Volltext Seite (XML)
Wochenblatt / für ^ Fenisprechcr: Amt Siegmar Nr. 244. Reichenvrand, Siegmar, Neustadt und Rabenstein. ^ SO. Sonnabend, den 27. Juni 1908. . Erscheint jeden Sonnabend nachmittags. Anzeigen werden in der Expedition (Reichenbrand, Nevoigtstraße 11), sowie von den Herren Friseur Weber in Reichenbrand und Kaufmann Emil Winter in Rabenstein entgegengenommen und pro Ispaltige Petitzeile mit 10 Pfg. berechnet. Für Inserate größeren Umfangs und bei öfteren Wiederholungen wird entsprechender Rabatt, jedoch nur nach vorheriger Vereinbarung, bewilligt. Auzeigcu-Aniiahme in der Expedition bis spätestens Freitags nachmittags S Uhr, bei den Annahmestellen bis nachmittags S Uhr. Bekanntmachung. Am 15. Juni a. o. war der II. Termin der diesjährigen Nente fällig und ist spätestens bis zum 30. Juni 1908 an die hiesige Ortsstcuereinnahme zu bezahlen. Reichenbrand, am 26. Juni 1908. Der Gemcindevorstand. Vogel. Die diesjährige Kirschennutzung an der Forst- und Kurzestraße soll in Ranft's Restauration und diejenige an der Röhrsdorfer- und Bergstraße in Kühn's Restauration Sonntag, den 28. Juni 1908 nachm. 3 Uhr unter den im Termin bekannt zu gebenden Bedingungen an den Meistbietenden gegen Barzahlung öffentlich versteigert werden. Ravenstein, am 24. Juni 1908. Der Gemeindevorstand. — Wilödorf. Bekanntmachung. Am 15. dieses Monats ist der 2. Termin der diesjährigen Wasscrsteuer fällig. Derselbe ist spätestens innerhalb 14 Tagen an die hiesige Gemeindekassenverwaltung abzuführen. Nach Ablauf dieser Frist muß gegen Säumige die zwangsweise Beitreibung eingeleitet werden. Neustadt, am 10. Juni 1906. Der Gemcindevorstand. Geißler. Bekanntmachung. Als verloren wurde gemeldet: 1 Losungsschein. Rabenstein, am 26. Juni 1908. Der Gemcindevorstand. Wilsdorf. Bekanntmachung. Am 15. dieses Monats ist der 3. Termin der Gemeindeanlagen und des Schulgeldes für das laufende Fahr fällig. Derselbe ist bis spätestens zum 15. Juli 1908 Neustadt, am 11. Juni 1908. Der Gemeindevorstand. Geißler. Die Sparkasse zu Neustadt Telephon Nr. SS, Uml Siegmar. unter Garantie der Gemeinde verzinst Einlagen mit 3*/° o/g. Für Einlagen, welche bis zum 3. eines Monats bewirkt werden, erfolgt Verzinsung für den vollen Monat. Die Sparkasse expediert täglich vormittags von 8—12 Uhr und nachmittags von 2—6 Uhr. Durch die Post eingehende Einlagen werden sofort expediert. Die Freundinnen. Original-Roman von Irene v. Hellmuth. Drunten^ im Hof schwang sich eben Sylvias Bräutigam Pferd einem herbcieilenden Diener und trat°rasch ins Haus. Frau v. Schmellwitz wollte sich eben kopfschüttelnd entfernen, doch Sylvia bat hastig: „Bleibe doch hier — Tante, du — störst uns gewiß nicht!" „Ich habe keine Zeit und dann glaubte ich doch schon zu bemerken, daß meine Gegenwart deinem Bräutigam nicht unbedingt nötig erscheint. Nicht wahr Hugo?" rief sie lachend den, eben cintretcnden, stattlichen Herrn zu, „Sie bestehen nicht darauf, daß ich hier bleibe?" Er führte galant die Hand der Dame an die Lippen. „Ich fürchte, Sie würden sich langweilen, gnädige Frau, denn ich habe mit Sylvia allerlei zu besprechen, was für Sie — doch kaum Interesse haben dürfte." „Ja, ja, das kennt man schon", lachte Frau v. Schmellwitz laut, „aber wenn die interessante Unterhaltung beendet ist und Sie wollen bei mir eine Tasse Tee trinken, soll? mir eine Ehre sein!" „Mit Vergnügen, gnädige Frau", rief er der Hinaus- eilendcn zu, reichte Sylvias Vater flüchtig die Hand und trat dann mit aufleuchtendem Blick zu seiner Braut. Er war ein sehr stattlicher Herr. Wenn auch die Haare an den Schläfen schon einen leisen grauen Schimmer zeigten, so tat das der ganzen Erscheinung keinen Abbruch. Er versuchte Sylvia an sich zu ziehen, doch sie wich ihm aus und reichte ihm nur die Hand, die er mit festem Druck umspannte. „Soll ich keinen Kuß bekommen, Sylvia?" fragte er ein wenig enttäuscht, und blickte ihr forschend in die Augen. „Du stehst doch, wir sind nicht allein —" „Aber Papa ist ja bloß da; der achtet doch nicht ans uns, das weißt du. Und außerdem: „Habe ich nicht das Recht meine Braut zu küssen?" Fast heftig zog er sie in seine Arme. Mit sichtlichem Widerstreben ließ die junge Braut die Liebkosungen über sich ergehen. „Ich denke", lachte Hugo, „ich habe doch eine Belohnung verdient dafür, daß ich in dem abscheulichen Wetter eine Stunde weit 'geritten bin, nur um dich zu sehen. Ich hielt es nicht mehr aus daheim, ich hatte Sehnsucht nach dir! Ich dachte es mir so schön, wenn du erst ganz und für immer bei mir bist; da ließ es mir keine Ruhe, ich mußte zu dir. Mein bestes Pferd ließ ich mir satteln, ich trieb es zur höchsten Eile an, ich flog förmlich hierher, und du — du machst ein Gesicht, als ob dir mein Besuch unange nehm wäre. Sag Sylvia — du gabst mir doch dein Wort aus freiem Entschluß, nicht wahr? Niemand drängte dich dazu? Wie? Denn das, — bei Gott, das wollte ich nicht! Ich will keine Frau haben, die mich nur nimmt, weil ich eine sogenannte gute Partie bin!" Sylvia schlug bei dieser direkten Frage die Augen zu Boden und war nahe daran, ihm alles zu gestehen. Und doch fand sie die rechten Worte nicht. Sollte sie ihm sagen, daß sie nur auf Zureden der Tante seine Braut geworden, daß ihre Armut st; drückte, daß sie geglaubt hatte, Reichtum allein sei Glück? Daß sie sich unbeschreiblich fortsehne aus diesem Hause, fort von der Tante, in deren Nähe sie stets ein Frösteln empfand? Nein, — nein, das konnte, das durfrc sie nicht, es fehlte ihr der Mut dazu. „Sylvia", mahnte Hugo dringender, „hast du keine - .... - Das klang so weich, so schmerzlich, daß das junge Mäd chen etwas Mitleid empfand. „Du nmßt mir Zeit lassen", — stammelte sie leise, „es ist mir noch alles so ungewohnt". — „Ungewohnt?" fragte er verwundert, „und bist doch schon seit sechs Wochen meine Braut? Wie soll ich das verstehen? An das, was man liebt, braucht man sich nicht erst zu gewöhnen. Du bist mir so vertraut, als wären seit unserer ersten Begegnung schon Jahre vergangen. Aber das Ver stehen der Liebe wird auch bei dir noch kommen, nur das Eine will ich wissen: Hast du vor mir schon einen andern eliebt, liebst ihn vielleicht noch? Habe ich einen Neben- uhlcr zu fürchten?" Sylvia errötete. Hugo bemerkte es, und eine riefe Falte grub sich in seine Stirn. Doch als bas Mädchen die Augen voll zu ihm aufschlug, spielte schon wieder ein Lächeln um seine Mund. „Nein, Hugo", versicherte die Braut eifrig. „O, dann ist alles gut! Das war es, was ich fürchtete. Ich glaubte immer, daß dein Herz nicht mehr frei war. Aber jetzt bin ich beruhigt, denn lügen — nein — das kannst du nicht!" Trotz dieser zuversichtliche» Worte blickte er forschend in das schöne Gesicht Sylvias. Er streichelte liebkosend ihr weiches, glänzendes rötlich schimmerndes Haar. Und lebhaft erzählend fuhr er dann sort: „Die Einrichtung meines Hauses ist nahezu vollendet. Deine Zimmer sind schon ganz fertig. Ich will nichts verraten, aber du wirst überrascht sein, wenn du es siehst. Nichts habe ich gespart, überall das Schönste und Beste ausgewählt. Denn das Schönste nur ist mir gut genug für dich. In ein paar Tagen, wenn alles fertig ist, dann kommst du, nicht wahr, Sylvia? Dann siehst du dir alles an, was ich für meine zukünftige Gattin zusammengetragen habe. Was die Liebe nur immer u ersinnen vermag, schaffte ich herbei. Und dann, — dann agst du mir auch, wann die Hochzeit sein soll, nicht? Ich habe versprochen, die Bestimmung darüber dir allein zu überlassen und das werde ich halten, aber allzu lange darfst du mich nicht warten lassen. Was soll uns auch die Ver zögerung, wenn wir doch einmal zusammengehören für das ganze Leben?" Er zog seiner Braut aufs neue an sich, und dabei ent ging ihm die tiefe Blässe, die sich über das schmale, junge Gesicht breitete. Ein leises Beben ging durch die schlanke Gestalt. Von draußen vernahm man das Heranrollen eines Wagens. Sylvia richtete sich lauschend auf; dann warf sie einen raschen Blick durch das Fenster, und wie ein Aufatmen tönte der freudige Ruf von ihren Lippen: „Ach — Maja! — Wie schön, daß sic kommt, trotz des schlechten Wetters". Damit war sie auch schon zur Türe hinaus, ohne sich mit einem Wort bei ihrem Verlobten zu entschuldigen. In unbehaglichster Stimmung blieb dieser zurück. „Daß diese Maja auch gerade jetzt wieder kommen muß!" murmelte er ärgerlich, und laut sich an Sylvias Vater wen dend, äußerte er unmutig: „Weißt du, Papa, daß ich nach gerade anfangen werde eifersichtig zu werden auf diese ge liebte Freundin! Sie wird mir in jeder Weise vorgezogen, sie wird mit Liebkosungen überhäuft, während ich um die kleinste Gunst betteln muß!" - „Lost fic,"—ivchrtc-der Angsredet» 4ächcknd. Die Mvi- Mädchen waren von jeher unzertrennlich. Man könnte fast sagen, sie kennen sich schon seit sie auf der Welt sind. Diese Freundschaft ist älteren Datums als die deine. Selbst als ich Sylvia einer Pension übergab, wollten sie sich nicht trennen und Maja folgte schleunigst nach." Inzwischen hatte draußen eine lebhafte Begrüßung statt gefunden. Das Lachen und Plaudern drang bis herein in das stille Zimmer. Maja schien in sehr übermütiger Stimmung zu sein und das mußte ansteckend auf die Freundin wirken. Lachen und Scherze flogen hin und her. Arm in Arm traten die beiden Mädchen endlich ins Zimmer und Hugo wunderte sich im stillen über das veränderte Aussehen seiner Braut. Wie reizend ihr das heitere Lachen stand! Er vermochte kaum den Blick abzuwenden von dem lieblichen Mädchenpaar: denn auch Maja bot mit ihren Grübchen wangen und den strahlenden Augen einen herzersreuenden Anblick. „O," rief sie überrascht, „du hast mir ja gar nichts von der Anwesenheit deines Bräutigams gesagt! Ich habe Sie nun wohl in einer recht interessanten Unterhaltung gestört?" wandte sie sich mit schelmischem Lachen an Hugo, ihm die Hand reichend. Sie müssen schon entschuldigen, Herr v. Trostberg, daß ich so plößlich herein geschneit bin! Wenn ich hätte ahnen können " „Ach bitte, mein gnädiges Fräulein," unterbrach Hugo die Rede Majas, „eigentlich müßte ich Ihnen dankbar sein: denn Sie haben in unglaublich kurzer Zeit fertig gebracht, was mir trotz aller Mühe nicht gelingen wollte, nämlich Sylvia heiter zu stimmen. Sie ist ja jetzt völlig verwandelt!" Es klang doch eine leise Bitterkeit aus seinen Worten, und Sylvia schien den Vorwurf zu fühlen: denn sic ver teidigte sich lachend: „Maja weiß auch immer so drollige Sachen zu erzählen, das reißt mich stets mit fort." „So — und darf man die lustige Geschichte nicht auch erfahren? Ich könnte ein wenig Aufheiterung ganz gut gebrauchen." Maja wechselte einen raschen Blick mit der Freundin, dann lachte sie übermütig: „Ich weiß zwar nicht, ob es sie interessiert, aber erzählen will ich es gerne, denn es ist wirklich komisch: Als wir nämlich voriges Jahr mit unserer Pensionsvorfteherin den gewöhnlichen Sommerausflug mach ten, da neckten uns die andern immerfort mit einem gewisseil Herrn, der zu bestimmten Stunden täglich an der Schule vorüberging. Da wir, Sylvia und ich, unsere Plätze am Fenster hatten, so konnte es uns natürlich nicht entgehen, und die andern behaupteten mit aller Bestimmtheit, daß er seine schmachtenden Blicke gerade immer nach unserem Fenster richte. Das konnte also nur einer von uns gelten, nur wußte man nicht, welcher. Die übermütige Mädchenschar hörte nicht auf, von dem Herrn, dessen Namen keine kannte, zu erzählen. Insgeheim schwärmten sie alle für ihn. Sie wußten bereits, daß er „himmelblaue" Augen und blonde Locken besaß. Auf dem besagten Ausflug trieben es unsere Mitschülerinnen am buntesten. Als uns endlich die Sache