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7L. Fahrgang. AK 204 Abend-Ausgabe Montag, 30. April 1828 Gegründet 18S6 vrabtanschrM, -»«chricht,« Dresden Frntivrecker-Eammelmwmier! 2S241 Rm für Nachtg«svrüchei 20 011 Bezug-.Sebühr <kin,eln«»«»r L0 «vienntg. Di» Ameiaen werden na» Boldmark berechnet: die etnlpaltiar »o mm breite Klnrose»on-«1slrosfo» Q^l» »5 Psa,, mr auswSrt» «n Via. fiamilienanzeisen »nd Stcllenaesuche ohne Rabat« I» Pia-, aukerlialb 2» Pia., die 90 mm breite Reklameieile 200 Pia., autzerbalb A»Ma. Offertenaebübr 30Via. Ausw.Auitrüae aeaen Borausbe,abla. Schriitleiiuna und LauvtaeschSitrftelle: Marienftrake SS-.2 Druck u. Verlag von Ltevlä» ck Vetchardt in Dresden Pokticheck-Konto 10SS Dresden Nachdruck nur mit deutlicher Quellenangabe «.Dresdner Nackr.'t mlSillg. Unverlangte Schriftstücke werden nicht auibewabri. Zer Wahlsieg Poincares. Neue Schikanen im besetzten Gebiet—Verstärkter kommunistischer Wahlterror Das vorläufige amtliche Ergebnis. PnriS, 80. April. viS 4,83 Uhr waren von 4L» Wahlkreisen Insgesamt 487 Resultate bekannt, die sich nach der offiziellen Statistik folgendermaßen verteilen: Konservative S Radikale demokratische Union 7« Linksrepublikaner öü Radikalrepublikaner 40 Radikalsozialiften 132 Repnbl. Sozialisten 41 Sozialisten (G. F. J.O.) 8ü Kommunisten 14 Sozial. Kommunisten 2 Elsässische Autonomisten 8 Dieses Ergebnis zusammen mit dem aus dem ersten Mahlgang vor acht Tage», ergibt folgende Gesamt- »iffer«: Sonservatlve IS Repnbl. demokr. Union .....145 Linksrepnblikaner 136 Radikalrepublikaner SS Radikalsozialisten 123 Repnbl. Sozialisten 47 Sozialisten sS.F J.O.) 101 ^ Kommnnifte« 14 Wo-. Kommnnifte» 8 Elsässische Autonomisten 8 Obgleich im amtlichen Wahlergebnis nur drei elsässische Autonomisten als Abgeordnete der neuen Kammer an gegeben sind, dürfte nicht übersehen werden, daß noch vier andere gewählte Kandidaten, obgleich sie Mitglieder der elsässische« Volkspartei sind, rein autonomistische Ziele ver folgen. Nicht zu unterschätzen ist ferner, daß auch die elsäs- sischen Kommunisten heimatsrechtlich eingestellt sind, bzw. für eine Volksabstimmung ebenfalls mitzählen. Die Agentur HavaS veröffentlicht folgende Gewinn- und Verlustliste: Rechtsstehende plus 2, minus 4. Verlust 2.- Nechts- republikaner mit Einschluß von drei Regionaltsten und den katholischen Demokraten plus 67, minus 26, Gewinn 41: Ein unerhörter Befehl. lDrahtmelduna unserer Berliner Schrtstleltung.) Berlin, SO. April. Wie wenig sich der „Geist der Be friedung" im besetzten Gebiet dnrchznsetzcn vermag, bezeugt ein soeben bekanntwerdender Befehl des Mainzer Ober kommandos der Besatzungstruppen, laut dem die Bewohner anfgefordekt «erden, demnächst ihre Automobile, Lastkraft wagen, Motorräder, Pferde «Iw. zur Registrierung bei der Kommandantur vorznkiihren. Die Maßnahme beweist deutlich, daß die Kriegspsychose nach wie vor in den Köpfen der Besatzungsgenerale spukt, «nd daß sie ungeachtet aller Gespräche von Thotry «nd Locarno Anordnungen sür not wendig halten, die de« «sgesprochcnen Charakter von Vor bereitungen sür eine Mobilisierung tragen. Der be troffenen rheinischen Bevölkerung hat sich begreiflicherweise ob dieses schlimmen Rückfalls eine große Erregung bemächtigt. Was die gemeldeten Schwierigkeiten im Luftverkehr im besetzten Gebiet anlangen, so ist noch nachzutragen, daß so wohl Sportflüge wie Bedarfsflttgc im besetzten Gebiet durch die Anordnungen der Besatzungsbehörde praktisch unmöglich gemacht sind. In jedem Einzelfalle muß nämlich grundsätzlich eine Genehmigung bet den Franzosen eingeholt werben. Der Instanzenweg kann unter Umständen seine vier Wochen dauern. ES ergibt sich somit der unhaltbare Zustand, daß ein Vebarfsflng wohl ohne besgnders zeitraubende Formalitäten etwa nach Belgien. England usw. durchgeftthrt werden kann, jedoch nicht ins besetzte deutsche Gebiet. Auch dieser Zustand bedarf dringend einer energischen Korrektur. Schwere Unwetter am Rhein. Am ganzen Mittelrhein gingen am Sonntagabend schwere Gewitter, begleitet von ivolkenbrnchartigem Regen und heftigem Sturm, nieder. Die Baumblüte ist an vielen Stellen vollkommen vernichtet. Die Landstraßen sind weithin überschwemmt. Die elektrischen Ueberlandleitungen ndLum Teil zerstört. Besonders schwer heimgesucht wurden ie Ortschaften auf der rechten Rheinseite. Dort standen die Wassermassen fußhoch in den Straßen, so baß der Straßen bahnverkehr zeitweise eingestellt werden mußte. Bei Vacha- rach ereignete sich ein Erdrutsch, der den Eisenbahnkörper verschüttete, wodurch die Züge erhebliche Verspätungen er- litten. In Rheinbrühl wurde eine große Weinbergs» anlage durch den Wolkenbruch abgeichwemmt. Unweit Rheinbröhls erlitt der nach Köln fahrende V-Zug O. S7, anscheinend durch bas Unwetter, einen Unfall. Linksrepnblikaner plus 31, minus 21, Gewinn 10: Rechts radikale plus 2V, minus 17. Gewinn 12: Radikale plus 26, minus 46, Verlust 26: Sozialrepubltkaner plus 15, minus 17. Verlust 2: Sozialisten plus 27, minus 27: Kommunisten plus 5, minus 16, Verlust 11. Zusammenstöße vor -er Stichwahl. Paris, 36. April. Am Vorabend der Stichwahlen kam es in Brest zu ziemlich lebhaften Zwischenfällen. In einer Wahlversammlung der nationalen Union sollte der bekannte Pariser Deputierte Taittinger sprechen. Die Kommu nisten hatten den größten Teil des Saales bereits vor der Wahlversammlung belegt. Als Taittinger die Tribüne be stieg. wurde er mit Pseiscn «nd Schimpsworten empfangen. Drei Stunden mußte er dem Sturme standhalten, ohne zn Worte kommen zu könne«. Die Internationale und die Marseillaise suchten sich gegenseitig zu übertünen. Schließ lich wollten die Kommunisten die Tribüne stürmen, stieben aber bei ihrem Versuch auf den Widerstand der Rechts parteien. die gleichfalls die kommunistischen Redner daran hinderten, bas Wort zu ergreifen. Es entstand ein heftiges Handgemenge, so daß die Polizei sich gezwungen sah, den Saal z« räume«. Nach der mißglückten Wahlversammlung durchzogen zwei Züge die Stadt, von denen der eine die Nationalhymne uyh der andere die Internationale sang. Bei einer Wahlversammlung der Kommunisten auf einem öffentlichen Platze in Paris kam eS. als die Polizei ein- greifen wollte, ebenfalls zu einem Zwischenfall, wobei vier Polizeibeamte verwundet wurden, darunter zwei so schwer, daß sie ins Krankenhaus übergeführt werden mußten. Die „Action Francaise" berichtet über Unruhe« i« Elsaß. An Straßbnrg-Land hätte« Tauseude von Kommunisten und Autonomisten de« Sieg des kommunistischen Abgeordneten mit dem Absingen der Fnternationale begrüßt. Starke Polizeitrnppen seien mobilisiert worden. Fn Colmar habe die Gendarmerie ans die Autonomisten schießen müssen, da sie den Versuch gemacht hätten, die im Gefängnis sitzenden gewählten Abgeordneten Nicklin und Rosse z« befreien. Der Tender des V-Zuges sprang aus dem Gleis, wodurch er und der nachfolgende Packwagen ineinandergeschoben wur den. Personen sind nicht zu Schaden gekommen. Eine von Neuwied kommende Hilfsmaschine konnte nicht an die Un fallstelle herankommen, da die Gleise vollkommen verschlammt waren. Erst um Mitternacht konnte ein Gleis notdürftig wieder freigelegt werden. Wetter wird hierzu aus AlSbach (Bergstraße) gemeldet: Das Unwetter am Sonntagabend hat in der hiesigen Gegend furchtbar gewütet. Durch den Wolkenbruch und die von den Bergen herabflutenden Wassermassen wurden die Straßen aufgerissen, Keller und Erdgeschotzwohnungen überschwemmt, so daß teilweise Einsturzgefahr besteht. Schwere Hagelschläge vernichteten die gesamte Obst- und Fcldfruchternte. Es besteht großer Mangel an Futtermitteln. Aus Zwtngenberg wird gemeldet: Die riesigen Schlamm- und Geröllmassen von den Bergen wälzten sich bis zur Höhe von 2 Meter durch die engen Gaffen. Türen und Fenster wurden eingedrückt, und die Wohnungen zumeist kleiner Leute sind im Erdgeschoß mit Schlamm und Hagel körnern bedeckt. Im Amtsgericht lag noch abends 16 Uhr der in verschiedenen Räumen angeschwommte -Hagel einen halben Meter hoch. Die Obsternte ist durch schwere Hagelwetter gänzlich vernichtet. Vieles Kleinvieh ist in den Fluten um- gekommcn. Die Fernstratzenverbinbung Benshetm— Darm stadt war für drei Stunden völlig unterbrochen. Auch dt« anderen Orte an der Bergstraße haben unter dem Hagel- weiter stark gelitten. Schwer ist auch die Südp falz von dem Unwetter heim- gesucht. Dort ging grobkörniger Hagel nieder und richtete überall schweren Schaden an. Die tiefgelegenen Straßen in Landau waren in kurzer Zeit überschwemmt. Fast sämt. liche Keller stehen unter Wasser. Die Warenvorräte zahl, reicher LebenSmittelhäuser sind vollständig vernichtet. In der Südpfalz sind viele Telephonverbtnbungen unterbrochen. In Mannheim wurde durch den Sturm das Dach der Aus- stellungshalle im «Schlachthof abgebeckt. Patzzwang zwischen Danzig und Osiprentzen ausgehoben. lDrohtmeldung unserer Berliner Schriftleltung.) Berlin. 86. April. Der Paßzwang im Verkehr zwischen Danzig und Ostpreußen ist ausgehoben morden. Wer die Grenze überschreitet, braucht lediglich einen Sondcraus- weis seiner heimatlichen Polizeibehörde bei sich z» führen, der im Notfälle auch von der Grenzpolizei ausgestellt werde» kann. Der enlscheitente zweite Wahlgang in Frankreich. Das Endergebnis der französischen Parlamentswahlen, das der gestrige Sonntag mit seinen über zwei Drittel der 612 Gesamtmandate betragenden Stichwahlen gezeitigt hat, läßt drei charakteristische Merkmale erkennen: 1. Poincarö hat das Heft unzweifelhaft in der Hand be halten. Auf allen Setten herrscht Einstimmigkeit darüber, daß er nach der im Falle von Neuwahlen üblichen Kabinetts demission vom Präsidenten wiederum mit der Neubildung der Regierung betraut werben wird. 2. Die Rechte hat nicht in dem Maße gut abgeschnitten, wie es nach dem ersten Wahlgange zu erwarten war. Die unter der Führung des Pensionsministers Marin stehenden Nationalisten und Klerikalen haben nämlich zu ihren 72 Man daten des ersten Mahlganges nur noch 73 hinzugewonnen, so daß sie insgesamt eine Stärke von 145 Mandaten erreicht haben. Das ist ohne Frage ein bemerkenswerter Fortschritt, da sie in der vorigen Kammer nur über 166 Mandate ver fügten, aber es genügt doch nicht, um die Behauptung in der Presse dieser Richturtg zu rechtfertigen, daß die neue Kammer eine Kammer der Rechten sein werde. 3. Die für die Mitte (Poincarö, Loucheur, Herriot, Pakn- levö.Brianb) ausschlaggebendenbürgerlichenRadikalsozialtsten, auch Sozlalradikale oder schlechtweg Radikale genannt, sind nicht, wie man vielfach erwartete, zurückgegangen, sondern haben es einschließlich der Poincaröschen Linksrepublikaner sowie der Brtand-Gruppe (Sozialrepublikaner) auf insgesamt 331 Mandate gebracht. Da die Sozialisten sich mit 161 Mandaten gegen früher 166 gerade behauptet haben, während die Kommunisten nur mit 14 Abgeordneten gegen früher 26 wiedererscheinen, so ergibt sich, daß bas Schwergewicht auf einer Gruppierung ruht, die mit dem in Frankreich üblichen parlamentarischen Fachausdruck „republikanische Konzentration" genannt wirb, was etwa unserer Mitte entspricht. Zählt man zu den 145 Ab geordneten der Marin-Gruppe noch die 16 Abgeordneten der äußersten Rechten (Royalisten und Bonapartisten) hinzu, so macht das zusammen mit den 153 Abgeordneten der Gruppe Briand und Poincarö 313, während die absolute Mehrheit 367 Stimmen beträgt, wobei aber zu berücksichtigen ist, baß Poincarö gar nicht daran denkt, sich auf die 15 Mann der äußersten Rechten zu stützen. In Wirklichkeit würden also für diese Kombination nur 2S8 Stimmen zu zählen sein. Die republikanische Konzentration verfügt dagegen über 331 Stimmen, mit Ausschluß der Sozialisten. PoincarS dürste sich daher bemühen, ein Kabinett auf dieser Grund- läge zustande zu bringen, unter möglichster Mitheranziehung einiger Mitglieder aus der Marin-Gruppe. Wenn die Rechte unter Marin ihren raschen Siegeszug des ersten Wahlganges nicht im gleichen Umfange fortsetzen konnte, so ist das auf die Tatsache zurückzuführen, baß der Linken infolge der ersten großen Wahlerfolgc der Rechten der Schreck in die Glieder gefahren war, und baß daher im Süden Frankreichs, zum Teil aber auch in den übrigen Wahlkreisen, für die Stich wahlen eine Erneuerung des alten Linkskartells vollzogen wurde. Für Poincarö kommt es nun darauf an, daß diese Entwicklung sich nicht im Parlament fortsetzt, daß also die republikanische Konzentration ohne die Sozialisten nicht in ein Linkskartell mit den Sozialisten übergeht. Deshalb ist Poincarö darauf angewiesen, einen Bruch mit der Marin- Gruppe zu vermeiden, damit die bisherige Politik der „natio nalen Einigkeit" auch ferner der Sache nach fortgesetzt werben kann, wenn sie auch in der Form eine Aenderung erfährt durch die Bezeichnung als republikanische Konzentration. Der Loth. ringer kann und will weder die Marin-Leute noch die Radika len brüskieren. Er steht daher vor einer ähnlich schwierige« Lage, wie wir sie bet uns in Deutschland nach den Dezember, wählen 1624 erlebt haben. Dem Ausgang seiner Bemühungen zur Neubildung der Regierung darf man also mit besonderer Spannung entgegensetzen. Der französische Wahlausfall un- -ie Wilhelmslrahe. (Drahtmelbung unserer Berliner Schrlftleitung.) Berlin, 86. April. In der Wilhelmstrabe erwartet man vom Ansgang der französischen Wahlen keine Veränderung in den Grundlinien der französischen Außenpolitik. ES fragt ich nur, ob Frankreich den jetzigen Rechtsblock bcibchalten» oder ob cs unter Abstoßung von ihn jetzt unterstützenden zum Teil sehr weit rechts stehenden Gruppen etwa ein mehr links orientiertes Kabinett bilden werde. Die Frage „Rechts- koalition" oder „Regierung der republikanischen Konzentra tion" ist nach Lage der Dinge natürlich noch nicht entschieden. DieKriegspsychosederMainzerBesatzungsbehörde Die Deulschen müssen für eine französische Evenlualmobilmachung ihre Automobile, Wagen, Pferde usw. vorführen.