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der herzlichste Dank für ihre der Gemeinde geleistete» Dienste ausgesprochen. Vs scheiden mit diesem Jahre Herren aus, welche dem Gcmeindcrate 28, 16 und 12 Jahre lang anac- hört habe»; welche Opfer an Zeit und Geld dies erfordert, können nur diejenigen beurteilen, die dem Gcincinderat selbst angehört haben. Original-Erzählung von Irene v. Hellmuth. 18. Fortsetzung! Hans hoffte in diesem Augenblick, ihre frühere tolle, übermütige Laune würde doch endlich zum Durchbruch kommen, sic würde ihn wie sonst bei der Hand packen und ihn mit sich fort zu ziehen suchen. Doch zu seiner Verwunderung geschah nichts von alledem. Am») ging mit trippelnden, kleinen Schritte» neben ihm her ohne nur ein einziges Mal das Haupt zu erheben, iunncr die Auge» zu Boden gesenkt. Kopfschüttelnd betrachtete er sic von der Seite und fragte noch einmal: „Was ist mir mit dem Kind geschehen?" Am folgenden Morgen hatte Frau Minna alle Hände voll zu tu», sodast sie sogar für kurze Zeit die quälenden Sorgen vergaß, die der Entschluß des Sohnes, an dem Kriege gegen China tcilnchiiicn zu wollen, ihr bereitete. Am vergangenein Abend war „och viel von diesem Plane die Rede gewesen und Hans hatte der Mutter versichert, daß ihn nichts von scincm Vorhaben abwendig machen werde. Die ganze Nacht hatte die arme Fra» kein Auge geschloffen. Sic war etwas später als sonst aufgcstanden und als sic das Wohnzimmer betrat, fand sic dort den Brief einer Jugendfreundin, welcher die Nachricht enthielt, dass diese samt ihrer Tochter am folgende» Tage zu längerem Besuch cintreffen werde. Frau Minna hatte zwar die Freundin schon öfter eingelade», aber gerade jetzt kam ihr dieser Besuch etwas »»gelegen, weil sie doch de» Kopf so voll Gedanken hatte wegen Hans. Was mußte für diese» noch alles herbciaeschafft und besorgt Werve»! lind dann lvar Frau Minna gerade jetzt nicht i» der Stimmung, die liebenswürdige Wirtin zu spielen. Aber das half nun einmal nichts. Die Zimmer mußte mau in Stand setzen; denn es waren zwei sehr verwöhnte und anspruchsvolle Dame», die mau erwartete. Anny half getreulich mit. Am Nach mittag ging sic hinab in den Garten, um auf An ordnung Frau Minnas einen Strauß für das Zimmer der Gäste zu binde». Hans begegnete ihr unterwegs. „Na, Kleine, schmollst Du noch immer mit mir?" . --DLL was Dich aesternMtzlich veranlaßle, solch cl» Gessch! z» schneiden? Ich glaube nämlich kein Wort von dem, was Du vorbrachtcst. Du verbirgst mir etwas. Ich weiß cs, denn zu lügen verstehst Du nicht, Annchen. Aber ich kann nicht darauf kommen, was cs ist. Es steht Dir gar nicht, wen» Du so trübselig dreinschaust. Dein Lachen ist mir lieber. Es klingt wie lauter silberne Glöckchen." lind in dem eifrigen Bemühen, ihr eine Freude zu bereiten, ihr ein Lächeln abznzwingen, fügte er rasch hinzu: „Wollen wir nachher einen kleine» Spazierritt machen? Deine Arabella wird ohnehin ganz steif im Stalle." Er sah ihr forschend ins Gesicht und bemerkte so den Hellen Strahl, der aus ihre» schönen Augen brach. Doch nur scknndcnlang. Dan» legten sich die langen, dunklen Wimpern verschleiernd darüber. „Habe ich Dich mit irgend etwas beleidigt?" fragte er. Dies bewegliche Micncnspiel war ihm unerklärlich an dem Mädchen. Doch Anny schüttelte den Kopf. Sic vermochte keinen Laut hcrvorzubringcn und war dem Weine» nahe. Wenn er nur nicht in dem weichen, herzlichen Ton mit ihr reden wollte, sie fühlte, daß sie demselben nicht gewachsen war. Am liebsten hätte sie sich in seine Arme geworscn »nd den Kops an seiner Brust verborgen. O, wie wonnig mußte das sein. Sic bezwang de» übermächtig in ihr anfsteigcnden Wunsch und versuchte, glcichgiltig zu scheinen. „Na, wie ist's, — reiten wir nachher aus, Anny?" fragte er noch einmal. „Ich muß erst einen Strauß binden!" — „Brrr," machte er lachend und fuhr sich wie in halber Verzweiflung durch die dichten Haare, indem er neckend ihre» trotzigen Ton nachzuahmen suchte, wiederholte er: „Einen Strauß binden, — aber komm nur, das wird bald besorgt sein, ich will Dir helfen." Fast schien cs, als wollte sie seine Hilfe ablehnen, doch sic sagte kein Wort und ließ es geschehen, daß der große, gutmütige Mensch sie an der Hand nahm und sie mit sich fortführte. Im Garten duftete cs, trotz der vorschrittenen Jahreszeit »och herrlich nach blühenden Reseden, da und dort standen noch einige dunkelblllhende Rosen Die bunte Hcrbstflora prangte I» voller Pracht. Alle Farben Astern, Georginen und blaue Winden wiegten sich leise in der klaren, lauen Lust. Darüber lag hell und blinkend der goldene Sonnenschein. Alles erschien so erfrischt von dem gestrigen Regen, so blühend und leuchtend, als wäre cs in Duft getaucht, so sast- strotzcnd in herrlicher Fülle. Dazu sang die Fontäne ihr gleichmäßiges Lied. Annh saß auf der Steinbank und merkte eS nicht, daß ihr das Blondhaar ganz feucht wurde von dem Sprühregen, der unaufhörlich aus dem Füllhorn Fortunas am Brunne» auf sie niederträufeltc. Die Blumen, die Hans ihr unermüd lich zutrug, lagen noch Immer ungeordnet in ihrem Schoß. Sie blickte gerade aus ins Leere. „Freust Du Dick auf den Besuch, den wir morgen bekommen werden?" fragte er, weil die Stille ihm peinlich wurde. „Ich? — Nein!" klang es herb zurück. „Ich wünschte, die beiden Damen wären schon wieder ab- gereist." „Aber das gibt doch etwas Abwechslung. Fräulein Rita Salboch ist eine sehr schöne, geistreiche, junge Danie. Paß' mal auf, die bringt Leben und Be wegung in unser stilles Haus. Sie trillert wie eine Nachtigall von früh bis spät. Allerdings pflegt sie nicht sehr zeitig auszustehen, ist etwas kapriziös, — launenhaft, ich glaube, ein wenig verzogen. Na ja, ein Wunder ist's ja nicht. Ihre Mutter ist Witwe und besitzt nur das eliizhe Töchtcrchcn. Da hat sic ihr wohl allzuviel den Willen getan, so etwas kommt öfter vor." — „Du scheinst Dich ja gewaltig für dicscs„Töchtcrchen" zu interessieren," sagte Anny »nd betrachtete forschend den vor ihr stehende» junge» Man». Es sollte spöttisch klingen, doch mischte sich ein herber Ton i» ihre Rede. „Ich? Ach nein! Da täuschest Du Dich, Anny," entgcgncte Hans glcichgiltig, aber sichtlich betroffen von dem finstere» Gesicht des Mädchens, das sonst nur mit einer Neckerei zu antworten gewohnt war. „Wenn Du Fräulein Rita Salbach sehen wirst," fuhr er fort, „so wirst Du auch zuacstchen müssen, daß sie eine blendende Erscheinung ist. Haare hat sie wie rotes Gold. Mama behauptete zwar immer, dieselben seien gefärbt, aber ich verstehe davon zu wenig, ui» cs unterscheiden zu können. Die Wangen zeigte» stets die Farbe einer eben verblühten Rose. Mama glaubt zwar auch da, daß das Mädchen künstlich etwas nachhelfe, na, sei dem, wie ihm wolle, mir kanns ja egal sein. Aber sehr hübsch sah sie jeden falls aus. Die tiefschwarzen Augenbrauen stachen so seltsam ab von dem weiße» Teint, den die Stinie auswies, sic war eine wirkliche Schönheit und erregte überall Aufsehen. Wenigstens war das vor drei Jahren der Fall, als sic uns mit ihrer Mutter zum letzten Mul besuchte. Wie sie heute aussieht, weiß ich ja nicht. Ich habe sic seitdem nicht wieder gesehen. Mich wundert nur, daß Fräulein Rita »och nicht verheiratet ist. Sie zählt doch schon 21 Jahre und bei ihrer außergewöhnlichen Schönheit ." ^Er kam nicht weiter. Anny war heftig von ihrem Sitz in die Höhe gefahren, daß die Blume» alle auf die Erde fielen. Sie hielt sich mit beiden Händen die Ohren »>. „Nun ist es aber wirklich genug. Du langweilst mich!" rief sie und bemühte sich, die Tränen zurück zudrängen, die ihr gewaltsam in die Augen steigen wollten. „Dreimal hast D» nun schon die große Schönheit der Dame betont. Aber das sage ich Dir, verlange nicht von mir, daß ich dem schönen Fräulein Gesell schaft leiste, — ich werde es nicht tun, — gewiß nicht, — denn ich — hasse sic!" Sein verwundertes Gesicht und das erstaunte, ungläubige: „Aber Anny — ich begreife Dich nicht, Du kennst die Dame ja gar nicht," brachte die Auf geregte wieder zur Besinnung. Sie schämte sich ihrer Heftigkeit und bückte sich, die Blumen zusammenzulese», um die Röte zu verberge», die ihr jäh in die Wangen stieg. Er durste ja nicht ahnen, welchen Stachel er ihr mit seine» Worten in dos Herz gedrückt. Sie fühlte sich so unglücklich. Dabei jagten die Gedanken in wilder Hast hinter der weißen Stirn. Sie sagte sich, daß sie sich benommen wie ein dummes, unge zogenes Kind. Sie war unzufrieden mit sich selbst. Aber die Eifersucht, die sie jetzt schon gegen jenes Mädchen empfand, beraubte sie des klaren Denkens. Rasch und ohne ein weiteres Wort zu sagen, be endete sie darauf ihre Arbeit, übergab den fertigen Straub einem Mädchen mit der Weisung, ihn in fri sches Wasser zu stellen, entschuldigte sich mit heftigem Kopfschmerz und lief in ihr Zimmer, wo sie die Türe verriegelte. Sie wollte allein sein um jeden Preis. Es schien ihr unmöglich, die forschenden Blicke des jungen Offiziers noch länger zu ertragen. Er grübelte darüber nach, was ihr fehlte. „Ach was, — Mädchenlaunen," sagte er zu sich selbst. Doch den wahren Grund erriet er nicht. III. Fräulein Rita Salbach war mit ihrer Mutter pünkilich eingetroffen. Anny mußte sich freilich ge stehe», daß Hans von der Schönheit der jungen Dame nicht zu viel gesagt hatte, ja, daß sie selten eine anmutigere Erscheinung gesehen. Schlank und hoch gewachsen, überragte sic Anny fast um Kopfes länge. Das rot schimmernde Haar zeigte jene lose, moderne Frisur, die für die Stirn nur einzelne, kleine Löckchen zuläßt, die Ohren dafür aber zur Hälfte mit weichen Wellen bedeckt, lieber der weißen Stirn türmte es sich ziemlich hoch auf, und war am Hinter kopfe mit einem blitzende» Kamine gestützt. Es ge hörte schon eine geübte Hand dazu, um diesen Bau kunstgerecht zu vollenden. Fräulein Rita ließ sich deshalb das erste Frühstück ans ihren, Zimmer ser vieren und wurde vor 11 Uhr für Niemand sichtbar, zum geheimen Acrgcr der Hausfrau, die selbst eine Frühaufsteher»!, es nicht leiden konnte, wenn man den halben Tag in trägem Nichtstun verbrachte, oder in den Hellen Morgen hinein schlief. Ritas Mutter, eine sehr zu Korpulenz neigende Dame, der man die einstige Schönheit nicht mehr ansah, die nach ihrer Behauptung die Tochter von ihr geerbt haben sollte, wußte nicht geling Rühmenswertes von dieser Tochter zu erzählen. Die Mutter vergötterte das Mädchen geradezu. Daß Fräulein Rita nur hcrgekomnicn war, um den jungen und reiche» Sohn des Hauses für sich zu gewinnen, ahnte vorläufig nur Anny. Den» sic, mit von Eifersucht geschärfte» Blicken, nahm alles wahr, was die junge Dame trieb. Daß Rita nur sang, wenn Hans da war, daß sic dann jedesmal ganz besondere Toilette machtc, und ihn immer zum Notenunnvcnden brauchte, daß sic ihn, feurige oder schmachtende Blicke, — je nachdem cs eben zum Gesang paßte, — zuwarf, daß sie den jungen Mann stets in eine interessante Unterhaltung zu ver wickeln wußte, und ihn so ziemlich für sich allein in Anspruch nahm, — alles, alles bemerkte Anny, wie sie auch hcraussand, daß Hans mehr »nd mehr de» Koketterien des schönen Mädchens nutcrlag. Offenbar schmeichelte cs seiner Eitelkeit, daß Rita ihn so sichtlich allen andcrcn vorzog, daß keiner von den Herren, die Hans zur Unterhaltung seiner Gäste mit herausbrachtc, sich rühmen konnte, von ihr einen jener Blicke zu er haschen, die sie Hans so freigebig spendete. Die junge» Männer gaben sich die größte Mühe, dem reizende» Mädchen zu gefallen, allein das half ihnen sehr wenig. Rita bewegte sich unter ihren Anbetern wie eine Königin unter ihre» Vasallen. Sie trujz meist Helle, duftige Gewänder, die die schöne, ebcnniaßigc Gestalt noch mehr Hervorhobe», und wenn sic die langstielige Lorgnette an die Augen hob, dann hatte man auch Gelgcnheit, den vollen weißen Arm »nd die schöne Hand zu bewundern. Rita trieb überhaupt einen Luxus, der Fra» Minna manches Kopsschüttcln abnötigtc, denn die Letztere wußte genau, daß die Salbachs nicht reich waren. Daß die Mutter Ritas zu schwach war, den iiiiincrwährcndcn Forderungen ihrer schönen Tochter Widerstand ent- gegcnzusetzen, daß sie um de» Bedürfnissen des Mäd chens genügen zu können, schon die Hälfte des Ver mögens geopfert hatte, erzählte sic Niemand. Rita war nie zufrieden. Sie forderte inmier noch mehr. Und die Mutter gab, — aber stets mit der Mahnung: „Rita, mein Kino, sieh zu, daß Du bald einen reichen Man» bekommst, sonst könnte eines Tages der Fall cintretcn, daß wir mittellos sind." Fräulein Rita warf dann schmollend die rote» Lippen auf und sagte: „Unbesorgt, Mama, er wird schon komme». Aber reich, — sehr reich muß er sein, n'cht wahr?" Und die Mutter nickte beistimmend. „Ja, sehr reich. Denn was sollte meine verwöhnte Tochter mit einem arme» Mann? Hüte dich »ur, und mache mir keine Dummheiten! D» hast ja die Wahl, also hänge Dein Herz nicht an einen Vermögenslosen, denn Geld ist heutzutage die Hauptsache. Geld ist Glück, — ist alles!" Aber der Rechte wollte doch immer nicht kommen. Rita hatte an jedem etwas auszusetzen. Und dabei schmolz das Vermögen mehr und mehr zusammen. Frau Salbach blickte mit banger Sorge in die Zukunft. Sie arübelte darüber nach, wie sie cs anstcllcn sollte, um Rita baldmöglichst gut zu versorgen. Da fiel ihr ganz plötzlich die Jugendfreundin Minna Frciwald ein. Wenn sie mit Rita dahinginge? Die Leute waren schwer reich, das wußte alle Welt, sie konnte» de» verwöhntesten Ansprüchen genüge». Und der einzige Sohn würde einst der Erbe all der Neichtllmcr. Frau Salbach erteilte ihrer Tochter alle möglichen Verhaltungsmaßregeln, und Fräulein Rita erklärte sich bereit, alle ihr zu Verfügung stehende Liebens würdigkeit aufbieten zu wollen, um den jungen Frciwald für sich z» gewinne». „Das wird mir ein Leichtes sein," lächelte sic, „wozu wäre man denn jung und schön, wenn es einem nicht gelingen sollte, eine» Mann zu seinem Sklaven zu machen." Freilich mußte die Mutter notgedrungen noch einen tiefen Griff in die Kaffe tun, um die Toilette der Tochter zu vervollständige». Sie tat es mit der Voraussetzung, daß Rita als Braut vo» diesem Besuch heir.ikehren würde. Und diese Hoffnung schien sich nun wirklich erfüllen zu wollen. Täglich konnte die Tochter berichten, daß sie wieder einen Schritt näher dem Ziele sei, daß die Entscheidung sehr bald erfolgen würde. „Du mußt uns nur dieses kleine Gänschen, die Anny vom Halse schaffen," sagte Nit» eines Abends. „Wäre das Mädchen heute nicht dabcigewese», ich wette, Hans hätte sich mir erklärt! So klug konntest Du doch sein, die Kleine hier zurückzuhalten, während wir