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lagstätigkeit zu ermöglichen. Zahlreiche Versuchsfilme wurden hergestellt, um die beste Wiedetgabequasttät zu erzielen und die tatsächliche Wirkung gesprochener Bücher auf den Hörer zu er proben. Als erster lebender Dichter hat Hans Friedrich Blunck einen etwa einstündigen Schallsilm aus seinen Werken besprochen. In dem bekannten Rezitator Bruno Tuersch- mann stand uns ein Sprecher von höchster Meisterschaft zur Verfügung, der die Gesänge Homers zu unerhört lebendiger Wirkung brachte und ebenso die Werke zeitgenössischer Autoren mit vollendeter Sprachgewalt nachschus. Diese Versuche haben erwiesen, daß die Macht des künstlerisch gesprochenen Wortes jeden Zweifel hinwegfegt, der gegen das mechanisch wieder gegebene Buch noch hätte laut werden können. In diesem Zusammenhang dürste die Meinung Rainer Maria Rilkes zum Problem des Sprechenden Buches höchst aufschlußreich sein, die wir in seinen Briefen finden. Zwar war ihm der Schallfilm noch unbekannt. Gleichwohl erkannte er die durch die Sprechmaschine gewiesenen Zukunstsmöglichkeiten. Er schreibt im Jahre 1826 aus der Schweiz an einen Freund: »Was mich überrascht, ist, die Sprechmaschine fast ausschließlich als Wiedergeberin musikalischer Zusammenhänge gerühmt zu finden, so, als ob sie mit dem gesprochenen Wort noch weniger beschäftigt sei. Und doch könnte sie, durch seine exakte Wieder holung, demjenigen, dessen Sache es ist, eine Rede oder ein Ge dicht zu sprechen, ebenso strenge Kontrolldienste erweisen, wie das, auf seinem Gebiete, ähnlich, sür den ausübenden Musiker geschieht. Die Sprechmaschine könnte ferner im Dienste des dichterischen Wortes dazu Mitwirken, daß man zum Laut- lesen des Gedichtes (über dem allein sein ganzes Dasein sich herausstellt) eine neue geordnete Verpflichtung gewänne. Wie vielen Lesenden fehlt noch die wirkliche Beziehung zum Gedicht, weil sie, im stillen Darüberhinlesen, seine besonderen Eigen schaften nur eben streifen, statt sie sich zu erwecken. Ich stelle mir (nach einigem Widerstreben) einen Lesenden vor, der mit einem Gedichtbuch in der Hand, mitlesend, eine Sprechmaschine ab hört, um von der Existenz des betreffenden Gedichtes besser unterrichtet zu sein, das wäre dann gewiß kein .Kunstgenuß', aber ein sehr eindringlicher Unterricht, etwa wie gewisse Ta bellen im Schulzimmer dem Auge ein sonst Unsichtbares in sei nen Proportionen vorstellen und austragen.- Rilke setzt sich dann mit dem Schauspieler auseinander, den er nicht für geeignet hält, dichterische Werke wiederzugeben. Er verlangt, daß der Dichter selbst auch die Sprachgestalt gibt. Dabei muß aber be dacht werden, daß nur wenige Dichter in der Lage sind, ihre Dichtungen auch sprachlich einwandfrei wiederzugeben. Darin liegt ohne Zweifel ein Mangel, der im Zeitalter der akustischen Wiedergabetechnik stark empfunden wird. Aber schon der Rund funk hat manchen lebenden Dichter gezwungen, die Kunst des gesprochenen Wortes zu üben und zu Pflegen. Der Schallfilm wird in noch stärkerem Maße dazu veranlassen. Liliencron war der Ansicht, daß »die sprachliche Wiedergestaltung ganz un abhängig von dem ist, was der Dichter selbst empfand-. Tuersch- mann vergleicht die sprachliche Wiedergabe einer Dichtung durch einen dem Dichter kongenialen Sprecher mit dem Werk des Malers, »der die Natur aus einem neuen Werdeprozeß heraus subjektiv zusammenfaßt-. Durch den Schallfilm kann nun die Sprachgestalt einer Dichtung, die bisher nur immer ein einmaliges Er lebnis, vom Dichter oder dem Sprecher vermittelt, bleiben mußte, unbegrenzt vervielfältigt und verbreitet werden wie die vielfarbige Druckwiedergabe eines Meistergemäldes. Nachdem die zeitliche Schranke, die der Schallplatte gesetzt war, gefallen ist, kann auf dem endlosen Band des Schallfilms jedes Werk des Schrifttums in jeder gewünschten Länge wiedergegeben werden. Es ist müßig zu fragen, wo nun die Grenze des praktisch Mög lichen ist, d. h. wie lange man Bücher hören statt lesen kann. Wir glauben, daß es hier kein »entweder—oder- gibt, sondern daß gerade vom Hören der Weg zum Lesen führt. Wem einmal die Schönheit einer Dichtung, sei es ein Roman oder ein Drama, durch die sprachliche Wiedergabe erschlossen ist, der will dieses Werk auch »schwarz auf weiß- besitzen. Der Schallsilm verdrängt weder die Schallplatte, die für zeitlich kurze Darbietungen immer ihren Bereich behalten wird, noch das gedruckte Buch durch das gesprochene. Vielmehr erschließt der Schallfilm ein Neuland, das bisher noch unbekannt war. Der Schallfilm wird mit dem Sprechenden Buch das Dasein und die Wirkung des gedruckten Buches steigern und erhöhen. KarlAugu st Walther, Potsdam. Übersetzungen deutscher Bücher im Jahr 1937 Von Dr. Charlotte Bauschinger Die Deutsche Akademie in München, deren große Aufgabe die Erforschung und Pflege der deutschen Kultur in all ihren Ausdrucksformen ist, hat seit drei Jahren auch die Sammlung des deutschen Übersetzungsgutes im Ausland in ihren Arbeits bereich ausgenommen und ermöglicht durch ihre zahlreichen Ver bindungen einen umfassenden Überblick über die Bedeutung des deutschen übersetzten Buches im Kulturleben der Völker. Daß dieser Sammeltätigkeit nicht bloß theoretischer Wert zukommt, sondern daß sie sür Verlag und Buchhandel auch von wesent licher praktischer Bedeutung ist, erwies sich sehr deutlich bei der anläßlich des XII. Internationalen Verlegerkongresses in Leip zig im Juni 1938 veranstalteten großen Buchausstellung »Deutsch land und das Schrifttum der Welt-, die zum erstenmal in größe rem Umfang diejenigen deutschen Bücher vereinigte, die in frem dem Gewände aus aller Welt kommend wieder auf heimatlichen Boden zurückgekehrt waren. In dem kürzlich erschienenen Heft 4 des Jahrgangs 1938 der »Mitteilungen- der Deutschen Akademie ist die Übersicht über »Das deutsche Buch in fremden Sprachen- für das Jahr 1937 veröffentlicht, deren Ergebnisse im folgenden kurz zusammen gefaßt werden sollen. (Über das Vorjahr 1936 ist an dieser Stelle in Nr. 40, 46 und 52 des Jahrgangs 1938 berichtet.) Vor der Behandlung der einzelnen Länder seien noch einige allgemeine Bemerkungen vorausgeschickt. Die Sammlung der aus dreiund zwanzig Ländern stammenden Titel beruht auf eigenen Aus zügen aus den nationalen Bibliographien; nur bei Rußland, Polen, Tschecho-Slowakei, Ungarn und Rumänien ist wegen sprachlicher Schwierigkeiten die abgeleitete Quelle des vom In stitut für geistige Zusammenarbeit in Paris herausgegebenen »Index translationuin- benützt worden. Für diejenigen Länder, die nicht über eigene Bibliographien verfügen, wurde das Mate rial mit Hilfe von Lektoren der Deutschen Akademie und von Bibliotheken und Buchhandlungen gewonnen. Daß die statisti schen Ergebnisse trotz aller aufgewandten Mühe nicht bis ins letzte gesichert sind, liegt an verschiedenen Ursachen, die hier nicht näher erörtert werden können. — Um zu erweisen, daß das heutige Deutschland trotz aller gegenteiligen Behauptungen von gegnerischer Seite im regsten geistigen Austausch mit der Welt steht, sind am Schluß jedes Länderabschnitts Angaben über die in Deutschland erschienenen Übersetzungen aus fremden Spra chen gemacht. In der Auswahl, die Frankreich in diesem Jahr aus dem deutschen Schrifttum getroffen hat, liegt das Schwergewicht zweifellos in der Auslese bedeutender Werke aus den verschie denen Wissenschaftsgebieten und nicht im Bereich der Schönen Literatur, die schon rein zahlenmäßig eine erhebliche Einbuße erlitten hat (gegen 1935 um über 20 Einheiten von 59 auf 38). Dieser Rückgang wirkt sich jedoch nicht auf die Gesamtzahl der Übersetzungen aus, die mit 126 Erscheinungen den Stand vom Vorjahr noch leicht übertreffen, was umso bemerkenswerter ist, als die Einschränkung der französischen Produktion und da mit auch der Übersetzuugstätigkeit von Jahr zu Jahr fühlbarer Nr. 50 Dienstag, den 28. Februar 1939 169