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Jahrhunderte seinen Lesern ein kundiger Führer. Zwei Jahrtausende deutschen Lebens, den ganzen geschicht- lichen Zeitraum des Daseins des deutschen Volkes, durchmißt er mit ihnen. Cr lenkt die Blicke auf alle Lebens äußerungen und Lebensformen des deutschen Volkswesens und erörtert in ihren Wandlungen Gesellschaft und Wirtschaft, Recht und Staat als Erscheinungen der Geschichte deutscher ^Nation, Aber nicht allein um die geistigen Regungen ist es ihm zu tun, er spiegelt in seinem Werke auch die Gefühlsgestaltungen der deutschen Volksseele wider. Und mit der Aufdeckung dieser weitwirkenden Bestrebungen schafft er mit seiner Geschichte des deutschen Gemütes auch eine Geschichte der Organisationstendenzen, die den Orga nismus des Deutschen .Reiches geschaffen haben, und gibt dergestalt ebenso Erklärungen für das deutsche parteiungswesen, wie er die Bedeutung der aus dem deutschen Genossen schaftsgedanken sich ergebenden soziologischen Problemstellungen erkennen lehrt. Darum sind Treytags „Bilder" gerade für unsre Segenroart nicht nur kulturpfychologifch, sondern auch kulturpolitisch wichtig. Denn auf dem Hintergründe der Einzelschicksale, die in langer Entwicklungsreihe geschildert werden, zeichnet sich, im fähen Wechsel von Tall und Aufstieg, das Schicksal des deutschen Volkes ab. Im ersten großen Wurfe baute Treytag sein Werk auf Autobiographien auf, in deren Auswahl er eine besonders glückliche Hand bewies. Auf dieser Basis schuf er ein Kulturgemälde, das überall die deutliche historische Perspektive wahrt und nicht nur die führenden Persönlichkeiten leibhaftig hervortreten läßt, sondern auch die kleineren Gestalten, die typische Repräsentanten ihrer Zeit sind. So sind Areytags „Bilder" in seltner Vereinigung ein klassisches Volksbuch, ein Haupt- und Hausbuch jeder deutschen Familie, jeder deutschen Bücherei, und gleichzeitig ein klassisch wissenschaftliches Werk, ein Grundwerk der deutschen Geschichtforschung. Der Ger manist Rcoriz Heyne z. L., weiland Professor der Universität Göttingen, psiegte die Vollständigkeit seiner Belege an den „Bildern" zu messen. Der Hjlöerteil/ der das Rahmengefüge der einzelnen Kapitel überkleidet und durch ikono- A/ graphische Exkurse ergänzt und verbindet, wurde mit peinlichster Sorgfalt gewertet und bietet in seinem gewaltigen Umfange ein erschöpfendes ^Material. Er soll dem Leser, neben Treytags Worten, eine unmittelbare An schauung ihm ferner Wenschen und Zeiten geben, ihm das Aussehen der geschichtlichen Welt greifbar vor Augen rücken. Oft ver mittelt ein altes Blatt besser als viele Worte Bedeutung, Inhalt und Sinn alter Bräuche und Gewohnheiten, die wir längst vergessen haben, weil es als Wahrzeichen zu uns spricht. Wollte ein Leser sich das Bildmaterial selbst zusammensuchen, er hätte hundert Bücher nötig und müßte, die unerläßlichen Vor studien vorausgesetzt, von Bibliothek zu Bi bliothek, von Stadt zu Stadt wandern und erfreute sich dann doch keines dauernden Besitzes. Die vorliegende illustrierte Ausgabe bietet ihm alles; sie enthält, im Text verstreut und auf Beilagen, einen vollständigen Hilöeratlas zur öeutschen Kulturgeschichte/ u. a. auch alte Flugblätter und Flugschriften, Griffelkunstblätter, Handschriften und Urkunden. Treytag war persönlich ein unermüdlicher Sammler solcher alten Zeugnisse deutschen Lebens, die ihm für seine Arbeit als ikonographische Kommentare dienten. Gelegentlich weist er ausdrücklich auf sie hin, so daß die illustrierte Ausgabe auch im Sinne des Verfassers liegt. Die Druckausstattung des Werkes wurde mit aller Liebe gepflegt.