „Echtheit " und Zuverlässigkeit nach weniger leicht einzuschätzeu. Zur letzteren Gruppe gehört ein „Spezial-Telegramm", das dieser Tage über die Aufnahme der Nachricht vom Tode des Großsürsieu Sergius durch den Zaren berichtete. Der Zur habe die Minister zu sich be- schieden, sie aber in der gewaltigen Aufregung, die sich seiner be mächtigt habe, nicht empfangen können, die Zarin fei in Ohn macht gefallen usw. Prinz Friedrich Leopold war am Sonntag nach seiner Rückkehr aus Petersburg im Königlichen Schlösse der Gast seines kaiserlichen Vetters. Wie bekannt, traf während seines Aufenthaltes in Zarskojc Selo dort die Moskauer Unglücksbotichaft ei». Die „Tagt. Rundsch." ist in der Lage, den Bericht wiederzugeben, den der Prinz bei der Frühstücks- tafel über die Aufnahme der Nachricht durch den Kaiser von Rußland erstattete. Er erzählt: „Ich war gerade im Begriff, zum Großfürsten Boris zu fahren, als ich durch die Dienersclxnt er fuhr, m Moskau solle ein Anschlag gegen den Großfürsten Sergius verübt worden sein. Großfürst Boris bestätigte mir diese Tat sache: er wußte ichon, daß Sergius tot sei. Ich sandle sofort meinen Adjutanten zum Zaren mit dem Auftrag, mein Beileid zu überbrinacn, und zu bestellen, angesichts des traurigen Er eignisses hielte ich eS nicht >ür angebracht, der an mich ergange nen Einladung zur Familicntafcl Folge zu geben. Der Zar ließ mir daraufhin sagen, er bäte, trotz des Trauerfalls, zu erscheinen. Wir speisten zu sechs Gedecken: die Kaiserin war nicht erschienen, dagegen waren die Kaiserin-Mutter und der Kaiser anwesend. Gegenüber der Bestürzung, die sich der Offiziere und des Hofes bemächtigt hatte, war der Zar von einer geradezu wunder baren Ruhe. Er war sehr ernst und machte aiis seinem Schmerze kein Hehl, unterhielt sich aber ganz wie sonst eingehend über jede der zahlreichen Fragen des Tages. Die Tafel wurde nicht ein« Minute früher, als vorgesehen, d. h. zu der für meine Ab reise bestimmten Zeit, ausgehoben." Diese Darstellung der Auf nahme der Todesnachricht in Zarskoje-Selo durch den Prinzen hat wohl Anspruch darauf, als authentisch anerkannt zg werben. Die Rehabilitierung des Großfürsten Paul Alexandrowitsch. des jüngeren Bruders des ermordeten Großfürsten Sergius, Hot in Petersburg großes Aussehen erregt, ist aber allgemein mit Genugtuung ausgenommen worden. Großfürst Paul wurde am 3. Oktober 1860 zu Zarskoje Selo geboren. Er war in erster Ehe mit der Prinzessin Alexandra von Griechenland vermählt. Aus dieser Ehe sind zwei Kinder vorhanden, die 1890 geborene Großfürstin Maria Pawlowna, und ihr Bruder, Großfürst DemctriuS Pawlowitsch, geboren am 18. September 1891. Nach dem Tode seiner ersten Gemahlin vermählte sich Großfürst Paul gegen den Willen des Zaren mit der geschiedenen Frau Olga des Obersten o. Pistoblkors, des Adjutanten eines seiner Brüder, einer geborenen Karlowitich. In Livorno ließ sich der Groß fürst am 9. September 1902 mit ihr durch einen Popen trauen. Gleich darauf veröffentlichte daS Ministerium des Kaiserlichen Hanfes eine Erklärung, daß diese Heirat, weil gegen das Gcietz über die Rechte und Pflichten der Mitglieder ver Kaiserlichen Familie verstoßend, null und nichtig sei. Und zugleich kassierte der Zar seinen Oheim aller militärischen Wurden. Wenige Tag« später verkündete das preußische „Miiitärwochenblatt",,daß der Großfürst Paul euch auS der preußischen Armee gestrichen worden und das brandenburgische Kürassier-Regiment (Kaffer Nikolaus I.j Nr. 6, dessen Ches er lis dahin gewesen war. dem Zaren verliehen sei. c-eitdem hat der Großfürst über zwei Jahre lang in der Bcrbannung gelebt, meist in Paris und auch an der Riviera. Erst im vorigen Herbst gelang es ihm. am Petersburger Hof« «ine günstigere Lümmung her beiz ns uhren. und diese kam dadurch »um Ausdruck, daß der Pnnzrcgent Luitpold von Bayern der Frau v. Pistoblkors den Titel einer „Gräfin von Hohenselsen" verlieh, und ihre Ehe, wenn auch nicht als ebenbürtig, fo doch als gültig anerkannt wurde. Jetzt Hot, wie gemeldet, unter dem Eindruck der Ermordung des Groß fürsten Sergius, der Zar den Verbannten zurückbcrufen und ihn in feine militärischen Würden wieder eingesetzt. Die Leiche dcS Großsürsten SergiuS wird noch nicht so bald ihre letzte Ruhestätte sinden. Vorläufig bleibt sie in Moskau. Tori sinket am 23. d. M. das feierliclx Tolenamt zum Gedächtnis des Großfürsten statt. Die Be stattung der Leiche, die vorläufig im Tschndolv-Äloster ver bleibt, soll im M a i in Petersburg erfolgen. Dicie Anordnung ist getroffen worden, um etwaigen weiteren verbrecherischen An schlägen vorzubeugen. 'Dadurch weiden wahrscheinlich auch die deutscherseits getroffenen Dispositionen für die Teilnahme an der Trauerseier abgeändert werden. So hatte Kaiser Wil helm angeordnet, daß eine Abordnung des Illanen-Regiments „Kaiser Alexander ll." lBrcndcnburaiiches Nr. 3j, dessen Chef der Ermordete tvar. an der Feierlichkeit tcilnehmcii sollte (vergl. Abendblatt unter „Tagesgeschichtc"!. Auch eine Deputation des ersten Großherzoalich Hessischen Jnsantcrie-Negiments Nr. 115, in dem der Großfürst ü In «uiia stand, sollte sich nach Moskau begeben. , Der Großherzog und die Großherzagin von Hessen wollten sich gleichiails nach Moskau begeben. In letzter Stunde jedoch ist diese Absicht wieder cnifgegebe» worden. Sonnnbend »acht ivgie» Bnlygi» und Trcpow in Zaiskoie Sielo. wobei lewerer folgende vorläufige R ev ressiv m a ß!- regeln In Vorschlag gebracht haben soll: sofortige Ausweitung und Abtransport von 4500 der »nrnhigsteii Arbeiter nach ihrer Heimat, Ausweitung aller Studenten und Verbot aller liberalen Blätter. Dieser Vorschlag fand indes keine Billigung bet dem Minister des Inner». Rat der Großsürsten. Nach einer Meldung der Pnriser „Aurore" aus Petersburg verlautet, daß bemi Großfürsten Wladimir eine Beratung stottge stindeii hat. an welcher die Großiüisten AlexanderAlexandrowitich, Nikolaus Nikolnicwitsch. Michael Alexander. Wladimir und Alexander Michaelowilich teilqenommen haben. In dicier Konse- renz wurde über Mittel und Wege, die Revolution einzndämnien. beurteil. Schließlich wurde beschlossen, die Gattin des Gwß- iüisten Alexander z» beauftragen, vom Zaren Maßregeln zum Schutze der Großfürsten zu erbitten. Tie Teilnehmer ber Konfe- lenr sprachen sich sämtlich gegen i r g e n d w e l ch e Z n g e- ständnisse aus und überließen dem Znen die Verantwortung siir Katastrophen, welche sich infolge von Zugeständnissen ereignen könnten. Neue Verschwörungen? Sonnabend abend wurde im Palms de? Großsürsten Wladi mir von der Polizei eine genaue Dlirckünckinng borge,wnunen. weil man eine Ver'chwörung gegen ibn entdeckt haben will Es soll sich ergebe» bnben, daß einige Diener mit der terroristücben Vartei im Bunde stehen. Sonnabend nacht wurde ferner bei der Peter Panl-Festnirg eine starte Detonation gehört. Man vermutet, daß es sich um einen Attentats versuch gegen eine jener Persönlichkeiten lmndelt. welche ans der Ptosknvtionslisle der revolutionären Partei sichen. Bei der Behörde ist eine Auskunft nicht zu erlangen. Endlich berichten die „Hamb. Nachr.". die sich einer besonders scharien Kritik gegenüber allen Nachrichten aus und über Rußland befleißigen, a»S Petersburg: In der Kaiernc des Garde Regiments wurden nnr Freitag abend nach dem Atten tat Flnghiäller verteilt, in welche» die Ermordung des Großsürsten Sergius als ein weiterer Foiffchiitt ans dem Wege zur Freiheit gefeiert wird. Die Geheimpolizei ist einer weitverzweigten Organisation unter den Gardesoldaten auf die Spur gekommen. Als die Verhaftung der Führer vorgcnoiiimen werden rollte, kam es zu einer iöunlichen Meuterer, die nur mit Mühe unterdrückt werden konnte. In Kiel verlautet. Großfürstin Elisabeth werde, so bald es das Tranerzercmonieil gestattet, einen längeren Aufenthalt auf dem Schlosse des Prinzen und der Prinzessin Heinrich von Preußen »chnien. Andererseits wird aus Darinstodt berichtet, die Großfürstin werde dauernd dorthin übersirdeln. Großfürstin Elisa beth erhielt noch am Tage des Attentats einen anonymen War- nnngsbrief, der mit einer schwarzen Sphinx gesiegelt war. Das Schreiben besagt, die Großfürstin solle nnr zu Fuß ausgehcir. Sergius möge allein dem Tode ciitgcgenfahre». Maxim Gorki. Frau Gorki erzählt, daß sie allein, ohne ihre Kinder, ermächtigt wurde, am Freitag ihren Mann zu sehen. Niemals waren vocher an ihm die Symolome der Tuberkulose so erschreckend deutlich zu sehen wie in diesen Tagen. Von einem Typhnsanfall wußte Fron Gorki nichts. TaneSneschichte. Die Annahme der Handelsverträge in 2. Lesung schildern Stimmungsbelichte Be liner Blätter wie folgt: Die zweite Beratung der Handelsverträge hat die edlen Reisige auS allen Streitlagern wieder herbeigelockt. Im Arrrange freilich, da fehlt noch manch teures Haupt, und das gibt zu einigen viel belachten Zwischenfällen Anlaß: man stülpt die Tagesordnung um und beginnt nicht mit den Verträgen zweire» Ranges, londern. einem Wunsche des Zeirttirmsgcwaltigen Spahn gemäß, mit denr ötterreichffch-iingarffchen Uebereinkommen als der Grund lage des ganzen VertragsdaneS. Der Berichterstatter Graf Kanitz soll seines Amtes walten, der Präsident rnst seinen Namen aus — aber kein Kanitz wird sichtbar. Große Heileikeit, dle zu schallen dem Gelächter anichwillt, als auch gleich bei den zwei nächsten Rednern. Dr. Heim und Osel. aus de» Namensaufruf die Ant wort kommt: „Noch nicht da!" Aber sehr bald füllt sich daS hohe Hans, und an der Spitze der Vertreter der verbündeten Re gierungen erscheint auch beute der Herr Reichskanzler. Di« De batte, die sich entwickelt, ist kurz, lüdl und geschäftlich. Man fühlt, der Kamvs wird nur noch kurz und schmerzlos. Oesterreich-Ungarn begann den Reigen. Ter Chor der Mißnergnügten wurde eigent lich nur von der linke» Seite gestellt, denn selbst Dr. WM. der Vertreter des Bundes der Landwtrte, erklärte leine Zustimmung Dafür aber trat auch Herr Gothrin aus den Plan und nörgelte nach bestem Vermögen. Daß gerade dieser Dauerredner sich über die Verschleppung der Verhandlungen beklagte, batte in der Tat etwas erschütternd Komisches, und Herr Diel vom Zentrum rückte denn auch dicieS äocumc-nt hnmaiv in gebührende Beleuch tung. Hatte doch Herr Golhein in der Kommission 30 V. H. der gesamten Redezeit iur sich nr,t Beschlag belegt, und sein Wallen im hohen Haine dülite ja auch eine breitere Gemeinschaft schau dernd mftcrlkhen. Gras Posadowskl, beschränkte sich im weient lichen auf Erklärungen, denn namentlich Tr. Heim wollte allerlei wstien. Herr Srnrler meinte, eventuelle Schädigungen der Industrie ließen sich vielleicht bei den nächsten Verträgen noch gut machen, denn miteinander könnten dock nun einmal Industrie und Landwtrlichaft nicht selig werden, höchstens nach einander. Für die loyale Durchführung der Verträge ieilenS Oesterreich-Ungarns glaubte sich der Slaatswkrelär verbürgen zu können. Jnzwucheo war auch der Reichskanzler erschienen, um nachher wieder zu ver schwinde». Gras Bülow strahlte, unterhielt sich vergnügt bald mit dem neben ihm sitzenden Herrn v. Richtbosrn. bald mit dem stattlichen schneeweißen Fünfziger v. Rievenhausen. Auch Herr v. Stengel saß am BnudeSratsttsch. Eine Fülle von Einzel heiten wird noch behandelt, dann nimim man den österreichischen Vertrag an und zwar den 8 l mit namentlicher Abstimmung, auch die Sencherrkonveiition wird angenommen. Nun kommt Rußland. Ziemlich einlönig bringen die ersten Redner ihre Wünsche und Elnwürse vor. »nd als Müller-Sagan anhebt, wird e» nicht gerade interessanter. Erwähn,mg verdient noch, daß der Her» Reichskanzler sich cor,am puklteo längere Zeit mit Herrn Ministerial direktor Afthoff unterhielt, der mit den Handelsverträgen nichts zv tun hat und wohl nicht zufällig im Hause gewesen sein kann. Es lag naturgemäß sehr nahe, dreie Unterhaltung in Zusammen hang zu bringen mit der jüngsten Studentenbewegung für die akademische Freiheit. Novelle znm preußischen Berggesetz. Der Gesetzentwurf betreffend die Abänderung der Paro- gvaphcn 65, 156—162 und 207a des Allgemeinen Berggesetzes bom 24. Juni 1865/1892 und deS dritten Abschnittes de» AuS- Dresdner Nachrichten. Nr. 53. Seile 3. »> Mittwoch. 22 Februar IAVS
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