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01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 29.04.1905
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-04-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19050429019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1905042901
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1905042901
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-04
- Tag 1905-04-29
-
Monat
1905-04
-
Jahr
1905
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 29.04.1905
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uvd Nachfolgern vernommen und von all den Dchmayungen, in denen sich tue herzliche Zuneigung und die innige Nächstenliebe der Genossen offenbarten? Hat er nie jenen Pesihauch gefühlt, der tödlich über die Welt fährt? Hat er nie di« Mehringladen studiert, dl^e» Hochaejaug der Toleranz? Und hat e» dann nie um feine Mundwinkel gezuckt, bi» dem Gehege seiner Hähne der Ausruf entsprang: ^Die Sozialdemokratie macht sich doch immer lächerlich, sie ist n»e auf der Höhe und trifft auch nie das Richiia«?^ Der Bericht verzeichnet nach den Worten des Herrn Pfannruch -He it« rkeit". Es dürste «in Augurenlächeln ge wesen lein, das über die Gefickter der Genossen dahinstrich, al» sie da» Ungeahnte vernahmen, daß die Sozialdemokratie sich noch niemal» lächerlich machte, «sie fühlten mit sicherem Instinkt: Wäre die» vorher noch nicht der Fall gewesen, so hätte es Herr Pfannkuch erreicht." l" Sch tlter»Gabe fürDreSdner Schüler. Unserer gestrigen Notiz tragen wir berichtigend nach, daß der Preis für die Schiller dluswayl nicht 2 Mk., sondern 2,50 Mk. beträgt. .Die Spieler-Bereinigu >i gDreSdnerTurner, welche sich aus den Spielabteilunaen des „Allgemeinen Turn- BcretnS". deS „Turnvereins für Neu- und Antvnstadt", des „Turnvereins von 1867", des „Turnvereins der Leipziger Vor stadt". der „Turnervereinigung Friesen" und des „Vereins für Turnen und Bewegungsspiele Turnlust" znscinnnensetzt, feiert iiiorgen ihr dicsiährigeS Stiftungsfest. Es finden nachmittags >^3 tlhr auf den Spielwiesen am Ivhannstädter Ufer Faustball-, Schlagball- und Schleudervallwettspicle statt. Abends finden sich die Teilnehmer nebst ihren Angehörigen in dem Saale der Turn halle des Turnvereins für Neu- und Antvnstadt (Alannstraßc) zur Siegerverküudiguug mit anschließender Geselligen ein. — Von dem bereits fcrtiggestcllten Teile des n e neu Land - gcrichtsgebäudes auf der Helinhvltzstraße ist seht eiu ab stoßend wirkender Bildhauerschmuck, der allseitig abfällig kritisiert worden war, wieder^entsernt worden. Hu diesem Zwecke musste freilich ein großer Sandstein durch einen neuen erseht werden. Tie nun verschwundene Bildhaucrarbeit stellte einen fratzenhaften Äcrbrecherkopf dar. — Die Nachtigallen sind wieder da! So riesen gestern früh die Spaziergänger im Großen Garten freudig aus, als ihre Lieblinge wieder ihren herrlichen Gesang ertönen ließen. Wie jedes Jahr, so haben auch diesmal die von allen Besuchern des Großen Gartens geschätzten gefiederten Frühlingsboten ihr Heim in den Anlagen oberhalb des Carolasecs aufgeschlagen. Im Victoria-Salon finden morgen, Sonntag, die zwei, Abschieds-Vorstellungen des rheinischen Komikers W. Hartstein statt. Montag, den 1. Mai, beginnen Oskar JunghähnelS humoristische Sänger in ihren drastischen Vorträgen und selbstverfassteu ursäcksischen Original- Burlesken und Geiamtsvielen. Direktor Iunghäynel bringt mit seiner Gesellschaft, bestchend auS einer glücklich verbundenen Gruppe von 12 vorzüglichen Humoristen und originellen Komikern, ein für Dresden vollstandiq neues, urhumoristiiches Programm, das durch Witz und harmlosen Scherz das Audito rium in heiterste Stimmung versetzen wird. Die Eintritts preise zu den Iunghäbnelschcn Vorstellungen sind volks tümliche: Parkett 75 Pfg. — Dem Hansmeber Farster, dem Tischler B ö h in c und dem Stellmachcrincister Weber in Taubeuheim wurde das Feuerwehr-Ehrenzeichen verliehen. — Nossen. 28. April. Der Streik der hiesigen B a u - arbeiter ist nach lltägiger Tauer beendet; die Arbeiter haben ihre Beschäftigung bcdingungslvs wieder ausgenommen. Eine Anzahl Maurer kvnnte nicht wieder eingestellt werden. da die Arbeitgeber genügend Maurer von auswärts eingestellt haben. — In der Zitherfabrik von Grnnert in I v h a n n g c o rg en - stadt haben 56 Tischler die Arbeit niedcrgclcgt. — M il i t ä rgc ri ch t. Wegen verleumderischer Beleidigung eines Vorgesetzten hat sich vor dem Kriegsgericht der 22. Division der 1884 zu Wiesa bei Aunabera geborene Arbeitssoldat Karl Oskar Steiner von der hiesigen Arbeitcrabtcilnng zu verantworten. Der mehrfach vorbestrafte Angeklagte wurde im Herbst IW1 als Rekrut beim 129. Infanterie-Regiment in Döbeln eingestellt, aber schon nach wenigen Woche» wegen Majestätsbelcidigmig verhaftet und vom Kriegsgericht der 40. Division zu 2 Monate» GcsisiigniS verurteilt, zu deren Verbüßung er in das hiesige Fcslnngsgesäng- nis eingeliefert wurde. Nach Verbüßung der Strafe kam er zur ArbeitSabteilung. Am 22. März schrieb er an seine Eltern einen Brief, von dem er wußte, daß er durch die Hände des Vorstands des Festunasgefängnisses ging. Darin heißt es an einer Stelle, ein Unteroffizier habe zu ihm gesagt, er sei nicht wert, daß er er schossen werde, er müßte mit Wasser erschossen werden. St. er klärt, diese Stelle beziehe sich auf eine» Sergeanten, den er auch »amhast macht. Ticsir habe eines Tages Aufaug März, als er ihm den Grund, weshalb er ins Festuiigsgefänguis gekommen war, mitteilen »uißte, die fragliche Beinerkmig getan. Der Sergeant stellte eidlich in Abrede, jemals zum Angeklagten eine derartige Aeußeruug getan zu haben. Im Fcstiliigsgesängiiis hat sich St. so schlccht geführt, daß er in die sittlich schlechtere Korporalschaft verletzt werden mußte: bei seinen Kameraden galt er als wenig wahrheitsliebend. Das Gericht erachtet ihn für schuldig und erkennt auf 2 Monate Gefängnis. — Oberlandesgericht. 'Der Kaufmann Emil Strauß in Leivzig. der daselbst ein photographisches Atelier besitzt, er richtete vor einiger Heit in Plauen i. B. eine Filiale, deren Leitung einem Fachmanne übertragen wurde. Hur Heranziehung von Kundschaft wurden die Preise auffallend niedrig gesetzt, doch sollten die Bilder, wie die Konkurrenz behauptete, Minderwertig sein. Veranlaßt durch das Vorgehen des Genannten, sah sich der Hofphotoaraph Bruno Graul in Plauen veranlaßt, in der Kaserne des dortigen Infanterie-Regiments durch Anschlag be kanntzu machen, daß Soldaten bei Gruppenaufnahmen bei chm eine Preisermäßigung finden würden. Kürzlich schrieb nun G. an einen inzwischen zur Reserve entlassenen Unteroffizier, mit dem er wegen Lieferung von Bildern in Differenzen geraten war, einen Brief, indem es unter Hinweis auf das Strauß- sche Geschäft hieß: „Wie können Sie sich crdreisten. mein Atelier mit einem jüdischen Ramfchgeschäft zu vergleichen!" Dieser Brief kam. wider Erwarten des Verfassers, zur Kenntnis des St., der daraus im Wege der Privatklage gegen G. wegen Beleidigung vorgina. Im Gegensatz zum Schöffengericht, das den Beklagten zu 50 Mk. Geldstrafe verurteilt hatte, erkannte das Berufungs gericht aus Freisprechung. Die zweite Instanz ging von der An sicht aus, daß der Angeklagte nicht gewollt habe, daß der Privat- kläger von dem Briefe Kenntnis erlange, hielt dagegen aus Grund der Beweisaufnahme für erwiesen, daß die Leistungen des Be klagten die des Privatkläaers überträien. Ans der Anwendung des Ausdrucks „jüdisches Ramichgeschäkt" könne nickt ohne weite res auf eine Bcleidigungsabsicht geschlossen werden. Einmal würden die Merkmale eines Ramschgeschasts in den auffallend billigen Preisen und in der Minderwertigkeit der Ware» ge funden. und zum andern richte sich die Schärfe des Briefes m erster Linie gegen den Adressaten. Auch das Hinzufügen des Wortes „jüdisches" lasse eine Bcleidigungsabsicht noch nicht er kennen. denn ein jüdisches Geschäft sei noch nicht mit einem un reellen identisch. Die vom Privatkläger eingelegte Revision rügt Nichtanwendung von 8 185 und unrichtige Anwendung des 8 1S3 mit der Begründung, es liege eine Ucberschreitung der Form vor, und diese lasse einen Schluß darauf zu, daß der Be- klagte den Privatkläger. seinen Konkurrenten, beleidigen wollte. Der Strafsenat verwirft jedoch die Revision kostenpflichtig, indem er betonte, daß er an die tatsächlichen Feststellungen der Vor- instanz gebunden sei, die aber in rechtlicher Beziehung als ein wandfrei bezeichnet werden müßten. Danach babe der Beklagte lediglich in Abwehr und zur Wahrnehmung berechtigter Inter- essen gebandelt, sodaß schon aus diesem Grunde sich die an- «efochtene Entscheidung rechtfertigen lasse. AuS den amtliche» Bekanutmachunae». , Die am pathologischen Institute des Stadtkrankenhaiises Friedrichstadt errichtete bakteriologischeUiitersuchungs- anstalt nimmt zur Stellung und Sicherung vo» Diagnosen bei allen Infektionskrankheiten, besonders bei Dipbtbcrie und Tuber kulose, auf ärztlichen oder behördlichen Antrag Untersuchungen vor. Die Anstalt ist an Wochentagen von 8 Uhr vormittags bis S Uhr abends zur Annahme von Untersuchungsstofsen geöffnet. Das ärztliche Personal ist von 8 bis 12 Uhr vormittags und von 3 bis 7 Uhr nachmittags, an Sonn- und Festtagen von 10 bi» 12 Uhr vormittags anwesend. Die Apparate zur Entnahme deS UnteffuchungSstoffcs für Diphtherie-Unterstlchungen sowie die nötigen Vordrucke und Briefumschläge werden in den hiesigen Apotheken und Wohlsahrtsvolizei-Jnspektionen unentgeltlich ver abreicht. Die Diphtherie-Untersuchungen erfolgen unentgeltlich; im übrigen werden Gebühren nach Maßgabe eines bestimmten Tarifs erhoben. Bei Unbemittelten oder Minderbemittelten wird von Erhebung einer Gebühr abgesehen Mit der Erneuerung der Schotterdecke in der Ehe in nitzer Straße zwischen Schweizer und Bayreuther «Straße soll am 8. Mai begonnen werden. Marokko.. In der Marokkosrage geht das alte Spiel weiter. Je näher der deutsche Spezialgejandte Gras Tattenbach der Residenz Fez kommt, desto gereizter wird der Ton in der franzö sischen Rcgierungspresse. So läßt sich der „Matin" am Donnerstag, wie folgt, vernehmen: „Die Negierungen von Paris und Berlin sehen sich gegenwärtig über die marokkanische Frage auseinander. Unsere Diplomatie spielt mit offene» Karte»: der Minister des Aeußeren und der Ministerpräsident haben so laut, daß es von allen verstanden werden könnte, erklärt: Frankreich sei bereit, auf jede Frage zu antworten und jedes Miß verständnis zu zerstören. Wilhelm II. schien zu bedauern, daß man ihn nicht genügend über die Hiele, die Frankreich in seinen Verhandlungen mit dem Scherst verfolgte, aus dem Laufenden erhalten hätte. Herr Delcassö hat sich sehr schnell darüber der deutschen Regierung gegenüber ausgesprochen. Indessen, die Unterhaltung hat von deutscher Seite nicht jenen ver trauenden und herzlichen Ton angenommen, den man hätte erwarten dürfe». Es lcheint, daß Deutschland mit uns bas Spiel treibt, das darin besteht, zu avancieren, wenn man zurückweicht, und zurückzuweicken, wenn man avanciert. Frankreich verfolgt kein anderes Ziel, als dem Sultan zu Helsen, seine volle Autorität über seine Untertanen und Unabhängigkeit seiner Sou veränität zu gewinnen. Es bedroht die Rechte keiner Macht, weder die Handelsfreiheit, noch die geschlossenen Verträge. Was will Deutschland, wo wir die Unabhängigkeit des Sultans, die offene Tür und die Freiheit des Handels aller Nationen garantiert haben? Hat die deutsche Regierung einen Hintergedanken? Sic möge ihn äußern. Welches seine Macht auch sein mag, der Deutsche Kaiser muß aus die Hoffnung verzichten, uns einen Echec beizubringen, und wäre es auch nur ein Echec der Eigenliebe. Hat er nicht die Ausnahme gesehen, die seine erste Manifestation bei alle» Mächten ge funden hat? Er hat in Amerika und Europa und selbst bei seinen Alliierten vergeblich Beistand gesucht. Wenn Deutschland in diesem Augenblicke verwehen sollte, den europäischen Frieden zu stören, so kann man bestimmt erklären, daß es nirgends irgend welchen Beistand fände. Wilhelm II. würde seine Vergangenheit verleugnen, wenn er imHAugenblick, wo der mit Mühe lokalisierte Konflikt im äußersten Orient die verdoppelte Wachsamkeit aller europäischen Mächte erfordert, sich einer Politik der Launenhaftigkeit überließe. Frankreich, stark durch sein Recht, seine Nncigcnnützigkcit, durch die Klarheit seiner Politik und das Vertrauen aller Mächte in seine friedlichen Absichten, hat nichts zu fürchten. Es ist nicht isoliert wie 1870. Die Isolierung wäre im Gegenteil auf seiten Deutschlands, das mit seiner Meinung in der ganzen Welt allein stände." Das Echo ans Berlin aw diese Herausforderung wird natürlich nicht aus- bleiben. Nach einer Pariser Meldung des „B. T." soll jener Artikel des „Matin" nicht offiziös sein, sondern es bandle sich mn eine Prioatarbeit des „Matin", der die Redaktion des Blattes aus irgend welchen Gründen den Anschein der Om- ziösität gegeben habe, und die in offiziellen Kreisen sehr abfällig beurteilt werde. Es scheint in der Tat, daß der „Malin" sich diesmal etwas geleistet hat, das der Regierung nicht genehm ist, denn am Donnerstag nachmittag wurde, wie gemeldet, die „Ägence Havas" ermächtigt, zu erklären, daß k e i n n e u e r Z w i s ch e n - fall im Verlaus der zwischen Berlin und Paris wegen Marokko begonnenen Besprechungen cingetrelcu ist. Die Negierung habe keinen Hcitungsartikel inspiriert und habe weder direkt noch indirekt irgend einem Blatte eine Mitteilung gewacht. — Ter „Franks. Zig," wird aus Paris zur Sache telegraphiert: Tic brutale offiziöse Note des „Matin" hat in allen Kreisen starke Beunruhigung hervorgcrufen. Vielfach erblickt man darin bloß ein B ö r s e n m a n ö v c r, das in der Tat einen beträcht lichen Rückgang der Kurse zur Folge gehabt lwt. Doch erscheint es ziemlich sicher, daß Dclcass 6 (also trotz des offi ziösen Dementis! D. Rcdff die Hand im Spiele hatte. In der Note wird vor allein sein bisheriger Standpiinkl in der marokka- nischen Frage vertreten. Dann befestigt sich hier der Eindruck stets mehr, daß der Ministerpräsident Rouvier seil letzter Woche die eigentliche Direktion der auswärtigen Ange'egci,heilen an sich genommen habe und daß Delcassö sich dadurch sehr zurück- gesetzt suhle. Tie von ihm inspirierte Inder offiziös vcrlcugnete! D. Nedff Note des „Matin" dürste also vor allem den Zweck haben, Rouvicrs versöhnliche Haltung gegenüber Tentichland unmöglich zu machen. Diese Erklärung findet um so mehr Glauben, als der grobe Vorstoß Dclcassös am Morgen nach dem Bankett erfolgte, das zu Ehren Nouviers in der deutschen Botschaft stattgefunden Hai. Die Note wird überall als «in ganz gewaltiger Mißgriff betrachtet, der T-elcaffö sein Portefeuille kosten dürfte. Der Ministerpräsident Rouvier, der den Tag in Versailles zugebracht hatte und von der Panik an der Börse telephonisch unterrichtet worden war, erklärte, für den Artikel des „Matin" könne nur das Blatt selbst verantwortlich gemacht werden. Bereits abends nach dein Bankett in der deutschen Botschaft hatte Herr Rouvier sich mit großer Befriedigung über den vollkommen höflichen Eharakler der offi ziellen Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich aus gesprochen. Bevor die etwas eigentümliche Note noch bekannt war, hat Iaurss jeine Kampagne gegen Delcassö bereits wieder aus genommen. Jaurös verweist in der „Humanitö" auf die Erklä rungen von deutscher Seite, wonach der deutsche Konsul in Tanger schon im November der französischen Regierung einen Wink ge geben habe, und schreibt dann: „Wenn das richtig ist, dann ist die Verantwortung des Herrn Delcassö noch größer, als wir gewußt haben, und man fragt sich verblüfft, wie er glauben konnte, sein Schweigen werde genügen, um die täglich ernster werdenden Hindernisse zu überwinden. Herr Delcasiö kann diele schweren Fehler, deren Folgen für unser Land so peinlich sind, nur wieder gut machen, indem er seine ganze Politik Deutschland gegenüber ändert und rückhaltlos das Terrain der nötigen Verl-andlungen betritt. Herr Rouv?er hätte aus der Tribüne nicht sprechen können, wie er es getan hat, wenn Herr Delcassö chm den Schritt des deutschen Konsuls in Fez vom letzten November mitacteilt hätte. Indern er io dem Ehef der Regierung die Wahrheit verbarg und ihn unan genehmen Widerlegungen anssetzte, hat Herr Delcassö abermals gezeigt, welche sonderbare Auffassung er von seinen Pflichten und Rechten hat. Auch diejenigen, die, wie wir, eine selbst teil weise Rcgiernngskrisis aus Anlaß dieses Konfliktes äußerst pein lich fände», können sich täglich die wachsende Unruhe nicht ver bergen, die durch das seltsame diplomatische Verfahren und die bedauerlichen ministeriellen Gewohnheiten des Herrn Delcassö in ihnen erweckt wird." Der englische Gesandte Lowther in Tanger ist an gewiesen worden, nach Fez zur Ueberreichung seines Beglau bigungsschreibens z» reisen. Man glaubt, daß er etwa in einem Monat, oder sobald seine Reise-Eskorte marschbereit ist, aus brechen wird. lieber die jüngsten Unruhen in Marokko werden aus Tanger folgende Einzelheiten gemeldet: Die Kabylcn in der Um- gebung von Casablanca umzingelten die Stadt und verlangten von dem Gouverneur die Auslieferung von 6 Gefangenen, sowie eine Summe Geldes unter Androhung von Gewalt, falls der Gouvcnieur dem Verlangen nicht Folge leisten sollte. Tie Ein geborenen und Ausländer gerieten in große Bestürzung. Die Konsuln bielten eine Zusammenkunft in dem englischen Konsulat ab und setzten sich nachher mit dem Gouverneur in Verbindung. Der letztere wußte die Kabylen dadurch zu beschwichtigen, daß er ihnen Geld gab und einen Brief an den Sultan schrieb, in dem er die Freilassung der Gefangenen anriet. Der russisch-japanische Krieg. Ein Telegramm des General» Linewitsch an den Kaiser meldet: An der linken Flanke setzten die Vorposten- Abteilungen ihre Bewegung fort. Am 22. April wurde eine Abteilung bei einem Paffe. 10 Werst südwestlich von Seki- '»nooffszh, bockt Festldc angegriffen. Der Ackgrkff wurde abge schlagen. Der Feind zog sich nach dem Dorle Radzyiazyz zurück. Die zu einer anderen russischen Abteilung gehörende Reiterei wechselte in den Pässen Ehamatin und Iawangulin Schüsse mit der feindlichen Inianleric, letztere ging in der Richtung auf Usanlou zurück. Am 22. April besetzte unsere Kavallerie die 'Dörfer Simenpac und Nsanlu. An der Front der Armeen wurden die Japaner 4 bis 5 Werst vor Kaijuan durch das Feuer unserer Artillerie aus ihren Verschanzungen und einem dabei gelegenen 'Dorfe vertrieben Ter Feind zog sich nach einem dahinter gelegenen kleinen Berge zurück, der mit drei übereinander angelegten Reihen von Vcrteidlgungs- werke» versehen ist. Weiter meldet Linewilich: Am 23. d. Mis. nachmittags kämpfte unsere Reiterei bei Tsilitsialun mtt den Japanern, die gezwungen wurden. zurückznget>en. Der Stad des Generals Linewilich macht nunmehr folgende, genau kontrollierte Angaben über die russischen Verluste in den Schlachte» vom 19. Februar bis znm 14. März, welche sehr wesentlich von den japanischen Au- Miben und den bisherigen Annahmen abwcichen. Danach sind tot, verwundet oder verschollen: zwei Generäle, beide schwei- verwundet in japanischer Gefangenichaft; 1!>85 Stabs- und Ober offiziere, 87 677 Soldaten. Diese letzte Hohl ergibt sich aus 55 000 ermittelten Verwundeten, 15 00kl Toten, 7000 bis 6000 Gefangene», an 10 000 bis 12 000 aus dem Schlachtsclde ge lassenen Verschollenen; aus den beide» letzten Kategorie» sind nicht mehr als 5000 bis 6000 Soldaten in Gesangenschaft ge raten, die übrigen waren verwundete Traininannschasteii und Iittcndunturbeamte. An Geschützen wurden 22, davon drei alle Mörser, und 26 SchneUseuergeschütze verloren, von diesen letz- teren wurden 23 beim Rückzüge ausgegeben, weil sie im Kot stecken geblieben waren. Tie gesamte Beliagerungsartillerie wurde mit sämtlichen Geschossen und dem Artillcriepark ge rettet. Da alle diese Angaben betreffs ihrer Nichtigkeit nicht gut bezweifelt iverden können, zumal Linewil'ch keinen Grund hat, die Verluste Kuropcitkins zu verdecke» oder zu bcichönigc», so sicht inan, daß die russischen Verluste hinter allen Annahmen zurnckblcibcn, zumal Linewitsch gleichzeitig meldet, daß eine sehr große Zahl von Leichtverwundelen nach der Front zurück- gekehrt ist. Es wird gemeldet, Schiffe vom Geschwader des Admirals Roshestwcnski hätten am Dienstag zwcideutsche Dampfer mit Konterbande für die Japaner weggenommen. Die Vcrteidigungsvläne der Japaner gegen Roshestwcnski sind unbekannt, da die Behörden die äußerste Geheimhaltung beobachten. Tic Verhängung des Kriegs rechts über Formosa, das stark und in ausgedehntem Maße in Verteidigungszustand gesetzt ist, ist die einzige öffentliche Bekannt machung. Rian weiß nicht, wo sich Togos Flotte aushätt, da Offiziere wie Mannschaften ausgehört haben an ihre Familien oder an Bekannte zu schreiben. Der voraussichtlichen Ver einigung der russischen Flotten sehen die Behörden und das Volk, wie es heißt, init Ruhe entgegen. Nach einer bei Lloyds eingegangenen Meldung aus Kalkutta soll der englische Dampfer „Beatrice", von Saigon nach Japan bestimmt, v o n d e n R u j s en fo rt g cn o m mc n worden sein Tngeslieschichte. Hur Striisprozcßrcform. lieber die von der Kommission zur Vorbereitung der Strak- prozcßrcsorm gefaßten Beschlüsse teilt die „Deutsche Iurislenztg." folgenbes mit: Die Kommission war einstimmig^ der Meinung, daß die Mitwirkung von Laien an der Strafrechtspflege — abgesehen von der RcvisioiiSinslanz — nützlich und in größe ren Sachen unentbehrlich ist. Sie entschied sich ferner einstimmig dafür, daß die Mitwirkung von Laien nur in der Form der Schöffengerichte erfolgen darf. Eine Bei behaltung der Schwurgerichte erschien aus- g^e i ch l o s s e n. Demgemäß sollen bei allen Verhandlungen Schössen Mitwirken. Nur in Ncbertrelungssachen und im ab- gclürzten Verfahren hielt man den Wegfall der Laien in erster Instanz iiir unbedenklich und wünschenswert. Mit großer Mehr heit beschloß ferner die Kommission, gegen alle Endurteile erster Instanz die Berufung zuzulassen. Bei der Verhandlung^ und Entscheidung in der Berufungsinstanz sollen in allen machen Schöffen Mitwirken. Alle Schöffengerichte, mit Aus nahme der kleinen, iverden bei den Landgerichten gebildet. Die Kommiision hat cs abgelehnt, sich mit der Regelung des S t r a f v o l l z u g e s zu befassen, weil hierfür die Neugestaltung des materiellen Strafrechts wesentlich mit in Betracht kommt. Die Untersuchungshaft soll vo» der Verkündung des Urteils ab auf die zu vollstrcckendc Freiheitsstrafe angerechnet werden, soweit nicht ein rechtzeitig eingelegtes und nicht recht zeitig zurückgenonimenes Rechtsmittel die Strafvollstreckung hemmt. lieber die Anrechnung oder Nichlanrcchnung der Unter- suchungshait soll in jedem Urteil eine ausdrückliche, mtt Gründen verlehene Entscheidung erfolgen. Die Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft soll nach Maßgabe des Gesetzes vom 11. Juli 1904 auch denjenigen Beichuldigten gewährt werden, aegen welche das Verfahren vor K'ageerhebnng eingestellt ist. Einen Ersatz der bedingten Begnadigung durch die bedingte Vernrtciluna empfiehlt die Kommission nicht. Aus den sonstigen Einzelheiten wäre noch bervorzuheben, daß die Kommission den Hengniszwang für Redakteure für den Fall, daß der Redakteur gemäß 8 20, Absatz 2 des Preßgesetzes als Täter hastet, beseitigen will: der Zeuge soll zur Zeugnisverweigernna auch dann berechtigt fein, wenn die Gefahr besteht, daß er selbst als Täter oder Teil nehmer strafgcricktlich verfolgt werden wird. Ferner ist die Unteriuchunaskafl mit stärkeren Kautclen versehen; sie darf wegen Fluchtverdachts nur dann verhänat werden, wenn bestimmte, dielen Verdacht rechtfertigende, aktenkundig zu machende Tat sachen vorlicgen. Auch find einige Erleichterungen für den Verkehr des Angeklagten mit seinem Anwalt vorgesehen. Dcutsch-Südwestairika. Nach Meldung des Generals v. Trotha aus Gibeon ist Major v. Estorff am 18. Avril in Gochas eiiigetrvsfen und steht jetzt mit im ganzen 6'4 Komvagnien. 10 Geschützen und 4 Maschinen gewehren am Aiwb. Er vermutet die Hottentotte n unter Hendrik W ithoi zwischen dem Elefantcn-Flnß und dem großen Nossob südlich des 25. Breitengrades. Eine Unternehmung dort hin wird des Wassermangels und des schwierigen Tünengeländes wegen für aussichtslos gehalten. Haiivtmann Manger ist mit der 1. und 2. Kompagnie Feld Regiments 2 nach Gibeon herangczogen worden. Ans den Karasbergcn liegen neue Nachrichten nickt vor. Die der Kompagnie des Hauptmanns d'Arrest am 7. Avril südlick Nnrndas ahgenommenen Pferde wurden in einem Pa trouillcngefecht bei Klipdam südlich Hainnr zurückerbeutet. Der Feind verlor dabei 12 Tote; diesseits l Reiter gefallen. In Norddetha nicn wird die Abteilung des Hanvtmanns v. Zwehl, zwei Kom Vaginen, zwei Geschütze, zwei Maschineittanvnen, den nach dem Roten Bern südlich Grootsontein gezogenen Bctbanicrhäuptling EornelinS Frederik angreifen. Tic unter dem Großman» Andreas vereinigten Herero ziehen sich von den Komas-Bergen nach dem Süden zu und Hallen fick teils in der Gegend von Hoornkrans auf, teils streben sie dein Nauklust-Gebirge zu. 20c Konipagnien, sowie die Bastard-Abteilung haben ihre Ber solgung ansgenonnne». Im N ordcn des Schutzgebietes stürmten in der Nacht vom 18. zum 19. April die vereinigte» Offiziers Patrouillen der Leutnants Bender und Sommer eine Herero-Werst am Onguendjc-Bcrg, 20 Kilometer nordwestlich Okjibangwe. Sie nahmen dem Feinde das ain 12. April beim Ueversall der Farm Ondekcremba erbeutete Vieh wieder ad. Es fielen 12 Herero, 8 wurden gefangen genommen. Diesseits teine Verluste. (Aus sührlickcr wiederholt.) Mit dem Dampfer „Belgravia" sind gestern aus Süd- westasrika Major v. Reitzenstem, General-Oberarzt Tr. Schian, Leutnant sondermann und Lbcrvetcrinär Borotvski in Hamburg cingctroffcn. Deutsche» Reich. Aus Anlaß des Ableben» bes Grafen Lehndorfs sandten die meisten deutschen und viele aus ländische Fürstlichkeiten Beileidstelegramme. Ter Kaiser und die Kaiserin richteten sowohl an die Gemahlin des Verstorbenen, als auch an seine Kinder rn überaus herzlichem Tone gel-allcnc Beileidstelegramme. Unter anderen sprachen ihv Beileid aus: der Kronprinz, Prinz Albrecht, der Kaiser own Oesterreich, der Grobherzog und der Erbgroßhcrzog von kgtdco nebst Ge- Dresdner Nachrichten. H8. Leite 3. M» Sonnabend. SV. Avril LVV5
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